Augustin Souchy - Die Gründung der Internationalen Arbeiter Assoziation

An die Werktätigen Massen aller Länder und Nationen!

"Welches ist aber die natürliche Organisation der Massen? Dies ist eine auf die verschiedenen Bestimmungen ihres wirklichen täglichen Lebens, durch die verschiedene Art ihrer Arbeit sich gründende, die Organisation nach Berufskörperschaften oder Fachsektionen. Wenn alle Industrien in der Internationale vertreten sein werden, einschließlich der verschiedenen Arten des Landbaus, wird ihre Organisation, die Organisation der Volksmassen, vollendet sein." Michael Bakunin

Zehn Jahre sind ins Land gegangen, seit die Internationale Arbeiter Assoziation ins Leben trat.

Die IAA unterscheidet sich von allen anderen Richtungen der modernen Arbeiterbewegung sowohl durch die Ziele, die sie erstrebt, als durch die taktischen Mittel, die ihre Anhänger im Kampfe gegen Institutionen des modernen Ausbeutungssystem in Anwendung bringen und bringen wollen. Die IAA ist der Meinung, dass eine Reorganisation des gesellschaftlichen Lebens im Sinne des Sozialismus weder durch die politische Tätigkeit irgendwelcher Parteien noch durch eine wie immer geartete staatliche Organisation bewerkstelligt werden kann. Wenn die Befreiung der Arbeit das Werk der Arbeiter selber sein muss, dann kann auch der wirtschaftliche und soziale Aufbau einer neuen Gesellschaft nur das Werk der Arbeiter selbst sein.

Die Verstaatlichung des Grund und Bodens und der Arbeitsinstrumente kann nicht den Sozialismus bringen, sondern nur den Staatskapitalismus, der die schlimmste Form der Knechtschaft darstellt und zur Bürokratisierung des gesamten öffentlichen Lebens führen muss.

Der Staatskapitalismus, welcher der gefährlichste Gegenpol des Sozialismus ist, bedingt die Auslieferung aller gesellschaftlichen Lebensbetätigungen an den Staat, es ist der Triumph der Maschine über den Geist, die Rationalisierung des Denkens, Handelns und Empfindens nach den festgesetzten Normen der Behörden und folglich das Ende aller wahrhaft geistigen Kultur.

Nie gab es eine Zeit, wo die unerbittliche Notwendigkeit für eine gründliche Neugestaltung sich den Menschen so eindeutig aufdrängte. Und Trotzdem zeigt es sich immer deutlicher, dass der Sozialismus als Bewegung in seiner heutigen Form den Dingen in keiner Weise gewachsen ist. Seine Träger verzetteln ihre Kräfte in nutzlosen Fraktionsstreitigkeiten. Anstatt die werktätigen Massen mit klaren Worten und kühnen, dem Ernst der Zeit entsprechenden Vorschlägen auf eine gründliche Umwälzung der bestehenden gesellschaftlichen Zustände vorzubereiten und ihnen die Überzeugung beizubringen, dass sie in der kommenden Umgestaltung der Dinge die führende Rolle übernehmen müssen, begnügt man sich mit nutzlosen Reformen. So geschieht es, dass gerade heute Hunderttausende am Sozialismus verzweifeln und sich von den nebelhaften Vorstellungen eines bis auf die Spitze getriebenen Nationalismus betören lassen.

Nicht umsonst unterstützt der moderne Monopolkapitalismus die nationalistische und faschistische Reaktion in jedem Lande. Sie soll ihm helfen, ein Reich industrieller Hörigkeit zu errichten, wo der werktätige Mensch lediglich noch als Wirtschaftsautomaten in Betracht kommt, ohne selbst auf die weiteren Wirtschaftsbedingungen auch nur den kleinsten Einfluss haben zu können.

Wenn die Arbeiterschaft aller Länder nicht in letzter Stunde diese Gefahr erkennen und vor allem begreifen wird, dass nur der Wille zum eigenen Handeln und das offene Bekenntnis zur Freiheit sie retten kann, dann wird es vielleicht lange Zeit dauern, bis sich ihr wieder eine neue Gelegenheit zur sozialen Umgestaltung bieten wird. Nur die Entfaltung ihrer eigenen Kraft kann den Arbeitern Retter und Befreier werden!

Es lebe der freiheitliche Sozialismus!
Es lebe die Internationale Arbeiter Assoziation!

Augustin Souchy

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Die Gründung der Internationalen Arbeiter Assoziation

Durch den Weltkrieg wurden die internationalen Verbindungen der revolutionären Arbeiter zerstört. 1919, nach Beendigung des Weltkrieges, gründeten die Bolschewisten in Russland die Kommunistische Internationale. In demselben Jahr trat auch in Amsterdam ein Internationaler Kongress der Gewerkschaften zusammen. Man beschloss die Bildung des   Internationalen Gewerkschaftsbundes   (IGB), der seinen Sitz in Amsterdam aufschlug.

Auf diesem Kongress der Amsterdamer Internationale wurde der Beschluss gefasst, dass in jedem Lande nur eine Organisation dem IGB angeschlossen sein dürfe. Die syndikalistischen Organisationen hätten sich den reformistischen Gewerkschaften ihres Landes anschließen sollen. Dabei hätten sie auf ihren Kampf gegen den Reformismus und die Klassengemeinschaft der Arbeiterschaft mit der Bourgeoisie verzichten müssen.

Das mussten die Syndikalisten ablehnen. Die von ihnen erstrebte Erneuerung der Arbeiterbewegung hatte die Bildung von revolutionären Organisationen zur Voraussetzung.

Um diese Zeit rief die Kommunistische Partei Russlands, an deren Spitze Lenin stand, der bereits während des Weltkrieges in Kienthal und Zimmerwald eine Verbindung mit radikalen und oppositionellen Sozialdemokraten herbeiwünschte, alle revolutionären Arbeiterorganisationen auf, nach Russland zu kommen, um dort, im Lande der proletarischen Revolution, eine Internationale zu gründen, die, wie die Erste Internationale vor ihrer Spaltung, das gesamte revolutionäre Proletariat aller Richtungen vereinigen sollte.

Die Syndikalisten in Moskau Sommer 1920

Dieser Ruf fand Gehör. Kommunistische Parteien gab es in nur wenigen Ländern. Wo sie bestanden, waren sie schwach und unbedeutend. In Italien, Spanien und Portugal dagegen, in Deutschland, Frankreich und Holland, in Schweden und England und auch in Nord- und Südamerika gab es syndikalistische Organisationen und oppositionelle Strömungen innerhalb der Gewerkschaften. Lenin wollte diese Kräfte für seine Sache gewinnen. Das internationale Proletariat war die stärkste Hoffnung der russischen Revolution. Russland war damals von allen Seiten militärisch bedroht. Die Sozialdemokratie stellte sich auf die Seite der kapitalistischen Staaten; die Syndikalisten dagegen verteidigten die Revolution. Auf dem II. Weltkongress der Kommunistischen Internationale, im Sommer 1920, waren die Syndikalisten der genannten Länder durch Delegierte vertreten. Russland lebte in der Zeit des Kriegskommunismus. Die bolschewistische Partei war bereits allein im Besitz der Staatsmacht, und wenn auch in einzelnen Verwaltungszweigen des wirtschaftlichen Lebens noch Menschewisten, Sozialrevolutionäre, Anarchisten und Syndikalisten mitarbeiteten, so standen doch die Organisationen dieser Richtungen bereits unter dem Ausnahmezustand, und zahlreiche revolutionäre Oktoberkämpfer befanden sich in den Gefängnissen der Tscheka oder in Verbannung.

Wurde schon dadurch die Begeisterung der syndikalistischen Delegierten für die Zustände im revolutionären Russland gedämpft, so trug der Verlauf des Kongresses ein Übriges dazu bei, den Delegierten die Hoffnung zu rauben, dass gemeinsam mit den russischen Kommunisten eine einheitliche Internationale für alle revolutionären Organisationen gebildet werden könne.

Die kommunistische Internationale wurde zu einer Internationale von politischen Parteien, denen die Beteiligung an den Parlamentswahlen zur Pflicht gemacht wurde. Der Kongress unterschied sich hierbei in keiner Weise vom Haager Kongress der I. Internationale, auf dem den Sektionen ebenfalls die Pflicht auferlegt wurde, an der parlamentarischen Tätigkeit teilzunehmen. Ein solcher Zwang, der die Hauptursache der Spaltung innerhalb der I. Internationale war, wurde auch in der III. Internationale der Spaltungskeim. Lenin bezeichnete den Antiparlamentarismus als Kinderkrankheit der revolutionären Arbeiterbewegung.

Unter diesen Umständen hatten die antiparlamentarischen revolutionären Arbeiterorganisationen in der kommunistischen Internationale keinen Platz.

Um die revolutionären Kräfte des Syndikalismus und Anarchosyndikalismus festzuhalten, beschloss der Kongress die Bildung einer Roten Gewerkschaftsinternationale (RGI), die der Kommunistischen Internationale angegliedert und ihr untergeordnet sein sollte. Auf dem Kongress erklärten sie offiziell, die russischern Gewerkschaften wollten mit dem revolutionären Gewerkschaften und Verbänden der ganzen Welt eine einheitliche, revolutionäre Gewerkschafts-Internationale bilden. In diesem Sinne wurden die Verhandlungen mit den Vertretern der revolutionären Syndikalisten von Losowsky im Auftrage der Komintern geführt. Immer wieder beteuerten Losowsky und seine Getreuen, dass eine revolutionäre Gewerkschafts-Internationale nicht mit den Reformisten, sondern nur mit den revolutionären Gewerkschaften und Syndikalisten geschaffen werden sollte. Gleichzeitig aber verhandelte Losowsky mit den reformistischen Vertretern der englischen Gewerkschaften über ein zusammengehen der russischen Gewerkschaften mit der Amsterdamer Internationale. Die russischen Bolschewisten trieben also ein Doppelspiel: Mit den Syndikalisten wollten sie sich angeblich gegen den Reformismus vereinen, mit den Reformisten aber wollten sie ebenfalls einen Pakt schließen !

Unter diesen Umständen wollten die Syndikalisten nicht mehr mit Losowsky verhandeln. Man legte dann den syndikalistischen Delegierten einen Resolutionsentwurf vor, dessen erster Satz die Forderung aufstellte, dass in allen Ländern von den kommunistischen Parteien oder, wo keine vorhanden seien, von den Zellen derselben ein Komitee zur Gründung von revolutionären Gewerkschaften gebildet werden solle. Es wurde auch darin noch gefordert, dass die revolutionären und syndikalistischen Gewerkschaften den kommunistischen Parteien und die revolutionäre Gewerkschafts-Internationale der Kommunistischen Internationale untergeordnet sein sollen. Die syndikalistischen Delegierten lehnten diesen Entwurf einstimmig ab. Das in französischer Sprache verfasste Dokument blieb in den Händen des deutschen Delegierten und wurde später im „Libertaire“, Paris, veröffentlicht.

Nach dieser Niederlage Losowsky’s wurden die Verhandlungen von Tomsky im Namen der russischen Gewerkschaften weiter geführt. Tomsky wagte es nicht, den Syndikalisten ein kommunistisches Glaubensbekenntnis aufzudrängen. Die Syndikalisten lehnten nach wie vor die Bevormundung der revolutionären Gewerkschaften durch eine politische und parlamentarische Partei ab. Man konnte daher zu keiner einheitlichen Auffassung kommen, denn auch Tomsky verharrte auf dem Boden der Unterordnung der Gewerkschaften unter die Partei. Schließlich einigte man sich darauf, das Programm und den organisierten Aufbau der revolutionären Gewerkschafts-Internationale dem kommenden Kongress selbst zu überlassen. Im darauffolgenden Jahre, 1921, sollte ein Weltkongress aller revolutionären Gewerkschaften und Syndikalisten in Moskau zusammentreten.

Während die Delegierten des revolutionären Proletariats in Moskau die Probleme der Revolution und die Kampftaktik der organisierten Arbeiterklasse diskutierten, wurden in den meisten Ländern Europas schwere Arbeiterkämpfe ausgefochten, die immer noch einen revolutionären Charakter trugen. In Deutschland erhob nach dem Kapp-Putsch die Reaktion ihr Haupt. Hunderte von Klassenkämpfern mussten flüchten, Hunderte wurden zu langjährigen Strafen verurteilt. In Spanien kämpft das revolutionäre Proletariat unter der Fahne des revolutionären Syndikalismus verzweifelt gegen die mit der Bourgeoisie verbündete Militärkamarilla, an deren Spitze sich Primo de Rivera stellte, der kurze Zeit darauf, begünstigt durch die reformistischen Gewerkschaften, die Diktatur proklamieren konnte. In Italien spitzten sich die Gegensätze zwischen den Kapitalisten auf der einen und den Arbeitern und Bauern auf der anderen Seite immer mehr zu und erreichten in der Besetzung der Betriebe im September 1920 ihren revolutionären Höhepunkt.Während diese Ereignisse sich in Europa vollzogen, bereiteten die russischen Gewerkschaften unter Leitung der Komintern den Gründungskongress der Roten Gewerkschafts-Internationale vor. Sie sandten nach allen Ländern Emissäre, die in den reformistischen und syndikalistischen Gewerkschaften kommunistische Zellen bildeten, zu dem Zwecke, auf den Kongress zahlreiche kommunistische Delegierte senden zu können.

I. Internationale Syndikalistenkonferenz Berlin Dezember 1920

Die Syndikalisten sahen sich gezwungen, zu dem Kongress ebenfalls Stellung zunehmen. Sie beriefen eine Konferenz ein, die im Dezember 1920 in Berlin tagte. Diese Konferenz kann als Anfang der Internationalen Arbeiter Assoziation betrachtet werden. Es waren vertreten:

Die IWW Amerikas mit 100.000 Mitgliedern, die in der FORA Argentiniens vereinigten Gewerkschaften mit 125.000 Mitgliedern, die revolutionär-syndikalistischen Komitees Frankreichs, die eine Mitgliedschaft von 300.000 angaben; die Freie Arbeiter Union Deutschlands, die damals über 100.000 Mitglieder zählte, die Shop-Steward and Workers Committees Movement in England mit 200.000 Mitgliedern, die Zentralorganisation der Arbeiter Schwedens mit 32.000 und das Nationale Arbeitersekretariat Hollands mit 40.000 Mitgliedern. Es waren somit über 900.000 Arbeiter vertreten, ohne die syndikalistischen Gewerkschaften Norwegens, Portugals, Spaniens und Italiens, die schriftlich ihre Zustimmung zur Konferenz gaben.

Die CNT Spaniens und die Syndikalistische Union Italiens hatten damals zusammen über eine Million Mitglieder.

Es erschien auch ein Vertreter der russischen Gewerkschaft. Er vertrat den Standpunkt, dass diese Konferenz überhaupt keine Existenzberechtigung habe. Im kommenden Jahre solle in Moskau alles beschlossen werden.

Die Delegierten waren indessen mit Ausnahme der französischen Delegation der Meinung, dass die Syndikalisten selbst ihren Standpunkt erst formulieren müssten. Die Konferenz nahm nach eingehender Diskussion folgende Resolution an:

„Die Revolutionäre Gewerkschafts-Internationale (RGI) stellt sich ohne jeden Vorbehalt auf den Standpunkt des revolutionären Klassenkampfes und der Macht der Arbeiterklasse.

Die RGI erstrebt die Vernichtung und Abwehr der wirtschaftlichen, politischen und geistigen Herrschaft des kapitalistischen Systems und des Staates. Sie erstrebt die Gründung einer freien kommunistischen Gesellschaft.

Die Konferenz stellt fest, dass die Arbeiterklasse die wirtschaftliche, politische und geistige Sklaverei des Kapitalismus nur zu vernichten imstande ist durch schärfste Anwendung ihrer wirtschaftlichen Machtmittel, die ihren Ausdruck finden in der revolutionären Aktion der Arbeiterklasse zur Erreichung dieses Zieles.

Die RGI stellt sich ferner auf den Standpunkt, dass Aufbau und Regelung der Produktion und Verteilung die Aufgabe der wirtschaftlichen Organisation jeden Landes ist.

Die RGI ist vollständig selbständig und unabhängig von jeder politischen Partei. Falls die RGI sich zu einer Aktion entschlossen hat und politische Parteien oder andere Organisationen sich damit einverstanden erklären, oder umgekehrt, kann die Ausführung dieser Aktion mit diesen Parteien und Organisationen gemeinschaftlich geschehen.

Die Konferenz ladet alle revolutionär-syndikalistischen Organisationen dringend ein zu dem vom vorläufigen Rat der Roten Gewerkschafts-Internationale zum 1. Mai 1921 nach Moskau einberufenen Kongress, um dort eine einheitliche revolutionäre Gewerkschafts-Internationale aller revolutionären Arbeiter der Welt zu gründen.“

Man beschloss auch ein Internationales Syndikalistisches Informationsbüro zu bilden, das aus je einem Mitglied der deutschen, holländischen und englischen Organisation bestand. Sitz des Büros wurde Holland.

Als im nächsten Jahr der Kongress in Moskau tagte, hatte sich die Lage in vielen Ländern zu Gunsten Moskaus verschoben.

In Italien hatte sich, nachdem die Besetzung der Betriebe durch die schmähliche Haltung der Sozialdemokraten mit einer Niederlage endete, die Reaktion festgesetzt, Mussolini bereitete sich zur Übernahme der Herrschaft vor. Malatesta, Borghi und andere Genossen wurden verhaftet. An die Spitze der Syndikalistischen Union drängten sich Bolschewisten. Kommunistische Zellen sandten ihre Vertreter nach Moskau, wo sie als offizielle Vertreter der italienischen Syndikalisten auftraten. Der Hauptdelegierte Vecchi landete bald darauf im Lager des Faschismus. In Spanien wurden die syndikalistischen Organisationen verboten, alle tätigen Genossen verhaftet. Ein provisorisches Komitee, aus selbst erwählten Mitgliedern zusammengesetzt, ernannte eine Delegation aus Andreas Nin und Arlandis. Beide waren schon vorher bolschewistisch eingestellt. Nin blieb in Moskau und wurde in den darauf folgenden Jahren Losowskys rechte Hand. Als Anhänger Trotzkis wurde er später aus Russland ausgewiesen. Arlandis ist heute einer der Führer der Kommunistischen Partei Spaniens.

Diese Delegierten erklärten sich zwar für den bedingungslosen Anschluss an die RGI, doch als die italienischen und spanischen Syndikalisten die Beschlüsse des Moskauer Kongresses kennen lernten, rückten sie unzweideutig von ihren Delegierten ab.

In Spanien fand im August 1923 eine geheime Landeskonferenz der syndikalistischen CNT statt. Eine Anzahl Delegierter zu dieser Konferenz wurden auf dem Wege nach Saragossa verhaftet. Trotzdem kamen 34 Delegierte von allen Teilen Spaniens zusammen, die die Haltung der Delegierten der CNT in Moskau aufs schärfste verurteilten. Die Konferenz erhärtete die Beschlüsse des Madrider Kongresses vom Jahre 1919, wonach die CNT von jeder politischen Partei — auch von der sogenannten kommunistischen — unabhängig sein müsse. Die soziale Revolution einzuleiten und durchzuführen, sei das Werk der CNT allein, ihr Ziel der kommunistische Anarchismus.

Die portugiesischen Organisationen hatten keinen Delegierten nach Russland gesandt. Im Laufe des Sommers 1920 hatten sie auf einer Konferenz folgenden Standpunkt eingenommen:

„Der Allgemeine Gewerkschaftsbund (CGT) ist in seinem Ziele und in seinen Mitteln revolutionär. In Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Landeskongresses weigert er sich, mit den bürgerlichen Organisationen sowie mit den politischen Parteien, wie immer auch deren Methoden und Ziele sein mögen, zusammenzuarbeiten. Der Allgemeine Gewerkschaftsbund Portugals weigert sich, die kommunistische Partei als eine revolutionäre Organisation anzuerkennen, der man die Verwaltung der Produktion überlassen könnte. Er steht auf dem Standpunkt, dass die vollständige Vergesellschaftung des Bodens durch die Bauern, die der Gruben, Fabriken, Werkstätten usw. durch die Arbeiter vorgenommen werden müsse. Dieses Ziel kann keineswegs durch eine politische Partei erreicht werden, auch nicht durch eine kommunistische.“

Einen gleichen Standpunkt nahmen auch die revolutionären Gewerkschaften Argentiniens ein. Die deutschen Syndikalisten hatten ihren Standpunkt zu Moskau schon vorher klargestellt. Sie wollten zwar mit den Syndikalisten der andern Länder gemeinsam vorgehen, doch in ihren Reihen wurden die Stimmen gegen die Beteiligung an dem Moskauer Kongress immer stärker. Um eine endgültige Entscheidung herbeizuführen, wurde innerhalb der FAUD eine Urabstimmung vorgenommen. Die Mehrzahl war gegen Entsendung einer Delegation nach Moskau. So waren die deutschen und portugiesischen Syndikalisten die einzigen, die auf dem Gründungskongress der RGI nicht vertreten waren.

Auf dem Kongress waren die russischen Gewerkschaften in der Mehrheit. Die Syndikalisten blieben in der Minderheit. Sie bildeten auf dem Kongress eine Opposition, die sich gegen die organische Verbindung und Unterordnung der Gewerkschaften unter die politischen Parteien wandte. Sie versuchen noch einmal, die Selbständigkeit des Syndikalismus gegenüber dem Parteikommunismus zu wahren.

Hierbei zeigten sich die französischen Delegierten besonders eifrig. Sie mussten mit der starken anarchosyndikalistischen Strömung innerhalb der französischen Gewerkschaftsbewegung rechnen. Auf dem Gewerkschaftskongress in Lille hatte sich inzwischen die Spaltung der Gewerkschaften (September 1920) vollzogen. Im neuen Vorstand des unitarischen Gewerkschaftsbundes waren anfänglich die Anarchosyndikalisten in der Mehrheit. Erst nach dem Kongress von Saint Etienne und nach den Januarereignissen im Jahre 1922 (Erschießung von zwei Anarchosyndikalisten im Pariser Gewerkschaftshaus), ist es den Kommunisten gelungen, sich zu absoluten Herren der CGTU zu machen. Schließlich traten die Anarchosyndikalisten aus dem unitarischen Gewerkschaftsbund aus und bildeten die CGTSR, die heutige französische Sektion der IAA.

Die CGTU setzte sich mit großer Energie für die Beseitigung des Paragraphen 11 der Statuten der RGI ein, da in diesem Paragraphen die gegenseitige Vertretung und Unterordnung der RGI unter die Komintern festgelegt war.

II. Internationale Syndikalistenkonferenz Berlin Oktober 1921

Im Oktober desselben Jahres fand der 13. Kongress der FAUD in Düsseldorf statt; im Anschluss daran eine internationale Konferenz, die den Beschluss fasste, eine eigene syndikalistische Internationale zu bilden. Der Beschluss lautete:

„Da der Moskauer Kongress der Roten Gewerkschafts-Internationale nicht zur Gründung einer syndikalistischen Internationale führte, sehen sich die am 13. Oktober in Düsseldorf versammelten Vertreter der syndikalistischen Organisationen Deutschlands, Hollands, Schwedens, der Tschechoslowakei und der IWW Amerikas veranlasst, zu einem neuen Internationalen Syndikalistischen Kongress aufzurufen. Auch die Unione Sindacale Italiana ist laut eingelaufenen Telegramm damit einverstanden.

Als Basis dient der auf der Berliner Vorkonferenz im Dezember 1920 gefasste Beschluss, der außer Punkt 6 aufrechterhalten wird.

Das Informationsbüro der revolutionären Syndikalisten und Industrialisten wird beauftragt, die nötigen Schritte zur Vorbereitung dieses Kongresses zum Frühling 1922 zu treffen.

Als Land für den Kongress wird Deutschland vorgeschlagen.“

Inzwischen hatten die Kommunisten in Frankreich neuen Boden gewonnen. Unsere französischen Genossen glaubten, noch einmal den Versuch wagen zu müssen, sich mit Moskau zu verständigen. Innerhalb der syndikalistischen Bewegung Frankreichs war um den Paragraphen 11 der Statuten der RGI ein förmlicher Kampf entbrannt, der mit einem Eifer geführt wurde, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Aus Solidarität mit den französischen Genossen erklärte sich schließlich die syndikalistische Union Italiens zu erneuten Beratungen über die Stellungnahme zu Moskau bereit. Es sollte in Paris eine Konferenz stattfinden, die dann aber, wegen Gefahr eines Verbotes in Frankreich, nach Berlin verlegt wurde.

Auch die schwedischen Syndikalisten erklärten sich offen gegen den Anschluss an die Rote Gewerkschafts-Internationale. Die organisatorische Bindung der RGI mit der kommunistischen Internationale und der einzelnen Gewerkschaften mit den kommunistischen Parteien  ihres Landes befand sich im Widerspruch mit der Prinzipienerklärung der schwedischen Syndikalisten. Der Anschluss an die RGI hätte eine Veränderung der Prinzipienerklärung der schwedischen Syndikalisten zur Voraussetzung gehabt. Dies lehnten sie ab und erklärten sich einverstanden mit der erneuten Abhaltung einer internationalen Konferenz der Syndikalisten.

III. Konferenz Berlin Juli 1922

Die Konferenz fand in der Zeit vom 16. bis 19. Juli 1922 in Berlin statt. Folgende Länder waren vertreten: Frankreich, Deutschland, Schweden, Norwegen, die Minorität der revolutionären Syndikalisten Russlands, der russische Gewerkschaftsbund, Spanien und Holland.

In der syndikalistischen Bewegung Hollands war um diese Zeit gerade ein Streit über die internationale Orientierung ausgebrochen. Die syndikalistische Landesorganisation (NAS) ließ sich daher nicht vertreten, die holländische Delegation nur die Seemannsorganisation „Eendracht“.

Auf dieser Konferenz traten die Gegensätze zwischen Kommunismus und Syndikalismus in aller Deutlichkeit zu Tage. Die Syndikalisten legten dem Vertreter der bolschewistischen russischen Gewerkschaften folgende Fragen vor:

Gedenkt der Zentralverband der russischen Gewerkschaften sich formell einzusetzen für die Freilassung aller Syndikalisten und Anarchisten, die für ihre Ideen eingekerkert sind?

Ist der Zentralverband der russischen Gewerkschaften gewillt, die Forderung zu erheben, dass die Genossen ihre volle revolutionäre Tätigkeit in den Gewerkschaften frei entfalten können unter der Bedingung, dass sie die russische Regierung nicht mit den Waffen in der Hand bekämpfen?

Auf diese Fragen gab der Vertreter der russischen Gewerkschaften keine klare Antwort. Als später noch Vertreter der kommunistischen Zellen innerhalb der syndikalistischen Union Italiens und Vertreter der damals moskautreuen Hand- und Kopfarbeiter-Union Deutschlands (Gelsenkirchener Richtung) an der Konferenz teilnehmen wollten und ihnen nur Gastrecht mit beratender Stimme gewährt wurde, verließ der Vertreter der russischen Gewerkschaften mit seinen Parteifreunden die Konferenz. Damit gaben die russischen Gewerkschaften zu erkennen, dass sie nicht gewillt waren, die syndikalistische Bewegung als gleichberechtigt anzuerkennen, und Schulter an Schulter mit ihr zu kämpfen, sondern dass sie die Unterwerfung der Syndikalisten unter die Kommunistische Internationale forderten.

Angesichts dieser eindeutigen Stellungnahme der Kommunisten gegen den Syndikalismus sah man keine Möglichkeit mehr, mit Moskau zusammenarbeiten zu können. Die Konferenz arbeitete die Prinzipienerklärung des internationalen Syndikalismus aus, die von allen Delegierten angenommen und ein halbes Jahr später vom Gründungskongress der IAA gutgeheißen wurde.

Die Konferenz nahm dann noch einmal zur Roten Gewerkschafts-Internationale in folgender Resolution Stellung:

„Die Internationale Vorkonferenz der revolutionären Syndikalisten stellt fest,

1. dass die Einstellung der revolutionär-syndikalistischen Organisationen, die in den Thesen festgelegt ist, die auf der Konferenz einstimmig angenommen wurden, nicht nur das Ergebnis der Diskussionen der Konferenz ist, sondern besonders aus den Berichten derjenigen revolutionär-syndikalistischen und industrialistischen Organisationen an die Konferenz hervorgeht, die nicht vertreten sein konnten;

2. dass die Rote Gewerkschaftsinternationale in sich selbst weder vom prinzipiellen Standpunkt noch auf Grund ihrer Statuten eine internationale Organisation darstellt, die imstande ist, das revolutionäre Proletariat der ganzen Welt in einem einzigen Kampforganismus zusammenzufassen.

Die Konferenz beschließt somit, ein provisorisches Büro der revolutionären Syndikalisten einzusetzen, das beauftragt wird, vom 12. bis 19. November dieses Jahres einen Weltkongress der revolutionär-syndikalistischen Landesorganisationen einzuberufen.

Das Büro soll ferner die Beschlüsse der Konferenz dem Exekutivkomitee der Roten Gewerkschafts-Internationale mitteilen, in der Hoffnung, dass die Landesorganisationen, die dieser Internationale angeschlossen sind, an dem erwähnten Kongress teilnehmen, um die Grundlage herzustellen, die das Zusammenfassen aller revolutionär-syndikalistischen  Kräfte der Welt in einer und derselben Körperschaft ermöglicht.“

Die Konferenz wurde abgeschlossen, nachdem vorher der Beschluss gefasst wurde, Ende desselben Jahres einen Kongress aller Syndikalisten in Berlin abzuhalten.

Gründungskongress der IAA

Der Gründungskongress der Internationalen Arbeiter Assoziation fand in der Zeit vom 25. Dezember 1922 bis zum 2. Januar 1923 in Berlin statt. Auf dem Kongress waren folgende Organisationen vertreten:

Mitglieder:

  • Argentinien: Federacion Obera Argentina, 2 Delegierte - 200.000
  • Chile: Industrial Workers of the World, ein Delegierter - 20.000
  • Dänemark: Syndikalistischer Propagandaverband, ein Delegierter - 600
  • Deutschland: Freie Arbeiter Union (Syndikalisten) 8 Delegierte - 120.000
  • Holland: National Arbeids Secretariaat, 4 Delegierte - 22.500
  • Italien: Unione Sindacale Italiana, 2 Delegierte - 500.000
  • Mexico: Confederacin General de Trabajadores, indirekt vertreten - 30.000
  • Norwegen: Norsk Syndikalistik Federasjon, 1 Delegierter  - 3.000
  • Portugal: Confederacao Geral do Trabalho, schriftliche Zustimmung - 150.000
  • Schweden: Sveriges Arbetares Centralorganisation, 2 Delegierte  - 32.000
  • Spanien: Confederacion nacional del Trabajo (Delegierter nicht erschienen, da durch Diktatur verhindert)


Außerdem nahmen mit beratender Stimme am Kongress teil:

  • Deutschland: Allgemeine Arbeiter Union (Einheitsorganisation) durch einen Delegierten - 75.000
  • Anarchosyndikalistische Jugend 1 Delegierter - 1.500
  • Frankreich: Comité de Défense Syndicaliste Révolutionnaire vertreten durch 2 Delegierte. Die CGTU hatte sich um diese Zeit schon endgültig an die RGI angeschlossen. Die erschienene Delegation vertrat eine Opposition innerhalb der CGTU mit einer Mitgliederzahl von 100.000
  • Frankreich: Fédération du Bâtiment 1 Delegierter - 32.000
  • Fédération des Jeunesses de la Seine 1 Delegierter - 750
  • Russland : Syndikalistische Minderheit in den Gewerkschaften vertreten durch 2 Delegierte


Alle revolutionäre Syndikalisten waren darin einig, eine eigene internationale Organisation zu schaffen. Die vorhergegangenen Konferenzen haben allzu deutlich gezeigt, dass die russischen Gewerkschaften nicht bereit waren, eine Internationale zu bilden, in der die angeschlossenen Organisationen ihr freies Selbstbestimmungsrecht haben. Nachdem der Kongress die auf der Vorkonferenz beschlossene Prinzipienerklärung bestätigt hatte, wählte er ein Sekretariat, mit dem Sitz in Berlin. Trotzdem in Italien der Faschismus bereits auf dem Vormarsch war und die italienische Organisation unter seinen Schlägen  der Vernichtung anheim fiel, obwohl Primo de Rivera in Spanien sich zur Proklamierung der Diktatur und zur Auflösung der Gewerkschaften anschickte, waren auf dem Kongress immerhin noch über eine Million Arbeiter vertreten. Der Kongress wollte trotz aller schlechten Erfahrungen mit Moskau noch einmal seine Bereitwilligkeit zur Einigung des revolutionären Proletariats zeigen. Hauptsächlich auf drängen der französischen Delegation nahm er eine Resolution an, in der gesagt wird:

„Trotz der grundsätzlichen Unterschiede, die uns von den gewerkschaftlichen Organisationen der RGI trennen, beauftragt der Kongress das Sekretariat der Internationalen Arbeiter Assoziation, den letzten Versuch zu machen, mit der RGI auf Grund des Briefes des provisorischen Büros vom 12. August 1922 den Meinungsaustausch fortzusetzen, um die gewerkschaftliche Einheit auf internationalem Gebiete in die Wege zu leiten.

Da eine Verständigung aller revolutionärer Elemente für gemeinsame Aktionen gegen Kapitalismus und Staat von größter Bedeutung und unerlässlich ist, beschließt der Kongress, falls die Exekutive der RGI diese Verständigung endgültig ablehnt, über die Köpfe ihrer Führer hinweg an alle Landesorganisationen heranzutreten, die der RGI angeschlossen sind.“

Zum letzten Male versuchte nun das Sekretariat der IAA im Einverständnis mit diesem Beschlusse, die Rote Gewerkschafts-Internationale zu veranlassen, mit den Syndikalisten die Möglichkeit der Bildung einer einheitlichen revolutionären Internationale zu untersuchen, wobei allerdings die volle Selbständigkeit und Gleichberechtigung aller angeschlossenen Organisationen Voraussetzung war. Auch diesmal lehnte Moskau diesen Versuch schroff ab. Das Tischtuch war endgültig zerrissen. Die Spaltung innerhalb der revolutionären Arbeiterbewegung, durch das autoritäre Auftreten von Karl Marx schon in die erste Internationale hineingetragen, wurde nun von den Moskauer Nachfolgern Marx’ fortgesetzt, und sie besteht bis auf den heutigen Tag.

***

Seit 10 Jahren geht die Internationale Arbeiter Assoziation ihren eigenen Weg, unabhängig von Sozialdemokraten und Kommunisten. Sie vereinigt die gewerkschaftlich-revolutionären Arbeiterorganisationen, mit ihr kämpfen die freiheitlichen, revolutionären Kräfte des kommunistischen Anarchismus, zu ihr stehen die proletarischen Massen im Kampfe gegen Ausbeuter und Unterdrücker.

Die Internationale Arbeiter Assoziation ist die einzige Internationale, die mit den herrschenden Mächten kein Kompromiss geschlossen hat: weder auf wirtschaftlichem noch auf politischem Gebiete, weder mit dem Staat noch mit dem Ausbeuter Kapitalismus.

Die Internationale Arbeiter Assoziation hat in den Jahren ihres Bestehens das Vertrauen gerechtfertigt, das das revolutionäre Proletariat aller Länder in sie gesetzt hat. Ihre Ideen vom Aufbau der sozialistischen Gesellschaftsordnung durch die revolutionären Wirtschaftsorganisationen des Proletariats werden angesichts des Versagens des Staatssozialismus gemäßigter und radikaler Observanz immer weiter vordringen. Die Grundsätze der IAA werden bei der kommenden Revolution die Welt erobern. Diese Ideen für die Zukunft zu erhalten, das ist die Aufgabe aller Mitglieder der Internationalen Arbeiter Assoziation.

A. Souchy

Aus: "I.A.A. 10 Jahre internationaler Klassenkampf / Gedenkschrift zum zehnjährigen Bestehen der Internationalen Arbeiter-Assoziation" / Berlin, 1932

Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2011/05/15/geschichte-der-iaa-teil-1/


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