Carmen Gomez - Die Charakteranlagen der Frau
Wie schön wäre das Leben mit verständnisvollen Müttern und Schwestern gewesen! Wie schnell hätte sich die Gesellschaft verändert, wenn die Frau sich an den sozialen Kämpfen beteiligt hätte! Heute muß das Wort "Frau" mehr bedeuten als früher. Es muß Lust am Kämpfen und Siegen bedeuten. Das Verlangen, ein neues Leben zu leben. Der Wunsch, sich von falschen Vorurteilen zu befreien.
Das eindeutig konföderierte und libertäre Aragon, dieses Aragon mit seiner wilden Erde, seinen Menschen aus Stahl, dieses Aragon der revolutionären Kämpfe hat auch seine tapferen Frauen. Frauen, die den Mann auf dem Feld, in der Fabrik, in der Werkstatt, im Büro ersetzen können.
Aragon, das bei den Kämpfen immer an erster Stelle steht, das sehr gut das neue Leben gestalten kann, bringt auch proletarische Frauen hervor, die für die Ansprüche ihrer Kinder kämpfen können; die wie Männer auf der Straße kämpfen können, wie im Dezember, wie im Oktober, wie im Juli; die mit der hochgereckten Faust, mit hocherhobenem Kopf sterben und die Freiheit und Revolution hochleben lassen, wie in Zaragoza, wie in Huesca, wie in Teruel und in allen Dörfern der Gegend, die in die Hände der Faschisten gefallen sind. Sie kann außerdem ihre Kinder erziehen und sie frei machen, so wie sie auch sich am wirtschaftlichen Wiederaufbau beteiligen kann, wie jemand, der seine Pflicht ohne Ansprüche erfüllt.
Es sind jener Geist, jener Menschenschlag, jene Frauen aus Aragon, die auch damals bei der Invasion der Francista (Anm. Kampf um Zaragoza im Unabhängigkeitskrieg gegen die Franzosen 1808-1809) zur Verteidigung von Zaragoza ihr Leben geopfert haben, indem sie die Kanonen abschossen.
Diese Frau sehen wir in den entstehenden Institutionen von "Mujeres Libres" vor uns. Diese Institutionen werden konstant sehnsüchtig und beharrlich Tag für Tag gestärkt und entwickelt, um im Krieg nützlich zu sein und ein neues Spanien durch die Revolution zu errichten.
Die Frau aus Aragon ist eine der stärksten Bollwerke zur Verteidigung der Interessen der revolutionären Arbeiter. Mit der gleichen Begeisterung, mit der sie auf den Barrikaden schießt mit der gleichen Geste, mit der sie durch die Gewehre der Faschisten stirbt, arbeitet, denkt und produziert sie auch.
Mit sonnenverbranntem Gesicht, mit offenem und vom Wind zerzaustem Haar, in den Händen eine schwarz-rote Fahne, konnte sie die Burschen begeistern, die heute in den Gräben ohne Ruhepausen kämpfen, in den Werkstätten, in den Krankenhäusern, in den Fabriken arbeiten ..., ohne dabei das fröhliche, muntere und heitere Lächeln um die Lippen zu verlieren. Mit anmutigem Gang geht sie in der Zeit, die ihr neben der Arbeit noch bleibt, zu unseren Zentren und zu den Ateneos. Dort sehen wir ihre schwieligen Hände in einem Buch blättern, eine Feder oder einen Kompaß halten, eine Schreibmaschine bedienen.
Sie wählt mit starkem, ausdauerndem und entschlossenem Charakter den Weg der Opfer und der Entsagungen, der sie zu einem neuen Leben führen wird.
Du zeigst uns den Weg, die Du durch die Kirche prostituiert warst, die Du keine Gelegenheit hattest, Dich zu bilden. Aber wir ermuntern Dich, damit Du auf diesem Weg fortschreitest; denn Du wirst auch uns dort finden und wirst immer vorwärtsschreiten, ohne zurückzugehen. Dabei steigen wir über die Leichen der Unentschlossenen und Feigen, bis wir zum endgültigen Ziel gelangen.
Frau aus Aragon, für Deine eigenen Ansprüche, für das Wohlergehen Deiner Kinder, bleib auf dem eingeschlagenen Weg - wie Durruti.
Aus: "Mujeres Libres", Nr. 11
Originaltext: Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.