Pierre Ramus - Die Menschheitskrise und ihre Überwindung durch den Anarchismus

Auszügliche Wiedergabe eines Vortrages von Pierre Ramus, gehalten am 15.Mai 1926 in Graz

I.

Man nennt im Krankheitsprozeß diejenige Erscheinung eine Krise, die eine Entscheidung in Bezug auf Genesung oder Verfall des menschlichen Organismus zeitigt. Eine Krise besagt noch nichts über den Ausgang einer Krankheit. Die Krankheit im menschlichen Körper zeitigt nur gewisse Symptome.

Die Menschheit aller Länder wird heute entgegengepeitscht gewissen Entscheidungen, denen sie gewachsen sein wird oder denen sie erliegen muß.

Gegenüber allen Behauptungen, die besonders vom Marxismus aufgestellt werden, haben wir heute den Tatbestand vor uns, daß der Kapitalismus sich gewachsen gezeigt hat allen Anstürmen und nicht unter diesen zusammengebrochen ist, wie Marx und Engels seinerzeit behauptet haben, daß es kommen würde. Der Marxismus gesteht dies schon indirekt ein, innerhalb der eigenen Kreise wird der Bankrott der marxistischen Theorie zugegeben.

Ich ermähne in diesem Zusammenhang hierüber ein Buch, das innerhalb der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung totgeschwiegen wird, das Buch K. Renners: Die Wirtschafft als Gesamtprozeß, in welchem Buche Renner sämtlichen marxistischen Postulaten, in Bezug auf die Krisentheorie, den Mehrwert usw. aber auch den Sozialismus Ade sagt. In diesem Buche wird gezeigt, daß die ganze Entwicklungstendenz des Kapitalismus notwendig sei, daß die Ausbeutung, das Lohnsystem, alle Formen des Monopoleigentums, daß dies alles aufrechterhalten bleibt auch nach der Eroberung der Staatsmacht durch die Sozialdemokratie, und daß die gesamte Entwicklungslehre des Marxismus nicht mehr spruchreif ist und nicht mehr aufrechterhalten werden kann! Die Führer untereinander sind sich einig, daß der Kapitalismus nicht dem Niedergang entgegen geht, sondern daß er die Widerstandskraft besitzt, jene Fiebererscheinungen zu überwinden, die man die Erscheinungen einer Krise nennen kann.

Meiner Auffassung nach gibt es keine Krise des bestehenden Systems; es ist ein Selbsteinlullen in den Schlaf und in eine Träumerei, die sich rächen muß , wenn man dem Proletariat sagt, daß der Kapitalismus sich in einer Krise befindet und zusammenbrechen müsse. Das ist völlig unwahr und unrichtig. Denn alle Krankheitssymptome des Kapitalismus kann dieser auf Kosten der breiten Massen, auf Kosten des Proletariats überwinden Wenn dies gelingt, wird man beobachten können, daß breite Schichten des Volkes auf ein noch tieferes Existenzniveau gedrückt werden. Wir haben es darum gegenwärtig nicht zu tun mit einer Krise des Kapitalismus, sondern wir haben es zu tun mit einer Krise der Menschheit, des Proletariates und im Proletariat. Wir haben es hier nicht mit Akten der Zukunft zu tun, wir leben in dieser Krise gegenwärtig und weil das Proletariat heute noch nicht den Beweis erbracht hat, Herr der Situation werden zu können, so ist die Situation diese: Kapitalismus und Menschheitsfigurationen befinden sich in einem gewaltigen, aber noch unentschiedenen Ringkampf. Hoffnung, daß die Menschheit in diesem Ringkampf siegen und die Krise ihres Bestandes überwinden wird, bietet uns zur Stunde nur der Faktor des Generalstreikes, jenes wichtigsten Kampfmittels des Proletariats, das soeben in England in riesenhafter erstmaliger, wiewohl noch unentwickelter Aufrollung angewandt wurde. Wir leben in einer Menschheitskrise, die zu ihrer Überwindung einer Revolution bedarf.

Will man jener gegenüber Reformen anwenden, So sind wir Anarchisten in dieser Beziehung Pessimisten Wir sagen, es ist nicht wahr, wenn man eich verheißt, daß irgendwelche "Reformen" dem Proletariat in seiner Daseinskrise helfen können, euch Proletarier aus eurem Dilemma hinausführen jede parlamentarisch - staatliche Reform ist nur die Verlängerung der Fottöauer eures Elends und ihr selbst müßt alle Reformen bezahlen. Staatliche Reformen kommen in Wirklichkeit nicht zur Ausführung, ohne daß der Staat die breiten Massen mit neuen Steuern bebürdet, wodurch alles illusorisch wird, was durch jene Reformen bewirkt werden soll. Reformen, selbst wenn sie ehrlich gemeint sind, können unter keinen Umständen den Sitz der sozialen Krankheit erreichen und diesen Sitz muß man beseitigen;  Sie können seit den letzten 30 bis 40 Jahren beobachten, daß das Proletariat durch Reformen nur irregeführt , in den Weltkrieg getrieben wurde, daß es seine Feinde nicht mehr erkennen kann, sondern sich von diesen Feinden hat eine Kappe über den Kopf werfen lassen, and daß die parlamentarisch - politischen und zentralgewerkschaftlichen Führer des Proletariates Hand in Hand mit dem Staate das Proletariat in seinen Idealen verraten haben.

Wenn das europäische Proletariat nicht aktiv eingreift zur Behebung der Menschheitskrise, dann wird es passiv vernichtet werden. Man wird Ihnen sagen, daß dies, was die Anarchisten in Vorschlag bringen - Generalstreik, Inbesitznahme aller Naturschätze, des Grund und Bodens, der Betriebe und Arbeitsmittel durch die Arbeiterschafft - Opfer fordern würde und daß man zu gittern habe, daß der Faschismus nicht komme, man also zufrieden sein solle mit den politischen angeblichen Errungenschaften.

Leute, die so zu Ihnen sprechen, sind bezahlt dafür, das Proletariat einzuschläfern. Wir Anarchisten behaupten, daß der wirkliche Kampf niemals so viele Opfer fordert, wie das Nichtkämpfen; denn es ist der schleichende Tod. Die Gewerkschaftsbewegung Österreichs nimmt wegen ihres Nichtstuns numerisch ab, sie ist seit 1921 um ein Drittel schwächer gewordern. Ich frage Sie nun: Haben wir keinen Faschismus in Österreich, wenn man gegen streikende Arbeiter mit Bajonnetten und Gewehren bereits vorgeht? Wenn man sagt: Kampf benötigt Opfer! so Sagen wir: Ja, gewiß; aber diese Opfer sind federleicht im Vergleich zu denen, die dann kommen, wenn die Massen nicht gekämpft haben!

Als ich bereits vor dem Kriege den Massen sagte, daß ein Krieg im Anzüge sei, waren es die sozialdemokratischen Führer, die mich niederbrüllen ließen in ihren Versammlungen, weil ich darauf verweisen wollte, daß ihre Partei keine antimilitaristische Propaganda betätigte. Sie sagten, dieses Tun würde die Partei ruinieren. Wir Anarchisten haben es als Einzelne gewagt, gegenüber dem Staat, den Massen zu sagen: Seht diese Krise des heranziehenden Krieges! Überwindet sie, sonst werdet ihr überwunden werden! Was war die Folge des NichtSehens?- Der Weltkrieg.

Hätte der Kampf gegen ihn so viele Opfer gekostet, der Kampf gegen den Krieg, der Kampf gegen den Militarismus, der Kampf gegen den Staat - hätte dieser Kampf auch nur den tausendsten Teil der Opfer gekostet die die Arbeiter dann später im Weltkrieg keineswegs für ihre Sache bringen mußten?

Wenn man sich dies vergegenwärtigt, so erkennt man: es ist absurd, davor bange zu machen, daß ein freiheitlich-revolutionärer Kampf Opfer erheischen wird Diese sind nichts im Vergleich zu denen die da fallen durch das Nichtkämpfen; sie sind ein Tropfen im Vergleich zu einem Ozean von Menschenblut, der sich ergießen wird durch das Nichtkämpfen der Massen für ihre eigene soziale Befreiung. Wenn Überzeugungstreue auch nur die geringste Rolle spielt in der Arbeiterbewegung dann muß ein neuer Weg beschritten werden. Es muß sich das vollziehen, was sich in England vollzogen, hat, wo die Führer der Sozialdemokratie auch alles getan haben, um den Generalstreik zu hintertreiben, wo diese Leute - vor allem der als Exminister lebenslänglich pensionierte Macdonald - viel verdient haben an Judaslohn - wo aber, über den Kopf der Führer hinweg, die Arbeiter handelten. Wir können beobachten, wie in England die Solidarität um erstenmal aktiv ins Leben getreten ist. Diejenige Arbeiterbewegung hat dies zustande gebracht, die nicht so stark organisiert ist wie die in Österreich und Deutschland. Dies kann uns ein Beispiel sein. Diese Länder stehen in der Amsterdamer Internationale an erster und zweiter Stelle, England erst an fünfter Stelle. Noch ungünstiger wird das Verhältnis in der englischen Gewerkschaftsbewegung, wenn man die Bevölkerungszahl Englands in Vergleich zieht.

Dennoch kam dort der Generalstreik zustande und nur deshalb, weil die Arbeiter Englands politisch-parlamentarisch kein nennenswerter Faktor sind, weil sie aus ihrem gesunden Egoismus heraus ihre Gewerkschaftsbewegung so aufgebaut haben, daß sie autonom und föderativ kämpfen kann. 4 Millionen Menschen sind auf die Beine gebracht worden zu einem Kampfe, der zum erstenmal in solcher Dimension in der Menschheitsgeschichte da war. In diesem Kampf könnten wir sehen, was die politischen Führer wert sind! Wo ist ihre Hilfe geblieben, was haben sie getan, als die Regierung dazu überging, den Ausnahmezustand zu proklamieren? Was haben die Arbeiterparteiler im Parlament dagegen getan? Haben sie den Charakter gehabt, zu sagen: Mit solchen Schurkentaten des Staatsprinzips können wir Arbeitervertreter uns nicht identifizieren! Wir verlassen das Haus des parlamentarischen Volksbetruges in dem nur Schlechtes gegen das Volk beschlossen wird! - Nichts von alledem ist geschehen.

Während das Volk im Generalstreik hungerte, hat die Regierung ihnen weiter ihre fetten Diäten bezahlt und dafür haben sie nur „parlamentarische Opposition" betrieben, haben sich vor jeder aktiven Solidaritätserklärung mit den Massen in den Straßen fein herumgedrückt. Gerade das hat der englische Generalstreik offenkundig gezeigt: Das Politiker die Massen nur betören können!

Die englischen Arbeiter gehören einem Lande an, das zu den Siegernationen im Weltkrieg zählt. Und doch gerade daraus ist ersichtlich, daß wir Anarchisten recht haben, wenn wir erklären: Die Menschheit befindet sich in einer Krise, nicht Deutschland oder Österreich allein. Denn auch die englischen Arbeiter müssen kämpfen, wenn sie sich vor dem Untergang bewahren wollen. Man frage sich selbst: wo wären wir heute, wenn man 10 Jahre die Idee des Generalstreikes so propagiert hatte, wie man es mit Parlamentarismus und Wahlschwindel getan hat! Dieser erste Strahl von England kann uns mit Gewißheit erfüllen: Die Menschheit wird die Krise überwinden, sie wird im Sinne des Anarchismus handeln, wenn auch vorerst vielleicht unbewußt, weil ihr kein anderer Ausweg übrigbleibt und alle Politikanten Verheißungen abgewirtschaftet haben.

II.

Treten wir den Krisenerscheinungen näher, die entsetzlich dreuend sind, wenn man nicht den Ausblick ins anarchistische Ideal besitzt. Das kapitalistische System hat in seiner Wirtschaftsform vor dem Kriege bestanden, und es ist nur eine Spekulation auf die jüngere Generation, wenn man sagt. Es hat vor dem Kriege keine solchen Krisen gegeben. Aber eines ist Tatsache. Vor dem Kriege besaß die Menschheit eine Produktionsform, die heute nicht mehr vorliegt.

Die Länder, die im Weltkrieg gesiegt haben, haben sämtliche Absatzmarkt: an sich gerissen, Österreich, Deutschland und Rußland sind abgesperrt vom Weltmarkt, die Ententestaaten müssen Deutschland und Österreich mit direkter wie indirekter Kontribution belasten, die vielfach in Rohstoffen bezahlt werden muß. Dies führt dazu, daß die Märkte der Siegerstaaten überflutet werden von einem gewissen Prozentsatz von Zwangslieferungswaren, und daß dort die Produktion herabgedrückt wird.

Eben deshalb befinden wir uns in einer fortdauernd kriegerischen Situation. Staat und Kapitalismus benötigen die Beseitigung eines gewissen Prozentsatzes der Bevölkerung aller Länder. Aber nicht auf natürlichem, sondern unnaturlichem Wege. Damit ist die Fortdauer des Kapitalismus gewahrt; denn es wäre ein annäherndes Gleichgewichtsverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt. Die Staaten wissen es, daß die ökonomischen Verhältnisse ungeordnet sind; denn es hat sich längst herausgestellt: Obwohl im ersten Weltkrieg 12 Millionen Menschen in den Tod getrieben wurden und ebensoviele an das Siechenbett gefesselt sind - noch ist für das Stabilitätsverhältnis der Staaten und des Kapitalismus nicht genügend gemordet worden!

Während der letzten 5 Jahre hat sich eine technische Revolution vollzogen; aber wiederum ist es der Kapitalismus, der einen Widerspruch hineinträgt. In einer anarchistisch-kommunistischen Gesellschaft wäre man entzückt über die Leistungen des menschlichen Geistes; im kapitalistischen System sehen wir 35 Prozent aller Produktionsmittel brach liegen.

Im Ruhrland lagerten im letzten Winter Millionen von Tonnen Kohle, während arme Leute und Arbeitslose in kalten Löchern dahinstarben. Wir sehen im Reiche des Kapitalismus auf der einen Seite wundervolle Erfindungen, auf der anderen Elend und Hunger, weil ein Staat da ist, der da sagt, daß der einzelne Kapitalist darüber zu bestimmen hat, ob eine Fabrik, über die er seine Monopolfuchtel schwingen kann, in Betrieb gesetzt werden soll oder nicht.

Der Kapitalist hat dank dem Staate das private Recht darüber zu bestimmen, ob diese oder jene Maschine stillstehen soll. Der Staat erhalt also ein Privatmonopol der wirtschaftlichen Autorität aufrecht gegenüber der Gesellschaft. Der Kapitalist wird von ihm geschützt. Der Staat sagt: Absatz muß geschaffen werden; geht dies nicht auf friedliche Art, so eben mit Gewalt. Zwischen Staaten gibt es keine Ethik, keine Moral. So muß es zu einem tierischen Kampfe zwischen den Staaten kommen, wenn das Proletariat den Augenblick verfehlt, dem Kapitalismus das Genick zu brechen, indem es sagt: Wir wollen für den Bedarf aller Menschen produzieren, wir lehnenes ab, uns gängeln zu lassen, am Gängelbande des Mammons!

Wenn die Massen nicht so sprechen, ist es für die Staatenwelt normal, daß sie eine kriegerische Auslese erstrebt. Die Untätigkeit der Arbeiterklasse ist die gefährlichste Krise für sie; denn jene ist für die Staaten das Signal, darüber entscheiden zu können, wer der Stärkere ist. Das entscheiden nicht die Herren in Genf. Die Staaten fähren ihre Kriege nicht so durch, daß die einzelnen Vertreter in Genf sagen, sie wollen einen Duellkampf ausführen, der Sieger soll die Oberhand behalten. So gehen die Staaten nicht vor. Sondern sie sagen sich: Wenn die Arbeiterklasse die Krise ihres Lebens nicht erkennt, dann können wir, die Staaten, diese geistig unreifen Menschen dazu gebrauchen, sich gegenseitig umzubringen, um dem stärksten Kapitalismus Ellenbogenfreiheit zu erringen.

Im 17. Jahrhundert gab es einen Mann namens Malthus. Seine Theorie ist falsch, wenn sie auf eine freie Gesellschaft angewendet wird, weil es ein Unsinn ist, zu behaupten, daß die Menschen sich rascher vermehren müssen als die Lebensmittel - jedoch in Bezug auf die staatliche Ökonomie, auf die Monopolwirtschaft, hat Malthus recht gehabt. Im Rahmen des Staates, der Monopo1wirschaft des Kapitalismus ist es richtig, wenn Maltus gesagt hat: die Menschen entwickeln sich wie 1 und 1 ist gleich 2, 2 und 2 ist gleich 4, 4 und 4 ist gleich 8 usw., die Nahrungsmittel nur im Verhältnis von 1,2,3,4. Ein jeder Staat weiß, daß er mit seiner Wirtschaft zu diesem Mißverhältnis gelangt und daß der erste Weltkrieg nur der Anfang einer Serie von Weltkriegen ist, weil er fast nichts von all den Machtproblemen in der Staatenwelt gelöst hat.

Eine der wesentlichen Krisenerscheinungen der Menschheit, besonders Europas, besteht in einer völligen Umschichtung ihrer Lebensbedingungen, welcher Umschichtung sie sich aber noch nicht in Freiheit und Neuschöpfung der wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft anpassen konnte. Es ist ungemein wichtig, sie zu betrachten; denn sie dürfte einer revolutionären Faktor bilden in der bevorstehenden grundstürsenden Änderung, die die soziale Revolution - die einzige Rettung und Genesung der Menschheit bereiten wird.

Seit dem Kriege fehlt es nicht an Schriften, Artikeln und Büchern, die die fundamentalen Veränderungen, die das soziale und politische Leben Europas in der Zukunft über sich wird ergehen lassen müssen, behandeln. Sie gehen von den großen Ereignissen aus, die wir erlebt haben. Eines dieser Werke betitelt sich: „Die sozialen Klassen nach dem Kriege in Europa" . Sein Verfasser ist Amerikaner und heißt L. Stoddart, ziemlich bekannt durch seine Studien über das Erwachen des Orients. „Vor dem Kriege", sagt er, „teilte sich Europa in zwei sehr verschiedene Teile im einen herrschte die Stadt über das Land vor, im anderen war das Verhältnis umgekehrt; die Teilungslinie ging ungefähr von der Elbe bis zur Adria. Man errät, daß sich der industrielle Teil Europas westlich von dieser Linie befand, während der ackerbautreibende Teil im Osten lag. Der Krieg und die Revolutionen, die ihm gefolgt sind, haben die östliche Hälfte Europas viel mehr verändert als die westliche; indessen sind jedoch die sozialen Veränderungen gerade in diesen letzteren Gegenden, die dem Anscheine nach ruhig verblieben sind, sehr tief gewesen. Das rasche Anwachsen der Industrie im 19. Jahrhundert hat in Europa das Stadtleben entwickelt und das Land an die zweite Stelle gerückt. Diese Bewegung ist bis zum Krieg vor sich gegangen, aber seit damals ist sie nicht nur stillgestanden, sondern sie macht einer sehr deutlichen Gegenbewegung Platz. Der Krieg hat der europäischen Industrie einen schrecklichen Schlag versetzt, einen umso härteren Schlag als Amerika und Asien für Europa die erbarmungslosesten Konkurrenten geworden sind. Das industriereichste Land Europas, England, hat seine Exporte um einen großen Prozentsatzsich verringern gesehen, wegen der enormen Konkurrenz, die auf seinen alten Absatzmärkten herrscht.  Die Arbeiterklasse leidet darunter schwer, aber sie leidet nicht allein daran. Diese Lage verarmt auch die Industriebourgeoisie, mit Ausnahme einiger Kategorien, die sich während und dank des Krieges im Gegenteil bereichert haben! Diese „neuen Reichen" bilden andererseits den am wenigsten kultivierten Teil der Bourgeoisie, der den Wert des intellektuellen, wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Lebens am geringsten schätzt, Stoddart vergleicht deshalb auch die Kunstwerke unserer Zeit mit den "letzten Moden" , die man aus England den bereicherten Negern Zentral-Afrikas geliefert hat.

Es gibt drei soziale Kategorien in Europa, die durch den Krieg tief herabgedrückt wurden: die Arbeiter, das Industrie und Intelligenzbürgertum, und schließlich die allerdings nur sehr dünne Schicht der schmarotzerhaften Aristokratie, die der Krieg in manchen Ländern glücklicherweise fast vollständig vernichtet hat. Die Landbewohner dagegen haben infolge der Ereignisse ungeheuer viel gewonnen. Sie waren in Westeuropa durch die Übermacht der Städte bedrückt, in Osteuropa durch die Großgrundbesitzer, die den Boden an sich gerissen hatten. Im „agrarischen" Europa sind jetzt die Bauern vielfach die einzigen Besitzer und Herren des Bodens und ihre soziale und politische Bedeutung ist sehr groß geworden. Was das „städtische" Europa betrift, so wächst der Einfluß des Landes ihm gegenüber und wird von Jahr zu Jahr wachsen, im selben Maße, als die Lage der Industrie immer bedenklicher wird.

Schon heute ist die Zeit abzusehen, wo Europa, da es innerhalb der gebundenen Monopolwirtschaft zu wenige Industrieprodukte haben wird, um sie gegen Getreide einzutauschen, sich in der Notwendigkeit befinden wird, seinen eigenen Ackerbau viel intensiver zu entwickeln, als dies bisher geschehen. Diese Entwicklung macht aber aus dem flachen Lande eine hervorragende, sozial, politisch und ökonomisch ausschlaggebende Macht, den industriellen Einfluß stark zurückdrängend. Daraus wird eine neue Zivilisaton entstehen, eine „bäuerliche Zivilisation". Es wird das entstehen, was Stoddart die „Verländlichung" Europas nennt und Leo Toistoi vorausgesehen hat.

Unzweifelhaft ist diesem der Bauernstand hat dem allgemeinen Ruin am besten widerstanden. Er ist es, der am meisten au€ der Großen Revolution unserer Zeit- insbesondere aus der russischen Revolution - gewonnen hat. Die großen Volksmassen, die in Rußland zu neuem Leben geboren werden, werden nicht ohne Einfluß auf das übrige Europa bleiben, und diese Massen sind Bauernmassen. Der Amerikaner Stoddart spricht nur sehr wenig von diesem bedeutenden Faktor, vielleicht weil er weder Sympathie für den Sozialismus noch für die soziale Revolution hat.

Uns Anarchisten bietet sich aber aus dieser Betrachtung die folgende Zuversicht dar: Große soziale Veränderungen gehen vor sich; sie beweisen uns, daß die Menschheit auch von innen daran arbeitet, die Krise ihres Lebens zu überwinden. Die Massen erkennen die Krise ihres Seins noch nicht, daß sie den heutigen Zustand beseitigen müssen. Erkennen sie dies, dann wird den Staatspotentaten und Monopolisten Einhalt geboten. Die Kapitalisten in England lagen tod am Boden durch den Generalstreik. Wo war die Gewalt der Bestialität, wo der Staat, die Regierung, die sich der Ehrvergessenen im Proletariat bediente, um den Streik niederzuschlagen? Ihr Vorhaben ist ihnen nicht geglückt, wäre ihnen nie geglückt, wenn sich die englische Arbeiterschaft nicht von ihren Führern hätte übertölpeln und verschachern lassen. Trotz der politischen "Freiheiten", die man in England besitzt, geht der englische Staat rücksichtslos gegen den wirtschaftlichen Befreiungskampf der Arbeiterklasse vor.

Dies lehrt: Im Staat müssen Sie den Schützer des Kapitals sehen, gegen den Staat müssen die Menschen kämpfen, einerlei ob er Proletarierstaat oder „sozialer" Staat heißt, dagegen müssen die Menschen aufgerüttelt werden, denn der Staat ist, nach Nietzsche, das kälteste aller Ungeheuer. Er ist darauf erpicht, die Massen zu meucheln im Binnenland und in ausländischen Kriegen, um seine Herrschaft aufrecht zu erhalten. Die Menschheitskrise besteht auch noch darin, daß in allen Ländern zu viel erzeugt, zugleich die Lebenslage, die Konsumption des Proletariats geradezu infam herabgedrückt wird. Anstatt, daß die Massen nun die Produktion über nehmen und sich in das kapitalistische Joch nicht länger zwängen lassen, sagt ihnen der Marxismus in Österreich und Deutschland; „Es könnte noch schlimmer sein, seien wir mit dem Gegebenen zufrieden. Zur Zeit können wir an die soziale Befreiung nicht denken. Wir haben hier eine machtvolle Arbeiterbewegung und haben viel erzielt. Gegenwärtig ist nicht mehr zu erreichen, wir müssen vorerst die Mehrheit und dadurch die Regierungsmacht erlangen."

Ich will Ihnen nun vorallem zeigen, was die Sozialdemokratie erzielt hat. Ich habe hier die statistischen Zahlen, die zeigen wie das Lebensniveau bei uns im Vergleiche zu dem anderer Länder beschaffen ist. Wenn Sie dies hören, werden sie begreifen, daß wir in einer Menschheitskrise der zunehmenden Degeneration uns befinden, in der es nur ein Handeln gibt: Im Sinne des Anarchismus! Oder aber das Proletariat unterwirft sich geknebelt denen, dieses massenhaft vernichten werden.

Wie lebt also heutzutage der Arbeiter in Österreich & Deutschland? Im Vergleiche mit England haben die Deutschen nur 44 Prozent der Löhne der englischen Arbeiter. Der englische Arbeiter hat somit einen Generalstreik unternommen, obwohl er um 66 Prozent besser lebt als der deutsche Arbeiter! Dabei sagt man uns, es sei eine solche Aktion hier nicht nötig. Der österreichische Arbeiter verdient im Verhältnis zum englischen nur 88 Prozent. Dies sind amtliche Ziffern und Zahlen, nicht von Revolutionären aufstellt. Damit man nicht sagt, hier bei uns seien die Produkte billiger als in England, so teile ich Ihnen auch diesen Sachverhalt wie folgt mit. Der Kaufwert des Lohnes ist gegenüber einem englischen Arbeiter in Deutschland 46 Prozent, in Österreich 45,5 Prozent. Wir haben es hier mit einer durchschnittlich 50 prozentigen Schlechterstellung unserer Arbeiterschaft zu tun, und ist dabei noch zu bedenken, daß Österreich und Deutschland die stärkste Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie in der Welt haben! In England besitzen, die strenggläubig marxistischen Sozialdemokraten als Leserkreis für ihr offizielles Organ nur 2.000 Leser. Die dortige maßgebliche, nichtmarxistische, aber tatsächlich reformistisch-sozialdemokratische „Unabhängige Arbeiterpartei" hat eine Mitgliedschaft von rund 300.000 Menschen, bei einer Bevölkerung von rund 50 Millionen.

Tatsächlich werden wir in Österreich und Deutschland einen viel schwierigeren Kampf haben, um die Arbeiterbewegung auch nur auf den Stand zu bringen, den sie in England hat. Denn dort gibt es in der Gewerkschaftsbewegung ein Prinzip der Selbstbestimmung der organisierten Massen, das wir hier nicht haben. Ich meine darunter, daß die Gewerkschaftsorganisationen weniger zentralistisch, als vielmehr föderalistisch-autonomistisch aufgebaut sind. Es gibt dort eine Konzentration der Kräfte, aber keinen mechanistischen Zentralismus, in dem Maß, wie er in unseren Ländern besteht. Zudem haben sie in England als Charakteristikum der dortigen Gewerkschaftsbewegung das Prinzip der absoluten Redefreiheit in allen Zusammenkünften der Mitglieder. Nichtanarchisten haben dort nicht mehr Redefreiheit als Anarchisten. So daß es dort in den Gewerkschaften einen wahren Geisteskampf gibt, während alle gemeinsam den wirtschaftlichen Kampf führen.

Eine weitere Eigentümlichkeit ist diese Eine jede Gruppe behält den Großteil der Gelder in eigener Verwahrung und nur ein kleiner Teil wird abgeführt an die Zentralleitung. Gewerkschaftsversammlungen der Mitglieder bestimmen bezirksweise den Gehalt eines Organisators, der dadurch nur selten höher ist als der Lohn des Arbeiters im Betrieb. Wo in der zentralistischen Gewerkschaftsbewegung Deutschlands oder Österreichs finden sie dies hier? Hat man Sie je gefragt, welche Angestellten Sie haben wollen? Wissen Sie, als organisierte Arbeiter, denen wöchentlich ein hoher Beitrag vom Lohn abgezogen wird, wie viel Ihre Beamten als Gehalt bekommen? Nie haben Sie dieses bestimmt und werden darüber auch nicht befragt. In der zentralistischen Gewerkschaftsbewegung Deutschlands und Österreichs fehlt eben der Grundsatz der Rechtschaffenheit. Nur deshalb ist diese Gewerkschaftsorganisation zentralistisch die noch viele Kämpfe durchmachen müssen wird, um auch nur bis zu der Entwicklungsstufe zu gelangen, die man in England seitdem Generalstreik erreicht hat.

In der englischen Gewerkschaftsbewegung ist das Prinzip der sachlichen Redefreiheit ein heiliges Prinzip; in der österreichischen und deutschen wird jede sachliche Redefreiheit unterdrückt, bei uns mit dem Republikanischen Schutzbund, und die Wortführer der grundsätzlichen Opposition werden ausgeschlossen. Daher kommt es auch, daß nach dem eigenmächtigen Abbruch des Generalstreiks durch den Gewerkschaftsrat - dieser stand leider zu sehr unter dem Einfluß soz.-dem. Politikanten, z.B. von Thomas, Macdonald usw. - die schärfste Kritik gegen diesen eben erhoben wird und in den englischen Gewerkschaftsbewegung erhoben werden kann. Gerade diese Kritik aber dürfte ungemein befruchtend einwirken auf die weitere Entwicklung in England und bei einem kommenden Generalstreik können wir auf eine viel größere Erfahrungsreife und weniger Machtautorität der Führer gefaßt sein, als dies im ersten Generalstreik noch - jeder Anfang ist unvollkommen - der Fall war.

Ich behaupte, die Staaten führen gegenwärtig einen wahren Kankan des Jubels auf über die Einschläferung des Proletariats. Sie Erkennen es. Noch sind die Völker nicht erwacht zum selbständigen Denken. Es ist kein Wunder daß gegenüber solchem Tatbestand gegenwärtig Kriege organisiert werden können. Italien rüstet offenkundig zum Kriege. Die Türkei, die verbündet ist mit Rußland, wird angegriffen werden. Italien will ein Stück von Smyrna, Anatolien und in alldem ist wieder Frankreich verwickelt. Wir können sagen, das Unheil reitet rascher als wir es denken. Amerika hat vor 3 Wochen 34 Milliarden Dollar für Kriegszwecke stipuliert. Auf der Konferenz zu Genua konnten sich die Staaten nicht darauf einigen, auf nur 10 Jahre die Kriegsrüstungen einzustellen. Deutschland, das angeblich abgerüstet ist, wirft enorme Summen aus für seine Rüstungen. Man weiß also, daß es nur ein Phandasiebild ist zu sagen, daß in Amerika kein Heer existiere, ebenso in Deutschland. Der Versailler Vertrag ist durch die Ereignisse, die sich in Polen, Italien, Griechenland usw. zugetragen haben, zerfetzt und zerrissen. In Deutschland können in wenigen Wochen Heere enormster Größe aus den Boden gestampft werden. So daß die Menschen einem Abgrund entgegen jagen, vor dem uns alle nur die soziale Revolution erretten kann: die Vernichtung des Staates, der gleich dem Wagnerschen Drachen das Tor der Glückseligkeit bewacht und die Menschen nicht hineinläßt. Alles andere beamtet nur Pfuschwerk, Verlängerung des gegenwärtigen Elends - und Hungerzustandes.

Verweilen wir kurz einen Augenblick bei den Lehren, die der englische Generalstreick uns hinterlaßen hat. Er wurde niedergerungen, weil das englische Proletariat in seiner Führung nicht geschult war, weil nur durch häufige, praktische Übung möglich ist, sich Erfahrung im Generalstreik Kampf anzueignen. Dazu kommt daß der englische Staat sich unterstützt sah von den Staaten und Regierungen aller Länder, die wohl verstanden, daß das Gelingen des englischen Generalstreiks einen Wendepunkt in der Arbeiterbewegung der ganzen Welt bedeutet: indem das Proletariat die Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit des Parlamentarismus erkennen und durch direkte Aktion zur wirtschaftlichen Selbstbefreiung über gehen würde.

Während sämtliche Staaten der englischen Regierung hilfreich beistanden, haben die Internationalen des Proletariats für den engl. Generalstreik keinerlei Solidaritätsstreik - Aktionen unternommen. Dadurch konnten die Staatsmächte den englischen Staat in den Stand setzen auszuharren. Das Proletariat muß imstande sein, einen Generalstreik so zu führen, daß es nicht an den Rand des Hungertodes gebracht werden kann, daß dagegen die Bourgeoisie und das Staatsprinzip in den Hunger gestürzt werden. Wenn die Arbeiter ihre Gewerkschaftsgelder nicht mehr einer „Arbeiterbank" über geben, daß diese sie großkapitalistischen Unternehmungen und finanziellen Bankkonzernen gegen rein kapitalistische Zinsenbedingungen ausleiht, sondern diese Gelder verwendet zur Anschaffung von Grund und Boden und denselben Arbeitslosen Kameraden zur Besiedlung über lassen oder zur Errichtung von sozialistischen, kommunistischen, genossenschaftlichen, agrar - industriellen Inlandskolonien verwenden - so wird dadurch eine wirtschaftliche Grundlage für die in den Generalstreik tretenden Arbeiter geschaffen, diese in den Stand gesetzt, wochenlang einen Generalstreik zu führen, wodurch die Bourgeoisie praktisch expropriiert (enteignet) wird und die Besetzung der Betriebe sich nach den von der Arbeiterklasse gestellten Bedingungen einer neuen Wirtschaft vollziehen kann. Um dies zu erreichen, müssen die Arbeiter es ablehnen, die Gewerkschaftsgelder für Wahlmandatszwecke der Politiker zu verwenden. Die Gelder sollen vielmehr für ihre sozial-wirtschaftlichen Befreiungsziele gebraucht werden. Wenn das Proletariat nicht in der hier skizierten Richtung handelt, wird die Menschheitskrise, in der wir uns befinden, mit dem Untergang des heutigen Proletariats enden - schon durch die Unaufhaltsamkeit, mit der sonst der nächste Weltkrieg hereinbricht. Dieser ist, wenn Monopolkapital, Staatsautorität, Militarismus und Rüstungsindustrie nicht vollständig besiegt werden, unvermeidlich; denn ein Produktionsfaktor treibt, abgesehen von allen anderen, zum zweiten Weltkrieg (Erdöl).

Das Öl in Form von Benzin u.s.w. bereitet im zunehmenden Maß eine wirtschaftliche Weltrevolution vor, die zu einer ungeheuren Verschärfung der Konflikte zwischen den einzelnen Staaten und den Kontinenten führen muß . Beinahe drei Viertel der gesamten Weltproduktion an Öl befinden sich in Händen der Vereinigten Staaten. Öl ist der unentbehrliche Faktor für die Luftschiffahrt, für die militärischen Flugzeuge und schließlich für die gesamte Produktion. Wenn nicht die soziale Revolution des internationalen Proletariats eine gerechte und friedliche Verteilung dieses Rohstoffes für die gesamte produktive Menschheit durchführt, so treiben rein ökonomisch - kapitalistische Selbsterhaltungsinteressen die Staaten zu einem kriegerischen Weltkonflikt, der einer Ausrottung unserer Proletariergeneration und jenes historischen Augenblickes gleichkommt.

Kein Gott, keine Kirche wird der Arbeiterschaft helfen, keine politische nach Staatsmacht gierende Partei wird ihr beistehen , sich zu befreien - wenn sie sich nicht selbst hilft, um aus dem Dilemma der Gegenwart herauszukommen. Nur die Selbsthilfe geleitet das Proletariat zur Selbstbefreiung.

Wenn die Arbeitermassen an Hand des kommunistischen Anarchismus lernen, die Aktionsmethode des Generalstreiks so zu führen, daß sie die Konzentrationsmöglichkeit der bewaffneten Macht des Staates vernichten; wenn die Arbeiter während des Generalstreiks imstande sind, das staatliche Geld zurückzuweisen, weil sie sagen können: „Wir brauchen euer Geld nicht, Staatsmänner und Kapitalisten! Wir haben unser Mehl, unsere Lebensmittel und wir können warten mit der Wiederaufnahme der Produktion, solange es uns beliebt!" - dann wird es ihnen leicht fallen, die Fabriken zu besetzen, den Grund und Boden zu bebauen und in Gemeinschaftsbesitz zu übernehmen, da die Kapitalisten und der Staat die Zwecklosigkeit jedes Widerstandes erkennen werden, wenn sie wissen, daß siedle Massen nicht mehr ausbeuten können, wodurch das bestehende Ausbeutungs- und Herrschaftssystem für sie nutzlos geworden wäre .

Indem das Proletariat zu dieser Erkenntnis heranreift, den solidarischen Gemeingeist unter sich so pflegt, daß es seine Brüder und Schwestern nicht mehr arbeitslos machen läßt, sondern sie einführt in die Produktionsstätten und dadurch das Kapitalsmonopol sprengt, dadurch erweist es sich auf jenem Kulturniveau stehend, auf dem es den Fortbestand des Herrschafts- und Lohnknechtungssystems verunmöglicht.

Darum - kein Verzweifeln, kein Verzagen! Die Menschheitskrise unserer Zelt ist das dumpfe Glockengeläute der Geschichte, die der arbeitenden Menschheit ihre Mission zuweist. Der Lebensdrang und die Lebenskraft des Proletariates wird die Menschheit ihrer Befreiung zuführen, wie wir Anarchokommunisten sie als gegeben erkennen.

Durch Generalstreik zur sozialen Revolution - zur Überwindung von jeder Herrschaft, jedem Druck und Bütteltum, jedweder wirtschaftlichen Abhängigkeit von Unternehmern und Staatsschmarotzern - nieder mit jeder militaristisch. Gewaltorganisation - im Zeichen dieser Gedanken und Ideen des Anarchismus wird aus dem Schoß der heutigen Menschheitskrise hervorgehen und entstehen die neue Weltordnung der Anarchie, verkündend und verwirklichend: weder Herr, noch Knecht - nur mehr der freie Mensch!

Originalbroschüre erschienen in der "Bibliothek Freie Gesellschaft", Nr. 1. Graz 1929. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek & Archiv Wien. Hervorhebungen des Originaldrucks konnten aus Gründen der Lesbarkeit nicht in diese Online-Version von anarchismus.at übernommen werden. Einzelne sprachliche Aktualisierungen wie Thal zu Tal etc.


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