Clara Thalmann 

Clara Ensner entstammt einer deutschen sozialistischen Arbeiterfamilie. 1908 wird sie in Basel geboren. Wie bei ihren neun Geschwistern beginnt auch ihre politische Biographie in der kommunistischen Arbeiterbewegung in der Schweiz. Dort lernt sie auch Paul Thalmann kennen, der damals (1921-1925) Sekretär der kommunistischen Jugend war und als einer von drei Auserwählten die Arbeiteruniversität in Moskau (1925-1928) besuchen durfte.

Nach seiner Rückkehr aus Rußland beginnt für sie der gemeinsame Lebensweg, der sie später auch noch nach Spanien führen sollte. "Die große, schlanke, goldblonde Clara besaß ein tolles Temperament; dazu den ungestümen Optimismus und Weltverbesserungsdrang der Jugend. Es wurde die große Liebe unseres Lebens." (Alle Zitate aus ihrem Buch "Revolution für die Freiheit").

Den politischen Ideen Pavels steht Clara zunächst ablehnend gegenüber, "es brauchte wochenlange heftige Diskussionen, bis sie sich zu meinem Standpunkt bekannte." Nach seinem Aufenthalt in Moskau war Pavel mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt, daß Stalins Parteibürokratie der Revolution das Genick brechen werde. Gegen die Entartung der Revolution, das stereotype "Nachäffen" der stalinschen Politik seitens der kommunistischen Parteien, beschließen sie deshalb, innerhalb der KP in der Schweiz entschieden Widerstand zu leisten. Kritik an Moskau ist jedoch unerwünscht. Noch 1928 werden Clara und Pavel aus der Partei ausgeschlossen. Sie wechseln zur KPO, der kommunistischen Parteiopposition, welche an vielen Orten im Lande bereits einflußreiche Gruppen besaß und auch in einer Reihe anderer Länder über einige Wirkungsmacht verfügte.

In Deutschland nahm inzwischen der Faschismus seinen Lauf. Mit der Machtübernahme Hitlers beginnen die Nazis auch in der Schweiz mit ihrer, zunächst heimlichen, später dann offensiven Wühlarbeit. Die KPO nimmt Verbindung zu verschiedenen Gruppen der deutschen Arbeiteropposition auf und schmuggelt von der Schweiz aus gedrucktes Material über die Grenze. Häufig übernimmt Clara diese Arbeit. Aber "hinter den Pyrenäen waren Wetterwolken aufgezogen, die für die nächsten Jahre unsere Zukunft bestimmen sollten. Die Stürme im helvetischen Wasserglas waren vergessen."

Anfang Juli 1936 fährt Clara mit einem Freund nach Barcelona, um als Schwimmerin an der "Spartakiade" teilzunehmen, einem Gegenstück zur bürgerlichen Olympiade im Nazi-Berlin. Der Wettkampf sollte nicht stattfinden. Spanische Generäle putschten gegen die Republik; es ist der Beginn eines blutigen Bürgerkrieges, dessen Ausgang nicht abzusehen war.

Weil er von Clara keine Nachricht mehr bekam, entschließt sich Pavel ebenfalls nach Barcelona zu fahren. Auf der "Ramblas de las Flores" findet er sie wieder, mitten in einer Gruppe diskutierender Männer, im blauen Overall, das Gewehr über der Schulter. Die Arbeiter hatten ihre Verteidigung und damit ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Für Clara gab es nur noch eins, sie wollte mit an die Front. Ihre Begründung war einfach: "Weil ich schießen konnte!"

Noch in der selben Woche bricht sie mit einer Gruppe Milizianos in Richtung Rio Ebro auf. Dort, wo der Fluß die Frontlinie gegen das faschistische Spanien bildet, endet der Vormarsch der anarchistischen Kolonne. Für längere Zeit bleibt Clara bei den Anarchisten in La Zaida, einem kleinen Dorf unweit des Ebro. In ihrer Einheit genießt sie, "la Rubia" (die Blonde), wie sie genannt wurde, hohes Ansehen. "Oft hatten wir, weil sie eine "rubia" war, die Bahn gratis benützen können, alle Türen zu den höchsten Amtsstellen hatten sich vor ihr ohne Ausnahme geöffnet."

Nach kurzem Aufenthalt an der Front in Huesca kommt auch Pavel nach La Zaida. Zusammen unternehmen sie einen Besuch in das Hauptquartier der Kolonne Durutti in Geisa, ungefähr zehn Kilometer von La Zaida entfernt. Doch Pavel will weiter nach Madrid. Nur mit viel Überredungskunst gelingt es ihm, Clara zu bewegen, ihre Hundertschaft zu verlassen und ihn in die Hauptstadt zu begleiten.

Einige Tage vor der Bildung der Volksfrontregierung treffen sie in Madrid ein. Mit zahlreichen anderen ausländischen Korrespondenten werden sie im Hotel "Gran Via" im Zentrum der Stadt untergebracht. Unter ihnen Franz Borkenau, der sie gleich bei ihrer ersten Begegnung vor allzu freier Meinungsäußerungen warnt, da Stalin bereits begonnen habe, seinen Polizeiapparat in Spanien aufzubauen. Von Madrid aus fahren sie immer wieder an die Front vor die Stadt nach Talavera, Toledo, Siguenza, Aranjuez. Am 30. September 1936 fällt Toledo.

Von Hitler und Mussolini unterstützt, kann Franco sich nahezu unbehindert der Hauptstadt nähern. Die ersten Fliegerangriffe richten heillose Verwirrung an. Clara und Pavel bieten ihre Mitarbeit beim Radio der Madrider POUM-Organisation an, welches Nachrichten und Berichte zur Entwicklung des Bürgerkriegs aus der Sicht der POUM ins Ausland sendete. Clara spricht in deutsch und französisch die von Pavel verfaßten Texte. Da sie nachdrücklich und kontinuierlich mit ihrer Losung "Mit der Revolution den Krieg gewinnen" auch ihre Ablehnung der stalinschen Herrschaftspolitik über den Sender verbreiten, kommt es immer wieder zu Überfällen durch die Kommunisten auf die Sendestation. Ein Freund der beiden, der im selben Hotel wohnt und gute Kontakte zu den Kommunisten unterhält, teilt ihnen vertraulich mit, daß sie sich verdächtig gemacht haben und unter Beobachtung stehen.

Im darauffolgenden Monat setzen Francos Truppen sich in den Vororten der Stadt fest. "NO PASARAN" wird zur Losung des Tages. Der militärischen Übermacht des Gegners hat die Republik aber nichts mehr entgegenzusetzen.

Die Regierung Caballero beschließt am 8. November ihren Sitz nach Valencia zu verlegen; mit ihr müssen auch alle ausländischen Journalisten die Stadt verlassen. Clara und Pavel wollen aber in Madrid bleiben. Sie sprechen bei der POUM-Miliz vor, doch Clara wird nicht aufgenommen, weil Frauen laut Regierungsbeschluß jetzt nicht mehr mitkämpfen dürfen. Was tun? Unentschlossen gehen sie nach Valencia mit, entscheiden jedoch dann, Spanien zunächstmal für kurze Zeit zu verlassen.

Knapp zwei Monate bleiben sie in der Schweiz. Während Clara auf Versammlungen in Genf, Lausanne und Neuenburg spricht und mit der schweizerischen Kinderhilfe über die Aufnahme spanischer Flüchtlingskinder verhandelt, bleibt Pavel in Basel, hält Vorträge und schreibt unter dem Pseudonym Franz Heller eine kleine Broschüre mit dem Titel: "Arbeiterrevolution in Spanien".

Verbunden mit der Rückkehr nach Spanien ist die Diskussion um die Weiterentwicklung des sozialen Umbruchs. Clara und Pavel wollen sich einer anarchistischen Gruppe in Katalonien oder an der Aragonfront anschließen. In Barcelona treffen sie sich daher mit Augustin Souchy, der als deutscher Anarchosyndikalist in der IAA eine leitende Funktion ausübte. Die erste Begegnung mit Augustin sollte zu einer kalten Dusche werden. In seinem Büro in der Via Laetana kommt es gleich zu einer heftigen Auseinandersetzung über die Beteiligung der Anarchisten an der Regierung, welche von Clara und Pavel heftigst kritisiert wird. Augustins Position dagegen beschreibt Pavel später so: "Ja, ihr lieben Leute, wie ihr jetzt redet, habe ich vorher auch gesprochen. Steht man aber hinter dem Bürotisch und nicht davor wie ihr, so stellen sich die Probleme anders."

Daß Clara als Frau jetzt, nachdem doch die Regierung in Valencia ein Dekret dagegen erlassen hatte, in der Miliz noch würde mitkämpfen dürfen, daran hat er seine Zweifel. Dennoch stellte er ihnen ein Empfehlungsschreiben aus, mit dem sie sich bei einer Gruppe deutscher Anarchosyndikalisten melden. Dort werden sie eingekleidet, bekommen Gewehre und Munition, und brechen kurz darauf in Richtung Aragonfront auf. Das Ziel ist Pina, ein kleines Dorf an der Aragonfront. Die Hundertschaft dort sollte selbst über Claras Bleiben entscheiden. "Clara wurde gebührend bestaunt und akzeptiert." Außer ihr gab es nur noch eine Frau in der Gruppe, eine Spanierin. Die Milizionäre hier am Ebro gehörten zu der großen anarchistischen "Kolonne Durutti", die in Katalonien und Aragonien eine Milizarmee von dreißig- bis vierzigtausend Mann stellte.

Auf der republikanischen Seite des Flusses war nahezu alles Land kollektiviert. Viele Milizianos arbeiteten deshalb auch auf dem Feld und halfen den Bauern bei der Ernte. Zu größeren militärischen Unternehmungen sind sie jedoch kaum in der Lage. Ihre Bewaffnung ist schlecht, dennoch gelingt es ihnen, die Front zu halten. An den langen Winterabenden werden für Interessierte Kurse und Vorträge gehalten, bei denen die Diskussionen um das Kriegsgeschehen immer wieder im Vordergrund stehen. 

Die Auseinandersetzungen zwischen einzelnen politischen Flügeln spitzen sich zu, als die Nachrichten gegenseitiger Überfälle und Morde zwischen Anarchisten und Kommunisten sich häufen. Mit dem Vorwand, er könne nicht mehr für ihre Sicherheit garantieren, drängt Michaelis, der Leiter der Gruppe, Clara und Pavel die Front zu verlassen. Als linientreuem Anarchisten war ihm daran gelegen, unbequeme Kritiker loszuwerden. Mit 15 anderen kehren Clara und Pavel nach Barcelona zurück. Für jeden stellt sich die Frage: "Sich weiter in Spanien engagieren oder aufgeben?"

In Barcelona hatte sich inzwischen einiges geändert: die führende Rolle der CNT war Stück für Stück abgebaut und kommunistischen Instanzen untergeordnet worden, die freie anarchistische Presse wie auch das Organ der POUM "La Batalla" strengster Regierungszensur unterstellt. Die Revolutionsbegeisterung war einer dumpfen Resignation gewichen. Clara und Pavel wollten trotzdem bleiben. Sie melden sich bei der POUM, welche zu der Zeit fast täglich verleumderischen Angriffen der Kommunisten ausgesetzt war, die sie als verbrecherische trotzkistische Organisation denunzierten. Pavel wird sofort aufgenommen, nicht jedoch Clara. Die Zeit, da Frauen in vorderster Linie mitkämpfen konnten, war nun endgültig vorbei. Noch einen Tag geht sie mit Pavel an die Aragonfront und kehrt dann nach Barcelona zurück.

Während es den Kommunisten im übrigen Spanien gelungen war, ein Volksheer unter ihrer Führung zu bilden, blieb Katalonien die letzte anarchistische Hochburg, in der das Milizsystem im Prinzip noch funktionierte. Mochte die politische Schulung, das intellektuelle Niveau der anarchistischen Bauern und Arbeiter gering sein, sie wußten und fühlten instinktiv, daß die Aufhebung des Milizsystems das Ende der revolutionären Periode einleitete.

Noch vor dem 1.Mai 1937 kehrt auch Pavel nach Barcelona zurück. Die politische Atmosphäre in der Stadt hatte sich immer mehr zugespitzt: die "Amigos de Durutti", eine kleine, aber aktive Gruppe lehnt sich offen gegen die anarchistische Führung auf. Am 3. Mai stürmen die Kommunisten das von der CNT besetzte Telefongebäude und noch in derselben Stunde wird in Barcelona der Generalstreik ausgerufen. Unterstützt von den Kontrollpatrouillen nehmen die Komitees im Namen der FAI, der CNT und der POUM in ganz Katalonien die Macht wieder in ihre Hände. Die darauffolgende Nacht bleiben Clara und Pavel hinter den Barrikaden und schießen sich mit einer Gruppe "Guardia de Asalto", der Regierungspolizei. Am zweiten Tag der Straßenkämpfe geben sie mit den "Amigos de Durutti" ein Flugblatt heraus, in dem sie unter anderem den Rückzug der anarchistischen Vertreter aus der Regierung und die Entwaffnung der kommunistischen Parteiorganisationen fordern. Beim Verteilen hinter den Barrikaden stoßen sie jedoch auf schroffe Ablehnung, werden zurückgewiesen. Am dritten Abend des Aufruhrs sprechen Federica Montseny und Garcia Oliver, die anarchistischen Vertreter der Valencia-Regierung, über den Rundfunk: weil es gelte zuerst den Krieg gegen Franco zu gewinnen, bitten sie die Arbeiter und Milizen, den verheerenden Bruderkrieg einzustellen und die Arbeit wieder aufzunehmen.

"Aus Wut, Scham und Empörung zerrissen zahlreiche Angehörige der FAI und der CNT ihre Mitgliedsbücher, warfen sie in die Feuer hinter den Barrikaden ..."

In Barcelona rücken die Ordnungstruppen der Regierung ein. Am Tag darauf werden die meisten Mitglieder des Zentralkommittees der POUM verhaftet, Andrés Nin von den Stalinisten entführt und später ermordet. Über Freunde erfahren Clara und Pavel, daß die Polizei nach dem Verfasser der Broschüre "Arbeiterrevolution in Spanien" sucht. Auf der Straße sind sie nun nicht mehr sicher. Auch in dem Unterschlupf, den sie daraufhin beziehen, werden sie dreimal von der Polizei aufgesucht und verhört, mit ihren Papieren, die sie als ausländische Journalisten ausweisen, jedoch wieder freigelassen.

Überzeugt, daß der revolutionäre Schwung der spanischen Arbeiter und Bauern gebrochen war, und um nicht von der russischen Geheimpolizei entführt zu werden, entschließen sie sich, Spanien zu verlassen. Mit ihren Schiffspapieren sind sie bereits an den Zollbeamten im Hafen vorbei, als sie von Zivilisten der russischen Geheimpolizei (GPU) angehalten und verhaftet werden. In dem "Puerta del Angel", einem großen Gebäude unweit des Hafens, werden sie mit anderen Kameraden, die sie noch aus Pina kennen, gefangen gehalten. Clara wird von Pavel getrennt. Es folgen nächtelange Verhöre. Über Kassiber gelingt es ihnen in Verbindung zu bleiben.

Mitte Juli erst sehen sie sich wieder, als sie von Barcelona nach Valencia abtransportiert werden. Erst später erfahren sie, daß auch alle anderen aus dem "Puerta del Angel" hierher transportiert worden sind. Da in dem Gefängnis eine Frauenabteilung abgetrennt wurde, verliert Clara zunächst wieder den Kontakt zu ihrem Mann. Mit Pavel, der nur ein Stockwerk unter ihr in seiner Zelle lag, konnte sie aus Vorsicht vor eventuellen Spitzeln so direkt keinen Kontakt aufnehmen. Deshalb fing sie an, Lieder auf Schwyzerdütsch zu singen in ihrer Zelle u.a. Immer wieder hören sie von Folterungen, aber niemand weiß, warum sie den einen foltern und den anderen nicht.

In der zehnten Woche ihrer Gefangenschaft werden Clara und Pavel wieder zum Verhör geholt. Ein Auto bringt sie zu einem unbekannten Gebäude in der Stadt, wo sie zum ersten Mal seit ihrer Gefangennahme von spanischen Beamten vernommen werden. Am Ende des Verhörs wird ihnen glaubhaft versichert, daß sie am nächsten Tag frei sein werden. Am darauffolgenden Morgen dringen mit Maschinenpistolen bewaffnete Zivilisten in ihre Zellen ein, sagen, daß sie jetzt gehen könnten, aber die folgende Nacht noch im Polizeirevier zu verbringen hätten. Was hatte man mit ihnen vor? 

Erst am nächsten Tag löst sich der Spuk auf. In einem Gespräch mit zwei Agenten in Zivil erfahren sie, daß sie ab sofort dem direkten Schutz des Innenministeriums unterstellt seien. Die Uniformierten hätten Befehl, für ihre Sicherheit zu sorgen und sie zu bewachen. Beim Innenministerium bekommen sie ein Schriftstück, welches besagt, daß sie als Gäste der Regierung zu behandeln seien, volle Bewegungsfreiheit besäßen und nach Belieben in Spanien bleiben, oder das Land verlassen könnten. Offensichtlich hatte die sozialistische Partei über die Köpfe der GPU hinweg ihre Freilassung organisiert.

Einige Zeit noch kutschieren Clara und Pavel mit ihren Beschützern durch die Stadt, sie wohnen in besten Hotels, mit bester Verpfelgung, organisieren essen für die Gefangenen in dem alten Kloster - alles ohne selbst einen Pfennig zu besitzen, bezahlt vom Innenministerium aus der Staatskasse. Doch paßt ihnen weder die dauernde Bewachung, noch der Privilegiertenstatus inmitten einer hungernden Bevölkerung. So beschließen sie nun erneut das Land zu verlassen.

Mitte September kehren sie Valencia den Rücken und mit einem kurzen Aufenthalt in Barcelona geht es gleich weiter in Richtung Port Bou, der spanisch-französischen Grenze. "Wir verließen Spanien arm wie Kirchenmäuse... die alten Jacken der anarchistischen Miliz tragend, mit ausgetretenen Stiefeln, so betraten wir Frankreichs Straßen". Per Autostop geht es nach Paris. Schon bald erfahren sie von der Existenz eines Hilfskomitees für Spanienkämpfer, welches für sie auch eine neue Bleibe in einem alten Schrebergartenhäuschen organisiert.

Durch einen alten schweizer Bekannten, dem sie zufällig in der Metro begegnen, hören sie, daß sie nicht in die Schweiz zurückkönnen, da sie dort auch verurteilt worden sind, vor einem Militärgericht, wegen Anwerben und Dienen in einer fremden Armee. So bleiben sie in Paris und vertiefen sich in die Solidaritätsarbeit mit anderen Emigrantengruppen.

Das Schlußdrama des spanischen Bürgerkrieges vollzieht sich auf französischem Boden. Im Januar 1939 überschreiten viele tausend Zivilpersonen, Frauen, Kinder, Greise, mit den Resten der republikanischen Armee aus Katalonien die französische Grenze. In verschiedenen Lagern, mit miserablen Unterkünften werden sie interniert. Tausende Flüchtlinge sterben in den ersten Wochen an Erschöpfung, Krankheit und Hunger.

Claras und Pavels materielle Situation hatte sich inzwischen etwas gebessert. In einem Dokumentationsbüro, das von deutschen Emigranten geleitet wurde, bekamen beide Arbeit und einen kärglichen Verdienst. Dann kam Hitlers Angriff auf Polen, die Mobilisierung der französischen Armee, die Mobilisierung der schweizer Armee. Pavel beschließt, trotz seiner Verurteilung, sich dem Militärgericht in der Schweiz zu stellen. Clara bleibt in Paris zurück.

In der Schweiz kann Pavel die Anklage glaubhaft widerlegen, wird jedoch, weil er aus Überzeugung nach Spanien gegangen ist, zu zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

In Paris treffen immer wieder erschütternde Berichte aus den Lagern der spanischen Emigranten ein. Zusammen mit anderen Frauen organisiert Clara Hilfsaktionen für die an Hunger und Kälte leidenden Internierten. Nach 99 Tagen Dienst in der Schweizer Armee, kehrt Pavel nach Paris zurück, auf das die deutschen Truppen unaufhaltsam vorrücken. Erstaunt, bestürzt und beunruhigt erlebt die Stadt die ersten Flüchtlingsströme aus Belgien und Nordfrankreich. Die Regierung verläßt die Stadt, und mit ihr geht ein langer Strom, der über die südlichen Ausfallstraßen vor den einmarschierenden deutschen Truppen flüchtet.

Clara und Pavel beschließen, Paris zu verlassen, da ihr spanisches Abenteuer ihnen bei den Deutschen Ungelegenheiten einbrocken könnte. Ziel ist Bordeaux. Zunächst mit dem Zug, später zu Fuß, schließen sie sich einem endlosen Menschenstrom an, der mehr als einmal von deutschen Fliegern unter Beschuß genommen wird. Einige Kilometer hinter Etampes trennen sich ihre Wege, als Clara Gelegenheit bekommt, auf einen Tanklastzug aufzusteigen. Am Bahnhof in Orleans, an dem sie sich mit Pavel wieder verabredet hatte, wartet sie jedoch vergebens. Pavel hat es nicht bis nach Orleans geschafft, wurde unterwegs aufgehalten und ist schließlich wieder nach Paris zurückgekehrt. Die Stadt bietet ein verändertes Bild: überall deutsche Truppen, deutsche Wegbeschriftungen, Soldatenheime und Soldatenkinos. Einen Verdienst hatten Paul und die zurückgekehrte Clara jetzt nicht mehr, dafür aber Arbeit in Hülle und Fülle.

Der Zusammenbruch Frankreichs hatte einen Teil der deutschen und spanischen Internierten befreit, die in die unbesetzten Zonen des Landes gingen. Clara und Pavel spezialisierten sich auf das Ausräumen von Emigrantenwohnungen und konnten so den Leuten das Allernotwendigste nachschicken. Für ein halbes Jahr bekommt Clara eine Anstellung als Dolmetscherin bei einer französischen Fabrik, wo es zu heftigen Zusammenstößen mit einem deutschen Offizier kommt - Clara wird gefeuert.

Seit ihrer Rückkehr aus Spanien hatten sich Pavel und Clara nicht mehr aktiv politisch betätigt, von einer Widerstandsbewegung war in Frankreich bis 1941 noch recht wenig zu spüren. Aus zunächst losen Zusammenkünften in ihrer Wohnung entstehen allmählich regelmäßige Treffen Gleichgesinnter; Anarchisten und vieler Freunde, die durch die Schule der kommunistischen Partei gewandert waren. Sie gründen eine Gruppe, die sich stolz die "Union der internationalen Kommunisten" nennt. In deutscher und französischer Sprache schreiben sie Flugblätter gegen den Krieg, lehnen aber jede gemeinsame Tätigkeit mit der sich bildenden französischen Widerstandsbewegung ab, da sie ihrer Ansicht nach zu stark nationalistische Züge trägt.

Im Juli 1942 starten die Besatzer unter Mithilfe der französischen Polizei Großaktionen gegen die Juden ausländischer Herkunft. Trotz der damit verbundenen Gefährdung ihrer Gruppe und ihrer sicheren Wohnung finden mehr als ein Dutzend Juden im Haus der Thalmanns Unterschlupf. Clara ist in dieser Zeit wegen einer Krankheit ans Bett gefesselt. Nur Pavel kann das Haus verlassen und so den Kontakt zur Außenwelt sichern. Bis zum Einzug der alliierten Truppen kommen immer wieder andere, die in ihren Wohnungen nicht mehr sicher sind und über Clara und Pavel Möglichkeiten finden, in die unbesetzten Gebiete des Landes zu flüchten oder Frankreich ganz zu verlassen.

Nach dem zweiten Weltkrieg siedelten Clara und Pavel in den wärmeren Süden, nach Nizza über. Eine neue politische Heimat aber fanden sie nicht: "Die alten Kategorien proletarische Revolution, Eroberung der Staatsmacht, proletarische Diktatur haben ihre Gültigkeit verloren." Sie bekommen ein Grundstück, auf dem sie mit Freunden ein Steinhaus und mehrere kleine Hütten errichten; die "Serena". Mit dem Verkauf von Blumen und journalistischen Arbeiten verdienen sie ihren Lebensunterhalt. Junge und alte Genossen, die sie häufig besuchen, lassen de "Serena" bald zum Treffpunkt libertär Denkender aus der ganzen Welt werden.

Der Tod Pavels im Jahr 1981 war für Clara ein nur schwer zu überwindender Einschnitt in ihrem Leben, waren sie doch seit ihrer Jugend immer zusammen gewesen. Sie lebt heute allein auf der "Serena", vom vielen Besuch einmal abgesehen.

Aus:
Medienwerkstatt Freiburg (Hg.): Die lange Hoffnung. Erinnerungen an ein anderes Spanien. Trotzdem-Verlag 1985 (1. Auflage). Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Trotzdem-Verlags.


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