Habsburgerreich und Österreich
Bis in die späten 1880er-Jahre hatte der Anarchismus einen bedeutenden Einfluss auf die ArbeiterInnenbewegung in der Habsburgermonarchie, die sich starker staatlicher Repression wie Hochverratsprozessen oder Vereinsverboten ausgesetzt sah. Die unterschiedlichen Vorstellungen führten zu einer Spaltung in einen "gemäßigten" und einen "radikalen" Flügel der ArbeiterInnenbewegung. Letzterer erlebte im Zuge staatlicher Repression nach zwei Attentaten auf die für das Spitzelwesen innerhalb der sozialistischen Bewegung zuständigen Polizeibeamten Blöch und Hlubek ab 1884 seinen Niedergang. Über Wien und ArbeiterInnenzentren in Niederösterreich wurde der Ausnahmezustand verhängt, radikale Zeitungen verboten und hunderte "Radikale" verhaftet oder ausgewiesen - 1886 folgte ein eigenes "Anarchistengesetz". In den kommenden Jahren wurde der Ausnahmezustand auf weitere Zentren der ArbeiterInnenbewegung ausgeweitet und teilweise bis 1891 aufrechterhalten. Neben der staatlichen Repression sorgten Grabenkämpfe innerhalb der radikalen Bewegung zwischen zwei Flügeln rund um Josef Peukert und Johann Most für eine weitere Schwächung. Mit dem Hainfelder Einigungsparteitag der Sozialdemokratie 1888/89 konnten sich schließlich die "Gemäßigten" durchsetzen - der Anarchismus verlor gänzlich an Bedeutung und stand fortan im Schatten der rasch erstarkenden sozialdemokratischen Bewegung.
Nach dem Ersten Weltkrieg wuchs der von Pierre Ramus mitgegründete "Bund herrschaftsloser Sozialisten - (Anarchisten)" als größte anarchistische Gruppierung in der Zwischenkriegszeit auf 60 Ortsgruppen und 4.000 zahlende Mitglieder an. Die Reste des pazifistisch ausgerichteten BhS (Bild: BhS-Mitglieder) sollten Austrofaschismus und Nationalsozialismus als politische Bewegung nicht mehr überstehen: Eine Wiedererstehung der alten anarchistischen Bewegungung blieb in Österreich abgesehen von einzelnen kleinen Gruppierungen nach 1945 aus.