Die Zentralverbände als Vaterlandsverteidiger (1925)

Durch den Ebertprozeß in Magdeburg sind die Sozialdemokraten und Gewerkschaften aus ihrem Schweigen herausgetreten und haben ihr vaterländisches Herz offenbart. Dadurch erfuhr man, dass sie während des Krieges die Monarchie und den Militarismus nach Herzenskräften unterstützten. Die sozialdemokratische Zeitschrift „Glocke“ wollte beweisen, dass die Ebertpartei die Interessen des Vaterlandes während des Krieges besser wahrnahm als die Generalkommandos. Sie veröffentlicht einen Aufruf des Bergarbeiterverbandes von der Kriegszeit her, in welchem die streikenden Bergarbeiter Oberschlesiens, Sommer 1916, aufgefordert wurden, zur Arbeit zurückzugehen. In diese Aufrufe, der vom Zentralverbandsbeamten Heinrich Löffler geschrieben wurden, heißt es:

„An die Bergarbeiter Oberschlesiens. Die unterzeichneten Bergarbeiterverbände wenden sich als Freunde in der Not, als Berater und Mahner an Euch, um in ernster Zeit Ernstes zu sagen. Darum höret:

In letzter Zeit sind auf vielen Gruben Teilstreiks ausgebrochen, die ausnahmslos die Erlangung eines höheren Lohnes zum Ziele hatten. Das Streben nach höheren Löhnen ist berechtigt, wenn man die unerhörte Verteuerung aller Gebrauchsgegenstände beachtet. Aber die Schritte, die von den Belegschaften unternommen wurden, um das Ziel zu erreichen, das Eintreten in wilde, planlose Teilstreiks, können wir nicht gutheißen.

Sie verstoßen gegen die Regeln aller gewerkschaftlichen Taktik und Übung und brachten noch nie einen dauernden Erfolg. Diese unangebrachten Methoden müssen unterbleiben. Dort, wo unorganisierte Arbeiter zum Streik drängen, haben die organisierten Arbeiter die Pflicht, entgegenzuwirken und auf die Folgen hinzuweisen. Organisierte Arbeiter haben zu erklären, dass es unrichtig ist, in einen Streik zu treten, ohne dass vorher den maßgebenden Stellen Forderungen unterbreitet wurden, wie dies in letzter Zeit bedauerlicherweise einige Male vorgekommen ist. Dadurch setzen sich die Arbeiter von vornherein ins Unrecht und erschweren den Organen, die ihre Interessen wahren sollen, den Arbeiterausschüssen und Bergarbeiterverbänden, die Arbeit. Wer den Mut hat zum Streik, muß zuvor den Mut haben Forderungen zu stellen. Einen Streik zu beginnen, ohne dass Forderungen erhoben und darüber Verhandlungen nachgesucht wurden, ist falsch. Die Arbeiterausschüsse haben die gesetzliche Pflicht, Beschwerden der Belegschaften, die sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen, zur Kenntnis der Bergwerksbesitzer zu bringen und sich darüber zu äußern. Ihnen ist nun auch vom Minister für Handel und Gewerbe das Recht zuerkannt, in Lohnforderungen mit den Bergwerksbesitzern zu verhandeln. Dieses Recht wurde ihnen früher bestritten. Da sie es nun haben, muß es auch beachtet werden. Wichtiger aber noch ist die Interessenvertretung der Arbeiter durch die Organisationen, in denen sich die Bergarbeiter vereinigen müssen.“

Dieses Flugblatt wurde vom alten Bergarbeiterverbande dem Generalkommando zur Prüfung zugeschickt. Und damit ein Begleitschreiben, in welchem es heißt, dass das Bestreben der Organisationen sei, die Bergarbeiter auf den Weg friedlicher Verhandlungen zu bringen. Wörtlich wird dann weiter gesagt:

„Das stellvertretende Generalkommando würde sich den Dank der Arbeiter und Organisationen erwerben, wenn es infolge seines großen Einflusses bewirken würde, dass die Unternehmer in strittigen Fragen mit den Verbänden der Arbeiter verhandelten, um Differenzen, die naturgemäß zwischen den Kontrahenten ausbrechen, in Güte beizulegen; dies würde dem wirtschaftlichen Einvernehmen nicht nur jetzt, sondern auch in fernerer Zukunft dienlich sein.“

Das stellvertretende Generalkommando ließ die Drucklegung des Aufrufes nicht zu. Heute rühmen sich nun die Zentralverbände, dass sie eigentlich weit nationaler und vaterländischer handelten als das Generalkommando. Denn wenn dieser Aufruf veröffentlicht worden wäre, dann hätte er sicherlich dazu beigetragen, die Arbeiter vom Streik abzuhalten und sie zu bewegen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Das hat das Generalkommando verhindert, und jetzt freuen sich die Zentralverbände und Sozialdemokraten, dem Generalkommando landesverräterische Absichten in die Schuhe zu schieben, sich selbst aber als vorbildliche Patrioten hinzustellen.

Die Arbeiter können daraus ersehen, dass die Gewerkschaften die Interessen des Vaterlandes vertreten und die der Arbeiter verraten. Daraus müssen wir den Schluß ziehen, dass kein Arbeiter mehr in den Zentralverbänden bleiben darf. Hinein in die syndikalistischen Organisationen.

Aus: "Der Syndikalist" Nr. 3/1925

Originaltext: http://syndikalismusforschung.wordpress.com/2013/05/03/die-zentralverbande-als-vaterlandsverteidiger-1925/


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