Was ist Faschismus? 5.2: Aussereuropäische faschistische Bewegungen und Regime 2
Vorbemerkung: Innerhalb der Faschismusforschung wird die Frage, inwieweit sich das Attribut „faschistisch“ zur Einstufung ausereuropaischer Gruppierungen und Herrschaftssysteme überhaupt eignet, kontrovers diskutiert. Im Laufe des folgenden Streifzuges durch drei Kontinente sollen einige der in diesem Zusammenhang besonders häufig genannten Bewegungen und Regime auf den Grad ihrer Vergleichbarkeit mit den als klassisch geltenden europaischen Faschismen hin beleuchtet werden.
Teil 5.2 - Faschistische Tendenzen in den USA, Japan und Südafrika
Die Vereinigten Staaten von Amerika
Früh und Kolonialzeit
Die ersten Menschen erreichten Nordamerika vor bis zu 40.000 Jahren über die damals Sibirien und Alaska verbindende Bering-Landbrücke. Isländische Wikinger drangen um 1.000 bis in das Gebiet des heutigen Bostons vor, ohne jedoch eine nachhaltige Besiedlung in Gang zu setzen. Anders verhielt es sich mit der Landung des im Dienst der spanischen Krone stehenden genuesischen Seefahrers Christoph Kolumbus (1451-1506) auf den Bahamas 1492. Die „Entdeckung Amerikas“ war Auftakt einer Reihe von Eroberungsfahrten, in deren Verlauf die nordamerikanische Küste intensiv erforscht wurde. Zu den europäischen Mächten, die sich bei der Erschließung Nordamerikas besonders umtriebig zeigten, zählten Frankreich und England. Während die entsprechenden französischen Bestrebungen an den Profitinteressen von Handelsgesellschaften ausgerichtet waren und nicht auf massenhafte Einwanderung aus dem Mutterland abzielten, vollzog sich die englische Kolonisierung im Zuge der Gründung auf Dauer und Wachstum angelegter Siedlungen. Neuankömmlinge, bei denen es sich wie im Fall der in den nationalen Mythenschatz der USA eingegangenen calvinistischen „Pilgerväter“ häufig um Angehörige religiöser Minderheiten handelte, konnten von ihnen besiedeltes Land als Eigentum erwerben, womit existenzielle Konflikte mit indigenen Stammesgemeinschaften vorprogrammiert waren. Blutige Auseinandersetzungen, eingeschleppte Krankheiten und massive Hungersnöte dürften die Gesamtzahl der nordamerikanischen Ursprungsbevölkerung in den 100 Jahren nach Kolumbus` epochaler Expedition um fast 90 Prozent verringert haben. Ein rasch anwachsender Personenkreis musste ab dem 17. Jahrhundert den Weg nach Nordamerika gegen seinen Willen antreten. Um den zur Bewirtschaftung agrarischer Monokulturen in den südlichen Kolonien herrschenden Bedarf an billigen Arbeitskräften zu befriedigen, erfolgte nämlich 1640 die Einführung der Sklaverei. Mit ihrer auf Tabak-, Reis-, Indigo- und Baumwollfeldern verrichteten Zwangsarbeit ermöglichten aus Afrika deportierte Schwarze den gesellschaftlichen Aufstieg der so genannten Virginia-Aristokratie, einer einflussreichen Schicht vermögender PlantagenbesitzerInnen. Gerechtfertigt wurde ihre menschenverachtende Behandlung unter Verweis auf eine angebliche Minderwertigkeit, die sich aus alttestamentarischen Bibelpassagen herleiten lasse. 1770 setzte sich die Einwohnerschaft der südlichen Kolonien zu etwa einem Drittel aus SklavInnen zusammen. Waren dort größere Orte eine Ausnahme, kristallisierten sich im mittleren und nördlichen Teil der späteren USA mehrere urbane Zentren wie Philadelphia, New York und Boston heraus, von denen entscheidende Modernisierungsimpulse politischer wie wirtschaftlicher Art ausgehen sollten.
Der Weg in die Unabhängigkeit
Eine Wendung begann die Vorgeschichte der USA mit dem von 1754 bis 1763 andauernden „Siebenjährigen Krieg“ zu nehmen, der in Nordamerika seine Entsprechung im „French and Indian War“ fand. Das britische Empire bereitete mit seinem militärischen Sieg den dortigen Kolonialbestrebungen Frankreichs ein Ende, zog sich im Anschluss aber den Unmut der eigenen Kolonien zu, die es stärkerer politischer Kontrolle und höheren finanziellen Belastungen auszusetzen gedachte.
Der Widerstand hiergegen mündete in der Einberufung eines „Ersten Kontinentalkongresses“ in Philadelphia, der im Herbst 1774 den Abbruch der Handelsbeziehungen zum Mutterland verkündete. Im April 1775 kam es zu ersten gewaltsamen Zusammenstößen zwischen britischen Truppen und nordamerikanischen Milizeinheiten. Am 4. Juli 1776 verabschiedete der mittlerweile Regierungsaufgaben wahrnehmende „Kontinentalkongress“ eine hauptsächlich aus der Feder des Juristen Thomas Jefferson (1743-1826) stammende Unabhängigkeitserklärung, deren Gleichheitspostulat sich nicht auf Frauen, Personen indigener Herkunft und SklavInnen erstreckte. Im Frieden von Paris gestand Großbritannien 1783 den Vereinigten Staaten die Souveränität zu und überließ den dreizehn ehemaligen Kolonien das Gebiet zwischen den Apalachen und dem Mississippi.
Vier Jahre später arbeitete ein in Philadelphia tagender Konvent eine Bundesverfassung aus, deren Kernelemente eine von zwei Kammern auszuübende Gesetzgebung, eine mit weitreichenden Befugnissen ausgestattete, durch den Präsidenten vertretene Exekutive sowie eine unabhängige Rechtsprechung bildeten. Zum ersten US-Präsidenten wurde 1789 George Washington (1732-1799) gewählt, der als militärischer Oberbefehlshaber der Unabhängigkeitsbewegung fungiert hatte.
Gebiets-, Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war für die USA eine Periode allgemeinen Wachstums, wobei die räumliche Ausdehnung nicht durch Expansion bestehender, sondern im Zuge der Gründung neuer Bundesstaaten erfolgte. Allein der Erwerb einer zwischen Mississippi und Rocky Mountains gelegenen Landmasse von Frankreich brachte 1803 eine Verdoppelung des Territoriums mit sich. Die in westlicher Richtung vorangetriebene Landerschließung wurde in zunehmendem Maße mit missionarischen Weihen versehen, die der New Yorker Journalist John O’Sullivan (1813-1895) in den Begriff der „offensichtlichen Bestimmung“ („Manifest Destiny“) kleidete. Hierin kam der Anspruch zum Ausdruck, im Rahmen eines nationalen Projekts in Nordamerika zwischen Atlantik und Pazifik eine ideale Gesellschaftsordnung zu errichten. Hauptleidtragende des Gebietszuwachses waren die EinwohnerInnen indigener Abstammung, deren Anzahl bis 1860 auf nur noch etwa 35.000 sank. Die Bevölkerung des auf ihre Kosten expandierenden Staatswesens schwoll hingegen stark an, was nicht zuletzt in einem um das Jahr 1840 aus Europa einsetzenden Einwanderungsstrom begründet lag. Der hiermit verbundene Anstieg des Arbeitskräftereservoirs zählte neben der Existenz reichhaltiger Rohstoffvorkommen, technischen Errungenschaften wie mechanischen Webstühlen und dem Ausbau der Transportkapazitäten zu den Faktoren einer ökonomischen Aufwärtsentwicklung, in deren Verlauf die USA bis zirka 1860 zur zweitgrößten Industrienation hinter Großbritannien avancierten. Der Industrialisierungsprozess vollzog sich allerdings in erster Linie im Nordosten der Vereinigten Staaten, während der Süden agrarisch geprägt blieb. In Anbetracht der weltmarktbeherrschenden Stellung der dortigen Rohbaumwollproduktion musste die „Virginia-Aristokratie“ jedoch zunächst keineswegs um Macht und Reichtum fürchten.
Die Monroe-Doktrin
Von einem gewachsenen nationalen Selbstbewusstsein zeugte bereits eine außenpolitische Grundsatzerklärung, die Präsident James Monroe (1758-1831) Ende 1823 abgab. Die Kernaussage bestand darin, dass sich die US-Regierung zukünftige Kolonialbestrebungen europäischer Staaten in der westlichen Hemisphäre verbat und im Gegenzug die Nichteinmischung in Angelegenheiten Europas ankündigte. In innergesellschaftlicher Hinsicht war diese als „Monroe-Doktrin“ bekannt gewordene diplomatische Leitlinie durchaus konfliktträchtig. So deckte sich ihre isolationistische Tendenz mit dem Wunsch der industriellen Spitzen des Nordens, den einheimischen Markt vor internationaler Konkurrenz abzuschotten, wohingegen die Agrareliten des Südens ihre Profite zu einem hohen Grad Exporten verdankten.
Sklavereifrage und Bürgerkrieg
Maßgeblich zur Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Nord- und Südstaaten trug die Sklavereifrage bei. Nach der Wahl des gemäßigten Sklavereigegners Abraham Lincoln (1809-1865) zum Präsidenten im Herbst 1860 erklärten elf Südstaaten ihren Austritt aus den USA und schlossen sich zu den „Konföderierten Staaten von Amerika“ zusammen. Im April 1861 kam es zur militärischen Eskalation des Konflikts. Trotz immenser Überlegenheit an Mensch und Material bedurfte es eines knapp vierjährigen, für beide Seiten äußerst verlustreichen Bürgerkrieges, ehe sich der Norden durchgesetzt hatte. Vor ihrer Wiedereingliederung in die Union mussten die unterlegenen Südstaaten dem Ende 1865 verabschiedeten 13. Verfassungszusatz zustimmen, der die Sklavenhaltung auf dem Gebiet der USA untersagte. Eine Vielzahl im Süden erlassener diskriminierender Gesetze schränkte aber den Entfaltungsspielraum dort lebender Schwarzer ebenso stark ein wie deren oftmals weiterhin bestehende wirtschaftliche Abhängigkeit von ehemaligen SklavenhalterInnen. Zusätzlichen Druck übte auf die AfroamerikanerInnen eine rassistische Terrororganisation aus, die einige Merkmale faschistischer Bewegungen vorwegnahm: der Ku-Klux-Klan (KKK).
Der Ku-Klux-Klan
Der KKK wurde kurz nach Beendigung des Sezessionskrieges als Geheimbund von Offizieren der geschlagenen Südstaatenarmee aus der Taufe gehoben. In nächtlichen Ausritten zelebrierten seine mittels weißer Kapuzen-Kostüme maskierten Mitglieder seltsame Rituale zur Einschüchterung der schwarzen Bevölkerung.
Die rassistische Stoßrichtung bescherte der Organisation im Süden der USA erheblichen Zulauf. Um eine gewisse Einheitlichkeit im Vorgehen der wie Pilze aus dem Boden schießenden Ortsgruppen zu gewährleisten, führte ein 1867 abgehaltener Bundeskongress das Amt des „Großen Hexenmeisters“ („Grand Wizard“ ein. Der merkwürdige Mummenschanz war mittlerweile vielerorts in systematischen Terror umgeschlagen. Klan-Angehörige entführten, verstümmelten und ermordeten etliche AfroamerikanerInnen und politische GegnerInnen. Nachdem 1871 auf Bundesebene ein Gesetzespaket zur Zurückdrängung der Terrororganisation verabschiedet worden war, verschwand der KKK allmählich von der Bildfläche. Seine vom Regisseur David Wark Griffith (1875-1948) im Stummfilmklassiker „Die Geburt einer Nation“ betriebene Verklärung bewog den entlassenen Wanderprediger William Joseph Simmons (1880-1945) zur Neugründung des KKK. Binnen eines Jahrzehnts gelangen die Rekrutierung von mehr als vier Millionen Mitgliedern sowie die Ausdehnung über die Grenzen der Südstaaten hinaus. Da die Organisation beträchtliche Aufnahmegebühren verlangte und sich die Bettlaken-Gewänder zu hohen Preisen abkaufen ließ, erwies sich der KKK als einträgliches Geschäftsmodell. Weltanschaulich vollzog sich eine verstärkte Annäherung an die europäischen Faschismen, indem Menschen jüdischer Herkunft und KommunistInnen die schwarze Minderheit als Feindbilder ergänzten. Interne Streitigkeiten, diverse Skandale und das Ausbleiben einer die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise aufgreifenden Positionierung zehrten an der Substanz des KKK, der sich 1944 auf Druck der Steuerbehörden selbst auflöste.
Im Laufe der 1950er Jahre kam es zur Reorganisierung von Klan-Strukturen. Weder das Anknüpfen an die offen terroristische Tradition noch Bemühungen um Erlangung eines bürgerlichen Images verhalfen aber dem KKK bislang zu einem Comeback als Massenbewegung.
„Eugenik“ in den USA
Bereits Jahrzehnte vor der Entstehung faschistischer Bewegungen fand mit der so genannten Eugenik (vom griechischen „eugenes“ = wohlgeboren) eine bevölkerungspolitische Denkrichtung internationale Verbreitung, die unter dem Schlagwort der „Rassenhygiene“ die Nazi-Ideologie maßgeblich prägen sollte. Die Grundidee dieser sozialdarwinistischen Gesellschaftstheorie lautete, dass zum Wohle des jeweils betrachteten „Volkskörpers“ durch systematische „Auslese“ negative genetische Einflüsse auszuschalten und hochwertige Erbanlagen zu fördern seien. In den USA erfuhr die entsprechende Diskussion im Zuge der Verknüpfung mit der Einwanderungsthematik eine massive rassistische Unterfütterung. Der Historiker und Journalist Lothrop Stoddard (1883-1950) etwa warnte eindringlich vor einem ungehinderten Zustrom farbiger und jüdischer „Menschenhorden“, der die „natürliche“ Überlegenheit der „weißen, nordischen Rasse“ gefährde. Einen politischen Teilerfolg erzielten die US-„EugenikerInnen“ mit dem 1924 verabschiedeten „Immigration Act“, einem Bundesgesetz, das Quoten für die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa festlegte und den asiatisch-pazifischen Raum als Herkunftsregion gänzlich ausschloss. Nicht minder intensiv wurden Möglichkeiten erörtert, die Fortpflanzung bereits in den USA lebender TrägerInnen als „minderwertig“ erachteter Erbanlagen zu unterbinden. Eine Vorreiterrolle übernahm hierbei die Vereinigung der Rinderzüchter, die American Breeders Association (ABA). So wurde 1903 innerhalb der ABA ein „Eugenik-Komitee“ gegründet, das mindestens zehn Millionen „verelendete, kranke, schwachsinnige, beschädigte und kriminelle Elemente“ durch Absonderung oder Sterilisation an der Vermehrung gehindert wissen wollte. Das seitens des Biologen Charles Davenport (1866-1944) aus der Taufe gehobene „Eugenics Record Office“ entwickelte ein diesbezügliches Modellgesetz und betrieb die Erfassung als genetische Bedrohung für die „Volksgesundheit“ anzusehender Menschen. 1907 schuf die Landesregierung von Indiana die rechtlichen Grundlagen für die Zwangssterilisation von „Verbrechern, Blödsinnigen und Schwachsinnigen“. 32 Bundesstaaten erließen ähnliche Gesetze, insgesamt wurden im Lauf eines knappen Dreivierteljahrhunderts rund 60.000 Personen in den USA im Dienst der „Eugenik“ ihrer Fortpflanzungsfähigkeit beraubt.
Organisierter Antikommunismus und Antisemitismus als „Antwort“ der extremen Rechten auf „Rote Angst“ und Weltwirtschaftskrise
Nicht anders als in Europa bestand in den USA ein enger Zusammenhang zwischen der Formierung faschistischer Gruppierungen und Befürchtungen der Mittel- und Oberschicht bezüglich eines sozialrevolutionären Umsturzes. So schürten die Russische Revolution des Herbstes 1917 und Streikkampagnen der militanten Gewerkschaftsorganisation Industrial Workers of the World (IWW) innerhalb bürgerlicher Kreise eine geradezu hysterische „Rote Angst“ („Red Scare“).
Das soziale Gefüge der USA wurde dann aber nicht etwa durch kommunistische Umtriebe, sondern infolge des eine globale Wirtschaftskrise nach sich ziehen- den Börsencrashs von 1929 erschüttert. Wie die Nazi-Bewegung des Deutschen Reiches fassten allerdings ohnehin in den Vereinigten Staaten WortführerInnen der extremen Rechten Kommunismus und Finanzkapitalismus als zwei Seiten einer jüdisch gesteuerten Bedrohung auf. Der katholische Priester Charles Coughlin (1891-1979) z.B. hielt im Radio wöchentliche Hetzpredigten antikommunistischer und judenfeindlicher Stoßrichtung. Die ihm beschiedene positive Resonanz bewog Coughlin 1935 zur Gründung der „Nationalen Union für Soziale Gerechtigkeit“ („National Union for Social Justice“). Bei den im Jahr darauf abgehaltenen Präsidentschaftswahlen erhielt der Kandidat der inzwischen in „Union Party“ umbenannten Partei zirka 900.000 Stimmen. Coughlin gab sich jedoch nicht mit einer politischen Betätigung im Rahmen des parlamentarisch-demokratischen Systems zufrieden. Stattdessen orientierte er sich immer unverblümter am Vorbild des „Dritten Reiches“, was sich etwa in der Einführung des „Deutschen Grußes“ und der Bildung einer als „Christliche Front“ („Christian Front“) titulierten, der SA nachempfundenen Miliz niederschlug. Als Terrorvorbereitungen der „Christlichen Front“ aufflogen, wurde sie 1940 verboten. Auf Druck der katholischen Kirche schränkte Coughlin nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg sein politisches Engagement stark ein. Sein Tod 1979 erregte kaum noch öffentliches Aufsehen.
Die „Amerikanische Nazipartei“
Ende der 1940er Jahre traten die USA in eine zweite Phase „Roter Angst“ ein, die in einer regelrechten antikommunistischen Hexenjagd mündete. Diese nach Senator Joseph McCarthy (1908-1957) als „McCarthy-Ära“ bezeichnete, ein knappes Jahrzehnt andauernde Zeit der massiven Verfolgung linksradikaler Umtriebe verdächtigter Personen begünstigte das Aufkommen weiterer faschistischer Gruppierungen. Eine von ihnen war die 1959 vom ehemaligen Marineoffizier George Lincoln Rockwell (1918-1967) aus der Taufe gehobene „Amerikanische Nazipartei“ („American Nazi Party“). Letztere verzeichnete zwar keinen Massenzulauf, erhielt aber durch die Selbstinszenierung ihres „Commanders“ Rockwell als „Amerikanischer Hitler“ erhebliche mediale Aufmerksamkeit. Die Anlehnung der „Amerikanischen Nazipartei“ an die Nazi-Bewegung ging so weit, dass ihre uniformierten Mitglieder mit Hakenkreuzfahnen und unter „Sieg Heil“-Rufen öffentlich aufmarschierten.
Sie begrüßten den Vietnamkrieg und forderten die Tötung „kommunistischer Verräter“, die Deportation aller AfroamerikanerInnen sowie die Unfruchtbarmachung und Enteignung jüdischer US-BürgerInnen. Ihr Kampf gegen die schwarze Bürgerrechtsbewegung, den sie gemeinsam mit dem KKK führte, bescherte der „Amerikanischen Nazipartei“ einen Popularitätszuwachs, doch die Ermordung Rockwells durch einen ehemaligen Mitstreiter im August 1967 leitete ihren Zerfall ein.
Christlicher Fundamentalismus
Als sehr empfänglich für faschistisches Gedankengut erwies sich in den USA last but not least das christlich-fundamentalistische Milieu, und zwar insbesondere die Variante der „Christlichen Identität“ („Christian Identity“). Hierbei handelt es sich um eine heterogene Bewegung religiöser FanatikerInnen, welche die Überzeugung eint, als Angehörige der „nordischen Rasse“ von den zehn verlorenen Stämmen Israels abzustammen und sich einer jüdisch gelenkten Verschwörung erwehren zu müssen. Diverse Gruppen der „Christlichen Identität“ entwickelten eine hohe Affinität zur NS-Weltanschauung, etwa die vom ehemaligen Methodisten und KKK-Mitglied Wesley Swift (1913-1970) ins Leben gerufene „Church of Jesus Christ Christian“. Nach Swifts Tod übernahm der Luftfahrtingenieur Richard Butler (1918-2004) die Führung der „Kirche“, als deren politischen Arm er die „Arischen Nationen“ („Aryan Nations“) aus der Taufe hob. Die im Bundesstaat Idaho errichtete Basis der „Arischen Nationen“ diente als Vorbereitungscamp für die erwartete endzeitliche Schlacht und Areal zur Schaffung eines Modellstaates der „von Gott auserkorenen Herrenrasse“. Ein im Sommer 1999 aus den Reihen von Butlers Sicherheitsdienst auf eine Familie indigener Abstammung verübter Überfall brach der Organisation jedoch das Genick, denn die Opfer trieben die „Arischen Nationen“ mit einer erfolgreichen Schadensersatzklage in den Bankrott.
Japan
Altertum und Mittelalter
Die Bildung eines japanischen Staatswesens nahm bereits um das Jahr 300 Formen an. Im Lauf des sechsten Jahrhunderts etablierten sich eine kaiserliche Ordnung und der Buddhismus innerhalb des ostasiatischen Inselreiches. Die Macht des als „Himmlischer Herrscher“ („Tenno“) verehrten Kaisers schwand aber während des Mittelalters zugunsten der Schogune, führender Vertreter der adeligen Kriegerkaste. Die japanische Gesellschaft entwickelte sich in Richtung eines vierklassigen Ständesystems, bestehend aus dem „Schwertadel“, der Bauernschaft, der Handwerkerschicht sowie den Kaufleuten. Ihnen untergeordnet waren Gruppen so genannter Unreiner, eine Sonderstellung bekleideten kaiserliche Höflinge und Priester.
Zeit der Isolation
Europäer gelangten erstmals 1543 auf chinesischen Dschunken nach Japan. Portugiesische Seefahrer starteten bald darauf einen regelmäßigen Handelsaustausch. Während der Herrschaft des Tokugawa-Geschlechts wurde jedoch 1639 mit Ausnahme einer niederländischen Kaufleuten vorbehaltenen Handelsstation eine mehr als zwei Jahrhunderte andauernde Abschließung Japans gegenüber ausländischen Einflüssen verfügt.
Die Meiji-Restauration
Der Niedergang der Tokugawa-Dynastie ließ 1868 den Kaiserhof wieder ins Zentrum der politischen Macht rücken. Der jugendliche „Tenno“ Mutsuhito (1852-1912), welcher sich später den Namen „Meiji“ gab, setzte sich für eine Modernisierung Japans ein. Letztere wurde u. a. durch die Abschaffung der Ständeordnung, den Import technologischen Wissens und die Initiierung eines dynamischen Industrialisierungsprozesses vorangetrieben. Sowohl die umfassende Militärreform als auch die 1889 in Kraft gesetzte Verfassung, die dem „Tenno“ den Rang eines Gott-Kaisers zusprach, waren durch das Beispiel des Deutschen Reiches inspiriert. Lediglich eine Alibifunktion erfüllten die Abgeordneten des Zweikammer-Parlaments, die ohnehin nur von einem Prozent der Bevölkerung gewählt werden konnten. Auch die Einführung des allgemeinen Männerwahlrechtes für das Unterhaus 1926 sorgte nicht für ein Gegengewicht zum autoritären, ein hohes Maß an Militarisierung aufweisenden Staats- und Gesellschaftssystem.
Außenpolitisches Expansionsstreben
An der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert begann Japan einen territorialen Expansionskurs zu verfolgen. Deutlichster Ausdruck hierfür war der von Februar 1904 bis September 1905 andauernde Russisch-Japanische Krieg, der dem ostasiatischen Kaiserreich die Kontrolle über Korea und die Mandschurei einbrachte. Im Ersten Weltkrieg kämpfte Japan auf Seiten der Alliierten, wodurch es sich den deutschen Kolonialbesitz in China sicherte.
Der Putschversuch 1936
Der im Zuge der Meiji-Restauration eingeleitete gesellschaftliche Wandel rief innerhalb konservativer Kreise ein geteiltes Echo hervor. Zum Vordenker der KritikerInnen schwang sich Kita Ikki (1883-1937) auf. Der nationalistische Autor und Philosoph wollte eine konfrontative Haltung gegenüber den Westmächten eingenommen wissen, um den Weg zur Vereinigung Asiens unter japanischer Vorherrschaft zu ebnen. Innenpolitisch erachtete Ikki die Schaffung noch autoritärerer Strukturen im Rahmen eines Staatsstreiches für notwendig, der u. a. die Nationalisierung wichtiger Industriesektoren herbeiführen sollte. Seine nationalrevolutionären Forderungen fanden vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, die sich in Form zunehmender Verarmung auf dem Land sowie eines drastischen Rückgangs der Arbeiterlöhne bemerkbar machte, insbesondere bei jüngeren Offizieren Anklang. Etwa 1.400 von ihnen beteiligten sich am 26. Februar 1936 in Tokio an einem Umsturzversuch. Nach anfänglichen Erfolgen und der Tötung mehrerer Kabinettsmitglieder wurde die Militärerhebung binnen weniger Tage niedergeschlagen, zu den danach Hingerichteten gehörte als Inspirator der Aufständischen auch Kita Ikki.
Paradoxerweise sollten sich aber wesentliche Vorstellungen der Aufständischen gerade durch ihr Scheitern erfüllen, denn an der Staatsspitze nutzten Hardliner den Putschversuch, um innen- wie außenpolitisch in die Offensive zu gehen.
Innere „Gleichschaltung“ und imperialistische Aggression
Abgesichert durch ein dichtes Netz polizeilicher Überwachung, forcierte die japanische Staatsspitze während der Amtszeiten der Premierminister Konoe Fumimaro (1891-1945) und Tōjō Hideki (1884-1948) in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren ihre Bemühungen um direkten Zugriff auf sämtliche gesellschaftliche Bereiche. Ein diesbezüglicher Meilenstein war die Bildung der „Unterstützungsgesellschaft für die Kaiserliche Herrschaft“ („Taisei Yokusankai“) im Herbst 1940, die an die Stelle der zuvor aufgelösten Parteien trat und neben deren ehemaligen Mitgliedern auch die bürokratischen und militärischen Eliten des Landes (zwangs) vereinigte. Etwa zeitgleich mussten alle unabhängigen Gewerkschaften einer staatstreuen „Arbeitnehmervertretung“, der „Gesellschaft zum Dienst an der Nation“, weichen, so dass sich ein Vergleich mit der im „Dritten Reich“ betriebenen „Gleichschaltung“ aufdrängt. Auch auf diplomatischer Ebene näherte sich Japan dem NS-Staat an. So schlossen die beiden Regime zur Unterstreichung ihrer strikt antikommunistischen Haltung am 25. November 1936 den „Antikominternpakt“. Letzterer wurde mit dem knapp vier Jahre später von Japan, Deutschland und Italien unterzeichneten „Dreimächtepakt“ um eine militärische Dimension erweitert, die allerdings eher symbolischer Natur blieb. Der Schulterschluss mit den zwei faschistischen Diktaturen vollzog sich in einer Phase verschärfter imperialistischer Aggression Japans, die insbesondere in einem im Juli 1937 vom Zaun gebrochenen und mit extremer Brutalität geführten Angriffskrieg auf China zutage trat. Laut einer 1940 von Premierminister Fumimaro geprägten Formel zielte der blutige Expansionsdrang auf die Schaffung einer „Großostasiatischen Wohlstandssphäre“ ab.
Eine weitere Parallele zum NS-Regime bestand darin, dass die Legitimität der Japan im Rahmen dieses Konzepts zugedachten Führungsrolle aus der Vorstellung abgeleitet wurde, die japanische Bevölkerung verkörpere eine „göttliche Rasse“. Eine an der Spitze eines faschistischen Herrschaftssystems „klassischen“ Typs kaum vorstellbare Position bekleidete hingegen der „Tenno“, in dessen Namen gesellschaftliche „Gleichschaltung“ und kriegerische Außenpolitik betrieben wurden. Kaiser Hirohito (1901-1989) genoss zwar als höchste politische und religiöse Autorität eine die Bezeichnung „Führerkult“ mehr als verdienende Verehrung, hielt sich aber anders als Hitler und Mussolini strikt aus der Öffentlichkeit fern.
Japan im Zweiten Weltkrieg
Mit dem Überfall auf Pearl Harbor, den Heimathafen der US-Pazifikflotte, griff Japan am 7. Dezember 1941 in den Zweiten Weltkrieg ein. Ein knappes halbes Jahr später hatte der Militärapparat des Kaiserreiches in einer von massiven Kriegsverbrechen begleiteten Offensive weite Teile Südostasiens erobert und einen Vorstoß nach Australien gestartet. Die Anfang Juni 1942 im Kampf um die Midway-Inseln erlittene Niederlage Japans leitete eine Wende im Pazifikkrieg ein. Erst nach den US-Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki jedoch verkündete der „Tenno“ am 15. August 1945 die japanische Kapitulation. Während der ehemalige Regierungschef Fumimaro sich seiner Verhaftung durch Selbstmord entzog und sein Nachfolger Hideki vom Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten zum Tode verurteilt wurde, entging Hirohito nicht nur einer juristischen Aufarbeitung seiner Verantwortung für systematischen Terror und millionenfachen Mord, sondern durfte sogar weiterhin das Amt des Staatsoberhauptes ausüben.
Südafrika
Vor- und Frühgeschichte
Die Geschichte Südafrikas, auf dessen Gebiet einige der ältesten Zeugnisse der Hominisation gefunden wurden, ist eng mit jener der Menschwerdung verknüpft. Als südafrikanische Ursprungsbevölkerungen sind die Ethnien der San und Khoikhoi anzusehen, an der Schwelle zum zweiten Jahrtausend wanderten zudem vermehrt Gruppen der Bantu ein.
Kolonialzeit und Erlangung der Unabhängigkeit
Die ersten Europäer, die 1488 bis zur Südspitze Afrikas vordrangen, gehörten einer unter dem Kommando des portugiesischen Seefahrers Bartolomeu Dias (1450-1500) stehenden Expedition an. Im Auftrag der „Niederländischen Ostindien-Kompanie“ gründete der Schiffsarzt und Kaufmann Jan van Riebeeck (1619-1677) 1652 mit Kapstadt den Ausgangspunkt der Kapkolonie. Auf der Suche nach Weideland für ihre Rinderherden drangen die überwiegend calvinistisch geprägten KolonistInnen, die sich in Anlehnung an das niederländische Wort für „Bauern“ als „Buren“ bezeichneten, immer tiefer ins Landesinnere vor. Von ihrer religiösen Ausnahmestellung und rassischen Überlegenheit überzeugt, vertrieben oder unterwarfen sie gewaltsam die dort existierenden indigenen Gesellschaftsverbände. Zur Deckung ihres Bedarfs an billigen Arbeitskräften bedienten die BurInnen sich zudem aus Asien und Ostafrika verschleppter SklavInnen. Als jedoch die britische Regierung 1833 die Sklaverei in der Kapkolonie, die sie rund zwei Jahrzehnte zuvor von den Niederlanden übernommen hatte, untersagte, sahen die BurInnen ihre Lebensgrundlage bedroht. Zirka 15.000 von ihnen begaben sich daher ab 1835 auf den so genannten „Großen Treck“ in Richtung Norden und gründeten die Republiken „Oranje“ und „Transvaal“. Gold- und Diamantenfunde steigerten das britische Interesse an den entsprechenden Gebieten erheblich. Ein erster britischer Angriff konnte Anfang der 1880er Jahre zurückgeschlagen werden, aber der von 1899 bis 1902 ausgetragene Zweite Burenkrieg endete mit der Eingliederung der Burenrepubliken in das britische Empire. 1910 wurden die von Großbritannien auf südafrikanischem Boden unterhaltenen Kolonien zur Südafrikanischen Union zusammengefasst. Bereits das 1913 verkündete „Eingeborenen-Landgesetz“ („Natives Land Act“) legte das Fundament für die auf strikte Trennung der EinwohnerInnen verschiedener Hautfarben abzielende Apartheidpolitik späterer Jahrzehnte, wurde Schwarzen Landbesitz doch nur noch in abgelegenen und wenig fruchtbaren Regionen gestattet.
Vor dem Hintergrund dieser rassistischen Weichenstellung entließ Großbritannien 1931 die Südafrikanische Union endgültig in die Unabhängigkeit. Nichtsdestotrotz trat der Burenstaat in einem innenpolitisch umstrittenen Akt im September 1939 an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht in den Zweiten Weltkrieg ein.
Formierung faschistischer Organisationen
Im Laufe der 1930er Jahre entstand in Südafrika eine Reihe extrem rechter Organisationen, die am Vorbild des „Nationalsozialismus“ ausgerichtet waren. Eine davon war die 1933 durch den deutschstämmigen Friseur Louis Weichardt (1894-1985) aus der Taufe gehobene „Südafrikanische Christlich-Nationalsozialistische Bewegung“, die sich eine an die SA erinnernde, graue Hemden tragende Parteimiliz zulegte. Die „Grauhemden“ forderten eine Radikalisierung der schwarzenfeindlichen Unterdrückungsmaßnahmen und die Unterbindung der Aufnahme jüdischer EinwanderInnen aus Europa, waren also sowohl rassistisch als auch antisemitisch eingestellt. Weichardts Internierung während des Zweiten Weltkrieges hemmte die Entwicklung der Partei. Hieran konnte auch die 1948 vollzogene Umbenennung in „White Workers Party“ nichts ändern.
Einen deutlich höheren Grad an Massenrückhalt und paramilitärischer Schlagkraft vermochte die 1939 als Kulturorganisation gegründete „Ochsenwagenbrandwache“ („Ossewabrandwag“ = OB) zu erzielen. An die Spitze der nach dem Führerprinzip strukturierten Bewegung trat 1941 der Germanist und Jurist Johannes Frederik Janse „Hans“ van Rensburg (1898-1966). Seine Anhängerschaft belief sich zeitweilig auf über 300.000 Personen. Für den Einsatz im Rahmen gewalttätiger Konfrontationen wurde der Milizverband der „Sturmjäger“ („Stormjaers“) gebildet. Die Ideologie der OB war ähnlich wie die der „Grauhemden“ nationalistisch, rassistisch und antisemitisch geprägt. Noch stärker kam in ihrem Fall allerdings das Moment der religiösen Selbststilisierung zum Tragen. So verstanden ihre AnhängerInnen die BurInnen als wahres Volk Gottes, wohingegen Juden und Jüdinnen „Teufelskinder“ seien und Schwarze von Noahs zur Knechtschaft verdammtem Sohn Ham abstammten. Als Beleg dieser auf die Losung „My God - My Volk“ gebrachten Überhöhung des Burentums musste neben Bibelstellen der mythisch verklärte „Goße Treck“ herhalten. Die Sympathien der OB mit dem „Dritten Reich“ gingen so weit, dass die „Sturmjäger“ aus Protest gegen die probritische Haltung Südafrikas im Zweiten Weltkrieg Sabotageakte verübten. Die Regierung antwortete mit zahlreichen Verhaftungen, ohne die Untergrundaktivitäten stoppen zu können. Erst nach Kriegsende zerfiel die OB, auf den Rückzug van Rensburgs folgte 1952 die Auflösung. Viele Mitglieder hatten sich zuvor der Nationalen Partei (NP) angeschlossen, die sich nach einem Wahlerfolg 1948 als treibende Kraft beim Auf- bzw. Ausbau des Apartheidregimes erwies.
Der Apartheidstaat
Die vom NP-Premierminister Daniel François Malan (1874-1959) angeführte südafrikanische Regierung erweiterte und verschärfte zielstrebig die bereits bestehenden Gesetze zur „Rassentrennung“ und Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Zentrale Bedeutung kam hierbei dem „Population Registration Act“ von 1950 zu, der als gesetzliche Grundlage einer Einteilung aller in Südafrika lebenden Menschen in Weiße, Schwarze („Natives“) und Farbige diente. Bereits ein Jahr früher waren mittels des „Prohibition of Mixed Marriages Acts“, der unverkennbare Parallelen zu den „Nürnberger Gesetzen“ von 1935 aufwies, „Mischehen“ sowie sexuelle Handlungen zwischen Personen verschiedener Hautfarben verboten worden. Eine neue Stufe erreichte die räumliche Absonderung schwarzer SüdafrikanerInnen mit ihrer 1950 startenden Zwangseinquartierung in Reservaten („Bantustans“), deren BewohnerInnen der Zugang zu den Institutionen des regulären Bildungswesens verwehrt blieb. 1970 eingeführte spezielle Staatsbürgerschaften unterstrichen ihre gesellschaftliche Ausgrenzung zusätzlich. Sich mit Sondererlaubnis aus beruflichen Gründen in „weißen Gebieten“ aufhaltende Schwarze hatten der für zahlreiche Orte und Verkehrsmittel vorgeschriebenen „Rassentrennung“ Folge zu leisten. Auch in diesem Zusammenhang liegt der Vergleich zur schrittweisen Verdrängung jüdischer BürgerInnen aus dem öffentlichen Leben des „Dritten Reiches“ nahe. Anders als im Deutschland der NS-Zeit wurde jedoch in Südafrika auf eine vollständige Eliminierung von Formen parlamentarisch-demokratischer Entscheidungsfindung verzichtet. Die entsprechenden Mitwirkungsmöglichkeiten boten sich allerdings nur weißen SüdafrikanerInnen. Letztere zeigten sich überwiegend an der Verteidigung ihrer politischen und sozialen Privilegien interessiert, weshalb alle einflussreichen gesellschaftlichen Organisationen inklusive der Niederländischen Reformierten Kirche das Apartheidregime stützten. Begehrten Schwarze gegen ihre Verdrängung und Entrechtung auf, reagierte der Staat mit Gewalt und Terror, so etwa bei der hunderte Todesopfer fordernden Niederschlagung des Schüleraufstands von Soweto im Juni 1976. Mit einer Streikwelle konfrontiert, wusste sich Staatspräsident Pieter Willem Botha (1916-2006) 1986 nicht anders als mit der Ausrufung des nationalen Ausnahmezustands zu helfen, der zirka fünf Jahre aufrechterhalten wurde.
Erst Bothas Nachfolger Frederik Willem de Klerk (geboren 1936) suchte den Dialog mit der Anfang 1990 nach knapp 27-jähriger Gefangenschaft entlassenen Leitfigur der schwarzen Freiheitsbewegung Nelson Mandela (geboren 1918) und läutete hiermit das Ende des Apartheidregimes ein. Im April 1994 wurden die ersten Parlamentswahlen unter Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit abgehalten.
fpf
Quellen:
- Demny, Oliver, Rassismus in den USA. Historie und Analyse einer Rassenkonstruktion, Münster 2001. Gassert, Phi-lipp/Häberlein,
- Mark/Wala, Michael, Kleine Geschichte der USA, Stuttgart 2007.
- Kreiner, Josef (Hrsg.), Kleine Geschichte Japans, Stuttgart 2010.
- Marx, Christoph, Geschichte Afrikas. Von 1800 bis zur Gegenwart, Paderborn 2004. Wippermann, Wolfgang, Faschismus. Eine
- Weltgeschichte vom 19. Jahrhundert bis heute, Darmstadt 2009.
Originaltext: Gai Dao Nr. 8, Zeitung der anarchistischen Föderation FdA- IFA (2011). Die Gai Dao ist im Downloadbereich oder auf der Homepage des Projekts jeweils als PDF downloadbar. Buch: Pfeiffer, Frank - Kurze Weltgeschichte des Faschismus