Mujeres Libres - Neue Erziehung
Das Dringendste und Wichtigste im Erziehungsbereich ist im Augenblick nicht die Erziehung der Kinder, sondern Lehrer heranzubilden, die in der Lage sind, Kinder zu erziehen. Und um das zu erreichen, muß man einige klare und grundsätzliche Bemerkungen machen.
- Die Pädagogik, die für Wissenschaft gehalten wird, muß sich als Kunst verstehen. Sie muß sich auf jene innerliche und schöpferische Fähigkeit stützen, die Inspiration genannt wird.
- Die pädagogische Inspiration wird es dem Lehrer ermöglichen, in jedem Kind und in jedem Augenblick die lebendige Wirklichkeit zu entdecken, die sich bei jedem Kind und in jedem Augenblick ergibt.
- Es gibt keine rationalistische Doktrin, die so ausgezeichnet und unfehlbar wäre, als daß sie als höchste Vernunft allem kindlichen Denken auferlegt werden könnte. Im Kind steckt mehr.
- Der Lehrer mit Inspiration wird nicht die Kinder als abstrakte Größe lieben: er wird jedes Kind lieben. So wird er auch jedes Kind verstehen, wird von jedem Kind lernen und wird jedem Kind etwas beibringen können.
- Der gute Lehrer wird mit genauestem psychologischem Maß die Sensibilität jedes Kindes messen und wird dem Kind Mathematik vermitteln, das scharfsinnig ist und dem Musik, das weniger scharfsinnig und langsamer ist.
- Die unheilvollen äußeren Stimuli, wie Preise und Strafen, werden vermieden, ebenso der elendige Wettbewerb und die Rivalität beim sogenannten Wetteifern.
- In den Klassen sollen wenige Kinder lernen. Wenn es mehr als zehn werden, wird die pädagogische Arbeit durch simplifizierte mechanische Methoden und Tricks unfruchtbar gemacht.
Zusammengefaßt: Der gute Lehrer kann nur Lehrer sein. Er wird seine Mission als Gunst auffassen, und es wird ihn entsetzen, daß man sie auch als Beruf "ausüben" kann. Er wird an die Berufung glauben und wird sie auch fühlen.
"Mujeres Libres", 21. Woche der Revolution
Originaltext: Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.