20 Jahre Syndikalismus in Schweden (1930)
(IAA) Im Jahre 1910 versammelte sich in Stockholm zur Zeit der Sommersonnenwende eine Gruppe revolutionärer Arbeiter, Delegierte von Gewerkschaften aus verschiedenen Teilen Schwedens, um die Lage in den Gewerkschaften zu behandeln, die nach großen Kämpfen der Jahre 1907, 1908 und 1909 entstanden war. Bei diesen Kämpfen hatten die Unternehmer alle Aktionen der Arbeiter mit Aussperrungen beantwortet, so dass 100.000 und noch mehr Arbeiter in Not und Elend gestoßen wurden.
Die Arbeiter forderten energische Maßnahmen gegen die Unternehmer, doch die Gewerkschaftsführer würgten alle Versuche der Arbeiter, sich den Arbeitgebern scharf entgegenzustellen, ab. Besonders kennzeichnend war die Lage der Transportarbeiter, die auf ihrem außerordentlichen Kongress im Jahre 1908 beschlossen, den Kampf gegen die Unternehmer fortzusetzen. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, der vor einigen Monaten verstorbene Hermann Lindquist, brachte schließlich die Arbeiter unter der Drohung, im Namen der Landesorganisation den Streik aufzuheben, dahin, das Diktat der Unternehmer anzunehmen. Die Unternehmer ließen sich 1.000 Streikbrecher aus England kommen, doch die schwedischen Arbeiter jagten dieser aus dem Lande. Es kam zu großen Demonstrationen gegen die Streikbrecher in Gothenburg [Göteborg], Norrköping und schließlich zu dem Bombenattentat gegen das englische Streikbrecherschiff ‚Amalthen’ im Malmö, das von unseren Genossen Algot Rosberg, Alfred Stern und Anton Nilson begangen wurde, die dafür zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt und nach elf Jahren Zuchthaus begnadigt worden sind.
Die Transportarbeiter mussten sich dennoch der sozialdemokratischen Wahlpolitik fügen, da sich die Partei ihre Chancen bei den bevorstehenden Reichstagswahlen im Herbst 1908 nicht nehmen lassen wollte.
Im Jahre 1909 drohten die Unternehmer mit einer allgemeinen Aussperrung über das ganze Land, doch die Arbeiter beschlossen, dem Generallockout den Generalstreik entgegenzustellen. Dieser Generalstreik ging jedoch verloren, weil die reformistische Gewerkschaftsleitung nur die kleine Industrie in den Streik zog, während die Eisenbahner, Kommunalarbeiter usw. weiter arbeiteten.
Die Niederlage des Generalstreiks erregte bei den Arbeitern eine starke Verbitterung gegen die reformistischen Kampfesmethoden, und sie verließen in Scharen die Gewerkschaften. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder fiel von 186.226 auf 79.926. Nicht weniger als 106.300 Mitglieder traten aus den Gewerkschaften aus.
Unter diesen Verhältnissen und Eindrücken der verlorenen Kämpfe traten revolutionäre Arbeiter zusammen, um die schwedische Gewerkschaftsbewegung nach neuen syndikalistischen Linien wieder zu neuem Leben zu erwecken. Ehe der Kongreß tagte, fanden in allen Teilen des Landes Konferenzen und Versammlungen der Arbeiter statt, und zur Sommersonnenwende 1910 wurde die Zentralorganisation der schwedischen Arbeiter, SAC, auf syndikalistischer Grundlage aus der Taufe gehoben.
Die neue Organisation hatte von Anfang an mit dem schwersten Widerstand seitens der Unternehmer und der reformistischen Gewerkschaften zu kämpfen, und es wurde ihr von den Gegnern ein baldiger Untergang prophezeit. Doch seitdem sind 20 Jahre vergangen, und der Syndikalismus ist in Schweden eine respektable Macht geworden, die so manchen Erfolg verzeichnen konnte und dem Unternehmertum viel zu schaffen machte. Die von der SAC propagierten Kampfesmittel haben sich in jeder Beziehung der reformistischen Taktik gegenüber als überlegen erwiesen. Der Syndikalismus hat heute in Schweden festen Fuß gefasst und kann nicht mehr erdrosselt werden. Die syndikalistische Bewegung Schwedens ist auf dem Wege zum Aufstieg.
Wir beglückwünschen unsere schwedische Organisation zu ihrem zwanzigjährigen Jubiläum und wünschen ihr, dass sie auch in der Zukunft mit der gleichen Stetigkeit fortschreiten möge, wie sie es in der Vergangenheit getan hat.“
Aus: „Der Syndikalist“, Nr. 35/1930
Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2010/07/06/historisches-dokument-der-syndikalist-zu-20-jahre-syndikalismus-in-schweden/