Ökoli - Den Kapitalismus, nicht die Globalisierung bekämpfen!

„Globalisierung“ ist zu einem Zauberwort geworden, für jene, die sie fordern, die sie verteidigen und jene, die sie, wie bei den Protesten gegen das World Economic Forum (WEF) in Salzburg, angreifen.

Kaum jemand kommt auf die Idee zu fragen, was hinter diesem Modewort steckt, was damit gemeint sein könnte, bzw. ob es sich dabei überhaupt um ein reales oder neues Phänomen handelt. Seit sich das warenproduzierende System, der Kapitalismus, in Europa entwickelt hat, liegt ihm der Impuls zur Expansion inne. Ohne Expansion ist keine Form des Kapitalismus, sei es der Frühkapitalismus, der Manchester-Liberalismus, der völkisch-faschistische Kriegskapitalismus, seien es die verschiedenen Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, des Keynesianismus oder des Neoliberalismus, denkbar. „Wachstum“ in seinen verschiedensten Formen gehört zum Wesen jeder Form warenproduzierender Marktwirtschaft. Denn nur Betriebe, die konkurrenzfähig sind, sind in der lage sich auf Dauer zu behaupten. Warenproduzierende Systeme, die nicht expandieren, schrumpfen bereits und verlieren in der Konkurrenz zwischen Betrieben, „Standorten“, „Staaten“ oder „Völkern“, je nach aktueller (ideologischer) Form des warenproduzierenden Systems. Diese Expansion, die jeder Form des Kapitalismus inne liegt, kann sich auf verschiedenen Ebenen verwirklichen. Einerseits besteht die Möglichkeit immer neue gesellschaftliche Felder innerhalb einer bereits warenproduzierenden Gesellschaft zu erobern, also Tätigkeiten und Aufgaben, die in dieser Gesellschaft bisher nicht im Warentausch erfolgt sind, in das System des Warentausches einzubeziehen. Die zweite Möglichkeit besteht in der räumlichen Expansion in Regionen, die bisher nicht (primär) auf Warenproduktion und Warentausch aufbauten. Genau diese räumliche Expansion des Kapitalismus schuf einerseits zuerst eine Europäisierung des Kapitalismus und schließlich eine weltweite Ausbreitung dieses Systems, andererseits aber auch innerhalb der kapitalistischen Welt eine Tendenz zu immer größeren Binnemärkten, deren Resultat jener Prozeß ist, der heute „Globalisierung“ genannt wird. Was sich unter unseren Augen abspielt ist also nichts neues, das sich die letzten Jahre entwickelt hätte, sondern lediglich die Fortsetzung eines Prozesses, der mit der Entstehung des Kapitalismus begonnen hat. Rückwärtsgewandte „Globalisierungskritik“, die den bösen „internationalen Märkten“ die kleinen überschaubaren Märkte der Nationalstaaten gegenüberstellt, ist deshalb nicht nur falsch und reaktionär, sondern auch ein von vornherein verlorender Kampf gegen Windmühlen. Eine fortschrittliche Kritik an der „Globalisierung“ kann dieses Schlagwort bestenfalls benutzen um davon ausgehend eine radikale Kapitalismuskritik zu entwickeln. Eine solche radikale Kapitalismuskritik muß das warenproduzirende System auch als solches kritisieren und darf weder bei der Kritik der Symptome des Kapitalismus stehen bleiben, noch sich auf die Suche nach vermeintlichen Schuldigen und Bösewichten begeben. Weder Weltbank, WEF oder IWF, noch irgendwelche „Multinationalen Konzerne“ oder Mc´Donalds haben den Kapitalismus erfunden. Erstere sind mehr oder weniger adäquate Institutionen, um gewisse Funktionen in der gegenwärtigen Entwicklung des Kapitalismus zu erfüllen, letztere eben erfolgreichere Unternehmen wie die Würstelbude ums Eck.

Eine personalisierende Kapitalismuskritik verkennt nicht nur den Charakter des Kapitalismus als System, sondern versucht sich mit der Suche nach Schuldigen und Bösewichten um eine rationale Analyse herumzudrücken. Eine solche ist nämlich unbequem und würde die eigene Verstrickung in das System zutage fördern und zeigen, daß mensch selbst auch nicht außerhalb des warenproduzierenden Systems steht. Sie würde zudem die z.B. von Attac betriebene Bündnispolitik mit den Klein- und Mittelbetrieben, die als dem „globalen Finanzkapital“ antagonistisch gegenüberstehend gedacht werden, verunmöglichen (Anm.: ATTAC Salzburg organisierte zusammen mit dem österreichischen Wirtschaftsbund und österreichischen Klein- und Mittelbetrieben eine Veranstaltung gegen das böse WEF). Genau diese Analyse ist aber unbedingte Voraussetzung, damit sich „Globalisierungskritik“ zu einer fortschrittlichen Kapitalismuskritik entwickelt und nicht in Ressentiments gegen eine Gruppe vermeintlich Schuldiger umschlägt, seien diese Schuldigen nun als „internationale Finanzkapitalisten“, „Juden“ oder in Südostasien als „Chinesen“ gedacht. Die strukturelle Ähnlichkeit einer solch verkürzten Kapitalismuskritik mit einem antisemitischen Weltbild, das einer Gruppe allmächtiger Menschen alles Böse dieser Welt zuschreibt, ist unübersehbar. Diese personalisierende Kapitalismuskritik fördert das Ressentiment und nicht die Kritik. Eine fortschrittliche Kritik an der Globalisierung muß deshalb eine antikapitalistische sein und darf sich nicht auf die Feindschaft gegenüber vermeintlichen „Globalisierern“ beschränken.

Originaltext: http://www.oekoli.cjb.net


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