Avelino Gonzalez Mallada - Die CNT Spaniens unter der Republik
Die internationale Orientierung der CNT zur Zeit der Gründung der IAA
Im Jahre 1919 beschloss die CNT auf ihrem Kongress in Madrid den Anschluss an die Dritte Internationale. Diese Sympathiekundgebung für das russische Proletariat, das eine antikapitalistische Gesellschaft aufbaute, hatte damals eine außergewöhnliche Bedeutung: Es war ein Solidaritätsakt der revolutionären Arbeiterschaft Spaniens mit dem russischen Volk. Damals wusste man im Westen nichts über die Tyrannei, die eine Partei ausübte, die sich anmaßte, das neue Leben eines Volkes unter ihre pseudowissenschaftlichen Lehren zu zwingen.
Der spanische Anarchosyndikalismus konnte sich mit der Amsterdamer Internationale, die das internationale Proletariat verriet, indem sie es dem Kapitalismus auslieferte, der Bourgeoisie Minister stellte und das Übel der sogenannten Sozialgesetzgebung schuf, nicht verbünden.
Auch der Dritten Internationale konnte er nicht angehören, weil diese eine Internationale der politischen Parteien war. Das verstanden die Führer in Moskau sehr gut, als sie den internationalen Kongress organisierten. Die CNT sandte zu diesem Kongress einen Delegierten. Angel Pestaña vertrat die Konföderation und informierte die spanische Arbeiterschaft über den Charakter der neuen Gewerkschaftsinternationale (RGI), die ein Instrument in den Händen der Kommunistischen Partei, ja sogar in den Händen der russischen Regierung war. Die Anarchosyndikalisten dagegen waren entschiedene Anhänger des freiheitlichen Kommunismus, Feinde jedes Zentralismus und jeder Regierung und Gegner des dogmatischen Marxismus; sie zogen daher ihren moralischen Anschluss an die Herrschaft des neuen Russland zurück und erklärten, der RGI nicht angehören zu können. Das war die internationale Orientierung der CNT Spaniens vor der Gründung der IAA, die in Berlin erfolgte.
Die Verfolgungen gegen die CNT
Das Proletariat Europas kennt die furchtbaren Verfolgungen, die gegen die spanischen Arbeiter, die der CNT angehörten, entfesselt wurden. Wir brauchen ihrer nicht mehr Erwähnung zu tun und wir beklagen uns auch nicht. Wir haben rücksichtslos das kapitalistische Regime in Spanien bekämpft und unser Klassenfeind, stärker als wir, bediente sich aller Mittel, um uns niederzuschlagen. Wir befinden uns im Klassenkrieg, und die Verfolgung der Unterdrückten wird um so gewaltsamer sein, je gefährlicher der Bourgeoisie die Aktionen des Proletariats erscheinen. Die Reaktion der Regierung gegen die CNT war durchaus verständlich, der spanische Staat hatte uns entweder zu besiegen, oder er musste untergehen: also besiegte er uns. Er besiegte uns, doch er konnte es nicht verhindern, dass er dabei selbst rasch in Verfall geriet. Ihn konnte weder die Diktatur Primo de Riveras retten, noch wird ihn die sozialbürgerliche Republik vor seinem Zusammenbruch bewahren können. Immer noch sind wir eine große Gefahr für den Kapitalismus, und trotz des ständigen Verrates der Sozialdemokraten, trotz Unfähigkeit der Kommunisten, trotz der Gegensätze zwischen „Gemäßigten“ und „Extremisten“ innerhalb der CNT wird der spanische Arbeiter in Stadt und Land unwiderstehlich von der Konföderation der Arbeit angezogen, die unentwegt revolutionär wirkt und die einzige Hoffnung für die vollständige Befreiung von jeder Regierung und vom Kapitalismus ist.
Deshalb werden von der Republik, in der die Sozialisten am Ruder sind, dieselben Unterdrückungsmethoden gegen den Anarchosyndikalismus angewandt; deshalb werden wir von allen Marxisten, angefangen von den Kautskys über Trotzki, Lenin und Stalin als Feinde betrachtet.
Die Spaltung des spanischen Proletariats
Trotz alledem steigt der Einfluss der CNT von Tag zu Tag. Man will sie außerhalb des Gesetzes stellen, doch sie untergräbt alle Gesetze, die sich ihr entgegenstellen. Das Gesetz, das den Namen des 8. April trägt, und das die Gewerkschaften unter eine strenge Staatskontrolle stellen und eine Klassengemeinschaft herbeiführen soll, die nur den Kapitalisten zugute kommen kann, das Gesetz, das das obligatorische Schlichtungswesen einführen sollte, konnte nicht zur Durchführung gelangen, nachdem es erst von dem Parlamente mit Hilfe von 116 Stimmen der Sozialisten zur Annahme gelangte und von drei sozialistischen Ministern und einem sozialistischen Kammerpräsidenten befürwortet wurde. Die Drohung der Mobilisierung der Kräfte der CNT genügte, um die Durchführung des Gesetzes zu vereiteln.
Unsere Genossen der IAA dürfen jedoch nicht glauben, dass unsere Organisation gut funktioniert, dass die Mitglieder regelmäßig und pünktlich ihre Beiträge bezahlen. Wer die Eigenarten des spanischen Volkes kennt, wird verstehen, dass die organisatorischen Pflichten bei uns nur schwer erfüllt werden. Dazu kommen noch Erwerbslosigkeit, das ungeheure Elend, die Verfolgungen, Schließung von Gewerkschaftslokalen, dauernde Streiks mit revolutionärem Charakter; alles dies trägt dazu bei, dass wir nur mit großen Schwierigkeiten unsere Beiträge eintreiben können, unsere gewerkschaftlichen Statistiken nur schwer aufstellen und nur unter sehr schwierigen Umständen unsere Gewerkschaften systematisch aufbauen können. Es ist leichter, einen ganzen Landesteil zu einem Generalstreik zu bewegen, als die Mitglieder zu veranlassen, regelmäßig ihre Beiträge zu bezahlen. Nehmen wir die Arbeitermassen in Stadt und Land, die von den revolutionären Aktionen der CNT beeinflusst werden, und die bereit sind, mit ihr zu marschieren, dann können wir mit 2 Millionen Männern und Frauen rechnen; an Mitgliedern haben wir eine Million, und Beiträge zahlen etwa 200.000. Ziehen wir in Betracht, dass die Landarbeiter keine Beiträge bezahlen, weil sie nur drei Monate im Jahre Lohn erhalten und die übrige Zeit elend dahinvegetieren, indem sie nur ungenügende Nahrungsmittel in natura erhalten, so dass sie gezwungen sind, bei den Gutsbesitzern zu „konfiszieren“, was von der Bourgeoisie „Raub“ genannt wird und die Proletarier „Expropriation“ nennen; ziehen wir weiter in Betracht, dass die Industriearbeiter Spaniens unter der Erwerbslosigkeit mehr zu leiden haben als die Arbeiter anderer Länder, weil sie von keiner Seite Erwerbslosenunterstützung erhalten und eine große Anzahl von Arbeitern nur drei bis vier Tage in der Woche arbeiten, — ziehen wir alles dies in Betracht, dann werden wir verstehen, dass die spanische Konföderation ihren finanziellen Verpflichtungen nur sehr schwer nachkommen kann.
Die reformistische „Allgemeine Arbeiter-Union Spaniens“ (UGT), die eine Sammlung der kleinbürgerlichen Elemente ist, hat nach Angaben der Sozialdemokratie, in deren Fahrwasser die Organisation schwimmt, 1 Million Mitglieder. Eine halbe Million davon ist hinzugelogen. Die Sozialdemokraten sind sozusagen zum Lügen verpflichtet, denn sie müssen eine Stärke vorspiegeln, um ihre politische Stellung zu behaupten. Die Bourgeoisie und auch die Linksrepublikaner wissen, dass das nicht stimmt, doch sie tun so, als ob sie es glauben, um die CNT herabzusetzen. Wie dem auch sei, die UGT ist eine bedeutende Kraft mit denselben organisatorischen Missständen auf kleinerer Skala, wie die CNT. Sie setzt sich zusammen aus Arbeitern der Grubenindustrie, der Fabriken, der Felder, des Wassertransportgewerbes und der Büros. Die reformistische Bewegung wird von allen unterstützt, besonders vom Kapitalismus, der mit den Arbeitern und Angestellten zusammenarbeiten will und zu diesem Zweck den Eintritt in die UGT begünstigt. Trotzdem hat sich nicht eine einzige Gewerkschaft von der CNT losgelöst, dagegen können wir feststellen, dass eine ganze Anzahl von Gewerkschaften der UGT den Rücken kehrte, um der CNT beizutreten. Bei Streiks stellte sich die UGT offiziell auf die Seite der Regierungsmacht, um die Republik zu verteidigen. Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass das Proletariat der UGT den Rücken kehrt. Vielfach können die sozialistischen Führer die Mitglieder der reformistischen Gewerkschaften nicht mehr kontrollieren. Die Mitglieder gehen in den Streik gegen den Willen der Führer, die Landarbeiter erstürmen Gutshöfe, expropriieren Schweine- und Schafherden und schlagen sich mit der Zivilgarde.
Vor kurzer Zeit fanden die Kongresse der Sozialistischen Partei und der reformistischen UGT statt. Man beschäftigte sich nur mit rein politischen Fragen ohne tieferen sozialen Charakter, alle angenommenen Beschlüsse gehen auf eine Unterstützung der demokratischen Republik hinaus.
Die Tätigkeit der Staatskommunisten – bei denen man wenig Kommunismus, dafür aber um so mehr Staatsgläubigkeit findet – ist tatsächlich katastrophal. Ihr Einfluss ist minimal, ihre Zersplitterung maximal. Die offizielle Partei ist ein blindes Instrument, geleitet von Moskau, schwach an Mitgliedern und mit einer unmöglichen Taktik. Da sie die Befehle nicht ausführen konnte, simulierte sie Aktionen, die selbstverständlich erfolglos enden mussten. Ihre Führer wurden immer wieder nach Moskau berufen, um dort abgeurteilt zu werden. Dann haben wir hier noch den Block der Arbeiter und Bauern, dessen Chef der katalanisch-nationalistische Kommunist Maurin ist, der sich weitab von der „Linie“ befindet. Dann gibt es die Linksoppositionellen, die im allgemeinen als Trotzkisten bekannt sind.
Alle verleumden die Arbeiter der CNT. Man will einen unitarischen [1] Gewerkschaftsbund gründen, der an die RGI angeschlossen werden soll. Doch dadurch wird die Konfusion noch größer werden.
Das ist die gegenwärtige Lage de spanischen Sektion der IAA bei deren zehnjährigen Bestehen. Ich weiß nicht, ob es mir gelungen ist, ein Bild darüber zu geben, was die CNT ist. Ich bin Optimist. Das spanische Proletariat ist auf dem Marsch zum freiheitlichen Kommunismus, die revolutionären Möglichkeiten in Spanien liegen nur in der Richtung des Anarchosyndikalismus. Auch unter unseren Genossen gibt es eine Krise, doch das ist eine Reinigungskrise, die wir bald überwunden haben werden.
Die CNT wird ihren Weg des Aufstiegs fortsetzen: ihr voran – doch niemals sie bevormundend – die Anarchistische Föderation Iberiens, von Bürgertum und Marxisten mit Hass, von einigen Genossen mit Besorgnis, von uns mit Liebe und von den Unterdrückten mit Hoffnung „FAI“ genannt.
Avelino Gonzalez Mallada
Anmerkung:
[1] Unitarismus = Streben nach Stärkung der Zentralgewalt
Aus: "I.A.A. 10 Jahre internationaler Klassenkampf / Gedenkschrift zum zehnjährigen Bestehen der Internationalen Arbeiter-Assoziation" / Berlin, 1932
Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2011/06/01/geschichte-der-iaa-teil-8/