Johann Most - Fatzkinesisches
Habt ihr schon eine Spatzenschar beobachtet? Was machen diese kleinen Dinger für einen Mordsspektakel?! Ähnlich zwitscherte und quatscherte es in den letzten Tagen in Fatzkina und das Echo dieser multiplizierten Sperlingsade ist bis nach Yenking und Michelsberg jenseits des großen Baches vorgedrungen.
Ja, was gibt es denn, Ihr lieben Leute? Welche Frage! Wißt Ihr denn nicht, daß soeben so eine Art "Schlacht am Birkenbaum" geschlagen wurde? Ha, wie es da rauschte und sauste! Die Regierung wurde besiegt, das Volk, allen voran die Sozialdemokratie, hat einen Riesen-Triumph errungen, und schon holt es zu einem neuen mächtigen Schlage aus.
Potztausend, das ist ja famos. Da hat man also den Ruppigen richtig unter dem Kanonenrad zermalmt, am Ende gar geköpft? Man hat die schwarze, wie die blaue Schandarmerie rauchlos verpulvert, die Truppen ins Schlepptau genommen, jeden Bourgeois nach Klein-Popo gesandt, die Bureaukraten samt ihren Akten eingestampft und den ganzen Sachen-Krempel dem Gemeinwohl überwiesen?!
Wie? Was? Nichts von alledem? - Das Militärgesetz hat der Reichstag abgelehnt! Weiter nichts? - Scheußlich! Nur Geduld - jetzt geht’s zur neuen Wahl, und da verhauen wir den Feind, daß mancher seiner Kandidaten auf der Strecke bleibt. Der Casus macht uns lachen.
Zum Lachen ist es in der Tat, daß sich die biedere Spießerschaft von Deutschland (die proletarischen Parlaments-Michel eingeschlossen) gegenseitig vordeklamieren, sie hätten einmal der kaiserlichen Herrlichkeit gezeigt, was eine Harke ist, indem sie durch ihre Schwatz-Delegaten dem Militär-Moloch den Futterkorb in herkömmlicher Höhe halten ließen. Daß daraufhin die ganze Parlaments-Sippschaft mittelst eines raschen Trittes vor die Kollektiv-Kehrseite aus dem k.k. Debattierklub geschleudert wurde, was so recht die "Macht" dieser allergnädigst geduldeten Spinnstube illustriert, davon spricht man nicht. Man freut sich sogar ganz inniglich, daß man, falls man nicht weiblichen Geschlechtes und auch sonst "unbescholten" ist und seine 25 auf dem Rücken hat, neuerdings - na, was denn? - seiner Persönlichkeit sich entäußern und einen Quatsch-Bahulken nach Berlin entsenden darf.
Diese neue Papelmühle - die wird es den Militärischen schon zivil besorgen. Oder auch nicht! Denn wisset, Ihr Vor- und Rückwärts-Helden -: Eure Kumpane können wieder und wieder mitten unter das Stimmvieh geschleudert werden. Und dann - was liegt denn schließlich an einem kleinen Verfassungsbruch? Was sich nicht nur der große korsische Bandit, sondern auch der kleine Louis Napoleon mit den Franzosen, den Rebellen par excellence, erlauben durfte, davor schreckt ein Fatzke Deutschen gegenüber schon lange nicht zurück, weiß er doch, was sich sein Großvater als Kartätschenprinz-Regent ungestraft dem Preußen-Landtag gegenüber herausnehmen konnte. Der letztere war zwar ungeheuer laut und deutlich - viel lauter und deutlicher, als die heutige SAPerments-Fraktion, aber das Säbelrasseln auf der anderen Seite zog denn doch ganz anders, als der Brustton aller Fortschritts-Meier.
Jedenfalls wird die Preußen-Regierung Deutschlands ihren Willen haben - so oder so - das geben wir jedem schriftlich.
Dann erhebt die sozialdemokratische Fraktion die Fahne der Rebellion.
Wer lacht da?
Tuet Geld in unsere Beutel! Das ist einstweilen das ganze Feldgeschrei der Tageshelden, dieser Eintagsfliegen der Geschichte. Sie vergleichen sich gerne mit den Geusen, aber sie sind nur des gleichen Namens würdig, denn fechten können sie famos - wohlverstanden nicht mit der Flinte, sondern mit dem Klingelbeutel in der Hand. Sogar die Exportierten, welche es in tiefster Seele schmerzt, die heimatliche Stimmviecherei nicht statistisch mitbesorgen zu können, sind bereits an der Bettel-Arbeit. Sie, die nie im Stande sind, auch nur die kläglichsten Orgänchen auf festen Grund zu pflanzen, und die wegen unheilbarem Defizitismus ihrer literarischen Schlafmamsellen nie die Gelder zusammenbringen, gute Bücher unter's Volk zu schleudern, sie werden wieder diverse Tausende von Dollars zur Förderung der deutschen Wahlmanie locker machen. Dies - trotzdem die Herrscher der Sozialdemokratie große Summen Geldes auf der Bank von England haben, ihren Untertanen jahraus, jahrein die letzten disponiblen Groschen aus der Tasche holen, aus ihren Spießer-Journalen klotzige Gewinne ziehen und, obwohl sie sich gegenseitig wahrlich keine schlechten Apanagen zuerkennen (man denke nur an Liebknecht's Lohn für wahre Gehirnerweichungs-Dünste!), überhaupt reichlich mit Mitteln versehen sind, ihre Vorreiter, Ausrufer und Tamtamschläger zu bezahlen. Galle möchte man spucken, wenn man bedenkt, wie da wieder mit den Geldern des Proletariats gehaust werden soll. Und wenn man auch mit Transparenten umherlaufen wollte, auf denen geschrieben steht: "Arbeiter, haltet eure Taschen zu!" - was nützte es? Die Dummen werden ja immer noch nicht "alle". Dem Katholizismus mit seiner "ewigen Glückseligkeit" entronnen, gerieten sie den liberalen Zeitungsfinken mit ihren Bildungs-Phrasen unter die Fittiche; und als sie merkten, daß auch bei solchem Obdach kein Brot in den Magen kommt, konnten sie es sich nicht versagen, den Sirenengesang der sozialen Demagogen von der Stimmurnierung Gehör zu schenken und deren verheißungsvollen Hinum- und Herum-Litaneien mit einem Massen-Y-A-Y-A zu indossieren.
Da stehen sie nun beisammen in Haufen und lauschen der süßen Worte über den Hunger, welche von den Lippen der satten Propheten fallen. Es wird ihnen dabei so wohlig ums Herz, als ob die Zukunfts-Bratwürste nur so durch die Lüfte flögen. Und wenn dann der Klingelbeutel weit geöffnet wird, regnet es die Nickel nur so hinein. Wehe dem, der den guten Leutchen sagen wollte, daß ihr Geld gerade so gut angewendet wäre, wenn sie es ins Wasser schmissen! Mit Stuhlbeinen und Knüppeln würden ihn die sonst so friedlichen Gesellen regalieren.
So nimmt das Unheil seinen Lauf. 60 Tage lang Riesenquatsch, dann Veitstanz um die Urnen, und heraus springen die neuen Kasperle für den alten Politchinellenkasten - vielleicht mehr als je zuvor - endlich große Siegesfeier, die abermals Geld in den Beutel der Partei-Aristokratie bringt, und – ja, damit basta! -
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So wird die schöne Zeit vergeudet.
Wahrlich - wenn es den Parlamentariern der Sozialdemokratie wirklich darum zu tun wäre, die soziale Revolution so bald wie möglich herbeizuführen, wie sie einst laut von sich behaupteten, später aber im Lispelton ihren Getreuen in die Ohren raunten - ihre Politik müßte grundverschieden sein von jener, die sie treiben. Statt das Militärgesetz verzögern zu helfen (abwenden können sie es ja ohnehin nicht), hätten sie einfach dafür stimmen und dieses ihr Tun ganz zynisch motivieren sollen.
Hundertmal behaupten sie doch, daß mit der zunehmenden Frechheit der Regierungen die Chancen des Volkes stiegen. Jede neue Anziehung der Steuerschraube, sagten sie, bedeute ein Vorwärtsschieben der Massen. Weshalb wollen nun die anderweitig so orthodoxen Anbeter der Entwicklungs-Göttin derselben Hindernisse in die Wege wälzen?
Ihr Treiben, Seite an Seite mit den "fortschrittlichen" Spießer- und klerikalen Bauern-Parteien, wirkt wie Opiate.
Es befestigt den Glauben des Volkes an's Parlament, dieser Gifthütte des höchsten aller Schwindel. Es ermattet die Massen in albernen und nichtssagenden Manövern, lenkt sie von den Bahnen revolutionären Strebens ab, verwandelt sie in disziplinierte Marionetten schlauer Zungendrescher und entrückt das Proletariat seinem historischen Berufe der totalen Umgestaltung des Bestehenden.
Aber was reden wir da? - Diese traurigen Macher einer von Hause aus großartig angelegt gewesenen Bewegung wissen nur zu gut, was sie tun und wie sie es treiben. Was liegt ihnen daran, wie die Trittmühle des Parteilebens sich dreht, wenn sie nur nicht in ihrer Gemütlichkeit gestört werden. Die sozialdemokratischen Agitatoren sind zu handwerksmäßigen Politikern herabgesunken. Das ist alles.
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Wer ein vollgewichtiger Sozialdemokrat sein will, der schwört heute schon Stein und Bein darauf, daß "seine" Fraktion aus den Neuwahlen mindestens verdoppelt hervorgehen werde und die Labor Lyceums (Versorgungs-Anstalten für ausrangierte Agitatoren etc. etc. und Zwangs-soff-Institute) machen riesige Geschäfte, indem die Energie, womit die obgedachte Zukunfts- (eigentlich Kuhzunfts-) Hoffnung ausgedrückt wird, trockene Kehlen macht.
Wir sind boshaft genug, ebenfalls ein solches Resultat mit der ganzen Inbrunst, deren unsere maliziösen Seelen fähig sind, herbei zu sehnen.
Je zahlreicher die sozialdemokratischen Debattierbrüder in Fatzke's Bedientenstube landen, desto mehr wird von ihnen erwartet und desto weniger werden sie leisten. Schon der bisherige diesbezügliche Entwicklungsgang hat das bewiesen.
Anfangs, als nur einige wenige Sozialdemokraten auf das Glatteis des Parlamentarismus sich begaben und dabei "Glück" hatten, fühlten sie sich als Hechte im Karpfenteich, machten Radau, wie immer nur sie konnten, und traten so revolutionär wie möglich auf, sodaß der Ruf derjenigen, welche sich in dieser Lage befanden, auf dieses ihr Gebaren zurückzuführen ist.
Später wurden sie - je zahlreicher die Mandate in ihre Hände gelangten, immer "praktischer" - "diplomatischer" - "staatsmännischer". Man hätte sie ja sonst, wie einmal Auer sich ausdrückte, nur noch a la "Bruder Mierecke" behandelt. --
Mehr und mehr verschwand alles aus den Anträgen und Reden der angeblich sozialdemokratischen Abgeordneten, was nach Sozialismus oder gar nach Revolution roch. Man machte sich beliebt, indem man über die Anarchisten schimpfte und rühmte sich sogar, die Bekämpfung derselben besonders energisch (lies hundsföttisch) zu besorgen. Man brüstete sich als Patriot und versprach, wenn das "Vaterland" rufe, das Gewehr zur Verteidigung desselben zur Hand zu nehmen. Man schürte sogar förmlich zum Kriege wider Rußland. Man empfahl Verbesserung der Lage der Unteroffiziere und machte Vorschläge hinsichtlich "praktischerer" Uniformierung der Soldaten. Usw. usw.
Bei dieser Gelegenheit wurden die ehemaligen Schroffheiten im Umgang mit den "Kollegen" der anderen Parteien nach und nach abgeschliffen; man rückte ja mit denselben prinzipiell immer näher zusammen. Starb so ein "Kollege", wie Windthorst, so beteiligte man sich am Leichenbegängnis. So weit gedieh die Vertraulichkeit, daß man unlängst, als Ahlwardt seine Judenflinten-Akten vorlegte, durch welche diverse Reichsgrößen der Boodelei und dergleichen verdächtigt wurden, Bebel um Hilfe betreffs Mohrenwäsche anging, der sie insofern auch gründlich besorgt, als er erklärte, daß alles in bester Ordnung sei. Mein Liebknecht, was willst Du noch mehr?
Im Übrigen kamen allerdings auch mitunter sehr welterschütternde Vorschläge zum Vorschein. So z.B. durch Liebknechts Mund der Antrag auf Nationalisierung der Klistierspritze, des Pillendrehens und Giftmischens, ferner die Befürwortung von gewissen Dampfer-Subventionen, Kornzollfaseleien, Lieder vom "kleinen Mann" (Spießer), platonische Liebäugeleien mit Unfall-, Krankenkassen-, Invaliden-und Bettelsuppen -Pfuschereien der Regierung. Was noch? Wir fragen -: Was noch? Nichts - aber auch rein gar nichts weiter! -
Man verweise uns nicht etwa auf die kürzlichen Debatten über den "Zukunftsstaat", denn wie man sich in dieser Hinsicht großartig blamiert, das haben wir schon, als das Malheur passierte, genügend besprochen. (Wer das Einschlägige nachlesen will, der sage es; wir senden ihm gerne ein Gratisexemplar der betreffenden Nummer unseres Blattes.) Wenn man trotz alledem die Protokolle der fraglichen Debatte als "Agitations"-Material in Deutschland zirkulieren läßt, so beweist das nur, wie herrlich weit in der Verballhornung des Volkes die sozialdemokratischen Fraktionisten es gebracht haben. Armer Michelissimus! -
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Die Breite in der "Vertretung" des Proletariats im Parlament bedeutet wahrlich nicht die Größe derselben, sondern nur deren Flachheit. Schon bei früheren Wahlen haben sich immer traurige Kompromißlereien gezeigt. Die kommende Wahl wird alles in dieser Hinsicht bisher Dagewesene in den Schatten stellen.
Schon von vornherein wird nicht nur bei der Wahlagitation das sozialistische Programm (Prinzip) möglichst tief in die Taschen gesteckt, sondern man schielt überhaupt nur nach solchen (lokalen oder provinzialen) Krähwinkeleien hin, von denen man annimmt, daß durch deren Poussierung möglichst viel Stimmen von beschränkten Köpfen aller Art gewonnen werden können. Agitation? Null! -
Des Weiteren ist es bei den verfilzten Parteiverhältnissen Deutschlands unausbleiblich, daß nur in einem verhältnismäßig kleinen Teil der Wahlkreise im ersten Gang Entscheidungen erfolgen. Es kommt also zu ungemein vielen Stichwahlen. Nichts aber kann korrumpierender sein, als solch ein System. Die reinste Würfelei. Die beiden Meistbegünstigten konkurrieren miteinander und die Stimmer, welche zuvor andere gewählt, geben nur für einen der beiden ihre Stimmen ab. Was ein Mensch von ausgeprägterem Charakter ist, tut das natürlich nicht, sondern packt lieber mit seiner "Stimme" ganz und gar ein. Aber wieviele gibt es von solcher Qualität? Noch keine 3 Prozent. Alle anderen lassen sich hin-und herschieben wie backbereite Semmeln.
Da gibt es denn ein Feilschen und Handeln und Kompromißein und Boodeln sondergleichen. Im einen Wahlkreis hatte der Kandidat der einen Partei den Vorsprung, ein Kandidat einer 3. oder 4., also total außer Spiel gesetzten Partei wird daher gewonnen , "seine" Leute zu bewegen, für den Vorsprungskandidaten zu stimmen. Dieser verpflichtet sich dafür (abgesehen von dem Cash, das er oder seine Partei vielleicht schwitzt), in einem anderen Wahlkreis, wo das umgekehrte Verhältnis der Fall ist, "seine" Genossen zu bewegen, Schuhnägel zu treffen, d.h. für einen Kerl die Stimme abzugeben, der acht Tage zuvor noch als der größte Schuft des ganzen Landes hingestellt worden war.
Demgemäß kommen aus den sogenannten Stichwahlen die Erwählten nicht heraus entsprechend einer prinzipiellen Agitation oder der örtlichen Stärke ihrer Partei, sondern ähnlich, wie sie hätten vermittelst eines Skat oder Pinocle ausgekartet werden können. Auf solche Siege kann man sich dann etwas einbilden - nicht wahr? Die geben des Volkes Wille kund! - Es gehört nicht nur eine eiserne Stirne dazu, solches zu behaupten; man muß geradezu geneigt sein, einem etwas aufgeweckteren Menschen gegenüber als Idiot zu erscheinen. In den sozialdemokratischen (?) Blättern des In- und Auslandes freilich werden regelmäßig solche Prahlereien verübt und die Nachrede zur kommenden Wahl wird wahrlich in keiner geringeren Aufschneiderei bestehen, denn die Meuch-er des gesunden Menschenverstandes, welche in diesen Instituten hausen (zum Grausen), haben mindestens, was Abgebrühtheit anbelangt, ein ebenso dickes Fell, wie irgendein literarisches Reptil in Deutschland oder ein regulärer Bandit der Abruzzen.
Ruhig Blut! Das klingt kurios in unserem Munde, aber wir haben es schon oft für nötig befunden, diesen Ausruf in Anwendung zu bringen. Heute - hinsichtlich der fraglichen Misere - erst recht. Die ganze Geschichte ist an und für sich ein Sturm im Wasserglase, stimmt in erster Linie heiter, wie Figura zeigt, regt aber wie ditto ersichtlich, zu Reflexionen an - manchem, der nicht total vernagelt ist, zu Nutz, anderen, die fanatisch genug sind, sich mit aller Gewalt ins eigene Gesicht zu schlagen, zum Trutz.
So laßt uns denn zum Summa-Summarum kommen!
Fatzke baut sein militärisches "Ideal" auf, wie es seine "Onkels" für nötig halten - anyhow. Die sozialdemokratischen Fraktions-Bahulken ändern daran nicht die Bohne - arme Jungens! Viel Geld wird von deren einheimischen und exportierten Eunuchen in die Luft geschleudert - schau, schau! Daraus ersprießt der Sieg des Zukunftsklosters – ach, wie blau!
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Das Beste ist und bleibt, daß hinter den Bergen auch noch Menschen wohnen, und das sind wir, die Anarchisten. Wir sehen uns den ganzen Rummel in aller Seelenruhe an. Er spielt sich doch so urgemütlich ab, wie jemals eine Aufführung des "Lustigen Krieg" von Strauß. "Nix, wie rinn und 'raus"! Das ist unsere einzige Juxparole. Reichstag - großes Ulktheater, halte doch, bis daß die Posse, die du seither leistetest, abgelöst wird von dem Trauerspiel, dem du mit all' den Hintermännern verfallen wirst, die deine Drähte ziehen, wenn wir einmal der Bühne uns bemächtigen, die die Welt bedeutet.
Nehmt Euch in Acht! Es hat die Weltgeschichte öfter schon den Waschlappisten, Regimentscranks und Verdummungströpfen gegenüber sich gar oberlaunisch ausgewiesen, glaubet uns, es kommt sehr bald der Augenblick, wo Ähnliches aufs Neue sich ereignet.
Der Parlamentarismus kann nur durch den Parlamentarismus zu Grunde gerichtet werden, sagte einmal Lothar Bucher, der schlaue Fuchs, der sehr tief hinter die Kulissen geblickt hatte und daher die Sache gründlich verstand. Durch das Gebaren der sozialdemokratischen Abgeordneten Deutschlands wird schließlich den Arbeitern aller Länder ein Seifensieder aufgehen. Diese Lumperei en gros wird ihnen endlich zeigen, wozu eigentlich das allgemeine Stimmrecht erfunden wurde, wohin diejenigen geraten, welche es in den Strom der Politik schwemmt, und daß das Proletariat durch das parlamentarische Experiment wieder einmal etliche Jahrzehnte lang einen Kreiseltanz aufführte und in seinen Bestrebungen praktisch nicht vom Flecke kam, taktisch aber immer tiefer in den Sumpf hinein geriet.
Am besten wäre es, wenn die Fraktionellen es zur Majorität im Reichstag brächten. Was sie da wohl täten? Die soziale Frage lösen? Nein! Ihren eigenen Selbstmord beschließen. Alles andere wäre ausgeschlossen.
Aus: Johann Most – Marxereien, Eseleien und der sanfte Heinrich. Verlag Büchse der Pandora, 1985. Zuerst erschienen in Mosts Zeitung „Freiheit“ am 13.5.1893. Digitalisiert von www.anarchismus.at