Vorwärts oder rückwärts? Eine Kritik der kommunistischen Parolen

Am 7. März wurde in Valencia ein Meeting der kommunistischen Partei abgehalten. Die Redner traten alle für die Linie der Partei ein, die sich in der Formel ausdrückt: "Für die Verteidigung der demokratischen und parlamentarischen Republik".

Wenn die kommunistische Partei sich nicht darauf versteifen würde zu behaupten, dass diese ihre Linie die einzige ist, die der spanischen Wirklichkeit entspricht, hätten wir nichts einzuwenden. Ihre Formel wäre eine unter den vielen anderen, die aus den Ereignissen des 19. Juli entstanden sind.

Tatsache ist, dass das Proletariat schon seit geraumer Zeit über diese Kampfparole hinausgegangen ist. Für die spanische Arbeiterschaft sind Krieg und Revolution untrennbar. Die Form der bürgerlichen Demokratie kann nicht mehr das Ziel dieser Arbeiterschaft sein. Wenn der Frieden in unserem Lande wiederkehrt, wird von den wirtschaftlichen und sozialen Formen des 18. Juli wenig oder nichts mehr übrig sein. Die Tatsache, dass Spanien sich sehr schnell umformt und dass der neue Geist — der Geist der proletarischen Revolution — allebeseelt und den konstruktiven Geist der werktätigen Massen antreibt — diese Tatsache kann niemand ableugnen.

Die reformistischen Illusionen bekamen im Oktober 1934 ihren Todesstoss. Die Revolution in Asturien war die Folge des Misstrauens des organisierten Proletariates gegen parlamentarische Methoden. Damals verkündete man, dass die Befreiung des Proletariats nur durch den Aufstand errungen werden könne. Die CNT hat diesen Standpunkt von ihrer Gründung an vertreten. Als sich das sozialistische Proletariat dieser Auffassung anschloss, wurde die taktische — wenn auch nicht die ideologische — Einheit der gesamten spanischen Arbeiterbewegung zur Tatsache. Seit dieser Zeit besteht der Wille der grossen organisierten Massen darin, die Formen des bürgerlichen Regimes zu zerschlagen, um so die endgültige Befreiung zu erkämpfen.

Das Proletariat hat keineswegs auf dieses sein höchstes Ziel verzichtet. Es benutzte die Gelegenheit, die ihm der Faschistenputsch bot, um offen an die Konstruktion der neuen Gesellschaft zu gehen. Und diese Konstruktion wird zur Tatsache, obwohl diese Tatsache den politischen Parteien nicht gefällt, die sich nach und nach von der Leitung der Ereignisse verdrängt sehen durch die beiden grossen Gewerkschaften CNT und UGT. Jeder wahre Revolutionär sollte glücklich sein über einen derartigen Verlauf der Erreignisse. Die spanische Revolution kann nicht unter dem Banner der politischen Parteien gemacht werden; das ist unmöglich. Die Arbeiterklasse ist mündig. Sie hat ihre eigene Auffassung, und dementsprechend handelt sie. Diejenigen, die den Tatsachen eine andere Erklärung geben wollen, irren sich gewaltig; sie scheinen diese grundlegende Tatsache unseres Seins nicht zu kennen. Das Beste für alle wäre, den Strom unserer Revolution nicht aufzuhalten; man sollte vielmehr alle Hindernisse wegräumen, um die Neufirmung der Gesellschaft so reibungslos wie möglich zu vollziehen.

Die alten republikanischen Politiker sogar fangen an zu begreifen, was hier in Spanien vorgeht; der Kampf gegen den Faschismus erheischt zugleich die Auflösung des bürgerlichen Regimes, zu dem wir nie wieder zurückkehren können. "Ich übersehe nicht" — sagt Ossorio y Gallardo — "dass ein liberaler und konservativer Mann wie ich, der nichts weiter ist als Rechtsanwalt, keine grossen Aussichten hat in der Gesellschaft, die sich zu bilden im Begriffe ist." "Jetzt sagen die Parteien" — sagt Alvaro de Albornoz — "Wir wollen jetzt keine Revolution. Wir wollen jetzt nur den Krieg gewinnen. Trotzdem wird die Revolution gemacht; sie geht weiter." Companys versichert. "Wir erleben Stunden, in denen wir alle unsere Kräfte vereinigen müssen um im Bürgerkrieg zu siegen und die Revolution zum siegreichen Ende zu führen." Sogar im Ausland begreift man, dass der Kampf in Spanien nicht ein Kampf ist zwischen der bürgerlichen Republik und dem Faschismus; es ist der Kampf zwischen Faschismus und Revolution. Im Juli versuchten die Militärs sich zu erheben gegen den revolutionären Ansturm des Proletariats.

Da die Revolution gleichzeitig mit dem Kriege durchgeführt wird, so ist es ratsam, diesen Geburtsakt zu erleichtern. Damit tragen wir zum Siege bei, denn eines der Probleme des Krieges ist die Organisierung einer leistungsfähigen Produktion im Hinterlande. Daraufhin zielen die Verhandlungen zwischen der UGT und der CNT; wir wollen zu einer Einheit kommen, die uns Kollektivlösungen für unsere Arbeit ermöglicht. So vorgehen, heisst für den Krieg arbeiten und für die Revolution: und zwar ohne viel Geschrei; gewissenhaft und verantwortlich.

Den Strom aufhalten ist gut, wenn es der Strom kapitalistischer Unterdrückung ist. Ihn aufhalten, blos um uns von der Vortrefflichkeit längst gestorbenen Formelkrams zu überzeugen, ist ein Akt der Blindheit; er ist unvereinbar mit Tatsachen, die wir erleben; er ist unvereinbar mit dem glorreichen Kampf, den das Proletariat kämpft an allen Fronten für die Freiheit.

Aus "Fragua Social", Valencia.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 9, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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