Erich Gerlach (SoPo) - Arbeiterräte und industrielle Demokratie in der spanischen Revolution (1956/57)
Der folgende Text erschien in den 50er-Jahren in der am Rand der SPD angesiedelten Zeitung "Sozialistische Politik". Erich Gerlach versuchte dabei die Sozialismuskonzeption des spanischen Anarchosyndikalismus auch in der sozialistischen Bewegung der BRD bekannt zu machen. Die AnarchistInnen kritisiert er wiederum in Bezug auf ihr Staatsverständnis. In seinem Vorwort zur Neuveröffentlichung des Beitrags in den "Sozialistischen Positionen" meint Gregor Kritidis (Sopos): "Die Aneignung des historischen Erbes der alten Arbeiterbewegung kann dabei helfen, Orientierungen für die Gegenwart und Zukunft zu erarbeiten - nicht, um eine ohnehin schon bestehende Praxis zu legitimieren, wie das die verschiedenen politischen Sekten versuchen, sondern um neue Praxisformen zu entwickeln. Es sind die unabgegoltenen Motive und unerledigten Fragen und nicht die gescheiterten Konzeptionen, an die es anzuknüpfen und die es weiterzuentwickeln gilt."
Die totgeschwiegene Revolution
Vor 20 Jahren erhob sich das arbeitende Spanien gegen den Staatsstreich des eidbrüchigen General Franco. Einige Zeitungen haben aus diesem Anlaß über die politischen und militärischen Ereignisse jenes heroischen Kampfes berichtet. Der großartige Versuch eines freiheitlich-sozialistischen Neubaues der Gesellschaft, den die spanischen Werktätigen dort, wo sie für eine kurze Zeitspanne siegreich waren, unternahmen, wird dagegen noch immer mit von den Kommunisten bis zur Reaktion reichender Einmütigkeit totgeschwiegen.
Diese Verschwörung des Schweigens gegenüber einem der bedeutsamsten sozialrevolutionären Versuche unseres Jahrhunderts muß im Interesse der freiheitlichen Arbeiterbewegung gebrochen werden, denn die Erfahrungen der spanischen Revolution sind heute, insbesondere für die Ostländer, in denen der Kampf um die Selbstbestimmung der Arbeitenden revolutionäre Formen angenommen hat, von größter Wichtigkeit. [1] Die Instrumente, mit denen die Arbeiter dort ihre Ziele zu verwirklichen suchen, sind dieselben, deren sich das spanische Proletariat bediente: Die Arbeiterräte. Ihrer Anwendung liegt die gleiche Erkenntnis zugrunde, daß die Bürokratie, die heute - machthungrig, servil und korrupt zugleich - als primitivstes Mittel zur Lösung differenzierter Organisationsprobleme die Gesellschaft überwuchert, für den Aufbau einer sozialistischen Ordnung unbrauchbar ist.
Es ist kein Zufall, daß diese neue Bewegung, die nach dem Wort der polnischen Schriftstellerin Edda Werfel einen „menschlichen Sozialismus“ will, an frühsozialistische Vorstellungen anknüpft, die in der spanischen Arbeiterbewegung immer lebendig geblieben sind.
Die I. Internationale und die Arbeiterräte
In der Internationalen Arbeiterassoziation, in der sich erstmals sozialistische und Arbeiterorganisationen der wichtigsten Länder zusammenschlossen, waren als Summe verschiedener nebeneinander bestehender Richtungen alle Elemente einer der Wirklichkeit des Kapitalismus und der Zielsetzung der Arbeiterklasse angemessenen Theorie vorhanden. Es waren im wesentlichen die folgenden:
- Der Aufbau des Sozialismus ist nur möglich, wenn den herrschenden Klassen die Staatsmacht entrissen ist.
- Das Kernstück der Sozialisierung ist die Überführung der Betriebe in die Verwaltung der in ihnen Arbeitenden. Ihr organisatorisches Mittel sind die Arbeiterräte und Gewerkschaften. (Diese Funktion wurde ihnen erstmals auf dem Baseler Kongreß der Internationale 1869 in der Rede des belgischen Delegierten Hins zugewiesen).
- Die Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung macht den Abbau des Staatsapparates als eines Instruments der Herrschaft von Menschen über Menschen möglich.
- Die geistige, moralische und organisatorische Vorbereitung des Proletariats ist die entscheidende Voraussetzung seines Sieges. Diesem Zweck dienen theoretische Schulung, praktische Kampferfahrung, Verkürzung der Arbeitszeit und Hebung des Lebensstandards.
In klassischer Form brachte Varlin, der große Pionier der französischen Gewerkschaftsbewegung, die Vorstellungswelt der I. Internationale zum Ausdruck. Wir zitieren einen seiner Aufsätze aus dem Jahre 1870, in dem er die Frage stellt, wer die Produktion und die Verteilung organisieren soll. Seine Antwort ist auch heute noch programmatisch, trotz einiger zeitbedingter proudhonistischer Illusionen: "Man darf nicht alle Macht bei einem zentralistischen, autoritären Staat konzentrieren. Dann wird man zu einer hierarchischen Organisation der Arbeit kommen, in der der Arbeiter nur ein willenloses Zahnrädchen ohne Freiheit und Initiative ist. (...) Die Arbeiter müssen die Verfügungsgewalt über ihre Produktionsmittel haben. (...) Eine solche Organisation kann nicht improvisiert werden. Für ihren Aufbau genügen auch nicht einige intelligente und energische Idealisten. Es ist vor allem erforderlich, daß die Arbeiter, die dazu aufgerufen werden, als Gleiche und Freie zusammenarbeiten und auf diese neue Gesellschaftsordnung vorbereitet werden".
Staatsfunktionär verdrängt Arbeiterrat
Nach dem Zerfall der I. Internationale gerieten diese Einsichten schnell in Vergessenheit. Die sozialistischen Parteien konzentrierten ihre Anstrengungen immer ausschließlicher auf die Eroberung der Regierungsgewalt. Damit verlagerte sich das Schwergewicht des politischen Handelns von den Arbeitern im Produktionsprozeß auf die politische Maschinerie. Vor das Problem der Sozialisierung gestellt, fanden sich die so vorbereiteten sozialistischen Parteien in der Lage der „törichten Jungfrauen“ des Evangeliums, die in der entscheidenden Stunde „kein Öl für ihre Lampen hatten“. Es blieb ihnen nur die Wahl zwischen „Wohlfahrtsstaat“ und „Stalinismus“, beides bürokratische und nicht freiheitliche Systeme. Dem Unvermögen, aus diesem Dilemma einen Ausweg zu finden, entspringt letzten Endes die „Krise“ des Sozialismus. Sie begann mit der Verengung des Blickfelds der sozialistischen Parteien auf die staatlich-politische Tätigkeit in der II. Internationale. Sie wurde für die Arbeiterbewegung lebensgefährlich, als die Opposition gegen diese Entleerung des Sozialismus unter dem Eindruck der großen russischen Revolution in ihrer Mehrheit ins „bolschewistische“ Lager ging.
Die Wiederentdeckung des Arbeiterrates im „Titoismus“
Für den spanischen Sozialismus, wie er insbesondere in den Auffassungen der syndikalistischen CNT zum Ausdruck kommt, ist eine entgegengesetzte „Einseitigkeit“ kennzeichnend. Er vernachlässigte die Probleme, die die Staatsmacht stellt (wir werden hierauf noch zurückkommen) und legte das Schwergewicht seines Wirkens auf die Vorbereitung des Proletariats für seine revolutionäre Aufgabe in der Wirtschaft. Keine sozialistische Richtung machte den Marxschen Satz, daß die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter selbst sein könne, so im buchstäblichen Sinne des Wortes zur Grundlage ihres Handelns wie die CNT. Mit dieser Wertung der Arbeiterschaft steht sie im schärfsten Gegensatz zum Stalinismus, dessen Wesenskern der Unglauben an die die Fähigkeit des Proletariats zur Selbstbefreiung und infolgedessen die Entmachtung der Arbeiter zugunsten der Bürokratie ist.
Die revolutionären Bewegungen vom 17. Juni ‘53 bis zur polnischen und ungarischen Revolution haben deutlich gemacht, wie sehr die Vertreter eines solchen „Sozialismus“ von den Arbeitern isoliert sind. Ihr Verlauf hat aber zugleich gezeigt, daß das Proletariat gegen Stalinismus und bürgerliche Konterrevolution nur siegreich sein kann, wenn es sich nicht auf die Forderung der formalen Freiheit der "bürgerlichen Demokratie" beschränkt. Es muß an Stelle des zu zerstörenden stalinistischen Zwangsstaates eine demokratisch-föderative Ordnung aufbauen und die vergesellschafteten Betriebe aus den Händen der Bürokratie in die Verwaltung durch die Arbeiterräte überführen. Das will der „Titoismus“. Er setzt damit eine geschichtliche Linie fort, die in Europa zum letzten Mal in der spanischen Revolution von 1936 einen Höhepunkt hatte.
Es darf nicht übersehen werden, daß sich diese Probleme für die Sozialisten in den "Volksdemokratien" des Ostens anders stellen als in den "Demokratien" des Westens. Im Osten gibt es kein kapitalistisches Eigentum mehr. Der größere Teil der Industrie wurde überhaupt nicht von kapitalistischen Unternehmern aufgebaut. „Reprivatisierung“ wäre Enteignung des Volkes zugunsten einer Minderheit. Auf die Frage der Demokratisierung der westlichen Wirtschaft wollen wir in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Wir begnügen uns mit dem Hinweis, daß die "Mitbestimmung" letzten Endes eine Wiederentdeckung der Arbeiterräte ist.
In den Industrieländern des Ostens und des Westens können wir eine gleiche Tendenz feststellen, die nur, entsprechend den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten, verschiedene Formen annimmt. Auch für den "Titoismus" ist das Wesentliche nicht sein "Nationalkommunismus", sondern die Erkenntnis der Unmöglichkeit des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaft ohne die maßgebliche Mitwirkung der Arbeiter. Daß die Sozialisten sich nach den geschichtlichen Besonderheiten der einzelnen Länder richten und daß ein "sozialistisches" Land nicht andere beherrschen und ausbeuten darf, ist einer der ältesten sozialistischen Grundsätze. Nur weil der Stalinismus ihn brutal mißachtet hat, spielt er im "Titoismus" eine große Rolle.
Erstaunlich ist, daß der "Theoretiker des Titoismus", Kardelj, der bewußt an die freiheitliche Tradition der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts angeknüpft - z. B. seine Ausführungen über die Marxschen Schriften zur Pariser Kommune -, die spanische Revolution ignoriert. Offenbar wirkt hier ein marxistisches Tabu, welches den Syndikalismus als "kleinbürgerliche" Abweichung endgültig in die Vorgeschichte des Sozialismus verweist.
Der spanische Weg zum Sozialismus
Es ist nicht unsere Absicht, hier eine Darstellung des spanischen Sozialismus zu geben. Es geht uns nur um einige seiner Grundauffassungen, die heute mit ihrer Wiederentdeckung durch die antistalinistischen Arbeiter der Ostländer eine glänzende geschichtliche Rechtfertigung erfahren haben. Zugleich soll hier vorweg gesagt werden, daß wir bei größter Sympathie für die freiheitlichen Prinzipien der spanischen Arbeiterschaft nicht der Ansicht sind, man könne und solle den Sozialismus außerhalb Spaniens nach spanischem Vorbild völlig umbauen. Geschichtliche Entwicklungen sind nicht auslöschbar wie Tonbänder, die schlecht bespielt wurden. Aber die Existenz einer sozialistischen Massenbewegung, die so grundsätzlich von der uns vertrauten abweicht wie die spanische, beweist uns auch, daß die Arbeiterbewegung nicht zwangsläufig so sein muß, wie sie jeweils ist, daß wir ihre Methoden korrigieren, Übersehenes einbauen und Falsches aussondern können.
Eine Überprüfung und Korrektur ist insbesondere dann notwendig, wenn die politischen Mittel nicht zum erstrebten Ziel geführt haben, eine Entwicklung sich - vom handelnden Subjekt gesehen - als "Fehlentwicklung" erweist. In eine solche Periode ist jetzt die Arbeiterbewegung des Ostens hineingekommen. Sie würde ungeschichtlich handeln, wenn sie die Resultate der stalinistischen Ära einfach rückgängig machen und sich an den Ideologien des kapitalistischen Westens orientieren wollte. Sie muß die Freiheit auf dem Fundament der ihr gegebenen Ordnung verwirklichen. Die „westliche" politische Theorie, die ihr hierbei entscheidend nutzen kann, ist der Syndikalismus. Seine in dieser Sicht wichtigen Auffassungen sind zusammengefaßt in der Doktrin der „direkten Aktion". Wir ersparen uns, auf die unsinnigen Entstellungen dieser Lehre in der reaktionären Literatur einzugehen. Ihre Grundgedanken, für die Gegenwart fruchtbar gemacht, besagen nichts weiter, als daß der Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft nicht durch Staatsfunktionäre sondern nur durch Arbeiterräte durchgeführt werden kann. Die Arbeiter müssen die wirtschaftliche Macht direkt im Betrieb erobern und durch von ihnen geschaffene Organe selbst ausüben. Wenn die Arbeiter es einer politischen Partei überlassen, den Sozialismus von oben durch Dekret einzuführen, entsteht zwangsläufig eine bürokratische Diktatur.
Solche Auffassungen wurden offenbar von ungarischen Arbeiterräten gegenüber der Regierung Kadar vertreten. Es ist interessant, daß die Arbeiterräte von Miskolc in den ersten Tagen der Revolution eine Rückkehr zu den Gründsätzen Bela Kuns, des später von den Stalinisten hingerichteten Führers der ungarischen Räterepublik von 1919, forderten. Bela Kun erklärte damals: Unsere Industrie muß ihr Fundament in den Arbeitergewerkschaften haben. Die Gewerkschaften sollen sich die Übernahme aller Leitungsaufgaben zum Ziel setzen. Auf diese Weise kann am besten gesichert werden, daß die zentralen Wirtschaftsorgane in Übereinstimmung mit der Arbeiterschaft handeln und das Proletariat die Führung der Wirtschaft erlernt. So kann außerdem die Bürokratisierung der Organisation am wirkungsvollsten verhindert werden.
Die "syndikalistischen" Arbeiterräte dürfen übrigens nicht mit den "Sowjets" der russischen Revolution verwechselt werden. Die Arbeiterräte sind betriebliche Organe mit wirtschaftlichen Aufgaben, die Sowjets von 1917 dagegen kommunale und territoriale Verwaltungs- und Regierungskörperschaften. Sie entsprechen in etwa den Kommunen des Syndikalismus, an die nach Beseitigung des Staatsapparats dessen Funktionen, soweit sie "notwendig" sind, übergehen sollen. [2]
Die direkte Aktion hat bestimmte Organisationsformen zur Vorraussetzung. Im Mittelpunkt steht nicht die "politische", sondern die "gewerkschaftliche" Organisation. Sie umfaßt außer den Industriearbeitern auch die Organisationen der Landarbeiter, Bauern und Pächter, sowie der "Kopf"-arbeiter. Mit ihrem Aufbau müssen wir uns etwas ausführlicher beschäftigen, wenn wir den Gang der Sozialisierung in der spanischen Revolution richtig verstehen wollen.
Im spanischen Syndikalismus sind die Gewerkschaften nicht zentralistische Organisationen im nationalen Rahmen, die sich in Ortsgruppen aufgliedern, sondern lokale Verbände, die jeweils die Arbeiter der gleichen Industrie eines Ortes oder Kreises zusammenfassen. Diese lokalen Gewerkschaften sind autonome Einheiten. Bei ihnen liegt das Schwergewicht der Aktivität der Arbeiterklasse. Sie entscheiden über alle ihren Bereich betreffenden Fragen selbst und sind nur an Beschlüsse der sich aus Delegierten aller Gewerkschaften zusammensetzenden Kongresse des Gewerkschaftsbundes gebunden.
Die CNT, der "nationale Bund der Arbeit", die gesamtspanische Gewerkschaftsorganisation, ist von unten nach oben aufgebaut als eine Föderation lokaler und regionaler Verbände. Das Netzwerk dieser Organisation, das den gesamt Wirtschaftskörper umfassen soll, entsteht auf folgende Weise: Die autonomen Gewerkschaften eines Ortes oder eines Kreises bilden ein Kartell, in das sie Delegierte wählen. Dieses Kartell (lokale Föderation) vertritt das über das betriebliche Sonderinteresse hinausgehen Gesamtinteresse der Arbeiterschaft. Seine Aufgaben sind insbesondere die Bildung und Propagandaarbeit, die Entwicklung von Verbrauchergenossenschaften und im Fall von Arbeitskämpfen die Durchführung von Solidaritätsaktionen. Durch Delegierte dieser Kartelle werden gebietliche Föderationen gebildet. In Spanien gibt es acht solche "Regionen", die seit dem Siege Francos illegal arbeiten. Die Regionen schließen sich dann zum Allgemeinen Gewerkschaftsbund, der CNT, zusammen. Entsprechend sind die Gewerkschaften gleicher Branchen zu Industrieföderationen zusammengefaßt, die sich ihrerseits, den wirtschaftlichen Verflechtungen Rechnung tragend, zu Industrieallianzen zusammenschließen.
Diese vielfache Föderierung soll nicht nur die notwendige Solidarität im Kampf sichern, sie soll zugleich das organisatorische Instrument der Kollektivierung der Wirtschaft sein. Die Verteilung der Funktionen ist etwa die folgende:
- Die Leitung der Betriebe liegt den Händen der von den Belegschaften gewählten Räte.
- Die Organisation der Produktion in den einzelnen Wirtschaftszweigen ist Aufgabe der Industrieföderation. Die notwendige Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Industrien sichern die Allianzen.
- Die Organisation des Verbrauchs liegt bei den lokalen Gewerkschaftskartellen.
- Der Gewerkschaftsbund, bei dem alle Fäden zusammengeknüpft sind, hat den Wirtschaftsplan aufzustellen.
Das war das System eines radikal-demokratischen Produzentensozialismus, das in der Wirtschaft nur Platz für Arbeiter und technische und wirtschaftliche Fachleute hatte, aber nicht für ein riesiges Heer von Parasiten. [3] Wir werden sehen, wie es durchgeführt werden konnte und welche Abwandelungen es in der Praxis erfuhr.
Der föderative Aufbau und die Autonomie der einzelnen Gliederungen haben aber eine wichtige weitere Funktion. Sie sollen die subjektiven Voraussetzungen für das Funktionieren der neuen Ordnung schaffen, indem sie die Zahl der Aktivisten unter den Mitgliedern möglichst groß machen, das Entstehen einer Bürokratie und eine zu große Machtzusammenballung bei den Zentralinstanzen verhindern.
In den kleinen Verbänden waren die Funktionen ausnahmslos ehrenamtlich. Soweit es in den größeren Föderationen und Allianzen hauptamtliche Funktionäre gab, wurden diese jeweils nur für ein Jahr gewählt. Sie erhielten nur denselben Lohn, den sie auch als Arbeiter erhalten hätten. Dieser Grundsatz galt sogar für den Generalsekretär der CNT. Selbst bekannte Führer wie Ascaso und Durruti standen immer wieder an der Werkbank. Bei diesem Ausleseprinzip konnte kaum ein Apparat von Karrieristen entstehen. Das entscheidende Band, das die Organisation zusammenhielt, war die fest gegründete gemeinsame Überzeugung. Welche Bedeutung ihr zugemessen wurde, zeigen die Beschlüsse des Gründungskongresses der CNT im Jahre 1911: "Die materielle Emanzipation der Arbeiterschaft kann nur das Ergebnis ihrer moralischen Emanzipation sein. Jeder, der nicht für sich selbst denkt und spontan handelt nach seiner eigenen Vernunft, ist ein Sklave. Die Arbeiter sind nicht frei, solange sie Befreier oder Führer brauchen, die, sobald sie das alte Regime gestürzt haben, ein neues aufrichten, in dem sie privilegiert sind."
Es war nur eine Konsequenz dieser Auffassung, wenn sich die CNT nicht nur mit der Vertretung der unmittelbaren Tagesinteressen ihrer Mitglieder beschäftigte, sondern daneben der Vorbereitung der Arbeiter auf die Übernahme der Betriebe einen großen Teil ihrer Kräfte widmete. Man diskutierte die Frage, was man zu tun habe, wenn man morgen die Betriebe übernehme, genau so konkret wie die Möglichkeiten einer Lohnbewegung. Hier war viel Raum für utopische Luftschlösser. Aber man hatte praktische Vorstellungen von dem, was man tun wollte. Nur wer solche Vorstellungen hat, kann überhaupt handeln.
Die "direkte Aktion" muß scharf von der spontanen Massenbewegung unterschieden werden. Höchstens ihr Anfang kann "spontan" sein. Spontane Bewegungen bringen entweder Gruppen, die sich ihrer zu bedienen verstehen, an die Macht, oder sie verebben. Sie sind die Aktionen "unreifer" Massen. Die "direkte Aktion" hat zur Voraussetzung, daß die Masse in sich Führungskräfte entwickelt hat, die sich ihr gegenüber nicht als abgeschiedene Gruppe verselbständigt haben, sondern von ihr kontrolliert werden. Die Masse handelt systematisch nach einem gekonnten Plan ohne Exzesse und ohne Psychose.
Der Sieg über Franco schlägt in die soziale Revolution um
Das föderative Organisationsprinzip bewährte sich in den kritischen Stunden des Militäraufstandes. Eine Katastrophe wie die des 20. Juli 1932 gab es in Spanien nicht. [4] Das Schicksal der Bewegung hing nicht von den Nerven einiger "Führer" ab. In jedem Ort hatte die Masse ihre autonomen Führungsorgane. Sie war handlungsfähig auch ohne Anweisungen einer Zentrale. Die einheitliche Richtung ihres Handelns folgte aus den allen gemeinsamen freiheitlich-sozialistischen Grundsätzen. Während die Staatsorgane den Kopf verloren und Verhandlungen mit den Aufständischen aufzunehmen versuchten, versammelten sich die Arbeiter, dem durch Radio verbreiteten Streikaufruf der Gewerkschaften folgend, in ihren Gewerkschaftslokalen. Da die Regierung ihnen Waffen zur Verteidigung der Republik verweigerte - sie verhinderte hiermit die schnelle Niederwerfung des Aufstandes - griffen sie mit den wenigen Gewehren, die sie sich illegal beschaffen konnten, die Rebellen an. Sie siegten, wo die Übermacht nicht zu groß war. In wenigen Tagen war der Aufstand im größten Teil des Landes niedergeschlagen. Ohne die Hilfe von Hitler und Mussolini hätte Franco nicht einmal die Mauren und Fremdenlegionäre, die Kerntruppen seiner "nationalen" und "christlichen" Revolution auf das Festland bringen können. Die Mittelmeerflotte hatte ihre Offiziere abgesetzt und war zum Volk übergegangen.
In jedem anderen Land wäre damit die Massenaktion zu Ende gewesen. Die Massen hätten nun auf die weiteren Schritte der Regierung gewartet. In Spanien gingen sie dagegen sofort an die Verwirklichung ihrer sozialrevolutionären Ziele. Jetzt zeigte es sich, daß es nicht theoretische Spielerei gewesen war, wenn man durch Jahrzehnte ein Programm der sozialen Neuordnung in Versammlungen, Zirkeln, Zeitungen und Büchern konkret diskutiert hatte. Jeder Einzelne kannte jetzt den Handgriff, den er zu tun hatte. Selbst weitgesteckte Ziele hören auf, utopisch zu sein, wenn eine genügend große Zahl von Menschen sie verwirklichen will und weiß, was sie zu tun hat.
Wo die Kasernen und Widerstandsnester der Aufständischen gestürmt waren, besetzten die Arbeiter sofort die Fabriken. Betriebsversammlungen wählten Betriebskomitees. Diese Komitees übernahmen die Betriebe für ihre Gewerkschaften und setzten die Produktion wieder in Gang. Die Regierung wurde über diese Maßnahmen jeweils schriftlich unterrichtet. Wenn in einem Betrieb oder einer Industrie neben der syndikalistischen CNT auch die sozialistische UGT vertreten war, wurden die neuen Leitungen paritätisch mit Vertretern beider Organisationen besetzt.
Für den Verlauf der Bewegung war es ohne Einfluß, daß die CNT in eine Koalitionsregierung eintrat. Sie wurde dadurch nicht, wie man zu erwarten geneigt ist, abgebremst. Die Mitglieder der Gewerkschaften warteten nicht auf die Befehle einer Zentrale. Sie handelten völlig selbständig und schöpften alle Möglichkeiten aus, die ihnen der Zusammenbruch des bürgerlichen Staatsapparates bot. Sie konnten dies dank langjähriger Vorbereitung, dank des Vorhandenseins einer zahlreichen Schicht unterer und mittlerer Funktionäre, die wußte, wie sie die Betriebe, in denen sie gearbeitet hatten, organisieren mußten. So entstand als Ergebnis einer großen Volkeserhebung zum ersten Mal in der Geschichte ein Wirtschaftssystem, in dem die Betriebe von Arbeitern für die Ziele der Arbeiter geleitet wurden.
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Teil II
Infolge des uns zur Verfügung stehenden knappen Raumes müssen wir uns in unserem Beitrag auf einige Bemerkungen über die spanische Revolution beschränken und dabei in Kauf nehmen, da wir das tatsächliche Geschehen, auf das wir unsere Auffassungen stützen, nicht darstellen können, hier und da mißverstanden zu werden. Es genügt uns aber, wenn wir den einen oder anderen kritischen Sozialisten zum Studium der spanischen Revolution anregen.
Die spanische Revolution blieb eine "unvollendete Revolution". Die Notwendigkeiten der Kriegsführung und schließlich der militärische Sieg der verbündeten spanischen, deutschen und italienischen Faschisten setzten der Verwirklichung der ihr zugrunde liegenden Konzeption enge Grenzen. Trotzdem hat sie das Wesentliche einer sozialistischen Neuordnung deutlicher gemacht als alle bisherigen Sozialisierungsversuche. Sie hat gezeigt, daß die Sozialisierung vom Standpunkt der Arbeiterschaft zwei selbständige, gleich wichtige Inhalte hat:
- Die Schaffung einer neuen demokratischen Leitung der Betriebe durch die Belegschaften, also die Änderung "des Verhältnisses des Arbeiters zu seinen Produktionsmitteln" am Arbeitsplatz. Dieser Vorgang bezeichnet man in Spanien als Kollektivierung der Betriebe.
- Den Aufbau einer nicht staatsbürokratischen Planungsorganisation für die Volkswirtschaft auf der durch die soziale Revolution in den Betrieben geschaffenen Grundlage durch die Produzenten.
Die erste Aufgabe wurde in der spanischen Revolution grundsätzlich gelöst. Wir haben in unserem ersten Aufsatz gezeigt, welches die subjektiven Voraussetzungen hierzu waren. Von den sozialistischen Parteien wurden sie kaum gesehen. Ihr konkreter Gehalt war durch Allgemeinbegriffe wie "Staat", "Gesellschaft" oder den der zum mystischen Träger des geschichtlichen Fortschritts gestempelten "Arbeiterklasse" vernebelt. Wie immer, wenn abstrakte Begriffe die Köpfe beherrschen, blieb als einziger konkreter Akteur die Bürokratie.
Indem sie die wirtschaftlichen Leitungsaufgaben einer dieser Ziele entsprechend organisierten und vorbereiteten Arbeiterschaft übertrug, wies die spanische Revolution dem Sozialismus einen Weg, der sowohl das Entstehen einer neuen herrschenden Managerschicht wie die Stärkung der vorhandenen Staatsbürokratie vermeidbar macht.
Ein Gesetz verdient in diesem Zusammenhang der Vergessenheit entrissen zu werden, weil es die bisher weitestgehende und kühnste Legalisierung einer von den Arbeitern geleiteten Wirtschaft darstellt; das von der katalanischen Regierung am 24. Oktober 1936 erlassene Dekret über die Kollektivierung der Industrie und die Mitbestimmung in den Privatbetrieben. Es teilt die Betriebe in zwei Gruppen ein, in kollektivierte, in denen die Betriebsführung in den Händen eines von der Belegschaft gewählten Betriebsrates liegt, und in private, in denen die Arbeiterräte ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht ausüben. Kollektiviert werden alle Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten sowie Betriebe mit 50 bis 100 Beschäftigten, wenn 3/4 der Belegschaft es fordern. Das Wirtschaftsministerium hat - insbesondere bei Betrieben über 500 Beschäftigten - gewisse Kontroll- und Mitwirkungsrechte.
Als Leitungsorgane für die einzelnen Industrien werden Industrieräte gebildet. Sie bestehen aus vier Vertretern der Betriebsräte, auch Gewerkschaftsvertretern und vier vom Wirtschaftsministerium vorgeschlagenen "Technikern". Die Industrieräte sind wiederum im katalanischen Wirtschaftsrat als oberstem Leitungsorgan, an dessen Spitze der Wirtschaftsminister steht, zusammengefaßt. Alle Delegierte sind sie abrufbar und erhalten keine Managergehälter, die sie der Arbeiterklasse entfremden.
Die neue Ordnung wurde jedoch nicht durch dieses Gesetz beschaffen, es legalisierte nur einen Zustand, der schon zu funktionieren begonnen hatte und im sozialen Leben verankert war. Seine Grundlage war nicht staatlicher Zwang, sondern der Wille und das Können der Arbeiterschaft.
Die zweite Aufgabe, die Zusammenfügung der kollektivierten Betriebe zu einer von den Produzenten im Interesse des Volkes geleiteten Planwirtschaft, zur "Produzentendemokratie" als der Alternative zur "sozialistischen" Verwaltungswirtschaft konnte dagegen von der spanischen Revolution zumindest in der Praxis nicht gelöst werden. Es gibt hierfür im Wesentlichen zwei Gründe:
Wir wiesen schon darauf hin, daß das Experiment im Rahmen einer Kriegs- und Mangelwirtschaft erfolgte, daß alle Planungen unter der Notwendigkeit, die Fronten zu versorgen, standen. Es soll aber erwähnt werden, daß solche Leistungen wie der Aufbau der katalanischen Kriegsindustrie allein das Werk der Gewerkschaften und nicht der Staatsbürokratie waren.
Dem Sozialisten, der die spanische Erfahrung für die Praxis nutzbar machen will, sind dagegen die Fehler, die zwangsläufig aus der Doktrin der spanischen Arbeiterbewegung folgten, wichtiger als die historischen "Zufälligkeiten". Sie lagen in der Beschränkung der Revolution auf den wirtschaftlichen Bereich. Die Übernahme der Betriebe erfolgte in einem Moment der Schwäche des Staatsapparates. Der Staat als gesellschaftliche Institution hörte aber nicht auf zu bestehen. Da man es versäumte, ihn unter die Kontrolle der der sozialen Neuordnung ergebenen Kräfte zu bringen, erstand er wieder als bürgerlich-bürokratischer Staat, also als seinem Wesen nach im Gegensatz zur freiheitlich-sozialistischen Entwicklung stehend. Volksfrontideologien und die traditionelle syndikalistische Auffassung, daß die soziale Revolution völlig außerhalb des staatlichen Bereiches durchzuführen sei, lenkten in der entscheidenden ersten Phase der Revolution gleicherweise von den notwendigen "politischen" Schritten ab.
In Spanien war die stärkste revolutionäre Kraft, die CNT, gegenüber den Problemen, vor die die Existenz des Staates die Arbeiterbewegung stellte, genau so hilflos wie die Staatssozialisten aller Richtungen es bisher gegenüber der Aufgabe der demokratischen Organisation der Wirtschaft waren. Die von den Revolutionären nicht übernommene Staatsmacht fiel zwangsläufig in die Hände der bürgerlich-stalinistischen Reaktion. Sie wurde von dieser benutzt, die Errungenschaften der Arbeiter und Bauern systematisch zu beseitigen. Das wesentliche taktische Mittel war die Verstaatlichung der kollektivierten Betriebe als Wiederherstellung der Herrschaft der Bürokratie und Vorstufe der Reprivatisierung.
Ob die Macht des spanischen Proletariats unter den Bedingungen des Krieges zur Änderung der staatlichen Institutionen ausgereicht hätte, kann hier nicht untersucht werden. Darüber, daß ein solcher Versuch im Falle eines Sieges der Republik gemacht werden mußte, bestand bei den revolutionären Klarheit. Die gleiche Einsicht finden wir auch bei der polnischen Linken. Wir verweisen auf den in SoPo IV/57 abgedruckten bedeutsamen Aufsatz aus Pro Prostu, in dem ausgesprochen wird, daß die Demokratisierung der Betriebe scheitern müsse, wenn sie nicht von einer grundlegenden Änderung der bürokratischen Staatsstruktur begleitet sei.
Wir können den Verlauf der inneren Auseinandersetzungen zwischen Reaktion im republikanischen Lager nicht in seinen Einzelheiten darstellen. Ein unter dem Eindruck der größtenteils von stalinistischen Militärdilettanten verursachten Niederlagen (unsinnige Madrid- Tebruel- und Ebrooffensive) und des Versagens der staatlichen Wirtschaftspolitik zustande gekommener Pakt zwischen den sozialistischen und syndikalistischen Gewerkschaften und ein von ihnen ausgearbeitetes gemeinsames Aktionsprogramm kamen zu spät, um die Lage noch zu retten.
Aber in den Diskussionen, die um dieses Aktionsprogramm zur Rettung der Revolution geführt wurden, zeichnet sich die Konzeption einer freiheitlich-sozialistischen Gesellschaft ab, die wir neben ihrem großartigen kämpferische Stil als das Vermächtnis der spanischen Revolution an alle, die die Sache des Sozialismus nicht verloren geben, werten möchten. Wir können es nur kurz skizzieren.
An die Stelle des zentralistischen Zwangsstaates tritt eine dezentralisierte, auf Selbstverwaltungskörperschaften aufgebaute entbürokratisierte Demokratie. In dieser Demokratie ist durch die Übergabe der Betriebe an die Arbeiterschaft erstmals deren soziale Gleichstellung mit den anderen gesellschaftlichen Gruppen verwirklicht. Erst hierdurch wird die verbale Demokratie zur realen; denn solange parlamentarische Mehrheiten oder diktatorische Bürokratien über die Industrie entscheiden, ist das Proletariat, auch nach Beseitigung der Kapitalherrschaft, eine unterdrückte Klasse. Um mit den anderen sozialen Klassen auf der Grundlage der Gleichheit verhandeln zu können, muß es außerdem über ein zentrales Organ verfügen, mittels dessen es die Industrie insgesamt verwalten kann.
Diese Kerngedanken der spanischen Revolution haben heute die polnischen, die ungarischen Arbeiter und der Bund der Kommunisten in Jugoslawien erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Es bestehen allerdings in der Art der Lösungsversuche einige wichtige Unterschiede. In Spanien sieht die Arbeiterschaft in den Gewerkschaften das geeignete Organ zur Verwirklichung des oben gekennzeichneten Zieles. So war als Planungsorgan der Volkswirtschaft ein staatlicher "Nationaler Wirtschaftsrat" vorgesehen, in dem die Gewerkschaftsvertreter gegenüber denen des Staatsapparates die Mehrheit haben sollten. In Polen soll dagegen die Klassenvertretung der Arbeiterschaft durch ein Rätesystem gebildet werden, an dessen Spitze ein zentraler Arbeiterrat steht als Verhandlungspartner mit dem Sejm. Diese Unterschiede dürften in der Struktur der Gewerkschaften begründet sein. Wo diese zentralistisch-bürokratisch sind, treten zwangsläufig die Räte in den Vordergrund.
Eine solche Ordnung löst das Zerrbild auf, zu dem die Diktatur des Proletariats in den stalinistisch beherrschten Ländern geworden ist, nämlich zur Diktatur einer Bürokratie, die im Namen des "abstrakten" Proletariats unterdrückt. Und ebenso vermeidet sie die Staatsallmacht des "Wohlfahrtsstaates". Sie macht deutlich, was mit der Herrschaft des Proletariats eigentlich gemeint war: eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft, deren Schwergewicht bei der industriellen Produktion liegt, in der aber die Fabriken nicht mehr Bastionen kapitalistischer Monopolmacht sind, sondern von denen in ihn Arbeitenden in deren eigenem Interesse, das mit dem Interesse der Gesamtgesellschaft abgewogen wird, geleitet werden. Ein so in seinen Rechten gesichertes Proletariat würde im Rahmen einer föderativen Demokratie mit den anderen nicht ausbeutenden oder parasitären Klassen zusammenarbeiten (Bauern, Handwerk, freie Berufe, Kleinindustrie), ohne den geringsten Wunsch zu verspüren, sie in ihren Freiheitsrechten zu beschränken.
Das war das Nahziel der spanischen Revolution, nachdem sie ihre Ideale mit der Wirklichkeit konfrontiert hatte. Für dieses Ziel führen spanische Arbeiter, Bauern und Intellektuelle einen opferreichen unterirdischen Kampf gegen das Mörderregime Francos. Wir wünschen ihnen, daß sie diesen Kampf, wie die polnischen Arbeiter und Intellektuellen, bald offen führen können.
Anmerkungen:
[1] Gemeint waren der Aufstand in der DDR 1953, sowie insbesondere der ungarische und polnische revolutionäre Aufstand 1956.
[2] Die Arbeiterräte entsprechen den russischen Betriebskomitees. Vgl. Uwe Brügmann, Die russischen Gewerkschaften in Revolution und Bürgerkrieg 1917-1919. Frankfurt/M 1972.
[3] Gemeint sind damit die kapitalistischen Rentiers sowie diejenigen, die innerbetriebliche Kontroll- und Überwachungsfunktionen wahrnehmen, also keine im eigentlichen Sinne wirtschaftliche Funktion haben. Der Sprachgebrauch Gerlachs sollte nicht weiter irritieren; in den 50er Jahre war dieser auch bei Sozialisten durchaus üblich - ein Hinweis darauf, daß der NS-Regime und dessen Sprachgebrauch selbst bei seinen Gegner Spuren hinterlassen hat.
[4] Am 20. Juli 1932 setzte die Reichsregierung von Papen mit einer staatsstreichartigen Aktion per Notverordnung die Preußische Regierung Braun (SPD) ab, ohne daß die Arbeiterbewegung nennenswerten Widerstand leistete.
Literatur:
- Abad de Santillan, Diego/Peiró, Juan, Ökonomie und Revolution. Hrsg. von Thomas Kleinspehn, Berlin 1975.
- Gerlach, Erich/Souchy, Augustin, Die soziale Revolution in Spanien. Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft in Spanien 1936-1939. Dokumente und Selbstdarstellungen der Arbeiter und Bauern. Berlin 1974.
Der Text von Erich Gerlach erschien in der mittlerweile als historisch anzusehenden Zeitschrift "Sozialistische Politik" (SoPo), Dezember 1956/Januar 1957, S. 6f. und Nr.5, Mai 1957, S. 3f.
Originaltext: www.sopos.org