Die spanische Revolution
Man spricht in diesen Tagen mit allzu grosser Beharrlichkeit über ausländische Einflüsse in Verbindung mit der spanischen Revolution. Einige sagen, dass den demokratischen Grossmächten die soziale Form missfällt, die unser Aufbau von Tag zu Tag in stärkerem Masse zeigt. Die faschistischen Kräfte führen das Argument ins Treffen, dass Spanien sich in ein Land mit kommunistischer Wirtschaft verwandelt und sie fügen hinzu, dass sie die Errichtung einer kommunistischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel nicht zulassen würden; als ob es möglich sei, so ohne weiteres über das Geschick eines Millionenvolkes zu bestimmen.
Dasselbe wie heute sagten während der russischen Revolution die demokratischen Länder und die absolut regierten. Alle waren darin einig, die abenteuerliche Intervention des General Wrangel zu unterstützen, genau so, wie sie heute direkt oder indirekt den "condottiero" Franco unterstützen.
Die kapitalistische Plutokratie kommt nicht weiter. Von der französischen Revolution bis auf unsere Tage hat sie nichts weiter getan, als sich jeder Art von Fortschritt zu widersetzen, Heere zu schicken, um absolute Regierungen hinzusetzen, um schliesslich doch den Völkern den Weg zur Freiheit freizugeben. So schickten sie im Jahre 1823 eine Expeditionsarmee, die unter dem Namen der "Hunderttausend Söhne des Heiligen Luis" bekannt ist, die quer durch die ganze Halbinsel vordrang, bis Cádiz kam, dort ein absolutisches Regime errichtete und Ferdinand VII. aus den Händen der rechtmässigen Cortes freikaufte. Zehn Jahre stupidester Tyrannei; die ausländische Einmischung brachte Spanien den Ruin und das Elend.
Aber schliesslich setzte sich doch eine liberale verfassungsmässige Regierung durch. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich diese Geschichte mit mathematischer Exaktheit immer wiederholt; und immer musste man dem Volk den Weg zu seinen revolutionären Zielen freigeben, nachdem man es durch den wirtschaftlichen Ruin und durch Ströme von Blut geführt hatte. Das war der Fall mit Russland, als das Söldnerheer besiegt war, das die europäische Plutokratie bezahlt und das Wrangel zur fürchterlichsten Katastrophe geführt hat. Heute spielt Franco die gleiche internationale Rolle in Bezug auf Spanien. Das Ende wird ein definitives Desastre sein und zugleich wird die spanische Revolution weitergehen, nachdem man den Boden der Halbinsel mit Leichen besät hat.
Je mehr die Entwicklung in ein Endstadium tritt, das schon vorauszusehen ist, um so mehr suchen die europäischen Nationen- und unter ihnen besonders die grossen Demokratien- eine Lösung der spanischen Frage zu bringen, die völlig unannehmbar ist. Man will dasselbe Regime einsetzen, das vor der Erhebung bestand und das uns durch seine Unfähigkeit den Bürgerkrieg gebracht hat. Es ist sinnlos zu glauben, dass es möglich sei, die revolutionären Tatsachen ungeschehen zu machen, die die Folge des 19. Juli sind.
Die Revolution geht weiter und das Beste ist, es ihr zu überlassen, das iberische Problem zu lösen, wie es die Psychologie unseres Volkes verlangt. Jede andere Lösung ist unwürdig und bedeutet eine Einmischung in die spanischen Verhältnisse im Sinne der alten Politiker, die ebenso unfähig wie unbeliebt sind, und von denen wir hier nie wieder was hören wollen.
Sie sollten sich klar werden, dass sie die Verantwortung für fünf Jahre bürgerlich-republikanischer Politik tragen und von selbst abtreten, um den Weg neuen Männern und Einrichtungen freizugeben, die zur Schaffung eines revolutionären Spanien führen, im Einklang mit den Idealen des Volkes. Wenn man wünscht, dass Spanien in Zukunft eine politische und geografische Einheit sei, eine Nation, die ihr Teil zum Frieden und Fortschritt Europas beiträgt, so gibt es nur eine mögliche Lösung: Spanien die Möglichkeit zur unbehinderten Verwirklichung seiner Ideale zu geben und aus der Revolution eine ausgesprochen spanische Sache zu machen. Jede Revolution trägt den Namen des Volkes, die sie macht. Unsere wird die spanische heissen und sie wird spanisch sein in jeder Hinsicht.
Man hat versucht die französische Revolution zu plagieren; aber das liberale Spanien im französischen Stil des vergangenen Jahrhunderts endete mit einer Tragikomödie. Man vergoss sinnlos unendliches Blut in inneren Kämpfen, und Spanien war zum Schluss eine zerstückelte Nation, eine Ausnahme unter der Völkern Europas und seine Dekadenz wurde zur permanenten Erscheinung.
Dieses Mal sind wir entschlossen, unsere Revolution zum glücklichen Ende zu führen; diesmal sind wir fest entschlossen, aus ihr das zu machen, was nach dem Willen unseres Volkes und im Sinne der Geschichte unseres Landes sein muss: die spanische Revolution.
Aus: Die Soziale Revolution Nr. 9, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ae zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.