Martin Veith - Die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft

Gewerkschaft heißt, das Leben in die eigenen Hände zu nehmen!

Die kapitalistische Gesellschaft, in der wir leben, ist eine Ordnung der sozialen Ungleichheit. Sie begünstigt die, die Geld und „Vermögen“ haben und benachteiligt und bedroht die Existenz derer, die nichts oder nur wenig haben und sich durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft und allem was hier dazu gehört (dem Versuch die Würde zu rauben, durch bestimmte Tätigkeiten erniedrigt zu werden, etc.) über Wasser halten müssen.

Wer zu den Begüterten und Besitzenden gehört, kann nun also aufhören weiterzulesen, da dieser Text sich gegen dieses System – das ihn oder sie von der Armut profitieren lässt -  richtet. Mir geht es mit diesem Aufsatz darum, eine soziale Alternative und gewerkschaftliche Bewegung für eine menschenwürdige und solidarische Gesellschaft aufzuzeigen und zu erklären. Es geht um den Anarcho-Syndikalismus [1].

Gewerkschaft ist nicht gleich Gewerkschaft

In der Mehrheit der Gesellschaft ist der Gewerkschaftsbegriff mit dem des DGB [2] gleichgesetzt. Das macht es uns AnarchosyndikalistInnen oft recht schwer zu erklären, was wir unter dem Begriff „Gewerkschaft“ oder genauer „Syndikat“ verstehen, warum wir durch sie die Möglichkeit sehen - neben konkreten Verbesserungen - ein Leben in Freiheit und Gleichberechtigung zu erkämpfen.

Der DGB, seine bezahlten Funktionäre und der SPDGB-Filz [3] haben durch ihre jahrzehntelange Verzichts- und Verratspolitik die in ihm organisierten Menschen enttäuscht, frustriert, ihrer Kreativität und Zuversicht auf gesellschaftlichen Wandel beraubt und unzählige Male Basisinitiativen von KollegInnen abgewürgt. Das Resultat sind anhaltende Austritte aus den DGB-Gewerkschaften. Der DGB hat sich einen schwerfälligen, bürokratischen Apparat geschaffen, der den durch die „Sozialpartnerschaft“ erkauften Frieden zwischen den Lohnabhängigen, den ArbeiterInnen und Erwerbslosen und den Unternehmern, der Regierung und dem Staat garantieren soll. Doch welches Interesse sollen wir an einem Frieden haben, der die Ungerechtigkeit nicht aufhebt sondern nur verwalten und bestenfalls abmildern will?

Durch seine Vormachtstellung in den meisten Betrieben verhindert und bekämpft er die direkte Initiative der Belegschaften. Der DGB hat durch seine in den Betrieben arbeitenden Funktionäre in der Vergangenheit immer wieder unabhängige oder der offiziellen DGB-Linie oppositionelle [4] Betriebsgruppen bekämpft [5]. Auch in der jüngsten Vergangenheit kam es wiederholt dazu, dass Funktionäre der DGB-Gewerkschaften streikenden und kämpfenden KollegInnen in den Rücken fielen und dazu noch Solidarität heuchelten.

Zwei Beispiele möchte ich exemplarisch anführen:

VW-Streik und Betriebsbesetzung im Mai 1999

Im VW-Werk in Emden liefen zum 3.Mai 1999 die befristeten Arbeitsverträge von 550 ZeitarbeiterInnen aus. Unter dem Motto „Heute ihr – morgen wir“ kam es zur Solidarisierung der Festangestellten mit den befristet eingestellten KollegInnen. Die Früh- und Spätschicht legte die Arbeit nieder. Nachdem die Forderung nach Festeinstellung von der Geschäftsleitung abgelehnt wurde, streikte das gesamte Werk - mit Erfolg. Alle befristeten Arbeitsverträge wurden um 24 Monate verlängert. Ein Erfolg der Solidarität und der direkten Durchsetzung der Interessen. Die IG Metall lehnte die Streikunterstützung und die Auszahlung von Streikgeldern mit den Worten ab, dass diese Aktion und der Streik nicht von der IG Metall geführt worden wären und „Friedenspflicht“ [6] herrsche [7]. Und das, obwohl über 90% der Beschäftigten IG Metall-Mitglieder sind.

Betriebsbesetzung bei Alcatel-Berlin im September 1999

Gegen die von der Konzern-Leitung angekündigte Schließung des Berliner Kabelwerkes von Alcatel besetzte der Großteil der Belegschaft den Betrieb. Ziel war die Erhaltung der knapp 140 Arbeitsplätze. Die Auftragsbücher waren voll, der Betrieb schrieb schwarze Zahlen. Die KollegInnen – zum Großteil in der IG Metall organisiert – wurden von der DGB-Gewerkschaft und deren offenem Zusammenspiel mit der Werksleitung plattgehandelt. Während die KollegInnen ihren Betrieb besetzt hielten, die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) den internationalen Kontakt zu KollegInnen bei Alcatel in Frankreich über die CNT [8] organisierte, handelte die IG Metall einen „Sozialplan“ aus. Direkte Kontakte der KollegInnen zu ihren KollegInnen nach Frankreich wurden von den IG Metall-Funktionären rigoros unterbunden. Ohne Not handelte die IG Metall so die Betriebsbesetzung platt.

Die von ihr gewährte finanzielle Streikunterstützung lässt sie sich übrigens auf den Pfennig genau zurückzahlen, da die Streikgelder nur als Darlehen gewährt wurden. Die magere Abfindung der gekündigten KollegInnen wird also zum Großteil in die Kasse der IG Metall wandern [9]. Beispiele dieser Art, der indirekten und direkten Unterstützung der Unternehmer und Konzernchefs gibt es etliche.

Doch hat dieses Verhalten auch für den DGB und seine ihm angeschlossenen Gewerkschaften Konsequenzen. Wie eingangs bereits erwähnt, sinkt die Mitgliederzahl seit Jahren. Seit 1991 kehrte ein Viertel der Mitgliedschaft dem DGB den Rücken zu. Im August 1999 waren nur noch 9,5 Millionen Menschen Mitglied einer DGB-Gewerkschaft. Die Gründe für den Austritt  werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Das viele aber aufgrund der nachgiebigen und laschen Haltung des DGB ausgetreten sind, ist schwer anzunehmen. Lohnverzicht, Nullrunden, Rationalisierung, die sog. Flexibilisierung der Arbeitszeiten, das Einknicken bei der Streichung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall unter der CDU/FDP-Regierung sind Beispiele dafür, ebenso wie die praktizierte Entpolitisierung dessen, was mensch noch als ArbeiterInnenbewegung im und um den DGB erkennen kann.

Wo waren die Streiks oder der Generalstreik gegen die ständige Verschärfung der Ausplünderung und Ausbeutung der ArbeiterInnen? Gegen die steigende Armut? Und wird der Unmut der Belegschaften dann doch groß und sehen die DGB-Funktionäre ihre Macht und ihren Einfluss schwinden – wie exemplarisch bei VW und Alcatel – sind sie mit markigen und starken Sprüchen anzutreffen, um den Unmut in Passivität, Aufgabe und „Einsicht“ zu kanalisieren und ihre Machtbasis zu erhalten.

Im Klartext bedeutet dies, dass die Mitglieder in DGB-Gewerkschaften keine Entscheidungen selber treffen können und dürfen, die den Vorständen der einzelnen Gewerkschaften ungelegen kommen, oder welche die sich selbst auferlegte „Friedenspflicht“ brechen. Mitglieder in DGB-Gewerkschaften sind dadurch entmündigt und stehen in der Praxis in der Frontlinie gegen die Unternehmer und gleichzeitig unter der Repression [10] „ihrer“ Gewerkschaft, zu deren Beschlüssen des Vorstandes sie sich opportun Verhalten müssen, da ihnen sonst die Solidarität entzogen wird.

Funktionäre und Dienstleister – keine Gewerkschaft!

Die Entmündigung innerhalb der DGB-Gewerkschaften macht sich auch an anderen Beispielen bemerkbar. Gerade die vielbeschworene Tarifpolitik – also die sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen zwischen dem DGB und den Arbeitgeberverbänden um die Festsetzung von Löhnen und Gehältern, Arbeitszeiten usw. in Tarifverträgen [12] – ist meistens eine Reine Farce und den Aufwand an Verhandlung gar nicht wert. Oftmals stehen die Abschlüsse schon vor der eigentlichen Verhandlung der Tarifkommissionen fest und werden die Positionen der DGB-Gewerkschaften nicht in Mitgliederversammlungen ausdiskutiert und festgelegt, sondern durch „prominente Funktionäre“ in den Medien (TV, Presse) vorgegeben. Einen Einfluss auf die Positionen haben die DGB-Mitglieder also nicht.

Das wiegt umso schwerer, als für die meisten DGB-Funktionäre die Tarifpolitik das A und O der Gewerkschaftsarbeit ist und andere Bereiche gar nicht wahr genommen werden. Der Apparat ist eben alt und krank. Da hilft auch der neue Zusammenschluss zur „Supergewerkschaft“ [13] „Verdi“ nicht weiter. Denn auch wenn sich mehrere Leichenteile zu einer großen Leiche zusammenschließen, entsteht daraus kein vitaler Organismus. Zumal zusätzlich Konkurrenzdenken und Standesdünkel der einzelnen Mitgliedsorganisationen seit Jahrzehnten die Beziehungen unter den DGB-Gewerkschaften vergiften.

Gegen diese undemokratische Gewerkschaftsstruktur setzen wir AnarchosyndikalistInnen die direkte Demokratie von unten. Die anarcho-syndikalistische Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, die sich dadurch von der Masse – also uns – abheben und erstarren können [14]. Außerdem ist ein wesentliches anarcho-syndikalistisches Grundprinzip die jederzeitige direkte Abwählbarkeit von Delegierten in Vollversammlungen der Syndikate, wenn diese gegen Beschlüsse ihrer Gewerkschaft verstoßen haben. Dies gilt für alle Angelegenheiten, die uns betreffen - seien es konkrete Kämpfe der Betriebsgruppen und Syndikate oder inner-organisatorische Entscheidungen. Jedes Mitglied hat eine Stimme und entscheidet mit.

Über den Betrieb hinaus – in alle Lebensbereiche

Für uns stehen unsere Interessen als Lohnabhängige, egal ob LohnarbeiterIn, SchülerIn, Erwerbslose/r, Studierende im Mittelpunkt unserer Bemühungen und nicht die Situation der Unternehmer, die durch die Medien, die PolitikerInnen, die Regierung und auch die Vorstände der DGB-Gewerkschaften immer als der Nabel der Welt dargestellt werden. Wir haben gänzlich andere Interessen als sie. Wir haben uns dieses Gesellschaftssystem nicht ausgesucht. Der Anarchosyndikalismus ist nicht nur eine sozialrevolutionäre Gewerkschaftsbewegung, er ist zugleich eine soziale Bewegung, die Unterdrückung und Zwangsdienste jeglicher Form ablehnt und bekämpft. So organisieren wir z.B. Unterstützung für Totale Kriegsdienstverweigerer (TKDV´ler), deren Platz ebenfalls in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft ist.

Arm sein ist keine Schande – Die Armut ist eine

Für einen Großteil von uns beginnt das Leben mit klaren Vorstellungen des späteren Werdegangs innerhalb dieses ungerechten Systems. Nach Kindergarten und Hauptschule folgt die Ausbildung und/oder die Erwerbslosigkeit - Militär- oder Ersatzdienst – das Dasein als Mutter, Hausfrau, die immer und jederzeit bereit sein müssen zu knechten, oder sich an einen Unternehmer zu verkaufen, um zu überleben, bis wir dann irgendwann sterben. Nicht zu vergessen die Mietezahlungen an den Hausbesitzer. Während auf der einen Seite einige wenige 100.000 Leute Macht, Geld, Fabriken und dadurch Einfluss besitzen und im materiellen Wohlstand leben, müssen wir, die 79 Millionen in Deutschland, uns durchschlagen, bedroht von Arbeitslosigkeit, die uns in materielle Not stürzen und uns darüber hinaus das Gefühl der Sinnlosigkeit im Leben geben kann. Letzteres dürfen wir uns erst gar nicht einreden.

Viele, gerade ehemalige und noch-Linke bis hin zu den Konservativen werden jetzt entgegnen, dass mensch dies nicht so schwarz sehen dürfe. Schließlich gebe es soziale Sicherungssysteme, Sozialhilfe, Arbeitslosenunterstützung, Arbeitsgesetze, ABM-Stellen usw. . Natürlich gibt es diese, doch wird allzu gern übersehen, welche repressiven Funktionen damit verbunden sind, welche Erniedrigung mit ihnen verbunden ist, wie das Leben – die Intimsphäre – verletzt wird, wie neue Abhängigkeiten entstehen. Ganz zu Schweigen von der gesellschaftlichen Ausgrenzung armer Menschen. Wenn Du kein Geld hast, machst Du keine großen Sprünge. Es ist immer schön, wie dieses Argument gebracht wird, auch um das eigene Gewissen zu beruhigen.  Außerdem werden „soziale Leistungen“ seit Jahren gestrichen, reduziert und an neue „Voraussetzungen“ angepasst.[15] Die Stigmatisierung armer Menschen durch Wirtschaftsbosse, PolitikerInnen und Medien (hier besonders in Talkshows etc.) als „Sozialschmarotzer“ tut ein übriges, indem von den Verursachern der Armut, nämlich den PolitikerInnen und Wirtschaftsbossen, abgelenkt wird und so getan wird, als ob jede und jeder ihres oder seines Glückes Schmied sei. Das ist aber in einer Klassengesellschaft, wie der bestehenden, der reine Hohn und Ausdruck handfester Interessenspolitik der Spaltung, des gegenseitigen Ausspielens der Menschen aus der arbeitenden Klasse. Schließlich kann jeder Mensch, der heute noch lohnarbeitet, morgen Erwerbslos sein.

Für uns AnarchosyndikalistInnen gilt es, diese Spaltung zu überwinden. Anders als der DGB, der seinen Schwerpunkt auf die Organisierung von FacharbeiterInnen legt und dort meistens auch nur in den Großbetrieben aktiv ist und Erwerbslose nur sehr bedingt unterstützt, der Erwerbslose sogar lange Zeit nicht einmal Mitglied seiner Gewerkschaften werden ließ, setzen wir auf die gemeinschaftliche Selbstorganisation lohnarbeitender und erwerbsloser Menschen in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft [16]. So kann einerseits gegenseitige Unterstützung und Hilfe organisiert werden. Andererseits lassen sich Forderungen Erwerbsloser gemeinsam besser durchsetzen, wenn Betriebsgruppen und Syndikate die sozialen Kämpfe unterstützen, z.B. durch Streik oder im anderen Fall bei einer Betriebsbesetzung, bei Aussperrung oder Streik, Erwerbslose Öffentlichkeitsarbeit in den Wohnvierteln, in der Stadt usw. organisieren. Gegenseitige Solidarität ist die einzige Waffe, die wir in nicht-revolutionären Zeiten haben. Schließlich gilt immer noch, was das „Solidaritätslied“ aussagt: „Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich.“

Was anarchosyndikalistische Gewerkschaftsarbeit ist...

Eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft ist anders, als fast all das, was mit der herkömmlichen Gewerkschaftsarbeit, z.B. des DGB verbunden wird. Unserem Verständnis nach umfasst sie alles, was unmittelbar unser alltägliches Leben betrifft und veränderungsbedürftig ist. Und das ist eine ganze Menge. Gewerkschaftsarbeit muss auch nicht trocken und „langweilig“ sein, wenn wir anfangen, sie zu nutzen, um für uns Vorteile und Verbesserungen durchzusetzen. Die Gewerkschaft sind schließlich wir. Und wir können ganz konkret unsere Interessen durchsetzen. Dabei unterlegen wir AnarchosyndikalistInnen uns keiner „Friedenspflicht“ oder dem Prinzip der Sozialpartnerschaft. Wir sind eindeutig klassenkämpferisch, was – wie die Bezeichnung aussagt – von unseren Interessen als Teil der arbeitenden Klasse ausgeht. Uns interessiert es nicht existenziell, was für den Chef wichtig ist. Uns interessiert, was wir brauchen und was uns schadet. Und wie wir das, was wir brauchen erreichen können.

Unsere Mittel sind die der „direkten Aktion“, der unmittelbaren Durchsetzung von Forderungen durch Streik, Boykott, Besetzungen und Sabotage. Aber die direkte Aktion beginnt auch schon im Kleinen, wenn wir z.B. gegen die Arbeitshetze „Dienst nach Vorschrift“ leisten oder für die Qualitätskontrolle von Produkten uns wirklich einmal Zeit nehmen. Das Mittel der „direkten Aktion“ ist flexibel, und jede und jeder kann für sich herausfinden, was das Beste für ihn oder sie im individuellen Bereich ist. Auf die größere, gesamtbetriebliche Ebene übertragen, wäre z.B. ein Streik auf der Baustelle ein Mittel, um gegen die ständige Verschlechterung der Löhne und den Einsatz von „Billig-Lohn-ArbeiterInnen“ vorzugehen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist eine grundlegende Sache. Anders als die IG Bau, die mit teilweise rassistischen Parolen deutsche gegen ausländische KollegInnen auszuspielen versucht und damit das Spiel der Unternehmer und fetten Bau-Konzerne spielt, treten wir für die finanzielle und rechtliche Gleichstellung emigrierter KollegInnen ein. Viele Probleme am Bau könnten schon gelöst sein, wenn nicht gegeneinander, sondern miteinander um Verbesserungen gekämpft würde. Der Feind ist doch nicht der Kollege, sondern der Unternehmer, der durch Sklavenjobs noch mehr Profit aus uns ArbeiterInnen herausschlägt.

Ein weiterer wichtiger Punkt anarchosyndikalistischer Gewerkschaftsarbeit ist die Weiterbildung. Im Syndikat oder der Betriebsgruppe bestehen die Möglichkeiten, uns gegenseitig Wissen zu vermitteln, usw. Öffentliche Bibliotheken und die Herausgabe von Zeitschriften gehörten schon immer zu den Tätigkeitsfeldern der anarchistischen und syndikalistischen ArbeiterInnenbewegung,  zumal das Leben nicht am Betriebsausgang aufhört.

Warum wir gegen StellvertreterInnenpolitik sind

Wie der Name schon sagt, beinhaltet StellvertreterInnenpolitik immer, dass andere für einen selbst diejenigen Entscheidungen treffen, die einen selbst betreffen. In Betrieben und in der „Politik“ gibt es Betriebsräte und Abgeordnete. Neben der Tatsache, dass sie alle ab einem bestimmten Zeitpunkt der Illusion der Macht erliegen, sind sie undemokratisch. Darüber hinaus verändern sich mit ihrer neuen Machtposition ihre Interessen gegenüber denjenigen, die sie vorgeben zu vertreten. Das Prinzip der StellvertreterInnenpolitik führt zur Manipulation der Basis [17] und – mindestens genau so schlimm – zur Passivität. Gerade freigestellte Betriebsräte haben deshalb über kurz oder lang den Bezug zur Realität in den Betrieben verloren. Anarchosyndikalistischer Grundsatz ist: Entschieden wird nur von denjenigen, welche die Entscheidungen auch betreffen, also von der Basis vor Ort.

Einheit von unten – gegen Parteien

Um was es uns geht, ist die reale Einheit der ArbeiterInnen und sonstigen Lohnabhängigen in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft. Diese Einheit von unten [18] muss basisdemokratisch sein, um allen die gleichen Möglichkeiten zu gewährleisten und das Abheben von „FührerInnen“ und „Kadern“ - wie in politischen Parteien [19] – zu verhindern. Wir stehen den Parteien und dem Parlamentarismus als GegnerInnen gegenüber. Gerade die Geschichte sozialdemokratischer Parteien, kommunistischer und sozialistischer Gruppen zeigt immer wieder ganz deutlich den Versuch, Macht an sich zu reißen, über den „Massen“ zu stehen (die sie auch oft genug als dumm oder träge bezeichnen) und im Interesse ihrer Machterhaltung oder ihres Machtstrebens Bewegungen zu spalten und abzuwürgen. Beispiele dafür gibt es etliche. Es sei nur auf die Rolle der DKP [20] während der Anti-Kriegs - oder Friedensbewegung  in der alten BRD verwiesen, die Rolle der französischen KP während des Mai´68, als die soziale Revolution in Frankreich im Aufbruch war, und ihr durch das  Verhalten der KP-Gewerkschaft CGT die Sabotage der revolutionären Bewegung gelang. Noch ein paar Jahrzehnte weiter zurück, zeigt die Rolle der sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien in Spanien während der sozialen Revolution ab 1936 die ganze Schändlichkeit autoritärer (Partei)-SozialistInnen. Auch in Deutschland wurde die anarcho-syndikalistische Bewegung von Anfang an von SPD und KPD angegriffen. Nichts gegen einen Austausch von Argumenten, doch bestand die Handlung der Autoritären nicht in einem Wettstreit um Argumente, sondern in der „Ausschaltung“ einer ihrem Machtstreben oppositionellen, selbstbestimmten Bewegung [21]. Die offene konterrevolutionäre Politik der Autoritären sollte den freiheitlich (libertär) gesinnten Menschen und allen Arbeiterinnen und Arbeitern ein für allemal veranschaulichen, dass wir keine Gemeinsamkeiten mit ihnen haben.

Für was wir AnarchosyndikalistInnen u.a. stehen:

  • Die Selbstorganisation der Arbeitenden [22] in direkt-demokratischen, anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften. Denn nur Gemeinsam sind wir stark.
  • Die Enteignung der Reichen und der EigentümerInnen an den Produktionsmitteln und die restlose Überführung der Produktionsmittel in die Hände der Arbeiterinnen und Arbeiter.
  • Die Selbstverwaltung der Betriebe und aller öffentlichen Bereiche.
  • Auflösung der repressiven Organe wie Polizei, Militär, Regierung.
  • Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Niemand darf aufgrund materieller Dinge benachteiligt sein.
  • Freies Zuzugs- und Niederlassungsrecht.
  • Selbstbestimmung der Frau in allen Lebensbereichen.
  • Sexuelle Selbstbestimmung.
  • Gegenseitige Bildung von uns Lohnabhängigen und Entwicklung und Stärkung des Selbstbewusstseins  und der konkreten Solidarität
  • Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
  • Mehr Zeit zum Leben. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung  ohne Lohnabzug
  • Effektive Bekämpfung der neofaschistischen Bewegungen und Gruppen
  • Aufbau einer starken und durchsetzungsfähigen anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft
  • Konkrete internationale Zusammenarbeit und Solidarität der Lohnabhängige

Lohnverzicht des DGB -  ein weiterer Verrat an der arbeitenden Klasse

Während die deutsche Wirtschaft ein Profitwachstum wie noch nie in der Geschichte der BRD verzeichnet – allein 1997 stieg der Gewinn der Unternehmen auf 105,5 Milliarden DM – die ausländischen Direktinvestitionen ständig steigen – allein im 1. Halbjahr 1998 auf 14,3 Milliarden DM – und ein Außenhandelsrekord von 141 Milliarden DM 1998 zum größten Überschuss in der Geschichte der BRD führte, die Reichen also beständig reicher werden, kommt es bei den Lohnabschlüssen schon seit Jahren zu Nullrunden.

Der DGB und seine Tarifkommissionen hören auf das Rumgejammere der Wirtschaftsbosse und Präsidenten der Arbeitgeberverbände, ob nun Stihl, Hund oder Henkel, die den „Standort Deutschland“ sichern „müssen“, um „konkurrenz- und überlebensfähig“ zu sein. Ein einfacher Blick auf die oben genannten Zahlen zeigt, wie schlecht es den Herren der Industrie nun wirklich geht [23]. Dieser durch Lohnverzicht und damit mit Existenzen von Menschen aus der arbeitenden Klasse erkaufte Reichtum der Reichen ist ein weiterer Verrat des DGB an uns Lohnabhängigen. Schließlich sind Unternehmer keine sozialen Wesen, die im Sinne des Gemeinwohls handeln, sondern eiskalte Vertreter ihrer eigenen Interessen. Denn oberstes Gebot eines jeden kapitalistischen Unternehmens ist die Profitmaximierung! Jede durch Lohnverzicht und Nullrunden eingesparte Mark kommt der Spekulation der Unternehmer und damit der Rationalisierung der Arbeitsabläufe zugute, bei der im kapitalistischen Produktionsprozess nur menschliche Arbeitskräfte vernichtet werden, die anschließend von Maschinen erledigt werden, die a.) keinen Lohn bekommen und b.) keinen (oder nur geringen) Ärger machen (können). Jede Mark also, die wir den Unternehmern aus der Tasche ziehen, kommt uns zweifach zugute. Zum einen, um unser Leben zu leben und zum anderen, um den Unternehmer daran zu hindern, mit dieser Mark zu spekulieren. Kapitalismus ist eben asozial. Kapitalisten sind das erst recht.

„Wirtschaftswachstum“ und „Leichtlohngruppen“

Wie an anderer Stelle schon erwähnt wird das sog. „soziale Netz“ beständig beschnitten oder für manche gesellschaftlichen Bereiche ganz abgeschafft. An die Stelle der langjährigen staatlichen Unterstützungsleistungen tritt die Welt der „Selbstbeteiligung“. Die Ausgrenzungsmechanismen funktionieren dadurch noch geschmierter. Private Krankenversicherungen, Altersversorgungen etc. werden propagiert und machen das Alt werden und/oder krank sein, zu einem noch größeren Risiko und zu einem Luxus den sich kontinuierlich die wenigsten werden Leisten können. Dazu kommt die veränderte (Lohn)Arbeitswelt mit ihren Niedriglohnjobs auf 630DM Basis. Ganze Branchen wie z.B. die Gastronomie oder das Reinigungsgewerbe leben mittlerweile von den KollegInnen die auf 630DM-Basis arbeiten [24]. Für leichten Lohn nur leichte Arbeit und die Stärkung der eigenen Position durch Mitgliedschaft in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft ist unsere Empfehlung dazu.

Der Kapitalismus schafft wirklich jeden Tag neue Gründe für seine Abschaffung und den  Kampf für eine selbstverwaltete Gesellschaft, in der Solidarität und gegenseitige Hilfe zu den Grundprinzipien gehören. Deshalb ist die Aktivität in der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft eine absolute und existenzielle Notwendigkeit.

Anarcho-Syndikalismus

Anarcho-Syndikalismus ist der Name, den wir uns für unseren Weg und unsere Ziele gegeben haben. Er ist keine starre Ideologie, sondern vielmehr eine Praxis und Ideenbewegung die uns unserem Ziel einer herrschaftsfreien, selbstbestimmten und selbstverwalteten Gesellschaft näher bringen soll und dieses Ziel auch gleichzeitig beschreibt. Da wir in einer Klassengesellschaft leben, geht es uns darum, die Macht und die Stärke des kapitalistischen Systems dort anzugreifen, wo es am verletzlichsten ist: In der Ökonomie, beim Kapital, das uns verwertet und erniedrigt. Wir organisieren uns in Syndikaten, da sie die beste Form des gemeinschaftlichen Widerstandes und der direkten Aktion gegen die Arbeits- und Verwertungsbedingungen sind. Neben ihrer Funktion, unsere eigenen Interessen als abhängig Beschäftigte gegenüber Chefs, Vorgesetzten und dem daran hängenden Rattenschwanz (Bürokratie [25]) durchzusetzen, sind sie auch gleichzeitig die Mittel, welche die Übernahme der Betriebe durch uns Arbeiterinnen und Arbeiter vorbereiten, und nach der wir die von uns angestrebte soziale Revolution selbstverwaltet weiterführen wollen. Sie sind also Teil unserer Entwicklung, unserer Emanzipation und deswegen so gut oder schlecht wie wir selbst. Die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft wird das Ende der Produktion für Profit und das schöne Leben der Reichen sein. Die Produktionsbedingungen werden unseren Bedürfnissen in der neuen Gesellschaft angepasst sein. Das bedeutet eine Umstrukturierung der Wirtschaft, da nach Bedarf produziert werden wird. Nebenbei bemerkt, wird sich dies auch auf unsere Umwelt und die Ökologie positiv auswirken, da die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ebenfalls aus reiner Profitsucht betrieben wird. Der Raubbau an Mensch und Natur kann schließlich nur dann beendet werden, wenn Natur und Umwelt als kollektives Gut und nicht als Privateigentum betrachtet werden.

Föderalismus statt Zentralismus

Ein Grundprinzip des Anarcho-Syndikalismus ist die Autonomie [26] der lokalen Gruppen und Syndikate. Es gibt keine Zentrale, die darüber entscheidet, was die jeweiligen Syndikate zu tun haben. Dies ist Ausdruck konkreter Erfahrungen der ArbeiterInnenbewegung mit den zentralistischen Gewerkschaftsverbänden – wie dem DGB – deren Vorstände eigenmächtig Beschlüsse fassen können, die den KollegInnen vor Ort schaden. Wie z.B. die Streichung von Streikgeldern, das Beenden und Verhindern von Streiks, der Ausschluss von Mitgliedern, usw. Alle die Arbeit und Funktion der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft vor Ort betreffenden Dinge regelt diese selbst. Darüber hinaus gibt es Delegiertentreffen zwischen allen in der bundesweiten anarcho-syndikalistischen Organisation föderierten Syndikaten und Gruppen zum Austausch und der Abstimmung der gemeinschaftlichen Arbeit, wie z.B. der Herausgabe der Bundeszeitung, oder der Wahl zur Geschäftskommission, die die bundesweite Arbeit koordiniert, aber keine eigenständigen, die Gesamtorganisation betreffenden Entscheidungen treffen kann. Durch diese anti-hierarchische Struktur ist eine hochgradige Handlungsfähigkeit gewährleistet und die Gefahr einer schnellen Zerschlagung der Organisation, wie z.B. bei der Verhaftung oder „Ausschaltung“ von Vorstandsfunktionären von Parteien gemindert. Wenn wir alle möglichst gut Bescheid wissen, kann die Arbeit auch dann weiterlaufen, da das Wissen nicht durch das „Ausscheiden“ einer Zentrale mit ausgeschaltet wird.

Die Organisierung der Gesellschaft

Die von uns angestrebte soziale Revolution wird den Staat abschaffen, da dieser dem freien Zusammenleben der Menschen im Wege steht und schon immer nur die machterhaltenden Interessen der Herrschenden beschützte und durchsetzte. Im Gegensatz also zu den autoritären Strömungen der Linken wollen wir den Staatsapparat nicht erobern, um selbst an die Macht zu gelangen. Wir wollen die in staatliche Formen gepresste Macht einfürallemal beseitigen. Um Produktion und Verteilung zu organisieren, setzen wir auf ein Rätesystem, das die Entscheidung an der jeweiligen Basis – also im Betrieb, dem Stadtteil, der Schule, der Universität - trifft. Diese jeweiligen Interessensgruppen entsenden Delegierte an einen Koordinationsrat, wo die jeweiligen Vorstellungen besprochen und Informationen ausgetauscht werden, diese Informationen gehen zurück an die Basis wo die eventuellen Entscheidungen dann getroffen werden. So ist ein Höchstmaß an direkter Demokratie, Sachkenntnis und Mitbestimmung gewährleistet. Entscheidungen werden nicht über die Köpfe anderer getroffen. Was alle Betrifft, entscheiden auch alle gemeinsam. Die Räte sind ihrerseits wieder mit anderen Räten in anderen Städten, auf regionaler, überregionaler und schließlich internationaler Ebene verbunden. Handel und Versorgung kann auf diese Weise gemeinschaftlich organisiert werden [27].

Offensiv gegen Faschismus und Ausgrenzung

Mit unserem Ziel der Selbstverwaltung der Betriebe und der direkt-demokratischen, herrschaftsfreien Gesellschaft, der Gleichberechtigung aller Menschen sind wir natürliche Todfeinde der Faschisten und Nationalsozialisten. Der Nationalsozialismus war krassester Ausdruck von Unmenschlichkeit, Ausbeutung der Arbeitenden und staatlicher Macht.

Profitiert haben von ihm die Kapitalisten, die Wirtschafts- und Konzernchefs im industriellen Bereich, sowie die Herren (Groß-)Grundbesitzer in der Landwirtschaft. Für sie war das „3.Reich“ das Paradies. Niedrig-Lohn, Pseudo-Gewerkschaften, nationalsozialistische Festlegung der Arbeitszeiten- und Bedingungen [28]. Profite ohne Ende für die Reichen ohne Störung ihres Profits durch die ArbeiterInnen, einhergehend mit der Verdrängung der Frauen aus der Lohnarbeitswelt und ihrer Reduzierung auf „Mutterschaft“ und „Haushaltshilfe“.

Wie die Geschichte des „Dritten Reichs“ zeigt, waren neben Jüdinnen und Juden, und den Angehörigen anderer Kulturen [29], gerade die Arbeiterinnen und Arbeiter das Objekt der staatlichen Reglementierung, Verfolgung und Unterdrückung [30].

Zwangsarbeitsdienste waren die wiedereingeführte Wehrpflicht, sowie der Reichsarbeitsdienst (RAD). Das Prinzip der „Volksgemeinschaft“ duldete keine Interessensorganisation der Arbeiterinnen und Arbeiter, da diese für die Produktion des Angriffskrieges und die Bereicherung der Konzerne und ihrer Freunde in der NSDAP gefährlich geworden wäre. Die reformistischen Gewerkschaften (ADGB) [31] wurden in das nationalsozialistische System integriert oder glichen sich schon in vorauseilendem Gehorsam freiwillig dem Nazisystem an, während aufrechte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in den Konzentrationslagern durch Arbeit (!) und Folter vernichtet wurden. Der Staat definierte im Interesse des sozialen Friedens das „Allgemeinwohl“ und das war nicht sonderlich unterschiedlich zu dem, was heutzutage von PolitikerInnen als selbiges propagiert wird. Sozialer Frieden geht immer auf unsere Kosten, da die Reichen und Patrone dadurch ungestört weitermachen können. Er ist kein Frieden, sondern Teil der kapitalistischen Ausbeutungsstrategie. Er ist sogar das Gegenteil; er ist der Versuch der Verschleierung des sozialen Krieges. Es ging und geht immer wieder nur um die Interessen der Wirtschaft und der herrschenden Clique an der Regierung. Die militärische Bezeichnung der LohnarbeiterInnen (im Nationalsozialismus: der Lohnarbeiter) als „Gefolgschaften“ und die Bezeichnung „Betriebsführer“ für den Unternehmer, den „Chef“ macht sehr deutlich, was die Nazis von den ArbeiterInnen und damit erst recht von Gewerkschaften hielten.

Wenn heute viele AntifaschistInnen schwerpunktmäßig nur moralisierend gegen die neuen und alten Nazis argumentieren, verkennen sie einen wesentlichen Kern des Nationalsozialismus, welcher in der unreglementierten Benutzung, Vernutzung und Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft liegt. Faschismus und Nationalsozialismus bringen der Wirtschaft und den Reichen einen immensen Nutzen, wie es die Ausbeutung der Zwangsarbeiter durch deutsche Konzerne während des „3.Reichs“ belegt: „Deutsche Firmen haben durch den Einsatz von Zwangsarbeitern während des Krieges mehr als 16 Milliarden Reichsmark an Lohnkosten eingespart... Den allgemeinen Umrechnungsfaktor zwischen Reichs- und Deutscher Mark von 1:5,9 zugrunde gelegt, ergäbe dies einen heute zu erstattenden Lohnausgleich von Rund 96 Milliarden Mark. Nach Abzug von Steuern und Gebühren für Zwangsarbeiter war den Firmen ein Gewinn von Rund 10 Milliarden Reichsmark (rund 60 Milliarden Deutsch Mark) verblieben.“ [32]

Neben unserer aktiven Tätigkeit in den Betrieben, Schulen und Stadtteilen gegen Ausgrenzung und Rassismus, wie der Spaltung unserer Klasse in deutsche und ausländische/ weibliche und männliche/ erwerbslose und erwerbstätige/ auszubildenden und ausgebildeten ArbeiterInnen durch Gesetze und Rassisten, beobachten wir die Entwicklung in der neofaschistischen Bewegung und ihre Verbindungen mit konservativen und Wirtschaftskreisen aufgrund dieser historischen Erfahrungen sehr aufmerksam und bekämpfen sie.

Für Selbstorganisation in der Gewerkschaft

Parteien geben vor, bestimmte Interessen zu vertreten und das tun sie auch. Fast alle vertreten sie die gleichen, nämlich die der deutschen Wirtschaft, egal ob CDU/CSU, SPD, FDP, PDS oder B´90/Grüne. Die einen legen wert auf den Mittelstand, die anderen eben auch, aber bitte mit Gewässerschutz und ohne Ausländerinnen und Ausländer in der Nachbarschaft. Parteien behaupten, es müsse Spezialisten für bestimmte Dinge geben, damit manche Thematiken gründlich untersucht werden können. Auch auf diese Weise werden Hierarchien gebildet. Dazu benutzen sie in ihrer Mehrheit eine Sprache, die sie von der Mehrheit der Bevölkerung abhebt und klüger erscheinen lassen soll. Sie wollen uns damit sagen, wir seien zu blöd, um die Dinge zu kapieren.

Gerade die kommunistischen Parteien haben mit ihren Staatsformen und ihrem Terror alles das beschmutzt, was das Wort Kommunismus beinhaltete. Im Namen der ArbeiterInnen waren sie die Mörder und Schlächter der revolutionären Arbeiterbewegungen in allen Kontinenten. Ob in Spanien, Frankreich, Deutschland, in Russland, der Ukraine, in China, auf Kuba, in Afghanistan usw. . Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen und ist keineswegs zu pauschal oder verallgemeinernd. Natürlich hatten alle diese Formen der Parteien- und Herrscherdiktaturen eine eigene Geschichte und eigene Ausformungen. Das Prinzip war jedoch immer das gleiche. Herrschaft über die arbeitende Klasse auszuüben und ihr vorzumachen, sie sei nun ihres eigenen Glückes Schmied. Ohne gewerkschaftliche Rechte in den „sozialistischen“ Staaten, wurden Streiks blutig unterdrückt (nicht nur in Polen und der „glorreichen Sowjetunion“), revolutionäre ArbeiterInnen ermordet, wie auf Kuba unter Castro, oder in Lagern zu Zwangsarbeit gezwungen, wenn sie nicht gleich als „krank“ in die Psychiatrien eingeliefert wurden. Die staatliche Unterdrückung jeglicher Form von Freiheit und freiem Leben nahm neben dem Nationalsozialismus gerade in den sozialistischen Staaten ihre Höchstformen an. Das dumme Geschwätz von der „Diktatur des Proletariats“ war die Diktatur über das Proletariat [33].  Ein Bericht aus der „Befreiung“ von 1974 [34] verdeutlicht die Praxis des „Arbeiterparadieses im Sozialismus“ indem er die Realität in den Fabriken Chinas Ende der 60‘er Jahre schildert: „Das Verwaltungssystem unserer Unternehmen ermöglicht einen hohen Grad an Zentralisation und Demokratie. Alle Unternehmen müssen sich an die vereinigte Führung der kommunistischen Partei und des Staates halten und unter Beibehaltung strenger Arbeitsdisziplin die Einheit von Willen und Aktion unter den Massen erhalten. So müssen die Unternehmen die Initiative und schöpferischen Kräfte der Arbeiter zur Geltung bringen, die Aufsichtsrolle der Massen entwickeln und sie dazu bringen, sich an der Verwaltung ihrer Unternehmen zu beteiligen“.

Liu Schao-Chi (Funktionär der KP Chinas)

„In der Praxis sieht das so aus, dass in den chinesischen Fabriken die betrieblichen Entscheidungen von drei Institutionen getroffen und überwacht werden. Dies sind:

  • Das Parteikomitee
  • Das revolutionäre Komitee
  • Der Kongress der Arbeitervertreter

Das Parteikomitee ist grundsätzlich das beschließende Organ, das die wichtigsten betriebspolitischen Entscheidungen trifft. Dadurch ist die Diktatur der Partei in den Betrieben gesichert. Etwa 15% der Arbeiterschaft sind Mitglieder der kommunistischen Partei, womit also die Minderheit mit 15% eine Diktatur über die Mehrheit mit 85% ausübt. Wo immer es möglich ist, sollen in den Parteikomitees drei Gruppen vertreten sein: Arbeiter, Kader, Armee. Der Begriff Kader umfasst alle gesellschaftlichen Schichten: führende Parteimitglieder, qualifizierte Techniker und Ingenieure, führende Verwaltungskräfte, Intellektuelle, kurz: jeden der weder Arbeiter noch Soldat ist. Die führenden Verwaltungskräfte werden in den meisten Fällen direkt vom Staat eingesetzt und nicht von den Arbeitern. Die Arbeiter haben zwar das Recht, Vorschläge zu machen, aber nicht die Macht, diese Vorschläge auch durchzusetzen, falls die übergeordnete staatliche- oder Parteiinstanz dem Vorschlag nicht zustimmt. Fast alle Kader sind ausschließlich mit Parteimitgliedern besetzt. Wie sollten sie sonst auch Karriere machen? Ab und zu werden dann auch die Kader in der Produktion eingesetzt, damit sie nicht die Verbindung zu den Massen verlieren. Kurz gesagt sind die Mitglieder der Kader also Bosse mit einem proletarischen Image. Die Frage, was denn die Armee in den Fabriken zu suchen habe, beantwortet Mao Tse Tung sehr treffend: „Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen“.

Einer bereits etablierten politischen Macht genügt aber schon die Drohung mit Gewehren. Diese Erkenntnis haben sich im übrigen auch die westdeutschen Unternehmer zunutze gemacht und sich teilweise bewaffneten Werkschutz zugelegt. Weder die Arbeiter in China noch die in Deutschland sind bewaffnet. Der Staat hat in der Armee sein Gewaltmonopol [35], mit dem er seine Diktatur durchsetzt. Berechtigte Streiks der Arbeiter gelten als konterrevolutionäre Sabotage und werden genau wie in Spanien, Griechenland und der Bundesrepublik gewaltsam gebrochen. Zusammenfassend heißt das, dass in dem entscheidenden Gremium, dem Parteikomitee, die Arbeiter in der Minorität, die Kadermanager und Armeevertreter in der Majorität sind. Dabei muss man stets berücksichtigen, dass die Arbeiter in den Parteikomitees nicht repräsentativ sind für alle Arbeiter, sondern eben nur für die 15%, die Mitglied der Partei sind.

Das revolutionäre Komitee ist die höchste Verwaltungsinstanz. Es führt aber die Beschlüsse des Parteikomitees nur aus und kontrolliert die Produktion. Das Komitee setzt sich aus Parteimitgliedern und Nicht-Parteimitgliedern zusammen. In den Betrieben finden recht eigenwillig die Wahlen zu den revolutionären Komitees statt. Nach einer öffentlichen Diskussion zwischen der Parteiorganisation und den Arbeitern werden die Listen aufgestellt. Diese Listen werden sodann dem Parteikomitee vorgelegt, das gegebenenfalls einige Vorschläge kritisiert. Danach werden die Kandidatenvorschläge erneut von Partei und Arbeitern diskutiert und eine „überarbeitete“ Liste aufgestellt. Manchmal geht diese Liste auf diese Weise ein paar Mal hoch und runter. Am Ende bleiben dann nur solche Kandidaten übrig, die der Parteiführung hundertprozentig genehm sind. Natürlich wagt es kein Arbeiter, die Vorschläge der Partei zu kritisieren, denn er würde sich dadurch als „Konterrevolutionär“ entlarven. Die endgültigen Kandidaten werden dann mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Der Kongress der Arbeitervertreter ist eine Einrichtung, die während der „Kulturrevolution“ geschaffen wurde. Nicht jeder Arbeiter kann in diesen Kongress hinein, sondern nur Revolutionäre. Die Frage ist lediglich, wer bestimmt, was revolutionär ist!

Der Kongress hat die Aufgabe, die Bildung und Erziehung der Arbeiter zu organisieren, die Arbeiter zu mobilisieren = anzutreiben, damit sie den Produktionsplan erfüllen, Verschwendung zu verhindern, Verbesserungsvorschläge zu machen und die Meinungen und Stimmungen der Arbeiterschaft an die Partei und das revolutionäre Komitee weiterzuleiten. Er ist also der verlängerte Arm der Partei und verrichtet für sie Propaganda, Antreiber- und Spitzeldienste. Irgendeine Entscheidungs– oder Verwaltungsbefugnis hat der Kongress der Arbeiter nicht.

Eine genaue Betrachtung der Realitäten in den chinesischen Fabriken, wie sie zwei promaoistische Autoren, die einen Monat lang verschiedene Betriebe in China besichtigten, geschildert haben, zeigt leider – wenn man den Glorienschein schöner Worte beiseite wischt – nichts anderes, als die Wirklichkeit nackter Ausbeutung. Die Arbeiter haben nichts zu sagen, sondern zu arbeiten. Die Leitung der Wirtschaft liegt in den Händen der Parteifunktionäre, der Armee, der Manager und der Staatsfunktionäre, welche in den meisten Fällen identisch sind. Auf der einen Seite (steht) die Klasse der Arbeiter ohne jegliche Macht, auf der anderen Seite die Klasse der Funktionäre – die neuen Kapitalisten – die sich den Mehrwert [36] aneignen, um davon ein unproduktives, fettes Leben zu führen. Selbst auf der untersten Ebene, im Betrieb, haben die Arbeiter keine echte Kontrollmöglichkeit. Durch ein ausgeklügeltes System von Komitees, Kongressen und Scheinwahlen wird lediglich Arbeiterdemokratie vorgegaukelt.

Die Lehre daraus kann nur sein, sich nicht von irgendeiner politischen Partei – mag sie sich noch so radikal und kommunistisch gebärden – die Abschaffung kapitalistischer Produktionsweisen zu erhoffen. Das Ziel revolutionärer Tätigkeit darf nicht die Diktatur einer Partei sein, sondern die Selbstverwaltung der Arbeiter. Das bedeutet Aufhebung der Trennung zwischen Produktionstätigkeit und Verwaltungsinstanz. Der Weg dahin führt über eine revolutionär-wirtschaftliche  und nicht über eine parteipolitische Organisation der arbeitenden Massen. Eine solche wirtschaftliche Organisation kann nur eine permanent revolutionäre gewerkschaftliche Bewegung ... sein. Die Keimzellen zu einer solchen wirtschaftlichen Organisation sind revolutionäre Betriebsgruppen, die sich nach den praktischen Erfordernissen des Klassenkampfes zusammenschließen. Auf keinen Fall darf diese Organisation ein neues Funktionärswesen aufkommen lassen, das von der Organisation für die politische Arbeit bezahlt wird, denn die Funktionäre sind die zukünftigen Möchtegernführer und Ausbeuter – siehe China.“

Internationale Solidarität gegen die Globalisierung

Die Übernahme- und Fusionswelle [37] zwischen deutschen und internationalen Konzernen vernichtet massenhaft Arbeitsplätze und führt zur Monopolisierung ganzer Branchen durch Riesen-Konzerne, die über Preis und Produkte bestimmen. Diese Konzerne sind die Giganten, die die Welt beherrschen und beständig an Einfluss gewinnen [38].

Gegen diese Entwicklung setzen wir AnarchosyndikalistInnen auf eine verbindliche internationale Solidarität. Die FAU ist der anarchosyndikalistischen Internationalen, der „Internationalen Arbeiterinnen und Arbeiter Assoziation“ (IAA) angeschlossen, um so gegenseitige Unterstützung und Solidarität bei Arbeitskämpfen wie z.B. Streiks oder bei der Durchsetzung politischer Forderungen zu erreichen. Ein gutes Beispiel dafür ist die eingangs erwähnte Betriebsbesetzung bei Alcatel in Berlin und ihre Unterstützung durch die französische CNT [39].

Konsum und Boykott sind Mittel der direkten Aktion

Als AnarchosyndikalistInnen versuchen wir uns gegen alles zu wehren, was unser Leben schlechter macht, schlecht hält und bedroht. Wir versuchen nach besten Möglichkeiten Menschen und Bewegungen zu unterstützen, die sich gegen ihre Ausbeutung wehren und kein neues unterdrückerisches System errichten wollen. Der Boykott und Konsum bestimmter Waren ist deshalb eine wirksame Waffe der direkten Aktion gegen Schweinereien oder eine bewusste Möglichkeit, gute Dinge zu unterstützen und kann von jedem Menschen praktiziert werden. In der Vergangenheit kam es immer wieder zum Boykott bestimmter Produkte, deren Herstellung auf Kosten unserer KollegInnen – auch in anderen Kontinenten der Erde – ging. Der Boykott solcher Produkte schwächt die Unternehmer und ist Ausdruck konkreter Solidarität mit den ausgebeuteten KollegInnen [40].

Die Linke, die arbeitende Klasse und...

Gerade in der politischen Linken wird über uns Lohnabhängige am heftigsten diskutiert und gestritten. Dabei geht es dann oft um die Frage, ob wir noch länger das „revolutionäre Subjekt“, also das Mittel der Gesellschaftsveränderung sind oder nicht, ob wir es nach der Auffassung von XYZ überhaupt jemals waren, was Marx und Engels dazu meinen zu meinen oder ob es überhaupt noch eine arbeitende Klasse gibt, und ob wir nicht in einer Freizeitgesellschaft leben würden. Wieder andere sehen in der arbeitenden Klasse ein riesiges rassistisches und frauenfeindliches, alkoholisiertes, dummes und unpolitisches irgendwas. Und natürlich gibt es ja auch in der arbeitenden Klasse rassistische, frauenfeindliche, alkoholabhängige Menschen, und Menschen die nach der Vorstellung vieler Linker dumm und unpolitisch sind. Das unakzeptable an diesen Positionen ist die Verallgemeinerung und Stigmatisierung der Menschen aus der arbeitenden Klasse. Das, was wir von Anfang an gewohnt sind, die Verächtlichmachung, die Respektlosigkeit, die Vorurteile uns gegenüber, alles dies wird von diesen Linken weitergetragen, die sonst oft die ersten sind, wenn es um „Differenzierungen“ geht (Das Wort auf die Goldwaage legen). Nicht dass es nicht darauf ankommt, sich korrekt auszudrücken; aber Sprache und Bildung waren schon immer Machtmittel, mit denen versucht und durchgesetzt wurde, die Menschen aus den unteren Klassen, wozu die arbeitende Klasse nun einmal zählt, unmündig, klein, ohnmächtig und passiv zu halten. Andererseits ist auch oft ein Ablenken von der eigenen Lebenssituation in der Linken zu beobachten. Die Klassenzugehörigkeit wird „vergessen“ und weicht stattdessen einer intellektuellen Betrachtung des Individuums, das sich selbst vormacht, frei von den Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten der Klassengesellschaft zu sein. Sowas gibt es aber nicht.

...die totalitäre Glorifizierung

Auf der anderen Seite schufen die sog. „sozialistischen Staaten“, ob nun die UdSSR [41], die DDR, die VR China u.a. ein marxistisch-leninistisches [42] „Idealbild“ des Arbeiters und der Arbeiterin das der Wirklichkeit entfremdet war. Das berechtigte Interesse der ArbeiterInnenbewegung nach Anerkennung und Selbstbewusstsein wurde dermaßen durch Glorifizierungen instrumentalisiert, dass es in den „sozialistischen Staaten“ oftmals religiöse Züge annahm. Den Arbeiterinnen und Arbeitern brachte das nichts, im Gegenteil:  Der Kapitalismus gaukelte sich als Arbeiter- und Bauern-Paradies durch die Jahrzehnte, und die Parteifunktionäre lebten gut auf Kosten der arbeitenden Klasse. Revolutionäre Bewegungen aus der arbeitenden Klasse wurden blutig niedergeschlagen. Gewerkschaftliche Rechte, Freiheit und Selbstbestimmung waren nicht vorhanden. Die Anhänger des Marxismus-Leninismus errichteten im Namen der arbeitenden Klasse ein totalitäres System der Unterdrückung der arbeitenden Klasse. Eine Lehre aus dieser blutigen Geschichte kann nur sein, marxistisch-leninistische Ideologien und deren Träger zu isolieren und ihnen niemals mehr die Möglichkeit zu geben oder geben zu lassen, Macht zu erlangen, die sie doch nur wieder gegen uns gebrauchen werden.

Exkurs: Anarcho-SyndikalistInnen – Teil der „Linken“? Ein Beitrag von H. Döhring

Die Kategorie „Links“ ist ein politischer Kampfbegriff. Derlei Richtungsbegriffe kommen aus dem parlamentarischen Bereich, dem wir nicht angehören. Wir lassen uns nicht in die begrifflichen (Denk-) Kategorien der Herrschenden einsortieren. Denn jeder Mensch, der sich nicht sowieso schon als „Rebell“ begreift, hält sich vom „Extremen“ fern, hält sich immer in der sicheren Mitte auf. „Rechte“ und „Linke“ als Extremisten zu betiteln und sich selbst als die attraktive und „vernünftige“ Mitte zu präsentieren, ist propagandistische Grundvoraussetzung dafür, möglichst viele Menschen vor den Karren der „gemäßigten“ Gewerkschafts- oder Parteiführer zu spannen. Die Herrschenden kehren sich somit immer wieder als regulierendes und Frieden gewährleistendes Element heraus, obwohl sie es sind, die die Ungerechtigkeiten schaffen und erhalten und davon dauernd profitieren. Das durchaus legitime Schutz- und Sicherheitsbedürfnis der allermeisten Menschen kanalisieren sie so begrifflich in ihre Bahnen. Der widerlichste Repräsentant dieser Mitte ist der Sozialdemokrat! Wer das Volk in Massen um sich scharen will, drängt zur („neuen“) Mitte.

Im Gegensatz zur sog. „Linken“, die sich selbst dummer- und bezeichnenderweise (aufgrund ihrer Perspektivlosigkeit) auch noch als solche bezeichnet, haben wir eigene Wertmaßstäbe und eine eigene (proletarische) Geschichte. Wir Anarcho-SyndikalistInnen haben in diesem Schema nichts zu suchen. Wir verstehen uns definitiv nicht als Teil einer sog. „Linken“!

Für uns gibt es nur Ausbeuter und Ausgebeutete/ Herrscher und Beherrschte, sowie einen selbstorganisierten Widerstand gegen die UnterdrückerInnen. Ende des Exkurses

Anarchosyndikalistische Kritik an der Gewerkschaftslinken

Eine der wesentlichsten Kritiken von uns AnarchosyndikalistInnen an den Bestrebungen der Gewerkschaftslinken ist deren Unterstützung des DGB. Im DGB sehen die Gruppen und Fraktionen der Gewerkschaftslinken die Einheitsorganisation der ArbeiterInnen (übrigens genauso wie kommunistische Parteien, deren Funktionäre ebenfalls in der Gewerkschaftslinken mitarbeiten) und möchten ihn zu einer Klassenkampf-Organisation umformen. Dabei sind sie sich abermals mit den Vertretern der kommunistischen Organisationen einig, die ebenfalls dieses Ziel verfolgen. Die Unterschiedlichkeit zwischen diesen Fraktionen besteht schließlich nur noch Hauptsächlich in der Frage nach der Notwendigkeit einer sog. „Arbeiterpartei“, die die KommunistInnen – natürlich in verschiedenen Facetten – aufbauen wollen [43]. In der Gewerkschaftslinken organisieren sich in der Regel die aktiven KollegInnen und unteren Funktionäre des DGB. Sie sind es auch, die den DGB für KollegInnen attraktiv machen und halten, und ihn somit stärken. Einen Einfluss auf seine politische Ausrichtung und Praxis haben sie nicht und unterstützen damit seine sozialpartnerschaftliche Politik. Es ist die Illusion der Reformierbarkeit des DGB-Apparates, der sie an die Veränderung des DGB glauben lässt. Anstatt ihre Energie und Kraft in ein selbstbestimmtes, klassenkämpferisches Projekt, wie eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft einzubringen, reiben sie sich am Apparat auf. Die Gewerkschaftslinke ist keine Einheit. Sie ist unterteilt in eine Vielzahl von Menschen und Fraktionen mit unterschiedlichsten Grundsätzen, die sich teilweise grundlegend widersprechen, was Ziele und Analysen angeht. Diese „Vielfalt“ der Grundsätze  ist für die konkrete Verbesserung unserer Lebensbedingungen ein Hindernis, da um den Zusammenhalt willen ständig Kompromisse geschlossen werden müssen, anstatt konkrete Arbeit zu leisten. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu einer anarchosyndikalistischen Gewerkschaft, denn unsere Prinzipien sind klar und eindeutig [44]. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft steht für den kompromisslosen Klassenkampf – das Eintreten für unsere eigenen Interessen und den Aufbau einer freien, selbstverwalteten Gesellschaft, in der wir die gesellschaftlich notwendige Arbeit gemeinschaftlich organisieren und unser Leben selbstbestimmt leben. Die anarchosyndikalistische Gewerkschaft steht für die Würde und den Kampf der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen. Sie steht für unsere Befreiung von Not und Ausbeutung, da wir, die wir uns gegen Führer und für Solidarität, Freiheit und Gleichheit entscheiden, die anarchosyndikalistische Gewerkschaft sind. Der Anarchosyndikalismus ist flexibel und zeitlos aktuell, wenn wir ihn als Praxis benutzen und nicht zur Ideologie verkommen lassen. Oder wie ein französischer Genosse schon vor einigen Jahren gesagt hat: „Der Anarcho-Syndikalismus, das ist wie mit der Meinungsfreiheit, er nutzt sich nur ab, wenn er nicht benutzt wird!“. Benutzen wir ihn!

Selbstbewusstsein und Selbstachtung sind die Voraussetzungen, den Kampf zu gewinnen. Ist es nicht verwunderlich das im heutigen Sprachgebrauch das Wort „Prolo“ oder „Prolet“ als Beleidigung gilt ? Warum eigentlich? Es gibt dafür keinen Grund. Viel besser ist es doch, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln und es wie die britische Classwar-Bewegung auf den Punkt zu bringen: „Say it loud - Working Class and proud“ [45].

Fußnoten:

[1] Anarcho-Syndikalismus wird im folgenden Text erklärt. Syndikalismus steht für eine selbstorganisierte und autonome Gewerkschaftsbewegung, Anarchismus steht für Herrschaftslosigkeit und Selbstbestimmung.
[2]Deutscher Gewerkschaftsbund
[3] Seit der Gründung des DGB besteht ein Großteil der oberen und mittleren Ebene der Funktionsträger aus SPD-Mitgliedern. Im Bundestagswahlkampf 1998 machte die Mehrheit der Vorsitzenden der DGB-Einzelgewerkschaften Stimmung für eine SPD geführte Bundesregierung. Ein weiteres Beispiel der offenen Verfilzung war der Skandal um die DGB eigenen Wohnhäuser der „Neuen Heimat“. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) war jahrelanger Vizevorsitzender der IG Metall.
[4] Opposition bedeutet die Gegnerschaft zur Mehrheits- oder Vorstandsmeinung.
[5] Auf der anderen Seite mussten und müssen sich DGB-oppositionelle Betriebsgruppen ständig gegen den Verlust ihrer Unabhängigkeit verteidigen. Oft arbeitete der DGB mit Unternehmensleitungen gegen kritische und kämpfende KollegInnen zusammen, um den sozialpartnerschaftlichen Status Quo wieder herzustellen bzw. vor einem selbstorganisierten und dadurch dem direkten Machtapparat des DGB nicht unterstellten Angriff der ArbeiterInnen zu verteidigen. Ein Resultat dieser Politik gegen die Autonomie der ArbeiterInnen ist die systematische Zerstörung solcher unabhängiger Betriebsgruppen oder deren Korrumpierung und/oder deren Auffressen durch die jeweilige DGB-Gewerkschaft im Betrieb, wie z.B. der „Plakat-Gruppe“ durch die IG Metall bei Daimler in Stuttgart. Auf der anderen Seite zeigt sich hier, dass Solidarität und bundesweite Organisation eine Waffe gegen das Mürbereiben sind, da ein organisierter Rückhalt gewährleistet wird, der ein ausdauerndes Kämpfen gegen diese Angriffe unterstützt. Die Politik autoritär-sozialistischer und kommunistischer Parteien gegen die ArbeiterInnen-Autonomie schildere ich an anderer Stelle.
[6] Friedenspflicht – Die sozialpartnerschaftlich durch DGB-Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände  geschlossene Arbeitskampffreie Zeit zwischen den Tarifverhandlungen.
[7] Siehe auch DA (Direkte Aktion – anarchosyndikalistische Zeitung) Nr. 134, S.3.
[8] Confederation National de Travail (eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft in Frankreich)
[9] Ein ausführlicher Bericht zur Besetzung ist in der DA Nr.136 unter dem Titel „Easy Metall“ erschienen.
[10] Repression = Unterdrückung[11] opportun = angepaßt
[12] Das nennt sich in Funktionärsdeutsch „vertrauensvolle Zusammenarbeit“
[13] „Verdi“ ist die Abkürzung für „Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft“. ÖTV, DAG (Deutsche Angestelltengewerkschaft), HBV, DPG und IG Medien beabsichtigen sich zu dieser sog. „Supergewerkschaft“ zusammenzuschließen.
[14] Anders als z.B. beim DGB, wo Funktionäre teilweise auf mehrere 100.000DM Jahresgehalt - durch Mitgliedsbeiträge finanziert - kommen. Finanziell Gutgestellte DGB-Funktionäre, die von den Mitgliedsbeiträgen der GewerkschafterInnen Leben sind für mich keine GewerkschafterInnen.
[15] So ist in Baden-Württemberg die „Pauschalisierte Sozialhilfe“ in manchen Kommunen eingeführt, wie z.B. in Sindelfingen und Schorndorf. D.h. diese „Pauschale“ ersetzt den „Regelsatz“ und streicht damit „spezielle“ finanzielle Hilfen wie z.B. Kleidergeld, Wohngeld, Reisekosten  etc. Siehe auch „Sindelfinger Zeitung“ vom 19. April 2000 und die „Schorndorfer Nachrichten“ vom 17. April 2000.
[16] Das sich trotzdem die meisten Erwerbslosengruppen heute so sehr am DGB orientieren und ihn in‘s Boot der gemeinsamen „Aktionseinheit“ ziehen wollen, dürfte an seiner Finanzkraft liegen. Wenn er nämlich wollte, könnte er die Initiativen der Erwerbslosen unterstützen. So geht viel Zeit und Kraft in endlosen Diskussionen um Positionen verloren. Insofern sollte uns also doch interessieren, was er braucht, um es ihm wegzunehmen oder ihn daran zu hindern, es zu bekommen. Eine ständige Schwächung des Unternehmers ist eine ständige Stärkung der Belegschaft.
[17] Etwa durch ausgeprägte Hierarchie, Informationsvorenthaltung, alleinige Entscheidungsfindung, falsche Darstellungen – die nicht, oder nur schwer überprüfbar sind – usw.
[18] von unten bedeutet von der Basis, von uns Betroffenen, Ausgebeuteten im Gegensatz zu den Funktionären von Parteien, oder Unternehmern und sonstigen „Weisungsgebern“.
[19] Vergleiche die oben genannten Interessenveränderungen von sog. Gewerkschaftsfunktionären
[20] Deutsche Kommunistische Partei
[21] Vergleiche die Protokolle des 2. und 10. KPD-Parteitages.
[22] Mit „Arbeitenden“ sind sowohl LohnarbeiterInnen als auch SchülerInnen, StudentInnen, Erwerbslose gemeint, da alle in Abhängigkeitsverhältnissen stecken, die wir beseitigen wollen.
[23] Alle Zahlen stammen von der „Deutschen Bank - Research“
[24] Siehe auch den Beitrag „630 DM reichen nicht“ in der  „Bremer Aktion“ Nr.3 – Zeitung der FAU-IAA Lokalföderation Bremen  und das anschließende Interview mit einer FAU-Kollegin über Erfahrungen und die Organisierung eines angestrebten Arbeitskampfes in einem Gastronomiebetrieb.
[25] Bürokratie ist genauso ein Herrschaftsinstrument über uns, wie Werksschutz, Vorgesetzte, Hierarchie etc.
[26] Autonomie: Die Unabhängigkeit, Selbstbestimmung.
[27] Siehe auch: Santillian, Peiró: Ökonomie und Revolution – Der ökonomische Organismus der Revolution. Und: Studienkommission der Berliner Arbeiterbörse (FAUD): Die Arbeiterbörsen des Syndikalismus. Die konkrete Darstellung der Vernetzung der Räte und deren Aufbau, ist eine Arbeit die erforderlich ist, den Rahmen dieser Broschüre allerdings sprengen würde.
[28] Die Nationalsozialisten setzten anstelle von Tarifautonomie sog. Treuhänder der Arbeit ein, die für Staat und Partei die Arbeitsbedingungen festlegten.
[29] Wie z.B. den Sinti und Roma.
[30] Siehe auch die hervorragenden Beiträge „Nationale Sozialisten und Nationalsozialisten“ in der Direkten Aktion - Nr.137 (Jan/Feb.2000). und „Wie die NPD den 1. Mai umdeuten will“ in der Direkten Aktion Nr. 133 (Mai 1999)
[31] Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund – Vorläufer des heutigen DGB
[32] Berliner Zeitung vom 16.11.1999. Zitiert nach Angaben von Thomas Kuczynski
[33] Der Begriff Proletariat ist heute nicht mehr geläufig. Er ist ein anderes Wort für ArbeiterInnenklasse.
[34] Veröffentlicht in Klaus Haag: „Anarchismus in China – Schwarze Fahnen gegen Scheinfreiheit“
[35] Monopol: Ausschließliches Recht.
[36] Mehrwert: Der Profit nach Abzug der Einkaufs-, Produktions- (inklusive der Entlohnung) und sonstigen Kosten bei Einkauf und Fertigung eines Produkts.
[37] Fusion = Zusammenschluss zwischen zwei oder mehr Unternehmen/Konzernen
[38] Zur Globalisierung und Fusionswelle siehe den Artikel: „Der Krieg der Herrscher der Welt“ in „Direkte Aktion“ Nr.131
[39] Zu den weiteren Aktivitäten der letzten Zeit gehört u.a. die Unterstützung der Kampagnen für die Freilassung gefangengehaltener Genossen in Tschechien. Siehe dazu auch die „Syndicat“ und diverse Artikel in der „direkten Aktion“ der Jahrgänge 1999 und 2000.
[40] Siehe z.B. die FAU-Kampagne zur Unterstützung mexikanischer KaffebäuerInnen und gegen die Vermarktung von Kaffee unter falschen Behauptungen durch die deutsche „Öko“-Firma „Lebensbaum“.
[41] UdSSR – Abkürzung für Union der sozialistischen Sowjet Republiken, auch Sowjetunion.
[42] Die „Lehren“ von Karl Marx und Lenin werden  ideologisch als Marxismus-Leninismus bezeichnet.
[43] Vergl. die programmatischen Aussagen kommunistischer Parteien wie z.B. der stalinistischen MLPD oder der trotzkistischen SAV, die sich eindeutig gegen die Selbstorganisation der ArbeiterInnen in autonomen Gewerkschaften aussprechen und diese Selbstorganisation bekämpfen. Eine ausführliche Darstellung dieser Programme führt an dieser Stelle zu weit.
[44] Vergl. auch die Broschüre „Perspektiven der Gewerkschaftslinken“, Hrsg. von der Redaktion Sozialismus und der Redaktion Express.
[45] Auf Deutsch: Sag es laut – aus der Arbeiterklasse und stolz!

Originaltext: http://www.fau-bremen.de.vu/ (Änderung: neue Rechtschreibung)


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