Wieso Betriebsbesetzung?
1. Die Beschäftigten bleiben zusammen und können sich gegenseitig stärken.
Das ist besser, als zu Hause zu sitzen und vielleicht sogar depressiv zu werden. Ein von den Beschäftigten besetzter Betrieb stärkt die Belegschaft im Kampf gegen die Schliessung: Wenn einer niedergeschlagen ist, wird er von den andern getröstet, wenn er verzweifelt ist, machen ihm die andern Mut. Ein besetzter Betrieb ist für alle Betei- ligten eine grosse Herausforderung: Es gibt eine grosse Zahl von Personen, die täglich verpflegt werden müssen, der Betrieb muss rund um die Uhr bewacht werden. Jede und jeder ist nützlich und kann seine Fähigkeiten und Kenntnisse zum Wohle aller einsetzen. Niemand fühlt sich überflüssig und allein. So entsteht auf der Grundlage der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe eine Gemeinschaft, die unbesiegbar ist.
2. Ein von den Beschäftigten besetzter Betrieb wird zu einem sozialen Zentrum, einem Ort der Begegnung und der Solidarität für die ganze Bevölkerung.
Ein besetzter Betrieb steht allen solidarischen Menschen offen. Beschäftigte anderer Betriebe, Menschen von nah und fern kommen vorbei und bezeugen ihre Solidarität. In den besetzten SBB-Werkstätten von Bellinzona beispielsweise wurden ganz verschiedene Anlässe organisiert: Konzerte, Theater, Aktivitäten für die Kinder, geführte Rundgänge, um den Leuten die Tätigkeit des Betriebes näher zu bringen. Die Beschäftigten gingen in die Schulen, um ihren Kampf zu erklären. Zudem wurden Arbeitsgruppen gebildet und die Gemeinden angefragt, ob sie Leute brauchen können, um Wege zu säubern oder für ähnliche Tätigkeiten. Ein besetzter Betrieb, der von der Solidarität der Bevölkerung getragen ist, wird zu einem Faktor, der von den Mächtigen ernst genommen werden muss.
3. Ein von den Beschäftigten besetzter Betrieb setzt die Gegenseite wirksam unter Druck.
Eine Verhandlungsdelegation, die mit leeren Händen an den Tisch sitzt, wird zum blossen Bittsteller. Verhandlungen, die vor dem Hintergrund eines besetzten Betriebes geführt werden, schaffen eine völlig neue Ausgangslage. Die Gegenseite weiss, dass sie einer Verhandlungsdelegation gegenüber sitzt, die eine geeinte Belegschaft im Rücken hat. Ganz unabhängig davon, in welche Richtung die Verhandlungen gehen, stärkt ein besetzter Betrieb die Verhand- lungsmacht der Beschäftigten.
Aus: di schwarzi chatz Nr. 6, Mai / Juni 2010 (FAU Bern)