Friederike Kempner - Anarchisten

Anarchisten, seid Ihr Geister
Aus der Hölle tiefsten Gründen?
Ist der böse Euer Meister,
Wollt die Menschheit Ihr anzünden?

Bringt Ihr eine Feuerflut?
Ach, Ihr wißt nicht, was Ihr tut!
Kehret in Euch – Recht und Ehre
Sind des Weltalls große Lehre,

Wie der Wahn Euch auch betöre,
Kehrt zurück zu Recht und Ehre!
Scheußlich ist der Meuchelmord,
Furien weilen an dem Ort!

Scheußlicher ist: Feuer zünden,
Ist die ärgste aller Sünden –
Höllenstrafen zu verkünden,
Konnte man nichts Schlimmres finden!

Gift und Mord und Feuerbrand
Sind verdammt von Land zu Land!
Was die Leidenschaft auch meinet,
Was dem Wahnwitz richtig scheinet.

Kehrt zurück zu Recht und Ehre,
Merkt Euch der Geschichte Lehre:
Niemals nützlich war der Mord:
Und es gibt ein ew’ges Dort!

1903


Von www.fembio.org: Friederike Kempner war eines von fünf Kindern des jüdischen Gutsverwalterehepaars Marie und Joachim Kempner. Die Mutter unterrichtete die Kinder selbst. 1844 zog die Familie nach Droschkau in Schlesien; der Vater hatte dort ein Rittergut gekauft. 1868 starben beide Eltern; besonders der Tod der Mutter machte Kempner schwer zu schaffen. In den 60er Jahren hatte sie außer der Tragödie Berenice schon etliche Novellen veröffentlicht – nun schweigt sie fast ein Jahrzehnt. Die wichtigste Publikation nach dem Tod der Eltern sind die Gedichte (1873), die ab 1880 in immer neuen, erweiterten Auflagen erscheinen. Ob die Familie tatsächlich jede neue Auflage aufgekauft hat, um sich nicht immer neuem Spott ausgesetzt zu sehen, ist nicht verbürgt.

Neben der Dichtkunst hatte Friederike Kempner noch eine Reihe anderer Anliegen: Nimmermüde setzte sie sich - aus Angst vor dem Scheintod und dem Lebendig-Begrabenwerden (die zu ihrer Zeit weit verbreitet war) - für die Einrichtung von Leichenhäusern und für die Einäscherung ein. Außerdem kämpfte sie vehement gegen die Vivisektion, die Einzelhaft und den Antisemitismus.


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