FAU - Anarcho-Syndikalismus (1993)

Zum folgenden Text ist anzumerken, das sich seit 1993 in der FAU einiges getan hat - wer sich über die FAU aktuell informieren möchte, kann dies am besten auf der Homepage der FAU www.fau.org machen.

Plenumsreferat der FAU auf den Libertären Tagen 1993 in Frankfurt/M

Wie ja bereits im Eingangsreferat angeklungen, gibt es in der anarchistischen Bewegung sehr viele unterschiedliche theoretische Vorstellungen zur Gestaltung des Zusammenlebens in einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Und es gibt auch eine Reihe von Überlegungen, auf welchem Weg, bzw. mit welcher Methode eine anarchistische Gesellschaft verwirklicht werden kann.

Ich möchte euch jetzt die Ideen und Methoden des Anarcho-Syndikalismus vorstellen. Der Anarchosyndikalismus ist eine sozialrevolutionäre Gewerkschaftsbewegung, die eng mit dem Geist des Anarchismus verknüpft ist. In Deutschland heißt diese Gewerkschaft: "Freie Arbeiter - und Arbeiterinnen Union" abgekürzt F.A.U.

Unser Ziel als Gewerkschaft ist eine herrschaftslose, ausbeutungsfreie und auf Selbstorganisation gegründete Gesellschaft. Solch eine Form des Zusammenlebens wird nicht irgendwann plötzlich vom Himmel fallen, sondern ihre Verwirklichung beginnt jetzt und auch durch uns. Unsere Erfahrungen zeigen, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse von zentraler Bedeutung für das persönliche und soziale Leben sind. Denn auch ein schöner Feierabend kann nicht über die trüben Aussichten eines neuen Morgens hinwegtrösten Und wenn der Urlaub oder die Ersparnisse zu Ende gehen, müssen wir wieder in die Kloake der Lohnarbeit eintauchen.

Die meisten von uns müssen einen Großteil ihres Lebens in Ausbildungsstätten, Betrieben oder Büros verbringen. Die Vorbereitung auf die Lohnarbeit und die Arbeit selbst ruinieren unser Leben. Nicht nur die sogenannten "direkt Lohnabhhängigen", sondern die gesamte Gesellschaft basiert derzeit auf Lohnarbeit. Egal ob arbeitslos, angewiesen auf Sozialhilfe, Hausfrau oder Hausmann oder freiberuflich tätig, alle sind wir von der Lohnarbeit abhängig. Auch wir sind - wie die meisten Menschen - , um zu überleben zur täglichen Maloche gezwungen. Deshalb - und nicht etwa, weil es uns soviel Spaß macht - haben wir uns in einer Gewerkschaft, nämlich der F.A.U. organisiert.

Der Kampf gegen die Lohnarbeit ist der Hauptansatzpunkt des Anarchosyndikalismus. Dadurch wollen wir den Kapitalismus an seiner Wurzel angreifen. Um den Prozeß der sozialen Revolution voranzutreiben, ist es nötig, unsere Bereitschaft und Fähigkeit zu sogenannten "Tageskämpfen" zu entwickeln - z. B. für höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Es ist grotesk und auch sehr bedauerlich, daß viele Leute, die von "Revolution" reden, einen Großteil ihres Alltages, die tägliche beschissene Arbeit aus ihren Überlegungen und Aktivitäten ausklinken, als sei sie nicht vorhanden. Als würde das bloße Schließen der Augen die Lohnarbeit zum Verschwinden bringen.

Schritte zu einer anarchistischen Gesellschaft bleiben schon im Ansatz stecken, wenn wir den Bereich der Arbeit ausklammern. D. h., wenn wir in den Betrieben nur als Lohnsklaven, nicht aber als Feinde des Kapitalismus, als Anarchisten und Anarchistinnen in Erscheinung treten. Begriffe wie Selbstverwaltung, gegenseitige Hilfe oder Selbstbestimmung verkommen zu Phrasen, wenn sie nicht in den alltäglichen und das heißt oft genug betrieblichen Auseinandersetzungen erlernt und erfahrbar werden. Verschiedene Formen des Streiks, der Sabotage und andere Arten der direkten Aktion können bei diesen Kämpfen hilfreich sein.

Die freien Vereinigungen der lohnabhängigen Menschen, die Gewerkschaften, sind jene Organisationsformen, auf die wir uns sowohl bei unseren täglichen Auseinandersetzungen, als auch bei der Verbreitung anarchistischer Ideen stützen können. Damit meinen wir natürlich nicht die DGB - Gewerkschaften. Sie sind nicht nur völlig bürokratisiert und auf Sozialpartnerschaft geeicht. Sie dienen insbesondere der ideologischen Rechtfertigung und praktischen Verewigung der Lohnarbeit. Wir halten es für aussichtslos, den DGB in eine sozialrevolutionäre Organisation zu verwandeln.

Die FAU ist für uns eine reale Perspektive, die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal zu verändern. Schwerpunkt unserer Aktivität ist der Aufbau eigener Betriebs - und Branchenstrukturen. Organisatorische Grundlage unserer Arbeit in den Betrieben, sind direkt - demokratische Betriebsgruppen, denn wir versuchen unserem Zusammenschluß schon heute jene Form zu geben, die wir uns für eine freie Gesellschaft wünschen.

Die Tatsache, daß der Schwerpunkt unserer Aktivitäten in den Betrieben liegt, heißt natürlich nicht, daß wir uns nur mit dem Kampf gegen die Lohnarbeit beschäftigen. Voraussetzung für eine freie Gesellschaft ist der Abbau aller Herrschaftsformen in allen Lebensbereichen und dafür kämpfen wir sowohl in den Betrieben, als auch außerhalb der Betriebe. Alle Menschen, die ihren Teil dazu beitragen wollen, sind uns natürlich herzlich willkommen.

Neben den verschiedenen Arbeitsgruppen der FAU wird es während der libertären Tage im ersten Stock des Sozialzentrums eine Art Selbstdarstellungsraum geben. Dort können sich diejenigen, die jetzt neugierig geworden sind oder auch die, die schon immer mal mehr über die FAU wissen wollten, informieren.

Kerstin, FAU-Frankfurt

Originaltext: http://www.fau.org/archiv/art_030912-175537


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