Ein Schritt zurück, zwei Schritte vor. Die schwedische Gewerkschaft SAC im Umbruch

Seit die Mitglieder der Sveriges Arbetares Centralorganisation (SAC) auf dem Gewerkschaftskongress 2002 in Gävle beschlossen, eine gewerkschaftliche Neuorganisierung durchzuführen und die Basis innerhalb der Organisation wieder zu stärken, wurden viele Funktionen von bezahlten Funktionären an unbezahlte AktivistInnen abgegeben. Parallel wurde das bestehende Angebot der gewerkschaftlichen Fortbildung erweitert. Währenddessen sank die Zahl der Mitglieder allerdings von 8.000 auf 6.000.

Verantwortlich hierfür ist nicht nur die Neuorganisierung der SAC. Auch die gewerkschaftsfeindliche Politik der konservativen Regierung hat ihren Anteil an dieser Entwicklung. In Herbst 2006 erhöhte die Regierung die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und verminderte die Subventionen an die Arbeitslosenkassen, die bis zu diesem Zeitpunkt an die Gewerkschaften gebunden waren. Das führte dazu, dass viele Menschen aus den Gewerkschaften austraten, denn nun konnten sie auch unorganisiert Mitglied in der Arbeitslosenversicherung sein. Auch der größte Gewerkschaftsbund Landsorganisationen i Sverige (LO) verlor daraufhin innerhalb eines Jahres über 1 Million Mitglieder.

An dem Verlust von Mitgliedern wird der diesjährige Kongress der SAC, welcher im Oktober in Jönköping abgehalten wird, nicht viel ändern können. Davon geht auf jeden Fall Jan Abrahamsson, Mitglied in der Stockholmer Ortsgruppe und in der Betriebsgruppe der örtlichen U- und Straßenbahnfahrer, aus: "Ich denke, dass es ein "Zwischenkongress" wird, wo wir die Veränderungen untermauern und weitere Schritte vorbereiten werden. Einige kleine Ortsgruppen, vorzugsweise auf dem Land, mit nur 8 bis 20 Mitgliedern, schaffen die Umstellung von der zeitweise relativ reformistischen Gewerkschaftsarbeit, wo es immer möglich war, Hilfe bezahlter Verhandlungsexperten einzufordern, zu einer funktionierenden Gewerkschaft, wo die Mitglieder sich selber helfen und unterstützen sollen, nicht. Aber auch größere Ortsgruppen tun sich schwer mit der Erneuerung. Heute hat die SAC um die 70 Ortsgruppen, die meisten davon in den Städten. Wir wandeln uns langsam in eine Großstadtföderation mit immer weniger Präsenz auf dem Land. Ich denke, dass wir noch ein Paar Ortsgruppen und vielleicht bis zu 500 Mitglieder verlieren werden, bis unsere neue Ausrichtung richtig Fuß gefasst hat und wir eine ernsthafte Machtbasis in den Betrieben aufgebaut haben."

Noch viel zu tun...

Die Neuorientierung hat am besten in den großen Städten geklappt, wo viele neue, junge Mitglieder der Organisation beigetreten sind. Die Radikalisierung der Gewerkschaft ist schneller dort von statten gegangen, wo die anarchosyndikalistische Jugendföderation Syndikalistiska Ungdomsförbundet (SUF), verankert ist. Überall toben kleine, unsichtbare Arbeitskämpfe, die selten publik werden. Gleichzeitig ist dies auch der deutlichste Beweis dafür, dass der Beschluss 2002 seine Wirkung nicht verfehlt hat. Nie zuvor - mal abgesehen von den dreißiger Jahren - war die SAC in so viele Arbeitskämpfe verwickelt. Doch nicht alle diese Kämpfe enden zufriedenstellend für die Betroffenen. In vielen Fälle haben die Arbeitskäufer - wie die Bosse im SAC-Jargon genannt werden - sich einfach freigekauft, Abfindungen gezahlt, was zwar für die finanzielle Lage der Organisation nicht schlecht war, aber gleichzeitig bedeutet, dass die SyndikalistInnen in den Betrieben nicht mehr tätig sind. In anderen Fällen beschränken sich die Betriebsgruppen auf reformistische Kampfmethoden und verlassen sich ausschließlich auf die Arbeitsgerichte.

Dazu Jan Abrahamsson: "Wir sind noch lange keine anarchosyndikalistische Gewerkschaft, aber wir werden langsam aber sicher eine revolutionäre Gewerkschaft. Einige erfolgreiche Konflikte in den letzten Jahren haben wir mehr durch die Inkompetenz der Arbeitskäufer und durch die Langatmigkeit unserer Mitglieder gewonnen als durch unsere Schlagkraft. Aus Konflikten, die wir viel schneller hätten siegreich beenden können, wurden Ressourcen schluckende Endloskämpfe. Viel Wissen und Erfahrung ist einfach in der Organisation untergegangen, bzw. bleibt bei zu wenigen hängen. Aber wir bessern uns. Die Bus- und U-Bahnstreiks 2005 und die heutigen Konflikte in den staatliche Alkoholläden sind die besten Beispiele dafür. Kommunikation, Erfahrungsaustausch und Mobilisierung sind wichtige Pfeiler der Gewerkschaftsarbeit, die aber gelernt und fortgebildet werden müssen. In Stockholm und Malmö hat man das verstanden und wir arbeiten jetzt intensiver mit gewerkschaftlicher Weiter- und Fortbildung. Ausbildung ist ein wichtiges Werkzeug des Klassenkampfes. Wir haben immer noch einen langen Weg vor uns."

Registration!

Während die SAC versucht sich neu zu finden, tritt plötzlich ein tot geglaubtes Phänomen auf die Bühne: das Register. (Siehe hierzu auch das Interview) Ein in den 30er Jahren entwickeltes System, welches das Ziel verfolgt, Einfluss auf die Löhne nehmen zu können. Register heißt es, weil Statistik und die Zusammenstellung von Preisen und Löhnen ein wichtiger Teil dieser Kampfmethode ist. In der Anfangszeit der syndikalistischen Bewegung in Schweden nutzten vor allem die ForstarbeiterInnen im Norden diese Methode. Heute ist es eine sehr effiziente Waffe für papierlose ArbeiterInnen.

Jan Abrahamsson: "Die Gründung des Registers ist sehr wichtig für die SAC. Erstens, weil wir Menschen ganz unten in der Klassengesellschaft organisieren können und zweitens, weil das Register einen entscheidenden Einfluss auf die Radikalisierung der Organisation ausübt. Man arbeitet weniger mit Verhandlungen, sondern geht lieber direkt auf Konfrontation zu den Arbeitskäufern. Das Register fordert oft höhere Löhne, mehr bezahlte Urlaubstage und generell bessere Bedingungen als sie normalerweise in Tarifverträgen vorgesehen sind. Weigert sich der Arbeitskäufer auf die Forderungen einzugehen, werden gleich verschiedene direkte Aktionen, wie Blockaden und Streiks organisiert. Zusätzlich werden Fortbildungen organisiert und zwei Mitgliedszeitungen auf Spanisch publiziert, denn der Großteil der Papierlosen in Schweden spricht diese Sprache. Dadurch wurde erreicht, dass die syndikalistischen Kampfmethoden wieder in Gespräch kommen und nicht mehr so oft als "gefährlich" abqualifiziert werden. Dies zeigt, was möglich ist und dient als Inspiration für andere in ähnlichen Situationen."

Ist die SAC auf dem richtigen Weg? Die Neuorganisierung läuft schon seit 2002. Nichts desto trotz ist es noch zu früh, um sagen zu können, wohin dieser Prozess die Gewerkschaft führen wird. Eines ist aber sicher: Ein Zurück in das bequeme Organisationsmuster der vergangenen Jahrzehnte würde das Ende der SAC als größte syndikalistische Gewerkschaft Nordeuropas bedeuten.

Von Mattias Kåks

Quelle: DA - Direkte Aktion Nr. 194, Juli/August 2009, Seite 9

Originaltext: http://www.schattenblick.de/infopool/medien/altern/da-419.html


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