Mujeres Libres - Verdoppeln wir die Anstrengungen

Es sind Milliarden von Blättern gefüllt und Millionen von Sätzen geschrieben worden, um einen Begriff von Arbeit zu erhalten - vielleicht, ohne daß auch nur zwei dieser Begriffe miteinander übereinstimmten.

Arbeit ist einer jener zahllosen Begriffe, deren Bedeutung sich je nach dem Standort desjenigen wandelt, der ihn zur Analyse benutzt. Man hat gesagt, Arbeit sei eine Strafe, ein Bedürfnis oder ein Vergnügen, und wir würden es nicht wagen, irgendeinen dieser Interpreten zu widerlegen. Sie ist eine Strafe für den Ausgestoßenen, der mit ihr, durch sie und für sie geboren wird, lebt und stirbt. Sie ist ein Vergnügen für den Müßiggänger, der sie regulieren und nach seinem Geschmack einteilen kann. Und sie ist ein Bedürfnis für den dynamischen, den kraftstrotzenden Menschen, der sich erst durch die Erschöpfung von einem Überschuß an Vitalität befreien kann, der ihn bedrückt und beunruhigt.

Aus diesen alten Interpretationen, die drei verschiedenen Bereichen der Realität entsprechen, müssen wir das Tröpfchen Wahrheit herausdestillieren, das man am Ende immer entdeckt. Diese Wahrheit muß zu unserer hellerleuchteten vielversprechenden Zukunft führen.

Wir können der Interpretation nicht zustimmen, die man uns im Augenblick als endgültige anbietet: Die Arbeit ist die Grundlage für das Leben, und dadurch müssen wir mit ständigem Wetteifer und ständigem Wettbewerb leben. Wir glauben, daß hier der alte biblische Fluch überlebt: Arbeit ist eine Strafe. Die Arbeit, die das Leben aufsaugt, es erschöpft, es in einen Wettbewerb verwandelt, in einen unaufhörlichen Erschöpfungszustand, wo derjenige gewinnt, der der bessere Sklave ist. Das kann nicht sein, das wollen wir nicht, das lehnen wir als endgültiges Konzept von Arbeit ab. Wir erkennen aber an, daß dies eine Etappe bis zur endgültigen Umwandlung des Konzeptes ist.

Machen wir die Revolution! So sehr uns auch der Krieg in Anspruch nimmt, so wenig dürfen wir aber dabei vergessen, daß wir die Revolution machen, daß die Revolution unser endgültiges Ziel ist und daß nur die Revolution uns einer endgültigen Interpretation der Arbeit näher bringen kann. Aber wir müssen erkennen, daß wir sie nur durch Arbeit erreichen können.

Wir stimmen mit der Ansicht überein, daß die Zeit hart ist. Das Schicksal gibt uns die harte Aufgabe auf, die Wege von morgen zu planen, zu durchkämmen, zu befestigen. Die Arbeit kann unter den gegenwärtigen Bedingungen, Genossen, die wir die Revolution machen, nur in permanenter Aktivität bestehen, in der Schlaflosigkeit, der Selbstaufgabe, der absoluten Auslieferung, der Opferung ohne Bedingungen, mit einem Wort, der Sklaverei. Aber es ist eine leidenschaftliche Sklaverei, mit Begeisterung ergriffen, nicht eine Sklaverei um der Sklaverei willen, nicht eine Sklaverei für das Leben, sondern paradoxerweise eine für die Freiheit, für jenes Tröpfchen Wahrheit, das wir gerade suchen.

Für diese Arbeit, für diese versklavende Arbeit, der wir uns unterwerfen müssen, planen wir uns selbst außerhalb des Raumes und der Zeit, verlassen wir unsere vergängliche Natur, um uns in Götter zu verwandeln, d.h. in Schöpfer. Die Arbeit ist Schöpfung oder sie ist gar nichts. Die Schöpfung ist fortschreitende Überwindung, deren Ziel die Freiheit ist.

Verdoppeln wir die Anstrengungen, Genossen!

"Mujeres Libres", 21. Woche der Revolution

Originaltext:
Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.


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