Unser Durruti
Durruti fiel am 20. Dezember 1936, vierzigjährig, an der Front von Madrid. Die CNT und die FAI verloren in ihm ihren besten und tapfersten Kameraden. Sein Leben war das eines Kämpfers, eines Anarchisten. Als 20-Jähriger musste er schon wegen führender Teilnahme an grossen Streikbewegungen aus Spanien fliehen. Zurückgekehrt, nahm er an kühnen Aktionen gegen die Unterdrücker teil. Mit seinem Freund Ascaso, der am 20. Juli vor der Atarazanaskaserne in Barcelona unter den Kugeln eines faschistischen Maschinengewehres fiel, wurde er jahrelang durch die amerikanische und europäische Polizei von Land zu Land gehetzt. In Spanien und Argentinien war er zum Tode verurteilt.
Doch auch die Azaña-Republik verfolgte ihn unerbittlich. Als Arbeiter in der Fabrik, mitreissender Redner in Hunderten von Meetings und in unermüdlicher gewerkschaftlicher Kleinarbeit setzte er sich für den Anarchosyndikalismus ein. Auch in den Jahren nach 1931 brachte er den grössten Teil seiner Zeit in den Gefängnissen zu — verfolgt von den "linken" Regierenden Kataloniens und Spaniens, die die CNT, die einzige revolutionäre Kraft des Landes, zu vernichten bestrebt waren, während der Faschismus ungestört den Schlag vorbereitete, der am 19. Juli 1936 geführt wurde. Da aber zeigte es sich, dass die CNT und die FAI durch unendliche Verfolgungen und Leiden nicht geschwächt, sondern nur gestärkt und gehärtet worden waren. Sie schlugen in Katalonien den Faschismus nieder.
Durruti, obwohl damals krank, stand an der Spitze auf den Barrikaden Barcelonas. Als vier Monate später sein Leichnam durch die Strassen Barcelonas nach dem Montjuich gebracht wurde, wo er neben Francisco Ferrer und Ascaso ruhen soll, geleitete ihn das ganze katatonische Volk, seine einstigen Verfolger schritten hinter seinem Sarge zusammen mit den Hunderttausenden unserer, seiner Konföderation. Er war zum Helden eines Volkes geworden. Sein Name ist ein Symbol. Er war nur einer wie die zahllosen unbekannten Arbeiter der CNT. Er litt Verfolgung, hungerte und kämpfte wie sie. In der Stunde der grossen Gefahr für Alle wurde er zum Heros der allgemeinen Sache, wie die CNT und die FAI.
Durrutis Name ist das Symbol der Kraft, der moralischen Lauterkeit und der Siegesgewissheit des spanischen Anarchismus und Syndikalismus. Als die Nachricht von seinem Tode kam, war es den Kameraden, als ob alles seinen Sinn verloren habe, als ob das Leben ohne ihn nicht mehr weiter gehen könne. Es war die tiefe Erschütterung eines Volkes vor dem Tode eines Mannes, dessen Treue und Mut als das sicherste Unterpfand des Sieges gegolten hatten.
Dieser Schmerz aber konnte nicht zerstörend sondern nur produktiv wirken. Heute wissen wir alle: Durrutis Leben war gross und hat seine Erfüllung gefunden. Einen Helden soll man nicht betrauern. Und noch weniger, wenn das, was er war, was er verkörperte, etwas Über-Individuelles ist, das nicht sterben kann, sondern aus Verfolgung, Tod und Untergang nur immer gestärkt hervorgeht.
Durruti wurzelte in der CNT. Er war viel für sie. Sie aber bedeutete für ihn alles. Nur durch sie, nur als einer aus ihrer grossen, unerschöpflichen Menge war er, was er war. Und die CNT lebt, kämpft und geht ihren Weg, Durrutis Weg. Ihr gehört die Zukunft der iberischen Halbinsel, denn sie ist nichts anderes als die ungebrochene Vitalität eines freiheitsstolzen Volkes. Des ersten Volkes in der Welt, das sich gegen den Faschismus erhob. Unser Durruti ist nicht tot, er geht diesem Volke voran:
Ich bin die Flamme und ich bin das [Schwert.]
Ich habe euch erleuchtet in der [Dunkelheit.]
Und als die Schlacht begann.
Focht ich voran in der ersten Reihe.
Aus: Die Soziale Revolution Nr. 2, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.