Einheit zwischen CNT-UGT?

In den letzten Monaten ist viel von der Einheit zwischen der CNT und der UGT die Rede gewesen, den beiden grossen Arbeiterorganisationen Spaniens. Was sollen wir darunter verstehen?

CNT und UGT sind Organisationen, die bisher einander entgegengesetzte Prinzipien vertreten haben: die CNT den Gedanken des Aufbaus einer neuen sozialistischen Ordnung durch die Syndikate, die UGT den Staatssozialismus. Die UGT war das "Rekrutendepot" der spanischen Sozialistischen Partei. Solange diese mit dem bürgerlichen System bedingungslos koaliert war, war die UGT eine Art Staatsgewerkschaft, währead man die CNT mit Feuer und Schwert verfolgte.

Der Anarchosyndikalismus, wie ihn die CNT vertritt, hat eine doppelte Funktion. Er führt den Klassenkampf gegen Unternehmertum und Staat, und er soll nach dem Siege der Arbeiter der Organismus des wirtschaftlichen Neuaufbaus sein.

Falls sich UGT und CNT nach der Enteignung der Kapitalisten darauf einigen können, dass die Arbeiter in ihren wirtschaftlichen Organisationen den sozialen Reorganisationsplan selbst durchzuführen haben, dann wäre das Weiterbestehen beider Organisationen nebeneinander sinnlos geworden. Die Trennung der Organisationen hatte ihre Bedeutung für die Zeit des Kampfes aber sie müsste verschwinden, sobald das Ziel des Kampfes erreicht ist und der Neuaufbau beginnt. Die CNT hat in diesem Sinne während der letzten Monate oft von der Einheit zwischen UGT und CNT gesprochen, hat erklärt, dass es angesichts der Aufgaben der sozialistischen Neuordnung keine zwei Gewerkschaftsorganisationen mehr geben könne. Diese grundsätzlichen Erklärungen der CNT haben absolut nichts mit dem zu tun, was die marxistischen Führer schon seit langer Zeit die "Gewerkschaftseinheit" nennen: mit der Unterstellung aller gewerkschaftlichen Richtungen unter die reformistische und parteipolitische Bürokratie; eine solche "Einheit" will die CNT nicht.

Die CNT weiss auch, dass die organisatorische Einheit in dem von ihr selbst gewünschten Sinne im Augenblick noch nicht möglich ist. Gewiss ist ein grosser Teil der spanischen Wirtschaft heute in den Händen der Arbeiter: in Katalonien ist die Kollektivisierung aller Betriebe mit über 100 Arbeitern offiziell sanktioniert, und ein grosser Sektor der darunter liegenden Betriebe und Geschäfte ist es praktisch auch. Aber so liegen die Dinge nicht in ganz Spanien. Die revolutionäre Kampfgewerkschaft hat ihre Bedeutung also noch lange nicht verloren, trotzdem die Gewerkschaften bereits viele konstruktive Funktionen übernommen haben und in Katalonien sich heute sogar schon fast ausschliesslich mit Fragen des Aufbaus beschäftigen.

Aus diesem Grunde beschloss die CNT auf dem Plenum ihrer Regionalföderationen, das Ende Januar in Valencia stattfand, ihre Beziehungen zur UGT auf folgende Grundlagen zu stellen; einmal gilt es, den Abschluss von Pakten zwischen den Komitees zu fördern, auf der anderen Seite ist zu sorgen für die unmittelbare Annäherung der Arbeiter beider Richtungen von unten auf. Pakte zwischen UGT und CNT wurden bereits im vorigen Herbst abgeschlossen, vor allem in Katalonien, wo die UGT allerdings keine schon länger bestehende Arbeiterorganisation, sondern ein neuer Organismus ist, in dem vor allem breite Schichten des Kleinbürgertums ihre Vertretung erblicken. Eine revolutionärere Note trägt der Pakt zwischen der CNT und der UGT in Asturien, dem klassischen Lande der revolutionären Arbeiter-Allianz. Auch in Aragon wurde vor wenigen Wochen ein offizieller Pakt abgeschlossen.

Von ausserordentlicher Bedeutung sind jedoch die Verhandlungen, die seit kurzer Zeit in Valencia vom Nationalkomitee der CNT und dem Exekutivkomitee der UGT gepflogen werden. Diese Verhandlungen, von der CNT angeregt, haben konkrete wirtschaftliche Fragen zum Gegenstand: die Sozialisierung (worunter man in Spanien die Übernahme der Wirtschaft durch die Gewerkschaften versteht), die Munizipalisierung der öffentlichen Dienste und die Nationalisierung (Intervention des Staates). Jede der beiden Organisationen wird ihr Material zu diesen Problemen vortragen, und alle vorgeschlagenen Lösungen werden diskutiert werden.

Das Ziel der CNT ist es dabei, der UGT begreiflich zu machen, dass der antifaschistische Block in Spanien sich nur auf die Allianz der beiden grossen Gewerkschaften stützen kann, die ihrerseits alle verantwortlichen Funktionen im wirtschaftlichen und politischen Leben gemeinsam zu übernehmen haben. Die CNT wünscht dabei die Ausschaltung der Berufspolitiker und der Parteien, jener im wirtschaftlichen Leben nicht verwurzelten ideologischen Gruppierungen, die in der spanischen Politik vor dem 19. Juli reichlich Gelegenheit gehabt haben, ihre totale Unfähigkeit und Korruption unter Beweis zu stellen. Natürlich gibt es hiergegen viele Widerstände. Die Berufspolitiker sabotieren die Einheit. Eine führende Kommunistin erklärte dieser Tage, dass eine Übernahme der Macht durch eine Gewerkschafts-Allianz den sozialistischen Auffassungen der Marxisten widerspreche. Das mag sein; die spanischen Arbeiter jedenfalls werden in der nächsten Zeit über diese Frage zu entscheiden haben.

Wenn aber die gleiche Kommunistin behauptet, die Machtausübung durch eine Arbeiterallianz CNT-UGT bedeute Diktatur, so ist dieses Argument der Vertreterin einer ausgesprochenen Diktaturpartei gegen die Vorkämpfer des freiheitlichen Kommunismus geradezu grotesk. Es ist wahrscheinlich darauf berechnet, das Bürgertum gegen die Arbeiterallianz zu mobilisieren. Die Arbeiter-Allianz ist in Wirklichkeit gerade die Vermeidung der Diktatur, ein Versuch, über die russischen Methoden hinauszugehen und der breiten, organisierten Masse von vornherein die Verantwortung für den sozialen Neuaufbau in die Hände zu legen.

An die Arbeiter, nicht an die Führer, wendet sich deshalb die CNT vor allem. Sie wünscht die Einigung von unten. Die Lokalföderation Barcelona der CNT schlug vor einigen Tagen in der ganzen Stadt die folgenden Parolen an: "Welchen Sinn haben die von den Komitees getroffenen Abmachungen, wenn die Massen der Arbeiter, die sie erfüllen sollen, an ihnen nicht mitarbeiten? Wir fordern die Arbeiter-Einheit durch gemeinsame Versammlungen der Arbeiter beider Richtungen in jedem Zweige!" Die Freie Jugend verbreitete einen Flugzettel mit den Worten: "Haltet gemeinsame Versammlungen ab, eint euch, denn das bedeutet unseren Sieg! Arbeiter-Einheit! Von unten! In den Arbeitsstätten! Der Krieg und die Revolution fordern das von uns. Darum fordern wir es, die Freie Jugend von Katalonien."

Die Arbeiterallianz ist die einzige konstruktive Parole, die es heute in Spanien geben kann. Die CNT hat aus langen, bitteren revolutionären Erfahrungen gelernt, dass sie ohne die in der UGT organisierten Massen nicht die Revolution durchführen kann. Die Arbeiter der UGT haben in den letzten Jahren viele ihrer alten reformistischen Illusionen verloren, und die Führer der UGT und der ihr nahestehenden Parteien dürften sich davon überzeugt haben, dass der spanische Anarchismus nicht auszurotten ist. Die Arbeiterallianz bedeutet nicht die Verwirklichung der Zielforderung der CNT: des freiheitlichen Kommunismus, dieser kann nicht einem Massenteile der Arbeiterschaft aufgezwungen werden. Andererseits bedeutet die Arbeiterallianz für die marxistischen Sozialisten Verzicht auf ihre Diktaturforderungen. Selbstverständlich ist eine Einigung auf dieser Basis nicht leicht. Es bestehen Spannungen, die zum Teil auf jahrzehntealten Gegensätzen beruhen, zum Teil aus der Gegenwart immer neuentstehen. Trotzdem drängt sich den verantwortlich Denkenden immer stärker die Notwendigkeit einer Politik nach dieser Richtung auf.

Die CNT hat den Krieg gegen den Faschismus ermöglicht durch ihre kühne direkte Aktion in Katalonien, die den Sieg der Generäle verhinderte. Sie hat durch Verzicht auf ihre eigenen Zielforderungen die Grundlage der antifaschistischen Einheit geschaffen — denn die sog. "Volksfront" allein wäre im ersten Ansturm des Faschismus zusammengebrochen. Die CNT fordert heute von der UGT energisch den Verzicht auf jede Diktaturbestrebung und ein Bekenntnis zum Sozialismus in Sinne der Arbeiterallianz. Dies ist die grosse Perspektive, der die CNT alle Teilfragen des Kampfes unterordnet. Davon, ob die noch ausserhalb der CNT stehenden Massen die entscheidenden Fragen der Einheit für den Krieg und die Revolution im konstruktiven Sinne verstehen und danach handeln, hängt der Ausgang des Krieges ab.

Zwischen faschistischem totalen Staat und staatssozia1istischer Diktatur zeigt die CNT einen Ausweg der Freiheit — hier liegt der eigentliche Sinn des spanischen Kampfes.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 9, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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