Johann Most - Politisches Delirium tremens

Weder leiden wir gegenwärtig unter Hundstagshitze, noch plagt uns ein eisiger Zugwind a la Alaska - 50 Grad unter Null soll man momentan daselbst verspüren, so man nicht darob erstarrt - und doch scheinen unsere bündigen wie staatlichen Legislativ-Schuster vom Attentatterich sich noch immer nicht erholt zu haben; denn sie bellen da eine "Bill" nach der anderen heraus, daß es jeden Blut- und sonstigen Hund jammern könnte.

Der eine schlug vor, daß jeder "Angriff", also z.B. jede Maulschelle, verübt gegen irgendeinen Regierungsbeamten mit Todesstrafe geahndet werden solle - im "Milderungsfalle"mit Bärenzwinger, vulgo Zuchthaus, bis zu 50 Jahren. Regierungsbeamter! Welch' ein Begriff! Vom Präsidenten in Washington bis zum gouvernementalen Abtrittsfeger der Agentur einer Indianer-Reservation erstreckt er sich - wahrlich das Nonplusultra der Demokratie! Welch' ein Neid mag da in den Dreckseelen türkischer Eunuchen, chinesischer Untermandarinen und russischer Subalternschergen sich entwicklen, wenn sie von solchen Ober- und Unterbüttel-Schutzgesetzen lesen?

Ein anderer Columbia-Chinese wünscht, daß die Immigrationsmauer unübersteiglich gemacht werde für jeden, der draußen an einem Unternehmen beteiligt war, welches den Sturz irgendeiner Regierung bezwecken sollte. Wehe also jedem, der die orientalische Boxertante des "Reichs der Mitte" aus dem Sattel heben wollte! Wehe selbst jedem moderierten Konstitutionscränk, welcher sich an einer Jagd auf den Zarennickel beteiligte! Wehe allen Jungtürken, Feniern und sogar Buren, die es versuchten, die Throne, von denen aus sie tyrannisiert werden, zum Wackeln zu bringen!
Dann erst unser Albanese Eisberg (scheint ein "foreigner-Dutch-Descent" zu sein) - der schoß seinen Vogel ganz und gar dadurch ab, daß er beantragte, es solle ein Gesetz verübt werden, vermöge welchem es möglich ist, "eine Bestrafung derjenigen Person oder Personen herbeizuführen, welche direkt oder indirekt durch Wort oder Schrift andere zu Unruhen anstiften oder ermutigen, oder den Frieden und die Sicherheit der Ordnung der menschlichen Gesellschaft stören oder bedrohen, oder den Sturz der bestehenden Regierungsgewalten herbeizuführen oder die Gesetze des Staates oder der Vereinigten Staaten zu verletzen versuchen."

Fatzke, Burgtrottel, Cleopold und alle sonstigen gekrönten und ungekrönten Mitglieder der Gottesgnaden-Mafia sollen vor Ärger schier geplatzt sein, als sie von einer solchen genialen Quarantäne wider allen und jeden Oppositions-Bazillus hörten, gegenüber welche ihre eigenen Drahtnetze, Fußangeln und Menschen fallen, wie sie ihre Codexe und Indexe contra gesunden Menschenverstand enthalten, die reinsten Humanitäts-Instrumente vorstellen.

Aber weshalb gehen denn diese Reaktions-Kaffern und Ungeistkrebse lange mit der Kirche um's Dorf? Weshalb rücken sie denn nicht "klipp und klar"mit der Sprache heraus? Was sie eigentlich im Sinne haben, ist doch nichts weiter, als die "totale Untergrabung" der Presse-, Rede-, Vereins- und Versammlungs-Freiheit, die Beseitigung der Bundes-Konstitution mit allen ihren einzel-staatlichen Ablegern, die Proklamation polizeilicher Allgewalt, imperialistischer Omnipotenz etc., kurzum der "Hochverrat" an der Republik.

Weshalb also diese Winkelzüge? Weil die Bande nicht den Mut zu ihrem beabsichtigten Verbrechen hat - "meuchlings" will sie das Bißchen Freiheit dieses Landes um die Ecke bringen.

Mister Publicus stellt sich vorerst noch so dämlich an, wie ein Asinus (Jack-ass - amerikanisch gesprochen, Esel auf gut deutsch). Weit und breit denken (d.h.???) die guten Leute und hundsschlechten Musikanten, resp. Leierkästner, der ganze pandämonische Legislativ-Cyclon sei nur dazu angetan, die Anarchisten - +++ - per Schub nach Alaska in Ice Cream oder auf dem Wege der Deportation nach den Philipinen in Tropenfraß zu verwandeln. Wer früge wohl nach diesen Petrol-Dynamiteuren voll Satanstücke, Verschwörungsdrang und Attentats-Verlangen?! Hol' sie der Teufel!

Auch gut - solch ein Volk kann nur durch Schaden klug werden. Wirft man ihm erst einmal die vermeintlichen Anti-Anarchisten-Trümpfe eines Tages ringsumher an die Eselsohren, dann wird es am Ende doch noch munter und merkt, was eigentlich los ist. Also immer raus mit der Katze aus dem Sack! Es leben unsere Freunde (wider Willen), die Feinde!

Aus: Johann Most – Marxereien, Eseleien und der sanfte Heinrich. Verlag Büchse der Pandora, 1985. Zuerst erschienen in Mosts Zeitung „Freiheit“ am 11.1.1902. Digitalisiert von www.anarchismus.at


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