Emma Goldman - Maria Spiridonowa
Das vorrevolutionäre Rußland stand einzig da in der Hervorbringung von Frauen der revolutionären Bewegung. Vor fast einem Jahrhundert waren es die Dekabristen, deren Frauen ihren Männern in die Verbannung folgten; und dieser Faden spann sich weiter bis in die letzten Stunden des Zarenregimes. Die russischen Frauen nahmen an den heroischen Kämpfen teil, sie gingen mit einem Lächeln auf den Lippen zur Zwangsarbeit oder zum Tode. Unter der großen Anzahl war eine der wunderbarsten Erscheinungen Maria Spiridonowa.
In den Jahren 1905 und 1906 war das Bauerntum Rußlands in großer Bewegung. In der Provinz Tamboff waren die Bauern durch die übertriebene Steuereintreibung und die Brutalität der Behörden sehr erbittert, sie erhoben sich gegen ihre Unterdrücker und steckten einige Güter in Brand. Der Gouverneur von Tamboff, Luschenowsky, weit und breit wegen seines barbarischen Vorgehens berüchtigt, ließ ganze Dörfer durch Kosaken züchtigen. Die Bauern mußten halb nackt stundenlang im tiefen Schnee knieen, während Scharen von ihnen, die aufstanden, niedergemetzelt wurden. Maria Spiridonowa, damals noch ein blutjunges Mädchen, wurde von ihrer Partei, den Sozialrevolutionären, mit der Aufgabe betraut, den Vandalismus, der an den Bauern verübt worden war, durch die Tötung von Luschenowsky zu rächen.
Es war eine schwere Aufgabe. Luschenowsky war wohl bewacht. Mit einer Strafexpedition von Kosaken umgeben, reiste er seit Jahren umher, von Dorf zu Dorf, terrorisierte die Bauern und entzog ihnen das Letzte an Provision, um es für die Kriegführung gegen Japan abzuliefern. Aber all diese Schwierigkeiten schreckten Spiridonowa nicht zurück. Verkleidet als Bäuerin wurde sie Luschenowskys Schatten. Sie hielt sich in Landstraßen und Eisenbahnstationen auf, denn sie war, wie sie erklärte, „auf der Suche“ nach ihrem vermißten Manne, der Soldat war. Sie trotzte allen Gefahren, ertrug Entbehrungen und Kälte und hielt treulich an ihrem Vorhaben fest, ständig auf der Wacht hinter dem Gouverneur her, bis sich endlich eine Gelegenheit bot. Als der Zug, auf dem Luschenowsky sich befand, in die Station einlief, wo Spiridonowa geduldig wartete und er, von seinen Offizieren umgeben, auf den Bahnsteig trat, durchbrach Spiridonowa die Kette der Wache und erschoß ihn. Luschenowsky war tot.
Die russischen Zaren waren in der Behandlung weiblicher Revolutionäre ebenso brutal wie gegen Männer. In dem Falle von Spiridonowa überschritten die Menschenjäger des Zaren Nikolaus jedoch die Methoden von Iwan dem Schrecklichen. In dem Wartesaal der Eisenbahnstation wurde sie bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, ihre Kleider vom Leibe gerissen und dann in die Hände ihrer betrunkenen Wächter übergeben.
Diese machten sich ein Vergnügen daraus, ihren nackten Körper mit brennenden Zigaretten zu verletzen, sie mit Fußtritten zu traktieren und sie schließlich zu vergewaltigen. Mehrere Wochen schwebte sie zwischen Leben und Tod. Schließlich wurde sie zum Tode verurteilt.
Die Nachricht über die Mißhandlungen Spiridonowas brachten in der ganzen Welt Proteste hervor, und dadurch wurde sie vom Schaffot errettet. Das Todesurteil wurde in lebenslängliche Verbannung nach Sibirien umgewandelt. Nach den Angaben von Gerschuny kam sie dort fast als ein „Bündel rohes Fleisch“ an. Durch die Pflege ihrer Kameraden wurde sie im Gefängnis wieder hergestellt. Es blieben ihr jedoch als Folge der furchtbaren Behandlung der sie ausgesetzt war — die Schwindsucht, eine verkrüppelte Hand und außerdem verlor sie die Sehkraft eines Auges. Indes, obgleich ihr Körper geschwächt und gebrochen war, flammte ihr Geist weiter, wie vorher.
Die Februar-Revolution öffnete die Tore für alle politischen Gefangenen Rußlands. Auch Spiridonowa befand sich unter ihnen. Wer beschreibt ihre Freude, als sie die Freiheit begrüßte! Sie wollte jedoch das Gefängnis nicht verlassen, ehe sie die Gewißheit hatte, daß alle politischen Gefangenen befreit würden. Unter dem großen Jubel der Bevölkerung kam Maria Spiridonowa nach Rußland zurück. Sie setzte sich jedoch nicht in den Winterpalast, um sich zu mästen, sie wollte nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen. Sie fand sich selbst in den hohen Wogen der sich türmenden Massenenergien wieder, insbesondere in der Bauernbewegung, denn die Bauern achteten sie und vertrauten ihr. Sie wurde Vorsitzende des Exekutivkomitees des allrussischen Sowjets der Bauernvertreter. Sie begeisterte, organisierte und leitete die neuerstandene Bewegung und Tätigkeit der Bauern. Viele alte Revolutionäre, die jahrelang den revolutionären Boden mit ihren Tränen und ihrem Blute befruchteten, konnten den Zug der neuen Zeit nicht fassen; Maria Spiridonowa jedoch war sich bald klar darüber, daß die Februar-Revolution nur das Vorspiel zu einer größeren und tieferen Veränderung sei.
Als die Oktober-Revolution gleich einer mächtigen Lawine viele der alten revolutionären Kämpfer übermannte, blieb Spiridonowa ihrem revolutionären Glauben treu und hielt sich stets in den Zeiten der größten Not an der Seite des Volkes. Sie arbeitete Tag und Nacht, immer im Dienste ihrer geliebten Bauern.
Sie war die Seele des Landwirtschafts-Departements und arbeitete einen Plan für die Sozialisierung des Landes aus. Das war ein Lebensproblem Rußlands zu dieser Zeit. Wie ihr zarter Körper und ihre schwachen Lungen diese furchtbaren Anstrengungen aushalten konnten, ist in der Tat ein Rätsel. Nur ihre große Willensmacht und beispiellose Ergebenheit konnten sie in dieser schweren Zeit aufrecht erhalten.
Bereits anfangs 1918 wurde Maria Spiridonowa gewahr, daß die Revolution von ihren Freunden stärker bedroht war, als von ihren Feinden. Die Bolschewisten, zur Macht gelangt durch revolutionäre Parolen, die sie teils von den Anarchisten und teils von den Sozialrevolutionären geliehen hatten, schlugen bald andere Pfade ein. Der erste Schritt in dieser Richtung war der Frieden zu Brest-Litowsk. Lenin bestand auf der Bestätigung dieses „Friedens“, nur „um der Revolution eine Atempause zu verschaffen“. Maria Spiridonowa, gleich vielen anderen Revolutionären verschiedener Schulen, für welche die Revolution nicht nur ein Laboratorium für politische Experimente war, bekämpfte diese Bestätigung. Sie alle behaupteten, daß dieser Frieden den Verrat der Ukraine in sich schloß, die gerade damals begeistert und siegreich die deutschen Eindringlinge aus Südrußland vertrieb; daß er ferner die ausschließliche Herrschaft der bolschewistischen Partei über das russische Volk bedeutete, sowie die Unterdrückung aller politischen Bewegungen, daß er außerdem den bittersten Bürgerkrieg zur Folge haben würde, kurz, die Leninsche Atempause würde die vollständige Erstickung der Revolution mit sich bringen.
Auch viele andere Kommunisten waren zu dieser Zeit gegen den Brest-Litowsk-Frieden, denn auch sie sahen die Gefahr, die hierin lag. Sie wurden jedoch bald zur Annahme durch die eiserne Disziplin der Partei gezwungen. Lenin setzte sich durch, und der Leidensweg der russischen Revolution begann.
Noch in Amerika hörte ich viele sich widersprechende Nachrichten über das Schicksal Maria Spiridonowas in Sowjet-Rußland. Bei meiner Ankunft in Rußland zog ich sofort Erkundigungen über sie ein. Mir wurde von verantwortlichen Kommunisten mitgeteilt, daß ihr Nervensystem vollständig zerrüttet, daß sie an hysterischen Anfällen leide und daß sie „zu ihrem eigenen Besten“ in einem Sanatorium untergebracht sei und „die beste Pflege“ genösse.
Ich konnte mit ihr nicht eher als im Juli 1920 zusammenkommen. Sie lebte illegal, d. h. verborgen in Moskau, verkleidet als Bäuerin, genau so wie in den Tagen des Zarismus. Es gelang ihr, sich aus dem „Sanatorium mit der besten Pflege“ zu befreien, das sich als ein bolschewistisches Gefängnis erwies. Ich fand keine Spur von Hysterie bei Maria Spiridonowa. Ich fand eine Person in ihr mit dem größten Gleichgewicht, Selbstkontrolle und der schönsten Ruhe, wie ich sie bis dahin noch nie in Rußland antraf. Volle zwei Tage hielten mich bei ihr fest, um ihre Erfahrungen über die russische Revolution zu hören. Ich vernahm, wie das Volk sich begeistert erhob, die schönsten Hoffnungen und Möglichkeiten an die Revolution knüpfte und dann von der kommunistischen Staatsmaschine ins Elend und in Enttäuschungen hinabgeschleudert wurde. Sie sprach mit bewundernswerter Klarheit und mit großer Kraft der Ueberzeugung.
Jetzt hörte ich auch, daß sie von den Bolschewisten zweimal ins Gefängnis gesteckt wurde. Das erste Mal nach der Ermordung von Mirbach, als die Bolschewisten den 5. Kongreß der Sowjets geschlossen hatten und die gesamte Fraktion der linken Sozialrevolutionäre verhafteten, die von Maria Spiridonowa geleitet wurde. Nach fünf Monaten freigelassen, wurde sie Ende Januar 1919 wieder verhaftet und in ein „Sanatorium“ gesperrt — nicht weil sie hysterisch oder ihr Geist gebrochen war, sondern weil sie nicht den Schmeicheleien zugänglich war und nicht bestochen werden konnte, die sogenannte Diktatur des Proletariats anzuerkennen.
Sie sprach frei und frank zu dem Volke von der Gefahr, die der Revolution von den neuen Politikanten, den Bolschewisten drohte; und das Volk hörte ihr freudig zu. Die Bolschewisten behaupteten der Welt gegenüber, Spiridonowa hätte erklärt, die grimmigen Verfolgungen, die nach der Hinrichtung von Mirbach gegen die linken Sozialrevolutionäre einsetzten, seien darauf zurückzuführen, daß diese die Regierungsmacht zu erobern suchten. Sie verneinte leidenschaftlich und bestimmt, daß ihre Fraktion jemals die Absicht hatte, den Kommunisten die Macht streitig zu machen. Und diese ihre Worte sind durch eine Menge Dokumente belegt.
Spiridonowa und ihre Gesinnungsgenossen sehen in dem Frieden von Brest-Litowsk den größten Verrat an der Revolution. Sie betrachteten die Anwesenheit Mirbachs in Sowjet-Rußlancl als eine Beleidigung und als eine Bedrohung seitens des Imperialismus. Sie forderten offen zur Tötung von Mirbach und zur Erhebung gegen die deutschen Eindringlinge auf. Sie sahen die Revolution in Gefahr. Sie bekannten ihren Glauben offen, nie aber hatten Spiridonowa und ihre Kameraden Kenntnis oder gar Anteil an irgend einem Komplott zur Eroberung der Macht.
Nach der Tötung Mirbachs ging Spiridonowa selbst zur Sitzung des fünften Allrussischen Kongresses der Sowjets, um eine offizielle Erklärung ihrer Fraktion abzugeben. In dieser Erklärung wurde die Notwendigkeit und die Rechtfertigung für den Tod Mirbachs gegeben. Sie und ihre Genossen waren auf alle Folgen, die aus diesem Akte entstehen konnten, gefaßt. Die Bolschewisten verhinderten die Verlesung der Erklärung durch die Schließung des Kongresses und verhafteten die gesamte Bauernpräsentation mit Maria Spiridonowa an der Spitze.
Im September war die Tscheka wieder bestrebt, ihre Notwendigkeit für die Revolution durch eine ihrer periodischen Razzien und Entdeckungen von Verschwörungen zu erweisen. Bei der Razzia, die in Moskau stattfand, wurde der verborgene Aufenthaltsort Spiridonowas zufällig entdeckt. Sie war gerade an Typhus erkrankt und konnte nicht transportiert werden. Das ganze Haus wurde von einer schweren Wache umgeben und niemand von außen zu ihr gelassen.
Nachdem die Krise vorüber war, wurde Spiridonowa, obzwar sie immer noch sehr krank war, in das Gefängnishospital der Ossoby Odell (Geheimpolizei) gebracht. Sie befand sich aber noch in einer solch hilflosen Lage, daß eine ihrer politischen Freundinnen von den linken Sozial-Revolutionären, die sie noch von Sibirien her kannte, zur Pflege zugelassen wurde. Beide wurden der strengsten Bewachung unterworfen und waren von jeder Verbindung mit der Außenwelt abgeschnitten.
Im Juni 1921 gab sie in einem Briefe ein trauriges Bild von ihrem bedauernswerten Dasein. Die ständige Bewachung der „Genossen“ von der Tscheka, die anhaltende Einzelhaft, die Beraubung von geistiger und körperlicher Nahrung vollendeten langsam, was die Foltern in der Zarenzeit nicht fertig brachten. Dazu kommen noch die Halluzinationen, daß sie von den Polizeibütteln des Zaren und den Tschekisten Lenins verfolgt sei.
Schließlich entschloß sie sich, keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen, sie wünschte zu sterben. Die Tscheka drohte ihr zwangsweise Nahrung beizubringen und ließ dann auch auf die Forderung Spiridonowas zwei ihrer intimsten Freunde zu ihr. Diesen, Ismaelowitsch und Kamkoff, die selbst Gefangene waren, gelang es, Maria zu überreden, wieder zu essen.
Während der beiden Kongresse im Juli 1921 in Moskau (der III. Internationale und der Roten Gewerkschaftsintemationale) verteilten die Kameraden Spiridonowas ein Manifest an die ausländischen Delegierten. Dies Manifest wurde dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und der Regierung übersandt und lenkte die Aufmerksamkeit auf den Zustand Spiridonowas. Es wurde ihre Freilassung gefordert, damit sie sich einer ärztlichen Behandlung und Pflege unterziehen könne.
Eine hervorragende ausländische Delegierte des Kongresses der III. Internationale bekam Gelegenheit, sich mit der Sache zu befassen. Sie sprach mit Trotzky in der Angelegenheit und dieser sagte, daß Spiridonowa noch zu gefährlich sei, um entlassen zu werden. Erst später, als Berichte über ihren Zustand in der sozialistischen Presse Europas erschienen waren, hat man sie unter dem Vorbehalt freigegeben, daß sie nach ihrer Genesung die Gefängnishaft nachholen müsse. Ihre Freunde, die sich jetzt ihrer angenommen haben, können nur zwischen der Alternative wählen, sie entweder umkommen zu lassen oder in die „allerbeste Pflege“ der Tscheka zurückzugeben.
Maria Spiridonowa kann nur gerettet werden, wenn man ihr die Möglichkeit gibt, Rußland zu verlassen. Ihre Freunde machten diesen Versuch und forderten dies von der bolschewistischen Regierung, bis jetzt aber vergeblich. 1906 rettete der Protest der ganzen zivilisierten Welt Spiridonowa das Leben. Es ist wirklich tragisch, daß ein ähnlicher Protest sich ihretwegen wieder notwendig erweist. Fern von den wachsamen Augen der Tscheka, von dem Leid und Weh des gequälten Rußland, irgendwo in reiner, freier Bergluft, kann Spiridonowa wohl noch genesen. Sie hat hundertfach Leiden ertragen, kann sie nicht noch dem Leben zurückgegeben werden?
Nachdem dieser Artikel bereits geschrieben war, richtete das Rote Kreuz Rußlands an den Präsidenten der Moskauer Tscheka (die jetzt politische Ochrana heißt) namens Unschlicht, das Ersuchen, Spiridonowa zu gestatten, Rußland zu verlassen. In seiner Antwort soll dieser redliche Verteidiger des bolschewistichen Staates gesagt haben, daß die Verhältnisse in Europa für Spiridonowa schädlich sein würden. Also kann man ihr nicht gestatten, das Land zu verlassen. Diese Entschuldigung Unschlichts ist sehr seltsam angesichts der Tatsache, daß die Verhältnisse in Europa für die Gesundheit der russischen Delegation in Genua keineswegs schädlich zu sein scheinen. Auch die zahlreichen Vertreter der Sowjetregierung in den Hauptstädten Europas sind nicht von den Verhältnissen angesteckt worden. Warum sollen also die europäischen Verhältnisse Maria Spiridonowa schaden?
Unschlichts Grund ist nur einer der vielen unverschämten Ausflüchte, deren sich die Bolschewisten stets bedienen, wenn sie sich aus einer unangenehmen Situation ziehen wollen. Sie sind nicht nur völlig unbekümmert um das Wohlergehen Spiridonowas, sondern haben im Gegenteil alles getan, um sie los zu werden, und sie würden sicher einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen, wenn Spiridonowa ihnen den Gefallen täte, das Zeitliche ganz zu segnen. Nachdem sie vom Ossoby Odell freigegeben wurde, waren es wahrlich nicht die Bolschewisten, sondern das Rote Kreuz und ihre persönlichen Freunde, die für ihren Unterhalt sorgten. Warum also mit einem Male die Fürsorge seitens Unschlichts.
Die Wahrheit in dem Falle Spiridonowas ist unverrückbar. In Rußland ist sie mundtot gemacht, in Europa kann ihre Stimme gehört werden. Herr Unschlicht weiß das, im Kreml weiß man dies auch, deshalb läßt man sie nicht aus Rußland. Die Arbeiter Europas dürfen sich aber mit den Entschuldigungen Unschlichts nicht zufrieden geben. Sie müssen von der bolschewistischen Regierung fordern, Maria Spiridonowa freizugeben. Das ist das wenigste, was ein revolutionärer Arbeiter tun kann für eine von denen, die so anhaltend und heroisch für die Freiheit in Rußland und in der Welt gekämpft haben.
Maria Spiridonowa, die sich weder von der zaristischen noch von der bolschewistischen Regierung bestechen, noch durch Schmeicheleien fangen ließ, sollte von dem revolutionären Proletariat fordern dürfen, daß es ihr aus der „zarten Pflege“ und Fürsorge von Leuten wie Unschlicht und deren Regierung zur Freiheit verhilft.
Spiridonowa, Maria Alexandrowna (1884-1941) – seit 1902 Mitglied der Partei und der Kampforganisation der Sozialrevolutionäre; 1906 zum Tode, dann zu unbefristeter Zuchthausstrafe verurteilt; nach der Februarrevolution 1917 gehörte sie zu den Führern der linken SR, Mitglied des ZK der linken SR; nach der Oktoberrevolution Mitglied des ZIK und Delegierte der III.-V. Rätekongresse; nicht konform mit der Sowjetregierung in der Frage des Brester Friedens; war die moralische Stimme während des Aufstandes der linken SR am 6./7.7.1918 in Moskau; Verhaftung, dann in Anerkennung ihrer revolutionären Verdienste Amnestie; weitere Verhaftungen in den 1920er Jahren, Verbannung nach Taschkent und Ufa, 1937 Verhaftung; wurde am 11.9.1941 mit 300 Gefangenen im Gefängnis in Orjol [und unter ihnen Christian Rakowski] im Zuge der bevorstehenden Evakuierung des Gefängnisses erschossen. (Weggesperrt. Frauen im Gulag, Berlin, K. Dietz, 2009, S. 413)
Aus: Emma Goldman, Die Ursachen des Niederganges der russischen Revolution. Mit einem Vorwort von Rudolf Rocker, Berlin, Der Syndikalist, 1922, S. 69-77.
Originaltext: http://raumgegenzement.blogsport.de/2010/11/02/emma-goldman-maria-spiridonowa-1922/