Ramón „Mone“ Cambra - Möge die Erde Dir leicht sein Companero!
Ramón Cambra: Geboren am 28. März 1917 in Barcelona. Gestorben am 26.12.2010 in Hamburg
Ramón (genannt »Mone«) galt nach eigener Aussage als das „schwarze Schaf“ in seiner Familie (ein älterer Bruder und eine jüngere noch lebende Schwester). Seit seinem 14. Lebensjahr Vegetarier. Seine spätere Frau Maria Cambra-Turias (geboren 8. Juli 1923) lernte er zuerst 1933 kennen, da die Geschwister von beiden verlobt waren.
Aufgewachsen ist Ramón in Barcelona. Er kannte Durutti und Luís Andrés Edo – sie waren Nachbarn. Als junger Mann trug Ramón lange Haare und schrieb Gedichte, er beteiligt sich in einer Kulturvereinigung und kämpfte gegen den Militarismus. Er machte eine Lehre als Buchdrucker und trat in die CNT ein. Eine Woche vor dem Militärputsch war er mit anderen Genoss/innen Tag und Nacht im Gewerkschaftslokal, weil deutlich war, daß bald etwas passieren würde; innerhalb von zwei Tagen gelang es den Arbeiterinnen und Arbeitern die Militärs in Barcelona zu besiegen. Als wir ihm das Buch La Barcelona rebelde schenkten, blätterte er darin und zeigte uns stolz das Bild der Barrikade vom 19. Juli 1936 – „das war meine Barrikade, auf der Placa Pes de la Palla“.
Nach dem Putsch der faschistischen Militärs kämpfte er für die Soziale Revolution innerhalb der Kolonne Ortiz; es ist die erste Columna, die nach dem 19. Juli an die Front nach Aragon geht. Er, der Antimilitarist und noch ein halbes Kind, wie er sagte, empfand das auch rückblickend als Ironie. Krieg und Waffen behielten für ihn nach diesen Erfahrungen eine seltsame Faszination. Im November 1936 wollte er ursprünglich nach Madrid, um die Stadt vor den faschistischen Horden zu verteidigen, was aber nicht möglich war. Ramón wurde im Kampf von einem Panzer überollt, da er in einem Graben lag überlebte er. Nach einer Zeit der Genesung kämpfte er schließlich in der Columna Rojo y Negro bei Huesca in Aragon. In der Einheit wurde er Feldwebel. Im Februar 1939 ging er mit seiner ganzen Kolonne (300? Mann) über die Grenze nach Frankreich.
In Frankreich wird er in Arles (Südfrankreich) festgenommen und muß in einem Kohlebergwerk arbeiten. Er übt Sabotage, indem er falsche Zahlen nennt. Er kämpft in der Resistance versucht, einen Viadukt zu sprengen, während englische Truppen in Dieppe landen. Aber die 50 Mann starke Gruppe wird vom „eigenen“ Funker verraten, alle bis auf Ramon kommen ums Leben. Gefangenschaft, Folter in zwei Konzentrationslagern in Südfrankreich, er kommt vor einen schwarz gekleideten SS-Mann, der ihn fragt, ob er Ramón Cambra sei. Er sagt „Ja“ und denkt sein Tod stehe kurz bevor, aber der Mann ist ein Agent der Resistance und sagt nur, er solle verschwinden; Ramón flieht.
Von 1943 bis 1963 lebt er illegal wieder in Spanien bei Marias Familie unter dem falschen Namen von Marias Schwager. Zuerst als Hafenarbeiter, dann verschiedene Jobs, ab 1950 als Fotograf tätig, geheime Tätigkeit als Verbindungsmann/Leutnant der republikanischen Untergrundarmee „Agrupación de fuerzas Armadas de la Espanola“. Seinen Ausweis mit dem dortigen Decknamen José Manen Eglesias trägt er versteckt im Gürtel bei sich.
Zwei Tage nach Beendigung des II. Weltkrieges, am 10. Mai 1945, heirateten Maria und Ramón, seit 1947 haben sie eine Tochter, Montserrat. 1956 gelingt es Ramón über einen Bischof, der Affären mit Frauen hat und so ‘überzeugt’ werden kann, Ramons Identität zu „waschen“ und so bekommt er seinen richtigen Namen wieder. Die Familie lebte dann in Frankreich in Castres, ca. 70 km von Toulouse entfernt.
1964 dann Übersiedlung nach Deutschland und Hamburg, hier arbeitet Ramón viele Jahre bei der Post, u.a. fährt er nachts Lkw. Das Verhältnis zu seinen KollegInnen beschreibt Ramón als sehr gut. Beim Be- und Entladen erleidet er einen schweren Arbeitsunfall. Er tritt um 1970 kurzzeitig in die SPD ein und gründet einen linken Kreis, kehrt der Partei aber bald wieder den Rücken. Ramón und Maria beantragen beide die Deutsche Staatsangehörigkeit, weil beide meinen, wenn sie „alle pflichten haben, wollen sie auch alle Rechte!“
Anfang der achtziger Jahre findet Ramón wieder Kontakt zur CNT und wird wieder Mitglied in seiner alten Gewerkschaft Sindicato Artes Graficas in Barcelona. Er übersetzte in einer Artikelserie für deren Zeitung „Tinta Negra“ aus der deutschen Sprache Volin’s „Unbekannte Revolution“ über die Rolle der Anarchisten während der russischen Revolution – u.a. die beiden Bände über die „Machno-Bewegung“ und „Die Kronstadt Rebellion“. Es folgen weitere Artikel für die „Soli“, die Soldaridad Obrera bis Anfang der 90iger Jahre. Nachdem ihm die Soli nach einem Aborückstand nicht mehr geliefert wird, beendet er seine Tätigkeit für die CNT und die Soli.
1984 wirkt er mit an der Wiedergründung der FAU Hamburg. 1986 ist er am 11. Oktober zur Eröffnung des Libertären Zentrums in der Lagerstraße dabei und hält eine kurze Ansprache. Immer wieder ermunterte er uns, etwaige Probleme nach und nach aufzuarbeiten und – weiter zu machen!
Ramón war sehr belesen und ein kluger Kopf und blieb immer ein sehr bescheidener Mensch, der kein Aufhebens um sich machte. Ramón und Maria waren beide Vegetarier und sehr tierlieb, fast bis zuletzt hatten sie immer Haustiere. Über die Zeit des Spanischen Bürgerkrieges mochte Ramón nicht gerne sprechen, wir haben ihm wohl manchmal mehr zugemutet als wir ahnten. Die Erinnerung an die vielen ermordeten Brüder und Schwestern waren ein Alptraum für ihn. Die Arbeitersolidarität unter den Mitgliedern der UGT und CNT hob er aber hervor. Und die jungen GenossInnen sollten ihre eigenen Antworten auf die Fragen ihrer Zeit geben. Auf die Frage, wie die Bauern auf dem Lande auf die Revolution reagierten, antwortete er nur knapp: ‚Natürlich freuten sie sich, sie waren begeistert!’ Dann war das Gespräch beendet.
Ramón war bis ins hohe Alter interessiert an der Entwicklung der anarchistischen Bewegung und der FAU und fragte immer: „Was machen die Freunde?“ Ramón war ein begeisterter Autofahrer, und die Aufgabe seines Führerscheins mit 90 Jahren erlebte er als einen großen Einschnitt. Die sich häufenden Krankheiten von beiden ertrug er jedenfalls mit dem ihm eigenen Humor.
Ramon wollte keine Trauerfeier sondern eine anonyme Bestattung. Dieser Nachruf wäre ihm wahrscheinlich eher nicht recht, aber wir erinnern uns an ihn und wollen uns an ihn erinnern und seiner Gedenken! Mone – wir werden Dich und Deinen Witz, Dein Lachen, Deine widerständige Haltung, Deine Menschlichkeit und Deine liebenswürdige Art vermissen!
Unsere Anteilnahme gilt Maria, Montserrat und der ganzen Familie!
Maria sagte oft „Das Leben ist hart“, wahrscheinlich auch, weil sie oft Angst um ihren Mone haben mußte, und sich damals oft fragte, ob er wieder kommt oder sie beide verraten und entdeckt würden. Ramón sagte trotz des vielen Leids, das er erlebt hatte: „Das Leben ist schön“ und wenige Tage vor seinem Tod, „Ich habe mein Leben gelebt“.
Einige Deiner jungen Freunde und Companeros aus Hamburg
Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2011/01/11/ramon-%E2%80%9Emone%E2%80%9C-cambra-%E2%80%93-moge-die-erde-dir-leicht-sein-companero/