Lucia Sánchez Saornil - Klare und konsequente Handlungsweise von 'Mujeres Libres'. Eine Antwort auf Dolores Ibarruri

Wieder einmal hat die Gruppe der Antifaschistischen Frauen durch die Feder ihrer Präsidentin, Dolores Ibarruri, einen öffentlichen Aufruf zur Einheit an "Mujeres Libres" gerichtet. Man könnte sagen, daß diese Aufrufe, vielleicht unbeabsichtigt, gewisse Konsequenzen haben, Zwang auszuüben. Zwang durch Bloßlegen: aufzuzeigen, daß es einen Bereich gibt, der sich den Einheitsbestrebungen aller Antifaschisten widersetzt und diesen Bereich vielleicht auch durch diese Bloßstellung zu zwingen, den eigenen Standpunkt einzunehmen.

Aber "Mujeres Libres" haben immer begründet, warum sie gegen die "Fusion" sind, gegen die "Einheit", die von den Antifaschistischen Frauen angestrebt wird. Und die Gründe dafür haben sich nicht geändert.

Niemand soll wegen dieser Haltung versuchen, unsere Form des Antifaschismus als indifferent zu bezeichnen, den wir nicht für reiner und stärker halten als den der anderen, der aber doch mehr ist. "Mujeres Libres" haben gesagt und sagen es auch noch weiterhin, daß sie die Einheit der Frauen nicht interessiert; denn sie bedeutet nichts. Die Gruppe hat tausendmal nach der politischen und gewerkschaftlichen Einheit gerufen, der einzigen wirkungsvollen und nützlichen in unserem Fall. Und "Mujeres Libres" können sich dafür beglückwünschen, daß sich diese Einheit endlich in der Antifaschistischen Volksfront zusammengefunden hat.

Unsere Föderation bekennt sich zu den libertären Auffassungen, die in jener Volksfront vertreten werden, und deshalb haben "Mujeres Libres" keinen Beitrittsantrag gestellt. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätten sie ihn gestellt; denn dort wird die wirkliche Einheit geschmiedet und gestärkt.

Uns könnte diese Erklärung ausreichen: Wir arbeiten innerhalb unserer Bewegung, und da es einen Pakt zwischen allen Richtungen gibt, wird die Aktionseinheit mit dem unmittelbaren Ziel, den Krieg zu gewinnen, auch gleichzeitig auf die Aktivitäten jeder feministischen Gruppe innerhalb ihrer Partei übertragen. Der Nutzen wäre entsprechend auch ein gemeinsamer. Niemand kann widersprechen, daß nur die Aktionseinheit angestrebt wird; denn der Zusammenschluß von verschiedenen Richtungen ist nicht zu realisieren. Er ist unvereinbar mit der menschlichen Vielfalt.

Wer könnte bei dieser Antwort sagen, unsere Haltung sei nicht vernünftig und klar? Von welcher Einheit sprechen also die Antifaschistischen Frauen? - Wir werden sehen. Am liebsten würden wir darüber aber schweigen. Die Antifaschistischen Frauen sind aus dem alten Komitee gegen den Krieg und den Faschismus heraus entstanden. Diese Komitees setzten sich aus Frauen aller Parteien zusammen, die so eine wirkungsvolle politische Propaganda der Linken unter den Frauen anstrebten. Aber mit Hilfe dieser Komitees wurde dann die Gruppe der Antifaschistischen Frauen gegründet, die keine politische Position hatte, sondern nur kurzfristig im Krieg helfen wollte. Dieser Gruppe traten eine ganze Reihe von feministischen Zentren bei, die kein anderes Ziel hatten, als gewisse Vorteile zu sichern, die zum Teil politischer, zum Teil ökonomischer Art waren und die sie ihren Mitgliedern anboten.

So hat die Gruppe der Antifaschistischen Frauen nach und nach die Aktivitäten der Frauen jeder Richtung aufgesogen und sie dabei innerhalb der Parteien fast ausgelöscht. Indem die Frauen so nur auf die kurzfristigen Ziele blickten, haben sie die wirklichen Ziele unseres Kampfes vergessen. Ein Beweis für diese Tatsache ist, daß für das Komitee die Mitgliedschaft in einer bestimmten Partei - aus welchem Grund auch immer - nicht ausreicht, um der Genossin aus dieser Partei irgendeinen Vorteil zu sichern, die den Antifaschistischen Frauen gewährt wird, z.B. die Nutznießung des Konsums. Vielmehr muß diese Genossin den Mitgliedsausweis der erwähnten Gruppe vorweisen, als ob die Partei nicht genug Garantie für antifaschistische Gesinnung wäre.

Wozu also diese von allen Richtungen gebildeten Komitees als eine feministische antifaschistische Front zu führen, wenn tatsächlich eine einzige Organisation alle Aktionen beherrscht und von dem Ansehen der anderen selbst profitiert? Unsere Föderation hat eine ausgeprägte Identität. Sie ist eine revolutionäre Organisation mit eigenen Ansichten über den Kampf in Spanien und einer klaren Vorstellung von ihrer Aufgabe, die über einen begrenzten Antifaschismus hinausgeht.

Die Antifaschistischen Frauen sind dagegen in ihrer Zusammensetzung heterogen, ohne bestimmte Richtungen, den Geschicktesten und Kundigsten preisgegeben, die sie für sich ausnutzen wollen - während die Komitees gegen Krieg und Faschismus zugleich von den Antifaschistischen Frauen kontrolliert werden.

Es ist klar: bevor "Mujeres Libres" bewußt geschluckt werden, ziehen sie es vor, den bis hierher beschrittenen Weg innerhalb der Einheit der Antifaschistischen Volksfront fortzusetzen, wo sie durch die libertäre Richtung vertreten werden. Dabei kann es auch sein, daß sie eventuell keine offizielle Hilfe erhalten, die andere bekommen. Sie behalten aber vollständig ihren Charakter und ihre Identität. Das ist alles. Hinzu kommen noch einige unüberwindliche taktische Differenzen, die unsere Einsichten nicht bestärken würden. "Mujeres Libres" arbeiten mit ihren geringen Mitteln so aktiv, wie dies auch die Antifaschistischen Frauen tun können, um zum Sieg in unserem Krieg beizutragen. Sie haben dabei den Vorteil, daß sie bis ins letzte Glied lediglich mit dem Stimulus ihrer Überzeugung und ihres Glaubens kämpfen.

Aus: "Solidaridad Obrera", 11.8.1938

Originaltext: Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.


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