Die IAA in ihrer Zeit - Die Internationale ArbeiterInnen-Assoziation (IAA) als historisches Überbleibsel

Kampf ums Erbe

Die historische IAA ist entstanden aus einem Wettlauf. Aus einem Wettlauf von im Wesentlichen drei proletarischen Richtungen um die Neukonstituierung einer einheitlichen weltweiten Arbeiterbewegung. Diese sollte in der historischen Schwächephase der vom Kriege ausgezehrten Staaten einen starken Gegenpol bilden zu den sich in der Restaurierungsphase befindlichen kapitalistischen Kräften. Die sozialdemokratische Richtung hatte sich durch ihren „Burgfrieden“ und offene Kollaboration mit den Kapitalisten und Militärs bei einer Vielzahl von Arbeitern ins Abseits geschossen. Sie wollte den Kapitalismus und den Staat nicht abschaffen, sondern die Arbeiterschaft durch verstärkte soziale Maßnahmen und durch das Wahlrecht in das Herrschaftssystem integrieren. Sie hielten bereits im Jahr 1919 ihren ersten Kongreß in Amsterdam ab unter dem Namen „Internationaler Gewerkschaftsbund“ (IGB)

Die zweite Richtung formierte sich auf der Basis der siegreichen Oktoberrevolution in Rußland. Diese marxistisch-leninistischen Bestrebungen manifestierten sich 1919 in der Gründung der „Kommunistischen Internationale“ in Form einer in erster Linie politischen Organisation mit zentraler Führung in Moskau. Ein Hauptaspekt dieser Richtung lag darin, alle proletarischen Kräfte jenseits des IGB zusammenzufassen, einheitlich-zentralistisch auszurichten, und sie in den Dienst des sich konstituierenden Staatssozialismus zu stellen.

Die dritte proletarische Richtung schließlich konnte sich mit keiner der erstgenannten Tendenzen anfreunden, da sie jeden Zentralismus, sprich politisch/militärische wie ökonomisch/kapitalistische Systeme und Diktaturen ablehnte. Sie war syndikalistisch/sozialrevolutionär orientiert und wandte sich gegen die Restaurierung bürgerlicher Herrschaft mittels Sozialpartnerschaft, mittels totaler Staatsherrschaft (wie im bolschewistischen Rußland) und mittels der sich z.B. in Italien, Ungarn oder Spanien abzeichnenden faschistischen Regierungsformen.

Gründung der IAA

Die „Kommunistische Internationale“ versuchte bereits 1919 zum IGB in internationale Konkurrenz zu treten. Um aber auch an eher gewerkschaftlich ausgerichtete Verbände heranzukommen, wurde im Jahre 1921 die Rote Gewerkschafts-Internationale (RGI) gegründet. Diese sollte sich insbesondere um die noch unentschlossene Arbeiterschaft bemühen und dabei der zentralen Führung der „Kommunistischen Internationale“ unterstehen. Wollten die Syndikalisten nun nicht in gegnerische Fahrwasser geraten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihre Kräfte eigenständig zu bündeln und sich inhaltlich klar zu positionieren. Den Zentralisten von IGB und RGI mußte deshalb sehr zügig eine reale Alternative internationaler Arbeiterorganisation entgegengestellt werden, um nicht weitere sympathisierende sozialrevolutionär/syndikalistisch orientierte Verbände und Mitgliedschaften für die eigene Sache zu verlieren. So fand im Dezember 1920 eine erste internationale syndikalistische Konferenz in Berlin statt, maßgeblich organisiert von Vertretern der syndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) unter starkem richtungsweisenden Einfluß Rudolf Rockers. Nach zwei weiteren Vorkonferenzen im Oktober 1921 in Düsseldorf und im Juli 1922 in Berlin wurde zum Jahreswechsel 1922/23 schließlich ein syndikalistischer Internationaler Zusammenschluß konstituiert, die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA).

Berlin wurde als Sitz des IAA-Sekretariats festgelegt mit den Vertretern Rudolf Rocker, Augustin Souchy und Alexander Shapiro. Zur Positionsbestimmung wurde eine von Rocker verfasste Prinzipienerklärung verabschiedet. Fortan vereinigten sich in dieser IAA über 2.000.000 Menschen aus Argentinien, Chile, Dänemark, Deutschland, Holland, Italien, Mexiko, Norwegen, Portugal, Schweden und Spanien. Weitere Sektionen sollten folgen.

Inhalt und Funktion

Je nach Land hatten es die einzelnen Sektionen mit unterschiedlichen Regierungsformen, Kulturen und ökonomischen Verhältnissen zu tun. Daher wurden ihnen größtmögliche Entscheidungsfreiheiten zugestanden. Der Sinn lag nicht in gegenseitiger Beschränkung oder Bevormundung, sondern in gleichberechtigter Zusammenarbeit tatsächlich gewerkschaftlich tätiger Arbeiterorganisationen. Sie wurde als Fortführung der Ersten Internationale (1864-1872) angesehen und stand in der Tradition des Föderalismus und des Anspruchs, daß die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter selbst sein könne und nicht das Werk zentralistischer Organisationen: „Die Organisation der IAA war ganz auf föderalistischen Grundsätzen aufgebaut, wie dies dem Wesen der syndikalistischen Bewegung entsprach, und sicherte jeder Landesföderation ihr volles Selbstbestimmungsrecht, die einzige Basis, auf der ein gedeihliches Zusammenwirken möglich ist.“ (1)

Damit hatte die IAA zwei historische Funktionen:

  1. dem international organisierten Kapital die international geeinte schlagkräftige Arbeiterschaft entgegenzustellen und
  2. jedem Versuch vorzubeugen, die Arbeiterschaft unter zentraler (politischer) Führung auszurichten.


Nach diesen Maßgaben war die IAA offen für alle Arbeiterorganisationen, welche in diesem Sinne zusammenarbeiten wollten. So fanden sich auf den Vorkonferenzen, wie auch beim ersten IAA-Kongreß in Berlin Organisationen mit beratender Stimme ein, welche sich weniger in klassisch anarchistischen Traditionen befanden, wie die unionistische „Industrial workers of the world“ (IWW) oder die antiautoritär-marxistisch orientierte „Allgemeine Arbeiter-Union-Einheitsorganisation“ (AAU-E) aus Deutschland.

Historische Epoche

Zeitlich fiel die Gründung der IAA genau in die Hochphase proletarischer Befreiungskämpfe, welche wir für Europa etwa zwischen den Jahren 1917 (Oktoberrevolution/Weltkriegende) und 1939 (Ende des militärischen Klassenkampfes in Spanien als letzten einsamen Ausläufer) datieren können. Dazwischen erfolgte die Transformation kapitalistischer Herrschaft von politisch demokratischen in faschistische Formen in Italien (1922), Spanien (1923-1930) und Deutschland (1923/33). Genau in diesen Ländern befanden sich jedoch die bedeutendsten IAA-Sektionen Europas, sowohl was die Mitgliedszahlen als auch das organisatorische Fundament anging. Mit der Machtübernahme der Nazifaschisten in Deutschland 1933 und des daraufhin zwangsweise erfolgten Wechsel des IAA-Sektretariats nach Holland hatte die IAA ihre praktische Wirkung weitestgehend eingebüßt. In der Sowjetunion wurden syndikalistische/sozialrevolutionäre Bestrebungen mit der Liquidierung Kronstadts (1921) und der Niederschlagung der Machno-Bewegung (1922) endgültig unterbunden. Als dann das spanische Stadt- und Landproletariat auf allen Ebenen in der Revolution von 1936 die Ziele der IAA zu verwirklichen suchte, befand es sich auf internationaler Bühne bereits in einer nahezu vollständig isolierten Situation. Rückblickend betrachtet lag die einmalige historische Chance des internationalen Proletariats, sich selber zu befreien, etwa in den Jahren 1917 bis 1923. Und exakt in diesem Zeitraum bewegte die Vorbereitung und Konstituierung der IAA, weshalb sie als eine historisch zeitgemäße und bedeutsame internationale Organisation angesehen werden kann.

Niedergang der IAA

Mit dem Abklingen dieser revolutionären Epoche nahm dann auch die Bedeutung der IAA rapide ab. Ihre einzelnen einst mitgliederstarken Sektionen, wie potentielle Mitstreiter wurden über viele Jahrzehnte hinweg ausgeschaltet, z.B. in Deutschland, in Spanien, in Italien, und der Sowjetunion. Als neues informelles Zentrum innerhalb der verbliebenen IAA fand sich die Sveriges Arbetares Centralorganisation (SAC-Schweden), welche an der Europäischen Peripherie weder mit dem Faschismus, noch mit einer Kriegsbeteiligung zu tun bekam. Hier konnte sich der Mitgliederstamm halten, und hierhin emigrierten führende Köpfe des internationalen Syndikalismus. Von hier ging in den 50-er Jahren auch eine den veränderten wirtschaftspolitischen Verhältnissen angepasste Revision des Anarcho-Syndikalismus aus, wobei sich besonders Helmut Rüdiger, aber auch der aus dem Exil in den USA heraus wirkende Rudolf Rocker hervortaten. (2) Letzterer verfasste die Prinzipienerklärung für die SAC. Da die SAC sich organisatorisch dem staatlichen Arbeitslosensystem andiente, um einem Mitgliederverfall zuvorzukommen, trat sie 1957 aus der Rest-IAA aus, gegen deren Prinzipien sie mit dieser Maßnahme verstieß. (3) Auch die deutsche Nachkriegssektion, die Föderation freiheitlicher Sozialisten (FFS) trat nach kurzer Mitgliedschaft in der IAA aus schon 1952 wieder aus, da die IAA als nicht mehr zeitgemäß betrachtet wurde.

Museumsstück

So siechte die IAA, welche nunmehr nur noch rein historische Bedeutung hatte, weitere 20 Jahre vor sich hin, bis nach dem Ende der Franco-Diktatur in Spanien die dortige Sektion der CNT mit mehreren hunderttausend SympathisantInnen wieder auflebte. Doch war die schon lang anhaltende Agonie der IAA nicht mehr aufzuhalten, gerade weil mit der Stagnation bzw. dem Absterben von Organisationen bestimmte Begleiterscheinungen einhergehen, wie verstärktes Mißtrauen, extreme Selbstbezogenheit, Fraktionskämpfe und Prinzipienreiterei. Die Geschichte der zahlenmäßig längst nicht mehr nennenswerten IAA wurde so seit den 70-er Jahren zu einer Geschichte der innerorganisatorischen Spaltungen, gerade in den noch stärksten Sektionen, wie Spanien, Italien oder Frankreich. Das Endstadium scheint erreicht mit der dogmatischen Einkapselung durch eine „reine Lehre“ und mit der Herausbildung einer (informellen) Führungsstruktur in Spanien mit zahlreichen Satellitensektionen in anderen Ländern, welche den Anspruch tatsächlich gewerkschaftlich/syndikalistisch tätiger Vereinigungen nicht erfüllen, geschweige denn über die Mitgliedsstärke einer Schulklasse hinauskommen. Symptomatisch für dieses Einigeln sind auch die Austritte, bzw. Ausschlüsse der jeweils größeren Organisationen innerhalb eines Landes, welche der offiziösen IAA-Linie nicht mehr folgen und sich international schon lange auch anderweitig orientieren, beispielsweise durch die Teilnahme an der Internationalen Solidaritätskonferenz im Jahre 2002 (I 02) in Essen. Die Kontakte laufen bei generell veränderten Kommunikations- und Reisebedingungen (Internet und Personenverkehr) inzwischen weniger über bestimmte Koordinierungsstellen, wie das IAA-Sekretariat, sondern direkter zwischen den Sektionen der einzelnen Länder. Die alte IAA hat sich historisch, wie organisationstechnisch überlebt. Das Leben wie auch die sozialen Kämpfe gehen größtenteils schon lange am starren Organisationsapparat der IAA vorbei neue revolutionäre Wege.

H. (FAU-Bremen)

Anmerkungen:
(1) Rudolf Rocker: Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, S. 315.
(2) Hartmut Rübner: „Eine unvollkommene Demokratie ist besser als eine vollkommene Despotie.“ Rudolf Rockers Wandlung vom kommunistischen Anarchisten zum libertären Revisionisten, in: AGWA, Nr. 15, S. 205-226.
(3) Ahto Uisk: Syndikalismus-Eine Ideenskizze

Aus: Direkte Aktion # 169 – Mai/Juni 2005

Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2009/07/05/die-iaa-in-ihrer-zeit-die-internationale-arbeiterinnen-assoziation-iaa-als-historisches-uberbleibsel/


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