Die spanische Louise Michel? - Ein Portrait zu Teresa Claramunt

Am 24.November 1868 reist Fanelli, ein Mitstreiter Bakunins, nach Spanien um dort Gruppen für die 1.Internationale zu gewinnen. Anselmo Lorenzo aus Barcelona, der wohl als „Großvater“ des spanischen Anarchismus gilt, nennt dieses Datum als den Beginn des Anarchismus in Spanien. Innerhalb von 2 Jahren wuchs die Bewegung von 21 auf über 1500 Menschen an. Es gab da schon Streiks in den Städten und einige Aufstände in den ländlichen Gebieten, doch war dies eher lokal und spontan. Und gerade in den Bauernregionen von Andalusien gewann die Föderation in der nächsten Zeit die meisten Mitstreiter*innen, waren diese doch schon vorher autonom organisiert.

Die spanische Regierung hatte erst kurz zuvor die Monarchie abgeschafft und wollte sich nun stabilisieren. Die stärker werdende anarchistische Bewegung störte da schon gewaltig. Es gab Verhaftungen, Treffpunkte wurden geschlossen, Zeitungen verboten. Die Bewegung wurde in den Untergrund gezogen. Die Anarchist*innen fühlten sich mehr und mehr als „einsame Wölfe“, die nun ihre unmittelbare Gegengewalt als „direkte Aktion“ erklärten.

In dieser Zeit kommt Teresa Claramunt mit ihren Eltern nach Sabadell, eine Industriestadt nahe bei Barcelona, bekannt für ihre Textilindustrie.

Dort beginnt sie früh zu arbeiten. Es sind anfangs die Ideen von Tarrida del Mármol, die sie in ihren künftigen Handlungen stark beeinflussen. 1883 organisiert sie einen Streik für den Acht-Stunden-Tag.

„Genossinnen, es ist sehr gerecht, dass wir die technischen Verbesserungen in der Industrie genauso genießen sollten wie es der Industrielle tut und wir laden euch ein, darüber nachzudenken, dass wir es sind, die sehr erschöpft bleiben und deshalb wir die Notwendigkeit sehen wieder wie Menschen auszusehen und nicht wie Maschinen.“(Text eines Flugblattes 1883 aus den Textilfabriken von Sabadell)

Ein Jahr später ist sie an der Gründung einer anarcho-syndikalistischen Gruppe in Sabadell dabei, wird zu einer bekannten Organisatorin und Rednerin. („Sie hatte eine prägnante Stimme, eine Stimme, die sofort Menschen anzog“ F.Montseny)

Fernando Tarrida del Mármol, in Havanna geboren, war zu dieser Zeit Direktor einer Schule in Barcelona und schrieb zusammen mit dem libertären Pädagogen Francisco Ferrer in Zeitschriften wie „La revista blanca“ oder „Acracia“ . Er gilt als der Schöpfer des „Anarchismus ohne Adjektive“ , eine Einstellung, die die verschiedenen anarchistischen Formen zusammenbringen bzw. tolerieren soll.

Die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den „Einsamen Wölfen“ wird schärfer. 1892 werden nach einem Bombenanschlag 400 Menschen verhaftet. Es kommt in den Kerkern zu Misshandlungen und Folterungen. Viele sterben in den Zellen, 5 Anarchisten werden hingerichtet.

In diesem Jahr gründet Teresa die erste autonome Frauengruppe in Barcelona und gilt seitdem als die „Mutter“ der „Mujeres libres“ .

Santiago Salvador wirft am 7.November 1893 während einer Opernvorstellung im Liceutheater an den Ramblas von Barcelona zwei Bomben, die 20 Personen töten und viele verletzen. Es kommt zu 300 Verhaftungen, dabei auch Teresa Claramunt, die seit einiger Zeit unter besonderer Beobachtung der Polizei stand. Nach einiger Zeit wird sie freigelassen , Santiago selbst am 1.Februar 1894 festgenommen und garrotiert.

Die Garotte diente nicht nur als Hinrichtungsinstrument, sondern wurde auch zum Foltern eingesetzt. Der spanische Staat setzte sie zum letzten Mal 1974 ein.

1896 konnte dann die Polizei triumphieren. Nach einem weiteren Bombenanschlag am 7.Juni wurde Teresa wieder festgenommen und in die Festung Montjuic gebracht. Dieser Anschlag ließ allen Spekulationen freien Raum. Es starben fünf Arbeiter, die am Ende des Fronleichnamzuges gingen . Die hohen Herren, dabei der Bischof von Barcelona, blieben unverletzt.

Teresa wurde, wie viele zuvor, gefoltert. Terese Mané, die Mutter von Federica Montseny, schrieb unter ihrem Pseudonym „Soledad Gustavo“: „Alles das zu erzählen, was Teresa in jener Gefangenschaft erlitten hat, ist unmöglich. Nur dank ihrer überragenden Energie konnte sie alles überleben.“

Teresa Claramunt selber bemerkt in ihrem später geschriebenen Buch „Im Gefängnis“ u.a.: „Am anderen Ende der Zelle, in die Wand gedrückt ´Es lebe das Leben, es lebe die Anarchie`. In der ersten Zeit habe ich viel geweint, aber es war nicht die Angst vor dem Grauen, es war die Erinnerung an all die unglücklichen Comradas , die in dieser verdammten Grube ermordet wurden“

Nach dem Grauen im Frauengefängnis wurde sie nach Frankreich, dann nach England deportiert. In dieser Zeit arbeitete sie als Weberin. In der Textilindustrie waren viele der Arbeiterinnen in anarchosyndikalistischen Gruppen organisiert. Teresa war auch hier eine anerkannte Rednerin.

Als sie nach 2 Jahren nach Barcelona zurückkehrt, engagiert sie sich in einer Kampagne für die Gefangenen in der Festung Montjuich und gründet mit anderen die Zeitschrift „El productor“, versuchte dazwischen immer wieder eine Einheit zwischen den verschiedenen Strömungen der libertären Bewegungen zu erreichen.

In ihren Propagandatouren, die sie vor allem nach Andalusien führen, ist ihr Hauptthema die Situation und der Kampf der Frauen. In dieser Zeit schreibt sie das Buch: „Die Frau – Betrachtungen ihrer Situation bei den Vorrechten des Mannes“.

Hier prangert sie die männliche Autorität im Familienkreis an und fordert die Frauen auf, sich selbst zu befreien und die Abhängigkeit endlich aufzugeben.

„Lasst ab, liebe Freundinnen, auch von dem Schwindel der Religion. Verbannt weit, sehr weit, all das, was euch wie Sklavinnen des 18.Jh. einen Halsstrick umlegt, der euch daran hindern soll, euren eigenen Weg der Vernunft zu gehen.“

Spanien hatte seine letzten Kolonien verloren. Als Ersatz sollte nun Nordafrika, vor allem Marokko, dienen. Im Kampf gegen die dort ansässigen Rif-Kabylen wurden nun mehr und mehr Reservisten gebraucht. Die Reichen konnten sich dabei freikaufen. Antikriegsdemonstrationen durchzogen daraufhin das ganze Land.

Am 26. Juni 1909 wurde in Barcelona der Generalstreik ausgerufen, der sich mehr und mehr zu einem Aufstand entwickelte. Der schon genannte Anselmo Lorenzo sprach sogar von einer „sozialen Revolution“, die dort nun ausgebrochen sei.

Mittendrin und nicht nur dabei: Teresa Claramunt, die mit anderen Frauen eine wichtige Rolle bei der Propaganda und den Barrikadenkämpfen übernahm.(Siehe Foto ganz oben)

Nach der Niederschlagung wurden 1700 Menschen verhaftet, 175 Aufständische sofort erschossen. Hingerichtet auch Francisco Ferrer, der die „Escuela Moderna“ gegründet hatte und während des Aufstandes überhaupt nicht in Barcelona war.

Auch Teresa wurde verhaftet, wieder eingesperrt und danach nach Zaragoza deportiert, wo sie die Bewegung von Aragon aufbaute, die sich unmittelbar nach Gründung der CNT 1910 dieser anschloss.

Die Verfolgung durch die spanische Regierung wurde härter. Katalonien wurde unter Kriegsrecht gestellt, Auftragsmörder der Fabrikbesitzer machten Jagd auf Anarchist*innen . Währenddessen wuchs die Zahl der Mitwirkenden in der CNT auf circa 1 Million an.

Teresa kehrte 1924 nach Barcelona zurück. Ihr Haus wurde nun zur Pilgerfahrt für jüngere Libertäre, u.a. die Gruppe „Los Solidarios“ mit Buenaventura Durruti .

Aber auch Max Nettlau und Emma Goldmann besuchten die durch die Haftbedingungen immer kränker werdende Teresa. Diese zog sich mehr und mehr vom Syndikalismus zurück, als sich die Gefahr des Reformismus immer deutlicher abzeichnete. 1929 nahm sie zum letzten Mal an einer Versammlung teil.

Ihre Krankheit hielt sie aus der Öffentlichkeit zurück. 1931 starb Teresa Claramunt. 50.000 Menschen nahmen Abschied von einer ungewöhnlichen Anarchosyndikalistin, die als spanische Louise Michel in die Literatur einging. In Barcelona tragen Plätze, Strassen und Schulen bis heute ihren Namen.

„47 Jahre Gefängnis, Exil, Arbeit, Enttäuschungen, Verfolgungen und Bitterkeit. Welche große Kraft dafür erforderlich ist. Dennoch dachte Teresa nicht daran, etwas Außergewöhnliches in ihrem Leben getan zu haben. Was immer auch geschah, für sie war das Leben und Erleben ihres Ideals Belohnung genug“ (Soledad Gustavo).

Originaltext: http://radiochiflado.blogsport.de/2012/02/16/die-spanische-louise-michel-ein-portrait-zu-teresa-claramunt/


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