Cajo Brendel - Kronstadt: Proletarischer Ausläufer der russischen Revolution
Eine rätekommunistische Sicht auf den Kronstädter Matrosenaufstand von 1921.
Vorbemerkung
Der folgende Text ist ein Vortrag, den der niederländische Rätekommunist Cajo Brendel auf dem Kronstadt-Kongreß hielt, der am 11. 5. 1971 im Auditorium Maximum der Westberliner Technischen Universität stattfand. Er wurde, zusammen mit dem Vortrag von Johannes Agnoli vom selben Kongreß, in der Schrift Johannes Agnoli, Cajo Brendel, Ida Mett, Die revolutionären Aktionen der russischen Arbeiter und der Bauern. Die Kommune von Kronstadt, Berlin/W 1974 (Karin Kramer) veröffentlicht. Brendel überarbeitete ihn für die Publikation. Bei der Drucklegung der Schrift verschwand allerdings ein Teil des Textes im Orkus des Umbruchs. Diese Lücke zieht sich seitdem ärgerlicherweise durch sämtliche Wiederveröffentlichungen (zuletzt gesehen auf der verdienstvollen Seite von anarchismus.at). Glücklicherweise ist die englische Übersetzung des Vortrages (zugänglich auf der inzwischen 'gestorbenen', aber von archive.org archivierten Seite des rätekommunistischen Kurasje – Council Communist Archive) komplett, so daß eine Vervollständigung möglich war. Somit liegt hier erstmalig eine vollständige Fassung von Brendels Vortrag vor.
Die Übersetzung des fehlenden Teils in der deutschen Fassung (zwischen Anm. 8 und 11), Ergänzungen zu den Quellen und Anmerkungen des Bearbeiters sind in {geschweiften Klammern}.
Jonnie Schlichting
I.
Die Deutung jener historischen Ereignisse, die vor mehr als fünfzig Jahren als »der Aufstand von Kronstadt 1921« in die Geschichte eingegangen sind (bzw. krampfhaft daraus entfernt wurden), ist aufs engste verknüpft mit der gesellschaftlichen Position des jeweiligen Interpreten oder anders gesagt: sie wird von seiner Stellungnahme zu den in der Gesellschaft tobenden Klassenkämpfen geprägt und bedingt.
Wer die russische Revolution 1917 als eine sozialistische Umwälzung betrachtet, wer die, in den Jahren des Bürgerkrieges gefestigte, bolschewistische Herrschaft für eine proletarische Macht hält, der muß notwendigerweise das, was damals in jener Inselfestung am finnischen Meerbusen vor sich ging, als einen konterrevolutionären Versuch zur Stürzung des jungen »Arbeiterstaates« auffassen. Wer umgekehrt gerade im Auftreten der Kronstädter einen revolutionären Akt erblickt, der gerät früher oder später zu ganz entgegengesetzten Ansichten über die russischen Entwicklungen und über die wirkliche Lage in Rußland.
Das alles scheint selbstverständlich zu sein. Aber es kommt noch etwas mehr hinzu. Der Bolschewismus ist nicht bloß eine Wirtschafts- oder Staatsform, dessen Existenz damals – nicht nur in Kronstadt, sondern auch in Petrograd, in der Ukraine und in großen Teilen Südrußlands – auf des Messers Scheide stand, er bildet gleichzeitig eine in den russischen Revolutionskämpfen gereifte, auf die russischen Verhältnisse zugeschnittene Organisationsform. Nach dem bolschewistischen Oktobersieg wurde und wird sie von den verschiedensten politischen Seiten den Arbeitern aller Länder aufgedrängt. Als sich die Bevölkerung von Kronstadt gegen die Bolschewiki erhob, da hat sie nicht nur die bolschewistischen Machtansprüche entschieden zurückgewiesen, sondern auch die traditionellen bolschewistischen Parteiauffassungen und die Partei als solche in Frage gestellt. Hier liegt der Grund, weshalb jeder Meinungsstreit über organisatorische Probleme der Arbeiterklasse nur allzuoft die Diskussion über Kronstadt miteinbezieht und weshalb jede Diskussion über Kronstadt unausweichlich auch die Differenzen über die Taktik und Organisationsfragen des proletarischen Klassenkampfes offenlegt. Das heißt also: der Aufstand von Kronstadt hat auch nach mehr als einem halben Jahrhundert immer noch eine brennende Aktualität. Wie kolossal auch seine historische Bedeutung sein mag, sie wird weit überragt von seiner praktischen Bedeutung für die heutigen Arbeitergenerationen, für alle, die am proletarischen Kampf teilnehmen. Leo Trotzki war einer derjenigen, der diese Bedeutung nicht verstand. Als er 1938 seinen Aufsatz »Viel Lärm um Kronstadt« veröffentlichte (1), seufzte er: »Man könnte glauben, der Aufstand von Kronstadt hat nicht vor 17 Jahren, sondern gestern stattgefunden.« Gerade um jene Zeit, als er diese Worte schrieb, unternahm Leo Trotzki tagaus, tagein jede erdenkliche Anstrengung, die stalinistische Geschichtsfälschung und die stalinistischen Legenden zu entlarven. Daß er dabei niemals die Grenze der leninistischen Revolutionslegende überschritt, ist eine Tatsache, die wir hier beiseite lassen können.
II.
Der Aufstand von Kronstadt zerstörte einen sozialen Mythos: den Mythos, daß im bolschewistischen Staat die Macht in den Händen der Arbeiter liegt. Weil dieser Mythos unzertrennlich mit der ganzen bolschewistischen Ideologie verbunden war (und bis heute noch ist), weil in Kronstadt mit der Verwirklichung der echten Arbeiterdemokratie ein bescheidener Anfang gemacht wurde, deshalb bildete Kronstadt für die sich an der Macht befindenden Bolschewiki eine tödliche Gefahr. Nicht die militärische Stärke Kronstadts – zum Zeitpunkt des Aufstandes durch den zugefrorenen Meerbusen ohnehin stark beeinträchtigt –, sondern die entmystifizierende Wirkung des Aufstandes bedrohte die bolschewistische Herrschaft, und das sogar stärker, als es je von Seiten der Interventionsarmeen Denikins, Koltschaks, Judenitschs oder Wrangels hätte geschehen können. Aus diesem Grunde waren die bolschewistischen Führer von ihrem Standpunkt aus – oder besser gesagt: infolge ihrer gesellschaftlichen Position (die ihren Standpunkt natürlich bedingte) – einfach gezwungen, ohne Zaudern den Aufstand in Kronstadt niederzuschlagen (2). Während die Aufständischen, wie Trotzki es ihnen angedroht hatte, »wie Fasane abgeknallt« wurden, wurde von der bolschewistischen Führung in ihrer Presse der Kronstädter Aufstand als Konterrevolution bezeichnet. Dieser Schwindel wird seit jenen Tagen von Trotzkisten und Stalinisten gleich eifrig verbreitet und hartnäckig aufrecht erhalten.
Der Umstand, daß in bestimmten, sowohl menschewistischen als auch weißgardistischen, Kreisen Kronstadt offene Sympathie entgegengebracht wurde, verfestigte die trotzkistische und stalinistische Version (3). Eine dürftigere Begründung der offiziellen Legende ist wohl kaum möglich. Hat sich nicht Trotzki selbst in seiner »Geschichte der russischen Revolution« mit vollem Recht über die politischen Kenntnisse und über das gesellschaftliche Verständnis des reaktionären Kronstadtsympathisanten Professor Miljukow stark herablassend geäußert? Nur weil Miljukow und die ganze weißgardistische Presse mit Kronstadt sympathisierten, aus diesem Grunde soll der Aufstand von Kronstadt konterrevolutionär gewesen sein? Wie wäre, dieser Vorstellung entsprechend, die »Neue Ökonomische Politik«, die kurz nach Kronstadt in Rußland eingeführt wurde, zu beurteilen? Der Bourgeois Ustrialow gab ihr ganz offen seinen Segen! Aber das veranlaßte die Bolschewiki keineswegs dazu, die NEP als »konterrevolutionär« zu verschreien. Diese Tatsache ist ebenfalls symptomatisch für die ganze demagogische Art bei der Legendenbildung. Von letzterer möchten wir uns nunmehr abwenden. Sie ist natürlich von Interesse, schon wegen ihrer sozialen Funktion, die jedoch nur aus dem tatsächlichen Verlauf der Ereignisse, aus dem gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß, aus dem sozialen Charakter der russischen Umwälzung heraus verstanden werden kann.
III.
Der Kronstädter Aufstand 1921 bildet den dramatischen Höhepunkt einer Revolution, die ihrem sozialen Inhalt nach kurzerhand als bürgerlich definiert werden muß. Er ist von dieser bürgerlichen Revolution der proletarische Ausläufer, genau so wie unter fast ähnlichen Umständen die Mai-Ereignisse in Katalonien 1937 den proletarischen Ausläufer der spanischen Revolution bilden, oder wie im Jahre 1796 die Verschwörung von Babeuf eine proletarische Tendenz in der großen bürgerlichen französischen Revolution darstellt (4). Daß sie alle drei mit einer Niederlage endeten, hat die gleichen Ursachen; es fehlten jedesmal die Bedingungen und Voraussetzungen für einen proletarischen Sieg. Das zaristische Rußland nahm am ersten Weltkrieg als ein zurückgebliebenes Land teil. Es hatte zwar aus militärisch-politischen Bedürfnissen eine Industrialisierung vorangetrieben und damit die allerersten Schritte auf kapitalistischem Wege zurückgelegt, aber das in diesem Zusammenhang entstandene Proletariat war zahlenmäßig klein im Verhältnis zu der ungeheuren Masse der russischen Bauern. Gewiß, das politische Klima des zaristischen Absolutismus hatte den kämpferischen Geist der russischen Arbeiter außerordentlich gesteigert. Das ermöglichte ihnen, der heranreifenden Revolution ein bestimmtes Gepräge zu geben, konnte aber ihren Verlauf nicht ausschlaggebend bestimmen. Trotz der Existenz der Putilowwerke, der Erdölanlagen im Kaukasus, des Kohlenbergbaues im Donetzrevier und der Moskauer Textilfabriken bildete die Landwirtschaft die wesentliche wirtschaftliche Grundlage der russischen Gesellschaft. Zwar hatte es 1861 so eine Art Bauernbefreiung gegeben, aber trotzdem waren die Überreste der Leibeigenschaft bei weitem nicht verschwunden. Die Produktionsverhältnisse waren feudalistisch und entsprechend war der politische Oberbau; Adel und Klerus waren die herrschenden Klassen, die mit Hilfe der Armee, der Polizei und des Beamtentums ihre Macht in dem Riesenreich des Großgrundbesitzes ausübten.
Demzufolge hatte die russische Revolution des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Aufgabe, den Feudalismus mit seinen sämtlichen Begleiterscheinungen – wie die der Leibeigenschaft – aufzuheben. Sie sollte die Landwirtschaft industrialisieren und unter die Bedingungen der modernen Warenproduktion stellen, sie hatte alle feudalen Ketten der bestehenden Industrie zu lösen. Politisch hatte diese Revolution die Aufgabe, den staatlichen Absolutismus zu zerschlagen, die Bevormundung durch den Feudaladel aufzuheben und eine Regierungsform und eine Staatsmaschine zu entwickeln, die die Lösung der wirtschaftlichen Aufgaben der Revolution politisch garantierten. Es ist klar, daß diese wirtschaftlichen und politischen Aufgaben mit jenen übereinstimmten, die im Westen die Revolutionen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts zu erfüllen hatten (5). Nur wurde die russische Revolution – wie später die chinesische – durch ihre besondere Eigentümlichkeit charakterisiert. In Westeuropa, vor allem in Frankreich, war die Bourgeoisie die Trägerin des gesellschaftlichen Fortschritts, die Vorkämpferin des Umsturzes gewesen. Im Osten war sie, aus dem schon erwähnten Grunde, schwach. Dazu waren ihre Interessen mit denen des Zarismus eng verbunden. Das heißt, die bürgerliche Revolution in Rußland mußte ohne die Bourgeoisie und sogar gegen sie vollzogen werden.
IV.
Lenin hat die Eigentümlichkeit der russischen Revolution sehr genau erkannt. »Die Marxisten«, schrieb er, »sind vom bürgerlichen Charakter der russischen Revolution unbedingt überzeugt. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß jene demokratischen Umgestaltungen der politischen Ordnung und jene sozialökonomischen Umgestaltungen, die für Rußland notwendig geworden sind, an und für sich nicht nur keine Untergrabung es Kapitalismus, keine Untergrabung der Herrschaft der Bourgeoisie bedeuten, sondern daß sie umgekehrt zum ersten mal gründlich den Boden für eine breite und rasche … Entwicklung des Kapitalismus säubern …« (6) Anderswo heißt es: »Der Sieg der bürgerlichen Revolution bei uns ist unmöglich (als) Sieg der Bourgeoisie. Das scheint paradox zu sein, ist aber so. Die vorherrschende Bauernbevölkerung, ihre fürchterliche Unterdrückung vom halbfeudalen Großgrundbesitz, die Kraft und das Bewußtsein des schon in der sozialistischen Partei organisierten Proletariats, alle diese Umstände verleihen unserer bürgerlichen Revolution einen besonderen Charakter. Diese Besonderheit beseitigt nicht den bürgerlichen Charakter der Revolution.« (7)
Seine Bemerkung haben wir hier allerdings hinzuzufügen: die Partei, von der hier Lenin spricht, war weder sozialistisch, noch konnte man behaupten, daß das Proletariat in ihr organisiert wäre. Es stimmt natürlich, daß sie sich von den sozialdemokratischen Parteien des Westens, die vom Boden des bürgerlichen Parlamentarismus aus loyale Opposition betrieben und die Umwandlung der kapitalistischen in die sozialistische Gesellschaft mit allen Mitteln zu verhindern suchten, in mancherlei Hinsicht unterschied, aber nicht im sozialistischen Sinne. Die Partei Lenins strebte in Rußland nach einer revolutionären Veränderung der Verhältnisse, aber es handelte sich dabei um eine Revolution, die sich, wie Lenin ja selbst auch zugibt, in anderer Form im Westen längst vollzogen hatte. Diese Tatsache blieb für die russische Sozialdemokratie im allgemeinen und für die bolschewistische Partei im besonderen nicht ohne Einfluß.
Lenin und die Bolschewiki waren der Auffassung, daß kraft der Klassen Verhältnisse in Rußland ihrer Partei die Rolle der Jakobiner zukomme. Nicht ohne Grund definierte Lenin den Sozialdemokraten als »einen mit den Massen verbundenen Jakobiner«; nicht ohne Grund schuf er seine Partei als ein Komitee von Berufsrevolutionären; nicht ohne Grund erblickte er in seiner Schrift »Was tun?« ihre Aufgabe in dem Kampf gegen die Spontaneität.
Als Rosa Luxemburg zu Anfang dieses Jahrhunderts diese Auffassungen kritisierte, hatte sie recht, gleichzeitig jedoch auch unrecht. Recht hatte sie insofern, als die leninistische Verschwörerorganisation mit den natürlichen – d. h. aus dem, beim Kapitalverhältnis vorausgesetzten, Klassengegensatz emporwachsenden – Organisationsformen der kämpfenden Arbeiter nichts zu tun hatte. Was sie aber übersah – und damals wohl auch übersehen mußte – war, daß es einen solchen Kampf der Proletarier im modernen Sinne in Rußland entweder nur in sehr kleinem Ausmaß oder überhaupt nicht gab. In Rußland, wo die Aufhebung des Kapital Verhältnisses und der Lohnarbeit nicht auf der Tagesordnung stand, handelte es sich um einen anderen Kampf. Für diesen Kampf war gerade die bolschewistische Partei am meisten geeignet. Sie erfüllte ganz und gar die Bedürfnisse der Revolution, die ihr bevorstand. Daß die Organisationsform dieser Partei – der sogenannte demokratische Zentralismus – mit der Diktatur der Zentrale über die Masse ihrer Mitglieder enden würde (wie Rosa Luxemburg es vorhergesagt hatte), hat sich als durchaus richtig erwiesen, und das gerade war in jener »bürgerlichen Revolution mit ihrem besonderen Charakter« erforderlich.
V.
Die bolschewistische Partei holte sich ihre geistigen Waffen beim Marxismus, der einzigen radikalen Theorie, bei der sie zur Zeit anknüpfen konnte. Dieser aber war der theoretische Ausdruck eines hochentwickelten Klassenkampfes, wie ihn Rußland nicht kannte und für den in Rußland auch das richtige Verständnis fehlte. So geschah es, daß das, was sich auf russischem Boden als »Marxismus« entwickelte, mit dem Marxismus nur den Namen gemein hatte, in Wirklichkeit aber dem jakobinischen Radikalismus eines Auguste Blanqui zum Beispiel viel näher stand als den Auffassungen von Marx und Engels. Mit diesem Blanqui hatte Lenin u. a. – wie auch Plechanow – jenen, den dialektischen Materialismus fernstehenden naturwissenschaftlichen Materialismus gemein, der in Frankreich, am Vorabend der großen, klassischen Revolution, die Hauptwaffe im Kampf gegen Adel und Religion gewesen war. In Rußland herrschten eben ähnliche Verhältnisse wie im vorbürgerlichen Frankreich.
Der Marxismus, so wie Lenin ihn verstand – und verstehen mußte –, ermöglichte ihm einen tiefen Einblick in die wesentlichen Probleme der russischen Revolution. Derselbe Marxismus versah die russische bolschewistische Partei mit einem Begriffsapparat, der sowohl zu ihren Aufgaben als auch zu ihrer Praxis im krassesten Widerspruch stand. Das bedeutet, wie Preobraschenski 1925 auf einer Moskauer Gouvernementskonferenz öffentlich eingestand, daß der Marxismus in Rußland zu einer Ideologie geworden war. Selbstverständlich war die revolutionäre Praxis der russischen Arbeiterklasse – soweit es sie gab – mit der Praxis der, die Interessen der bürgerlichen russischen Revolution als ein Ganzes vertretenden, bolschewistischen Partei durchaus nicht im Einklang. Als sich 1917 die russischen Arbeiter erhoben, gingen sie, entsprechend ihrer Klassennatur, weit über die Schranken der bürgerlichen Umwälzung hinaus; sie versuchten, ihr eigenes Los zu bestimmen und ihren eigenen Willen als Produzenten mit Hilfe ihrer Sowjets, ihrer Räte, durchzusetzen. Die Partei, die »immer recht« hat und der Arbeiterklasse den Weg zeigen soll, den diese selbst, wie die Führer behaupten, ohne die Partei nicht finden kann, hinkte hinterher. Sie war gezwungen, die Räte einstweilen ebenso anzuerkennen wie die Tatsache, daß eine breite Bauernschicht existierte. Weder das eine noch das andere entsprach ihrer Doktrin, die das Ergebnis sämtlicher revolutionärer Bedingungen war. Weder für die eine noch für die andere revolutionäre Praxis gab es in Rußland auf die Dauer die materiellen Voraussetzungen oder eine soziale Grundlage.
VI.
Was geschah, war folgendes: der Kapitalismus (kaum entwickelt) wurde nicht gestürzt; es blieb die Lohnarbeit, von der Marx bekanntlich gesagt hat, sie setze das Kapital voraus, wie umgekehrt seinerseits das Kapital die Lohnarbeit voraussetze. Nicht die russischen Arbeiter bekamen die Verfügung über die Produktionsmittel, sondern sie fiel der Partei (oder dem Staat) zu. Der russische Arbeiter blieb demzufolge Mehrwertproduzent. Daß der Mehrwert nicht einer Klasse von Privatkapitalisten zufloß, sondern dem Staate bzw. den den Staat bestimmenden Parteiinstanzen, bedeutete zwar, daß die wirtschaftliche Entwicklung Rußlands – infolge der Abwesenheit einer bürgerlichen Klasse – andere Wege ging als die im Westen, änderte aber nichts an der Position des russischen Arbeiters als Ausbeutungsobjekt oder Lohnsklave. Von einer Machtausübung durch die Arbeiterklasse kann keine Rede sein. Der zaristische Staat war zwar zerbrochen, aber an seine Stelle war nicht die Rätemacht getreten. Die von den Arbeitern Rußlands spontan gebildeten Räte wurden von der bolschewistischen Regierung so schnell wie möglich, d.h. bereits im Frühsommer 1918, entmachtet und zu völliger Bedeutungslosigkeit verurteilt. Die wirtschaftliche Grundlage des Landes bildete, anstelle der früheren Leibeigenschaft oder der Knechtschaft halbfeudaler Form, die ökonomische Sklaverei, von der Trotzki 1917 schrieb, sie sei »unvereinbar mit der politischen Herrschaft des Proletariats«. Diese These war richtig, jedoch bedienten sich die Bolschewiki – nachdem sie zu Unrecht ihre Herrschaft als die der Arbeiterklasse ausgaben – der politischen Herrschaft, um angeblich die Unterdrückung der russischen Proletarier aufzuheben. Aber aufgrund des Fehlens einer wirklichen Arbeitermacht entwickelte sich die politische Herrschaft nicht in ein Befreiungs-, sondern in ein Unterdrückungsinstrument. Im bolschewistischen Rußland herrschte zwischen dem Ausbruch (8){der Februar-Revolution und der gewaltsamen Eliminierung von Kronstadt und der Einführung der Neuen Ökonomischen Politk eine Situation, die der der Februar-Revolution von 1848 in Frankreich ähnelte. Marx kommentierte diese Revolution wie folgt: »In Frankreich tut der Kleinbürger, was normalerweise der industrielle Bourgeois tun müßte; der Arbeiter tut, was normalerweise die Aufgabe des Kleinbürgers wär, und die Aufgabe des Arbeiters, wer löst sie? Niemand. Sie wird nicht in Frankreich gelöst, sie wird in Frankreich proklamiert.« (9) Auch in Rußland wird diese Aufgabe nur proklamiert. Mit dem Kronstädter Aufstand jedoch kam der revolutionäre Prozeß – für den der Oktober lediglich die Bühne lieferte – zu einem Abschluß. Kronstadt war der revolutionäre Moment, an dem das Pendel am weitesten nach links geschwungen war. In den vorhergehenden vier schicksalhaften Jahren hatte sich ein tiefer Riß offenbart zwischen der Bolschewistischen Partei und der Bolschewistischen Regierung einerseits und andererseits der russischen Arbeiterklasse. Dies wurde immer offensichtlicher, je mehr sich der Gegensatz zwischen dieser Regierung und den Bauern offenbarte. Zusätzlich gab es den Widerspruch zwischen den Arbeitern und Bauern, der unter dem Mantel der sogenannten Smytschka, das heißt dem Klassenbündnis zwischen beiden, zum Schweigen gebracht wurde. Für unsere Sichtweise kann der Widerspruch zwischen den Bauern und der bolschewistischen Regierung vernachlässigt werden. Wir erwähnen ihn beiläufig, weil die vielfältigen Widersprüche zwischen Arbeitern, bolschewistischer Regierung und Bauern die Notwendigkeit der Parteidiktatur erklären.
VII.
In der Zeitspanne zwischen dem Ausbruch der Revolution und den Ereignissen von 1921 war die russische Arbeiterklasse in einen ständigen Kampf verwickelt. Im Verlauf des Jahres 1917 entwickelte sich dieser Kampf weiter als die Bolschewiki beabsichtigten. Zwische März und Ende September 1917 gab es 365 Streiks, 38 Fabrikbesetzungen und 111 Entlassungen von Betriebsleitern (10). Die bolschewistische Parole »Kontrolle der Produktion durch die Arbeiter« mußte unter diesen Umständen scheitern. Die Arbeiter enteigneten die Produktionsmittel in Eigeninitiative, solange, bis das Dekret über die Arbeiterkontrolle, das am 14. November 1917 erlassen wurde, nur eine Woche nach der Machtergreifung der Bolschewiki (!), diese Aktivitäten beendete. Nach dem Mai 1918 konnten ‘Nationalisierungen’ nur noch vom zentralen Wirtschaftsrat vorgenommen werden. Kurz zuvor, im April 1918, war die persönliche Verantwortung der Betriebsleiter wieder eingeführt worden: sie mußten nicht länger ihre Entscheidungen vor ‘ihren’ Arbeitern rechtfertigen.
Die Fabrikräte waren im Januar 1918 liquidiert worden. Bald danach, sobald der sogenannte Kriegskommunismus überwunden worden war, machten sich die Gesetze einer warenproduzierenden Gesellschaft bemerk}bar (11). Lenin seufzt: »Das Steuer entgleitet den Händen … der Wagen fährt nicht ganz so, und häufig ganz und gar nicht so, wie derjenige, der am Steuer sitzt, sich einbildet.« Eine russische Gewerkschaftszeitung berichtet, daß es 1921 477 Streiks gegeben hat mit insgesamt 184.000 Streikenden. Einige andere Zahlen: 1922 – 505 Streiks mit insgesamt 154.000 Streikenden; 1924 – 267 Streiks, davon 151 in Staatsbetrieben; 1925 – 199 Streiks, davon 99 in Staatsbetrieben (12).
Die Zahlen beweisen einen langsamen Rückgang der Aktivitäten. Die ganze Bewegung erreicht 1921, zur Zeit des Aufstandes von Kronstadt, ihren Höhepunkt. Am 24. Februar 1921 streiken die Petrograder Arbeiter. Sie fordern: Freiheit für alle Werktätigen; Aufhebung aller Sonderdekrete; freie Wahlen für die Sowjets. Es sind die gleichen Forderungen wie die, die nur wenige Tage später auch in Kronstadt erhoben werden. Eine allgemeine Unruhe hat das Land erfaßt. Um die Jahreswende 1920/21 ist das bolschewistische Rußland der Schauplatz einer tiefen Auseinandersetzung. Unmittelbar geht daraus die von zwei ehemaligen Metallarbeitern geführte »Arbeiter-Opposition« hervor. Sie verlangt die Ausschaltung der bolschewistischen Partei, Aufhebung der Parteidiktatur und ihre Ersetzung durch die Selbstregierung der produzierenden Massen. Mit einem Wort: sie verlangt Rätedemokratie und Kommunismus!
Die allgemeine russische Lage wurde wenig später in dem schon erwähnten Kronstadtdokument ebenso knapp wie treffend charakterisiert: »Durch eine gerissene Propaganda wurden die Söhne des werktätigen Volkes in die Reihen der Partei gezogen und dort an die Kette einer strengen Disziplin gelegt. Als sich die Kommunisten dann stark genug fühlten, schalteten sie zuerst Schritt für Schritt die Sozialisten anderer Richtungen aus, und schließlich stießen sie die Arbeiter und Bauern selbst vom Ruder des Staatsschiffes weg, fuhren aber gleichzeitig fort, das Land in deren Namen zu regieren.« (13) Februar 1921 kommt es in Petrograd zum handfesten Protest. Durch die Vororte der Stadt ziehen proletarische Demonstrationszüge. Die Rote Armee erhält den Befehl, sie auseinanderzujagen. Die Soldaten weigern sich, auf die Arbeiter zu schießen. Die, Parole heißt: Generalstreik! Am 27. Februar ist er eine Tatsache. Am 28. Februar treffen zuverlässige, regierungstreue Truppen in Petrograd ein. Die Streikführung wird verhaftet; die Arbeiter werden in die Fabriken getrieben. Der Widerstand ist gebrochen. Aber noch am selben Tag erklären sich die Matrosen des Panzerschiffes »Petropawlowsk« auf der Reede von Kronstadt für freie Sowjetwahlen und für Presse- und Versammlungsfreiheit; für die Arbeiter, wohlbemerkt! Die Mannschaft des Panzerschiffes »Sewastopol« schließt sich ihnen an. Am nächsten Tag bekunden 16.000 Menschen auf dem Hafenplatz in Kronstadt ihre Solidarität mit den Petrograder Streikenden.
VIII.
Die Bedeutung der Kronstadtrebellion kann kaum überschätzt werden. Sie leuchtet wie ein Fanal. In ihrer Zeitung schreiben die Aufständischen: »Wofür kämpfen wir? Die Arbeiterklasse hoffte, durch die Oktoberrevolution ihre Befreiung zu erringen. Als Resultat ist eine noch größere Unterdrückung der Menschen eingetreten. Das ruhmreiche Wappen des Arbeiterstaates – Hammer und Sichel – hat die bolschewistische Regierung mit dem Bajonett und dem Gitter vertauscht, um das ruhige und angenehme Leben der Kommissare und Beamten zu beschützen.« Das alles heißt, daß damals für die bolschewistische Herrschaft in Kronstadt die Stunde der Wahrheit gekommen war, so wie die Juni-Insurrektion des französischen Proletariats 1848 die Stunde der Wahrheit für die radikale französische Republik war. Hier wie dort machte das Proletariat seine Leichenstätte zur Geburtsstätte einer rein kapitalistischen Entwicklung. In Frankreich zwang es damals die bürgerliche Republik, sogleich in ihrer wahren Gestalt aufzutreten, als der Staat, dessen eingestandener Zweck die Verewigung der Kapitalherrschaft war. In Kronstadt zwangen die Matrosen und Arbeiter die bolschewistische Partei gleichfalls, in ihrem wahren Gewande aufzutreten: als eine unverhüllt arbeiterfeindliche Institution, deren einziger Zweck die Errichtung des Staatskapitalismus war. Mit der Niederwerfung des Aufstandes wurde für ihn der Weg frei.
In den Straßen von Paris wurden damals die proletarischen Hoffnungen von General Cavaignac im Blute erstickt. Der Aufstand von Kronstadt wurde von Leo Trotzki niedergeschlagen. Er wurde im März 1921 zum Cavaignac, zum Gustav Noske der russischen Revolution. Er, der bekannteste und der angesehenste Vertreter der Theorie der permanenten Revolution, verhinderte – so wollte es die Ironie der Geschichte – den ernsthaftesten Versuch seit dem Oktober 1917, die Revolution in Permanenz zu machen. Dieser Verlauf aber war unvermeidlich. Es fehlte für einen Sieg der Kronstädter jede materielle Voraussetzung. Das einzige, was ihnen hätte helfen können, war eben jene Permanenz der Revolution, auf die wir hinwiesen. Das haben die Kronstädter selbst gewußt und verstanden. Deshalb richteten sie fortwährend Telegramme an ihre Klassengenossen auf dem russischen Festland, die zur tatkräftigen Unterstützung aufforderten.
Die Kronstädter setzten ihre Hoffnung auf »die dritte Revolution«, so wie tausende von Proletariern in Rußland auf Kronstadt hofften. Was aber als »die dritte Revolution« bezeichnet wurde, war im agrarischen Rußland jener Tage, mit seiner verhältnismäßig geringen Arbeiterschaft und mit seiner primitiven Wirtschaft, nichts als eine Illusion. »In Kronstadt«, sagte damals Lenin zu einem Zeitpunkt, als der Aufbau der bolschewistischen Kronstadtlegende noch kaum begonnen hatte, »will man die Weißgardisten nicht, will man unsere Macht nicht – eine andere Macht gibt es aber nicht.« (14)
Lenin hatte insofern recht, als es sie tatsächlich in jenem Moment nicht gab, jedenfalls nicht in Rußland. Ihre Möglichkeit aber haben, wie es die deutschen Arbeiter taten, die Kronstädter doch aufgezeigt. Sie, nicht die Bolschewiki, haben mit ihrer Kommune und mit ihrem frei gewählten Sowjet das Vorbild einer proletarischen Revolution und einer Arbeitermacht gegeben.
Man lasse sich durch ihren Schlachtruf »Sowjets ohne Kommunisten« (15) nicht irritieren. Als »Kommunisten« bezeichneten sich dieselben Usurpatoren, die sich auch heute noch – zu Unrecht – als solche bezeichnen: die bolschewistischen Verfechter des Staatskapitalismus, die damals eben den Streik der Petrograder Arbeiter unterdrückt hatten. Der Name »Kommunist« war 1921 den Arbeitern von Kronstadt ebenso verhaßt wie 1953 den ostdeutschen Arbeitern und 1956 den Arbeitern in Ungarn. Jedoch haben die Arbeiter von Kronstadt ebenso wie jene ihre Klasseninteressen beherzigt. Demzufolge sind ihre proletarischen Kampfmethoden bis heute von großer Wichtigkeit für alle ihre Klassengenossen, die – wo immer auch in der Welt – selbständig ihren Kampf führen und aus der Erfahrung wissen, daß ihre Befreiung nur ihr eigenes Werk sein kann.
Anmerkung:
Der Text ist ein Vortrag, den der niederländische Rätekommunist Cajo Brendel auf dem Kronstadt-Kongreß hielt, der am 11. 5. 1971 im Auditorium Maximum der Westberliner Technischen Universität stattfand. Er wurde, zusammen mit dem Vortrag von Johannes Agnoli vom selben Kongreß, in der Schrift Johannes Agnoli, Cajo Brendel, Ida Mett, Die revolutionären Aktionen der russischen Arbeiter und der Bauern. Die Kommune von Kronstadt, Berlin/W 1974 (Karin Kramer) veröffentlicht. Brendel überarbeitete ihn für die Publikation. Bei der Drucklegung der Schrift verschwand allerdings ein Teil des Textes im Orkus des Umbruchs. Diese Lücke zieht sich seitdem ärgerlicherweise durch sämtliche Wiederveröffentlichungen. Glücklicherweise ist die englische Übersetzung des Vortrages (zugänglich auf der inzwischen ‘gestorbenen’, aber von archive.org archivierten Seite des rätekommunistischen Kurasje – Council Communist Archive) vollständig, so daß eine Vervollständigung möglich war. Somit liegt hier erstmalig eine vollständige Fassung von Brendels Vortrag vor. Die Übersetzung des fehlenden Teils in der deutschen Fassung (zwischen Anm. 8 und 11), Ergänzungen zu den Quellen und Anmerkungen des Bearbeiters sind in {geschweiften Klammern}.
Fußnoten:
(1) In englischer Sprache erschien der Aufsatz Trotzkis unter dem Titel: Hue and Cry over Kronstadt. A Peoples Front of Denouncers in »The New International«, April 1938, S. 104. {siehe Leon Trotsky, Hue and Cry Over Kronstadt; in: The New International, Vol. IV, No.4, April 1938, p. 103-106}
Der deutsche Titel wurde von mir aus der holländischen trotzkistischen Presse jener Zeit rückübersetzt, in der, nur wenige Wochen nach der englischen Erstveröffentlichung, der Aufsatz gleichfalls publiziert worden war.
{deutsch: Leo Trotzki, Das Zetergeschrei um Kronstadt (15. Januar 1938); in: die internationale, 12. Jg., Nr. 4, Nov. 1967, S. 65-75}
(2) Von diesem Zwang spricht auch Trotzki in seiner Stalinbiographie, Es heißt dort (englische Ausgabe: Stalin. An appraisal of the man and his influence, edited and annotated from the Russian by Charles Malamuth, London 1947, S. 337): »Das, was die Sowjetregierung widerwillig in Kronstadt tat, war eine tragische Notwendigkeit.« Nichtsdestoweniger ist schon im nächsten Satz, der Legende gemäß, wieder von »einer Handvoll reaktionärer Bauern und aufständischer Soldaten« die Rede.
(3) In bestimmten menschewistischen und weißgardistischen Kreisen, d. h. nicht in allen! Es soll sich wohl hauptsächlich um jene gehandelt haben, die sich zur Zeit außerhalb Rußlands befanden. In einem zeitgenössischen Dokument wird erwähnt, wie die sich noch in Rußland befindlichen zerschlagenen Überreste der Weißgardisten mit solch sicherem Instinkt die von Kronstadt ausgehende proletarische Drohung spürten, daß sie sich zur Niederwerfung des Aufstandes den bolschewistischen Machthabern bedingungslos zur Verfügung stellten. {»Die Wahrheit über Kronstadt«, 1921. Vollständige Wiedergabe dieses Werkes in deutscher Übersetzung in: Frits Kool und Erwin Oberländer (Hrg.), Arbeiterdemokratie und Parteidiktatur. Eingeleitet von Oskar Anweiler. Dokumente der Weltrevolution Band 2, Olten 1967, S. 297 ff.}
{siehe auch Pravda o Kronshtadte (The Truth about Kronstadt) [komplette englische Übersetzung der Kronstadter »Iswestija«] }
(4) Die Beispiele wären nach Belieben zu vermehren. Man vergleiche auch die Bewegung der Levellers (d.h. Gleichmacher) in der englischen Revolution des 17. Jahrhunderts.
{siehe Gerrard Winstanley, Gleichheit im Reiche der Freiheit. Sozialphilosophische Pamphlete und Traktate. Auswahl. Herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner, Leipzig 1983 [Reclam] – Frankfurt/M 1988 [Fischer TB]}
(5) Vgl. den sozialen Charakter der russischen Revolution 1917 in “Thesen über den Bolschewismus”, Erstveröffentlichung in “Rätekorrespondenz” Nr. 3, August 1934; Neuauflage im Kollektiv-Verlag, Berlin, o.J. {für die »Roten Kämpfer« zusammengestellt von Helmut Wagner [1932] – die Autorenschaft Helmut Wagners bezeugt Olaf Ihlau, Die roten Kämpfer. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und dem Dritten Reich, Meisenheim/Glan 1969 [Verlag Anton Hain]}
(6) W. I. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution. Ausgewählte Werke, Bd. l, S. 558, Dietz-Verlag, Berlin 1964.
(7) Wir zitieren Lenin indirekt aus einem Aufsatz von N. Insarow, der September 1926 in der Zeitschrift »Proletarier« veröffentlicht wurde. Insarow bediente sich der russischen Ausgabe von Lenins Gesammelten Werken, die im russischen Staatsverlag erschienen. Die Stelle befindet sich dort, wie er angibt, Bd. 11, l. Teil, S. 28.
(8) {Beginn der Rückübersetzung.}
(9) Karl Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich von 1848 bis 1850 [1850]; in: MEW 7, S. S. 79
(10) Die Angaben wurden von F. Pollock (Die planwirtschaftlichen Versuche in der Sowjetunion 1917-1927, Leipzig 1929, S. 25) dem Werke von Y. G. Kotelnikow und V. L. Melier, Die Bauernbewegung 1917 (in dem auch Zahlen über Streiks und Arbeiteraktionen enthalten sind), entnommen.
(11) {Ende der Rückübersetzung.}
(12) Die Statistik der Streiks und Streikenden entstammt der russischen Gewerkschaftszeitung »Voprocy Truda«, 1924, Nr. 7/8. Die Redaktion bemerkt dazu, daß die Angaben noch nicht einmal vollständig seien. Wir zitieren abermals nach Pollock, a.a.O. In dem (historischen) ersten Teil ihres Buches Labour Disputes in Soviet Russia 1957-1965, Oxford 1969, S. 15, gibt auch Mary McAuley Angaben über die Zahl der russischen Streiks in den ersten Jahren nach der Revolution. Sie basieren auf Mitteilungen von Revzin in der »Vestnik Truda« 1924, Nr.5-6, S. 154-60. Die Zahlen stimmen mit jenen Pollocks überein.
(13) »Die Wahrheit über Kronstadt 1921«, »Dokumente der Weltrevolution«, a.a.O., Bd. 2, S. 500 {Sozialismus in Anführungszeichen; in: Mitteilungen des Provisorischen Revolutionskomitees der Matrosen, Rotarmisten und Arbeiter der Stadt Kronstadt, Nr. 14, Mittwoch, 16. März 1921}
(14) »Dokumente der Weltrevolution« Bd. 2, S. 288 {Oskar Anweiler, Einführung II. Kronstadt}. {siehe: W. I. Lenin, Referat über die Ersetzung der Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer, 15. März 1921 [auf dem X. Parteitag der KPR(b)]; Lenin, Werke, Bd. 32, S. 231}
(15) {Brendel irrt. Die Parole »Sowjets ohne Kommunisten« (genauer: ohne Bolschewiki) stammte nicht von den Kronstadtern, wie etwa in dem berüchtigten Stalinschen »Kurzen Lehrgang« [Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang [1938], reprint als J. W. Stalin, Werke, Bd. 15, Frankfurt/M 1972, S. 311] behauptet wird, sondern von dem im Pariser Exil sitzenden Führer der Partei der »Konstitutionellen Demokraten« (»Kadetten«) und ehemaligen Außenminister Kerenskis, Miljukow. Dies gibt Lenin übrigens zu: »Der kluge Führer der Bourgeoisie und der Gutsbesitzer, der Kadett Miljukow, setzt geduldig dem einfältigen Wiktor Tschernow direkt … auseinander, daß es keinen Sinn habe, sich mit der Konstituante zu überstürzen, daß man sich für die Sowjetmacht – nur ohne Bolschewiki – aussprechen könne und müsse.« [W. I. Lenin, Über die Naturalsteuer [April-Mai 1921]; Lenin, Werke, Bd. 32, S. 373] Die Kronstadter forderten »die Macht der Sowjets, nicht der Parteien«.}
Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2012/03/23/kronstadt-proletarischer-auslaufer-der-russischen-revolution/