Lernen, lieben und leben in Freiheit...
AnarchistInnen wie wir wenden sich gegen jede Form von Herrschaft und wollen eine freie Gesellschaft aufbauen. Wir glauben fest daran, dass ein Leben ohne GruppenleiterInnen, Konzernmultis und Staat möglich ist. Für viele Menschen ist dies unvorstellbar, schnell folgt ein voreiliges "aber das geht doch gar nicht". Und das ist eigentlich auch kein Wunder: ob in Familie, Schule oder Arbeit, von Anfang unseres Lebens werden wir daran gewöhnt, dass andere für und über uns entscheiden, dass es "ungezogen" ist, den Mund aufzumachen und zu sagen, was wir wirklich denken, fühlen und wollen. Doch es geht auch anders! Und in der Vergangenheit hat es immer wieder Menschen und Bewegungen gegeben, die versucht haben, eine freie Gesellschaft aufzubauen, z.B. in der Ukraine oder in Spanien. Wenn Menschen Freiheit wollen und für sie kämpfen, dann kann sie auch entstehen. Und dieses Flugblatt soll helfen, verständlich zu machen, was wir wollen und damit zeigen, dass wir nicht dem Bild gewaltlechzender RandaliererInnen entsprechen, welches herrschende Medien und Politik über uns verbreiten.
Was passt euch denn nicht???
Uns passt es nicht, dass wachsender Reichtum sich immer mehr in Händen weniger bündelt, während es der Vielzahl der Menschen, die für eben diesen Reichtum knechten (vor allem auf der Südhalbkugel!), immer schlechter geht. Uns passt es nicht, dass sich ArbeiterInnen in stinklangweiligen Jobs wie bescheuert abschuften, ohne entscheiden zu können, wie die Arbeit organisiert und was für wen produziert wird. Und uns passt es nicht, dass die Umwelt für steigende Profite und Wegwerfprodukte ausgebeutet, auf Generationen verseucht und zerstört wird, dass wir unter der ständigen Bedrohung durch atomare Vernichtung leben müssen. Uns passt es nicht, dass Frauen auf Sexobjekte oder Mutterrolle reduziert und festgelegt werden: während sie, oft unter Doppelbelastung, den größten Anteil gesellschaftlicher Arbeit leisten, bekommen sie am wenigsten, dienen nur als schickes Aushängeschild von Männern. Uns passt es nicht, dass Kinder ständig bevormundet werden und als Mindermenschen behandelt werden, die erst von Erwachsenen durch Erziehung abgerichtet werden müssen, um Mensch zu sein. Und uns passt es ganz und gar nicht, dass Menschen diskriminiert, ausgegrenzt und weggeschlossen werden: AsylbewerberInnen werden in Asylheime verbannt, sogenannte psychisch Kranke in Irrenanstalten verfrachtet und Kinder in Schulen eingesperrt, wo sie sich weder wohl fühlen, noch lernen können.
Was wir nicht wollen sind Machtübernahmen, bei denen vorgebliche Weltverbesser die herrschende Elite nur gegen die eigenen Leute austauschen und nach ihrer Wahl genau so schlecht weiter verfahren wie die letzte Regierung.
Viele Menschen erheben den Vorwurf gegen uns, dass es nicht reiche, nur immer dagegen zu sein. Und das sind wir auch gar nicht: zu (fast) allen Lebensbereichen sind konstruktive, libertäre Alternativen entwickelt worden, von denen einige auch schon ansatzweise verwirklicht werden konnten...
Was wollt ihr denn..?
Unsere Utopie ist ein von Ausbeutung und Zwang befreites Leben für alle Menschen. In allen gesellschaftlichen Bereichen sollen Menschen selbst bestimmen können, wie ihr Leben aussehen soll, und dadurch Stück für Stück staatliche, autoritäre Strukturen überflüssig machen, z.B. direkte Demokratie statt Wahlen und Parlamenten. Es gibt anarchistische Wirtschaftsmodelle, die statt Konkurrenz und Profitstreben auf freier Vereinbarung und gegenseitiger Hilfe aufbauen. Betriebe und Land sollen den Menschen gehören, die sie brauchen, und auf ihnen soll auch nur das produziert werden, was Menschen sich wünschen und was ökologisch zu verantworten ist. Durch die Abschaffung von Bürokratien, Militär und Rüstungsindustrie, durch die richtige Ausnutzung von Technik und gerechtere Verteilung könnte in absehbarer Zeit die Arbeit für alle und jeden auf zwei bis vier Stunden pro Tag reduziert werden. Es gibt Entwürfe, die Hausarbeit zu sozialisieren, zu einer gleichwertigen Arbeit neben anderen zu machen, an der sich alle Menschen beteiligen und für die nicht mehr länger Frauen verantwortlich gemacht werden. Es gibt Konzepte, wie die Stadt von der Betonwüste wieder in Einklang mit der Natur gebracht werden könnte und ebenso gibt es umsetzbare Entwürfe, die Energieversorgung zu dezentralisieren: Solarenergie, Wind - und Wasserkraft in Händen von kleinen Kommunen könnten schon heute Atom, Kohle und Gas überflüssig machen und so absichern, dass auch in hundert Jahren noch Menschen auf der Erde leben können.
Andere Menschen beschäftigen sich damit, wie das bestehende Strafsystem humanisiert und irgendwann die Knäste abgeschafft werden können. Und wieder andere haben Alternativen zum staatlichen Bildungsunwesen entwickelt, die den Menschen, und nicht dessen Verwertbarkeit für die Wirtschaft, in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört auch ein ganz anderes Verhältnis zu Kindern, in dem kein Raum ist für Gewalt und Erziehung. Menschen sollen sich frei entfalten können, ohne dem Zwang unterworfen zu sein, ein Geschlecht darstellen zu müssen, Mann oder Frau sein zu müssen, ohne auf eine bestimmte Kultur festgelegt zu werden. Dazu gehören auch andere, zärtliche und gewaltfreie Umgangsformen zwischen Menschen, ohne Eifersucht und Unterdrückung, z.B. vernetzte Lebensgemeinschaften unter vielen statt isolierter Kleinfamilien in öden Reihenhäusern.
All das sind nicht schlaue Theorien, die in Schubladen darauf warten, in der nächsten Revolution umgesetzt zu werden. AnarchistInnen wollen sich nicht auf ferne Umstürze vertrösten lassen: schon heute wollen wir etwas von dem vorwegnehmen, was die freie Gesellschaft ausmachen soll, ein Stück unserer Utopie verwirklichen - auch wenn uns dabei vom System enge Grenzen gesetzt sind. Es gibt - leider nur noch wenige - selbstverwaltete Betriebe, anarchosyndikalistische Gewerkschaftssyndikate, Wohngemeinschaften und Landkommunen, Bildungssyndikate, AnArchive und dezentrale Zeitungsprojekte, die sich aus vielen, autonomen Teilredaktionen zusammensetzen. All das sind kleine soziale Experimente, in denen hier und heute versucht werden kann, anders zu leben und Erfahrungen zu sammeln, die sich später als hilfreich erweisen werden.
Und all das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der bunten Welt, welche dich hinter dem Wörtchen Anarchismus erwartet. Vieles von dem, was schon heute sein kann, ist eh nicht in Worte zu fassen - du musst es schon erleben.
Für ein Lernen, Lieben und Leben in Freiheit...
Von: Schwarze Katze, Postfach 41 20, 58664 Hemer, www.free.de/schwarze-katze
Originaltext: http://www.ainfos.de/texte/libertaer.html (Änderung: neue Rechtschreibung)