Über Kinder, Erziehung und Geschlechterrollen
Es soll sie tatsächlich geben, die Mütter, Väter und Kinder in der Szene. Eine Auseinandersetzung um dieses Thema findet in gemischten Zusammenhägen meist leider nicht statt bzw. nur aus einer eigenen Betroffenheit der Frauen. "...viele beschissene Erfahrungen von Frauen, trotz guter Absichtserklärungen von Zweiten und Dritten, letztlich alleine für das Kind verantwortlich zu sein." (swing Nr. 14, S.22). Dies alleine ist schon bezeichnend (für uns Männer). Unserer Meinung nach greift die ganze bisher angeschnittene Diskussion, so auch in der swing Nr. 14, zu kurz bzw. es wird vieles vermischt. Wir werden versuchen, die verschiedenen Komplexe deutlich zu machen.
1) Patriarchat
In allen heutigen Gesellschaften wird vom Mann als Orientierung ausgegangen. Die Frau gilt als Anhänglsel, hat in der Regel nicht mal in ihren geschlechtsspezifisch zugewiesenen Räumen eine Autorität. Selbst über ihren Körper soll verfügt werden.
Die meisten Analysen in unserem Sumpf sehen die Frau auch nur als Objekt der kapitalistischen Ausbeutung, sprich Reproduktionsarbeit und Arbeit:"Der Akt der gesellschaftlichen Vernichtung der Frau ist allerdings ein doppelter: der Zwang, der aus Gesellschaftsarbeit unsichtbare Frauenarbeit macht, setzt sich fort in der radikalen Entwertung dieser Arbeit." (RZ's 2/89). Die Ungleichheit was Bezahlung, Jobqualifikation, einstellung etc. auf der einen Seite, die Hausarbeit "Erziehung", sexuelle Wiederherstellung auf der anderen Seite betrifft, ist unserer Meinung nach eine Abwertung, reduziert Menschsein auf Objekt und Arbeit. Kultur und Sexualität von Frauen als zwei Beispiele weiterer Unterdrückung. Es gibt gerade hier schon seit Jahren Ansätze eine eigene, wenn auch nicht selbstbestimmte (im Kapitalismus und Patriarchat unter den momentanen Bedingungen ein nicht erfüllbarer Anspruch) Vorstellung zu konkretisieren. Auffallend ist die Subjektivierung, die Bestimmung als Frau, sich nicht in die männergeschaffene Ökonomieanalyse einpressen zu lassen.
Dies als Ansatzz für unseren Umgang mit der Enntmischung im Großen. Zugegeben etwas platt und oberflächlich, aber da es hier schon eine breitere Diskussion gibt, "übergehen" wir diese Grundlage (!).
Was uns beim Durchsehen unserer Ordner auffiel, ist das Verharren der Autonomen in der Vergewaltigungsdiskussion, was natürlich als gesamter Eindruck gilt. Wenige Papiere bringen die Knackpunkte an die z.T. derbe patriarchale Oberfläche. (Empfehlenswert der Wiener Infoladen-Reader 8/89).
Diese (notwendige) Diskusssion reduziert das Patriarchat und deren gesellschaftliche Dimension aber auf eine "offene" Form der sexuellen Gewalt. Die Konsequenzen dieser Diskussion sind immer noch sehr individuell.
Dies alles bezieht sich auf gemischte (!) Zusammenhänge. Eine Verbreiterung, geschweige denn Wirkung der Diskussion ist kaum zu sehen (Ansätze in der letzten Ausgabe des anarchistischen Magazin "Projektil" aus Münster). Und hier kommen wir zum Thema zurück.
2) Sexualität
Dieses Thema ist kein Thema, jedenfalls nicht in unseren Zusammenhängen. "Ja, wir haben eine Sexualität", "aber das ist ein ernstes Thema", "so einfach läßt sich nichts dazu sagen". Wir schneiden hier uns aufgefallene Punkte an. Unsere Orientierung, was Sexualität betrifft, holen wir uns in jungen Jahren in der Regel von Freund/inn/en und aus den Medien. Neugierde und Unwissenheit führen oft zum Frust und schmerzhaftem Erwachen in den ersten (und oft folgenden) Liebesnächten. Aus einem zärtlichen und lustvollen Akt, der es sein könnte, wird auf Dauer eine Sportleistung.
Auch hier gilt der Mann und seine Wünsche als Orientierung. Die Gefühls-und Lustwelt der Frau wir übersehen, die Machthaber erkennen diese Zerstörung nicht, die Wirkung ist uns nicht klar. Aus Gesprächen und eigener Erfahrung wirssen wir, daß Menstruationsblutungen und ihre Gründe nicht ernstgenommen bzw. als Krankheit gesehen werden. eine Verwertung kann nicht stattfinden oder der liebvolle Mann zeigt wahres Verständnis. Dies als normal und gegeben zu sehen, ist durch Tabuisierung immer noch weit weg.
Sexuelle Enttäuschungen werden selten geklärt bzw. ausgetauscht. Das zweite "Versagen", der männliche Orgasmus, trifft auf Verständnis, das gewöhnliche erste "Versagen", der (nicht stattfindende) weibliche Orgasmus auf Nichtbeachtung, Hilflosigkeit und Angst.
Homosexuelle und lesbische Beziehungen werden aus der geschürten Angst, aus der Uninformiertheit und Verdrängung, aus Vorurteilen und vielem mehr verhinderst. Diese Form des Lebens mit ihrer Form von Sexualitäät soll und darf es nicht geben. (Wir haben kaum Materialien zum Befreiungkampf von Schwulen und Lesben gefunden und uns auch zu wenig darum gekümmert. Wenn ihr uns hier Material oder Empfehlungen schicken könntet, wäre es toll.)
Die meisten in AnarchistInnen-/Autonomen-Szene ziehen gemischt-geschlechtliche Nächte (oder Tage) vor. Die Verhütung ist weiterhin Frauensache. Dieses und unser Anspruch im direkten Kolissionskurs. Die Bedingungen im Trikont (siehe e.colibri), was die Verantwortung für Verhütung betrifft, läßt die schweigende Männerkumpanei mit der Gummi-Alternative deutlich werden. Sterilisation von Männer, leicht begrinst, oder die "Züricher Schrittversuche", also Ansätze einer anitpatriarchalen Verhütungsdiskussion sind bisher auf massiven (das ist auch Ignorieren) Widerstand gestossen. Aufklärung, Medien, Werbung, PorNos, Psychologie, Aids, Verhütung, Knast usw. sind gesamtgesellschaftliche Themen. Eine Diskussion in unserer Szene hätte genug Ansatzpunkte eine Utopie zu konkretisieren.
3) Abtreibung
"Es ist die Sache der Unterdrücker die Dynamik ihrer Unterdrückungsmethoden zu kapieren und nicht Sache der Unterdrückten, ihnen das beizubringen." So Ed Head, Gefangener aus der Georg Jackson Brigade (in "Antisexistiche Schrittversuche" 1/87 Zürich). Dieses Zitat trifft die ganze antipatriarchale Diskussion, aber keinen Punkt so klar. Eine mehr oder weniger lustvolle Nacht ohne (selten - aber auch mit) Verhütung, egal ob one-night-stand oder Beziehungskiste, hat eine Schwangerschaft zur Folge. In der Regel kratzen die Typen, nicht ohne Überredungsversuche - ein Hammer für sich - und ohne irgendwelche eigene Gründe offenzumachen, die Kurve. Wenn ich als Mann mit einer Frau schlafe ohne (mit) Verhütung, muß ich mir über die "Folgen" klar sein! Hier gibt es kein wenn und kein aber!!!
Eine Abtreibung geht nicht einfach so. Gesellschaflicher Druck allgemein, der Druck von "Freund/inn/en", druch Ärztinnen, die "Beratungen", das Krankenhaus, Ängste, Tabuisierung, Unverständnis etc. schaffen eine ständige Belastung. Die Frau wird zum verantwortungslosen Subjekt, der Spermienschleuderer ist kein Thema mehr.
In einer (unerwünschten) Schwangerschaft, bei einer Abtreibung kann der Mannnur, falls erwünscht, die Frau nach Möglichkeiten unterstützen. Dies gehört zur Klarheit und Verantwortung vor einem "Geschlechtsakt". Er hat danach kein Mitspracherecht. Diese Nichtthematisierung durch uns so autonome Männer unterstützt indirekt die momentane konservativ/faschistische Offensive.
Selbstbestimmung der Frau, Möglichkeiten und Abtreibungsarten, Justiz und Gesetze, Verantwortung und Verbindlichkeit mit Konsequenzen etc. sind gesamtgesellschaftliche Ansatzmöglichkeiten (siehe Punkt 3) Ende).
Was ist nun, wenn Frau Mutter werden möchte?
4) Kinderwunsch und Geburt
"Gibt es nicht auch so etwas wie einen Kinderwunsch? Finden wir nicht Kids einfach toll?" (Interim Nr.45). Woher kommt / was ist der Kinderwunsch? Warum sind Kids einfach toll? In dieser Gesellschaft sind Kids Stammhalter (Bangla Desh ist nur die Spitze des Eisbergs), Dressur-, Prestige (Gruß an die "fortschrittlichen" Yuppieschweine)- und Aggressionsobjekte. Ein/e kleine/r Klassenkämpfer/in? (Zur Erziehung kommen wir später). Siehe auch Swingf 14, S.23 II. Projezieren nicht wir Verwaxenen Wünsche und Hoffnungen, aber auch Ziele in das Kind? Wollen wir nicht alles besser machen als Papa und Mama? Einsamkeit? Eine Aufgabe?
Da Kind wird schon sofort nach der Geburt in einen, wenn auch autonomen Käfig gesperrt. "Wir behaupten daher, daß die Kategorisierung (z.B. Alte, Kranke, Behinderte, Ausländer, Kinder) zur Aussonderung von bestimmten Lebensbereichen führt, die das "Kind" z.B. in Normen zwingt, die nicht die eigenen sind!" (Thesen der (Anti)Pädagogik Arbeitsgruppe des FLI). Wenn es anders wäre, würde diese Diskussion sichtbar sein. Eine Autonomie ist überhaupt nicht vorstellbar, so scheint es. Frau und Kind werden ihren Rollen zugewiesen, "so endet die Körperarbeit der Frau nicht an den inneren Grenzen ihres Leibes, die Abnabelung alleine macht aus dem Neugeborenen keineswegs ein unabhängiges, lebensfähiges Geschöpf." (RZ's 2/89). Oh, doch (siehe ansatzweise hierzu z.B. Antipädagogik im dialog , v. Schoenebeck, S.64 ff). Hier schreiben die RZ's eine Frauen- und Kinderrolle fest. Ein Gör, daß Hunger hat, in Arm will oder kacken muß, tut's oder erhebt seine/ihre unüberhörbare Stimme. Egal ob Mann oder Frau, es überlebt gesund mit einer Bezugsperson, wie die feministische Geschichtsforschung herausgefunden hat.
Zurück zur Ausgangsfrage: Der Kinderwunsch (hierzu auch v. Braunmühl, Antipädagogik). Was ist das? Dieses zu klären, ist mehr als wichtig, da es ja bekanntlich einschneidende Folgen hat. Aus "wahren Anarchist/inn/en" werden kriegerische Verwaxene. Der Kampf der Kinder ist grausam, wir Verwaxene sitzen immer am längeren Hebel. Unsere spontanen Gedanken dazu: "Die eltern sollst Du ehren und achten, aber wenn sie dich quälen, sollst Du sie schlachten!"
Auf den Geburtsvorgang in der Klinik, zu Hause etc. gehen wir nicht ein, sehen hier aber einen weiteren erwähnens- und diskussionswerten Punkt (mit allen Aspekten und Konsequenzen z.B. Gefühle, Forschung, Wirkung...)
Gesellschaftliche Aspekte sind der Kinderwunsch, das Interesse der Herrschenden (von hell-braun über rosa-rot bis grün), Forschung von Geburtsmöglichkeiten, Familie, Verfügungsgewalt etc.
Jetzt schauen wir uns die Szene mal an.
5) Szene und Kollektivität
Wenn nun ein Gör da ist, haben der Mann und der größte Teil der Szene die Kurve gekratzt. Das Kind und alles, was damit zusammenhängt, wird zur Frauensache. Es ist schon eher die Ausnahme, wenn der beteiligte Mann das Gör zwei Tage die Woche beherbergt und verpflegt. In dieser Zeit ist die WG entweder höllisch genervt, schon völlig resigniert oder bei Freund/inn/en bzw. bei den Eltern. Falls die Frauen überhaupt noch zur Szene gehören.
Wenn in der Interim Nr. 45 steht "Jeder "verantwortliche Familienvater" versucht wenigstens, sich genauso um die Erziehung seiner Kinder zu kümmern.", dann ist das eine Hoffnung, hat aber nur eine geringe gesellinschaftliche Richtigkeit, gleiches gilt mindestens für die autonome Szene. In der Regel erzieht (unterdrückt) die Frau/Mutter. Sie bekommt noch Vorwürfe und Schuldzuweisungen für nichtgebilligte Verhaltensformen des Kindes, ihn interessiert höchstens ein (meist rollenspezifischer) Werdegang...
Zurück zur Szene. M. French schreibt in "Jenseits der Macht", daß es keine biologische Mutterschaft gibt und außerdem wäre es nicht bewiesen, daß "die ausschließliche Fürsoge der Mutter für Kinder besser ist als die Fürsorge einer Gruppe." (S. 853). Daß E.L. im Projektil Nr. 5 zum Schluß kommt, "daß es eigentlich weder Mütter noch Väter gibt, sondern nur schwangere Frauen und Bezugspersonen", wird durch die Geschichte bewiesen.
Wie sieht unsere Lebenssituation aus? In der Regel Einzelwohnung bis Vier-Zimmer-WG's, außerhalb arbeiten. Hier kann unserer Meinung nach höchstens von ersten kollektiven Schrittversuchen gesprochen werden. Wie in der Swing Nr. 14 steht, ist vieles bei uns eher "hohle Phrase. Wo die Annäherung im Alltag an kollektive Prozesse mit tausend Gründen verhindert wird, weil viele (un)ausgesprochene 'Wenn`s und aber`s' 'kollektiv' akzeptiert werden" (S. 25). Hier wird deutlich, daß eine Thematisierung unserer Lebensform(en) mit ausdrücklicher Einbeziehung von Kids, Alten, Behinderten... notwendig ist. Weiter ist die (immer wieder geforderte) Genauigkeit und das Aufeinanderbeziehen nötig. Fragen könnten sein: Materielle Organisierung, Umgang mit Kids..., Anzahl der Mitbewohnerinnen, Entmütterlichung und Perspektiven (Kinderläden?), Verantwortung aller, Wohnform (Haus, Bauwagen...) Tagesorganisierung, Arbeit, Bezugspersonen... Hier wird deutlich, daß wir aus einem bürgerlichen Rahmen unserer Kleinfamilien-WG ausbrechen würden. Dieser Ansatz hat aber u. U. auch eine breitere Wirkung: Volxküche, Perspektive gelebt, Kindergärten/läden und Entinstitutionalisierung, Arbeit(sentlastung), antipatriarchale Aufgabenteilung, Kindautonomie... und Schutz.
Diesen letzten Punkt möchten wir noch genauer erklären. Je mehr Leute verantwortlich auf einen Haufen wohnen, desto einfacher kann die Alltagsorganisierung werden. Der Schutz vor Angriffen aller Art, die Nähe und die Gesprächs- und Machmöglichkeiten sind viel größer. Kids haben mehr Bezugspunkte, die Welt um sie ist lebendig und groß, nicht fixiert. Dies mal so als Gedankenansatz.
6) Sexualität und Kids
Wieder kein Thema für uns. Hier gilt gleiches wie bei den Verwaxenen. Da sie aber so sind, wie sie sind, ist es ein Thema. Die Gründe liegen in der Sozialisation, Medien, Schweigen, Männermacht... Alles bedingt sich. Beim Schweizer Sorgentelefon klingelte innerhalb von 59 Tagen 1000 mal das Telefon. 140 mal war das zweitmeiste genannte konkrete Problem die Sexualität. Rechen wir noch Inzest dazu, ist es mit insgesamt 17,2% das größte Problem (entfant t. Nr. 11/89). Die Dunkelziffer beim Letztgenannten ist weit höher. Ein noch tabuisiertes Problem. Kids werden sexuell bedroht und gequält, zu 90% Mädchen (wir wehren uns gegen die Begriffe "Mißbrauch/Mißhandlung" durch Verwaxene, weil dann gäb's ja auch eine(n) gute(n) sexuelle Behandlung (bzw. Gebrauch)!). Die Möglichkeiten und Hilfestellungen für die offengemachte oder entdeckte Quälerei sind durch Broschüren der Frauen-/Mädchen- und Notrufgruppen schon ausgiebig behandelt. Hier geht es jetzt um Öffentlichkeit und Perspektiven. Eine ausschließliche und frühe Vorbeugung ist in dieser Gesellinschaft schwer vorstellbar. Bücher, Broschüren, Filme, Parteilichkeit, Vertrauen, Theater etc. können es den Kids vereinfachen, offen zu reden und zu verarbeiten. Ein grundsätzliches Ziel "Kinder in ihrem Selbstbestimmungsrecht und ihren Selbstverteidigungsfähigkeiten zu stärken, ..." (Graswurzelrevolution Nr. 1/90, anarchistisch-pazifistische Zeitung) ist ein erster Schritt, das Ziel sollte eine Haltung sein, "die Wünsche und Forderungen der Kinder als gleichberechtigt akzeptieren" (Graswurzelrevolution). Selbstbewußtsein und Autonomie sind der beste Schutz!
Warum dies so ausführlich? Wir denken, daß dieses Thema endlich in der Szene, und möglichst genau und klar, diskutiert werden sollte, bevor wieder ein derber Anlaß da ist. In diesem Zusammenhang liegt uns der "konkret"-Artikel (die "Hör Zu" der Radikalen Linken) 3/89 (auch in Interim Nr.44) immer noch im Magen. Es handelt sich um Pädophilie - die (sexuelle) Zuneigung Verwaxener zu Kids und Jugendlichen. Er geht ganz gut auf die strukturelle Gewalt gegen Kids ein und kritisiert zu Recht die juristischen Gegebenheiten. "Deshalb ist die generelle Strafandrohung für pädophile Handlungen nicht zivilisiert zu nennen, sie ist Unrecht, sie ist Verfolgung von Minderheiten, und sie gehört abgeschafft," (konkret). Hier tauchen Fragen auf, wir sehen auch immer den patriarchalen Hintergrund. Wie sehen die Kids dies, wie bewerten sie ihre ehemaligen Beziehungen danach? Werden nicht Tor und Tür für die Großen geöffnet? Wer/welche will hier werten? Welche Unterschiede bestehen zwischen Mann-Frau+pädo. Wunsch? Uns mißfällt auch der Begriff "zivilisiert". Kids sind, egal wo, durch ihre Situation (Ausreiserin, Trikont) zur Pädophilie (Kohlebeschaffung) u.U. gezwungen. Dies wird ausgenutzt. Strafe ist sowieso nur Herrschaftsabsicherung.
Diese Frage u.a. sind versuchte Schritte zu einem heiklen Thema. Es interessiert uns keine objektive Darstellung, wie es sein könnte, durch uns (un)betroffene Große. Die Realität ist zu ergründen.
Eine breitere Relevanz ist deutlich:"Aufklärung", Sexualität, Medien, Justiz, Quälereien und Vergewaltigung von Mädchen und Frauen, Pädaophilie... (Leider zu "spät" bekamen wir einen neuen Antipatriarcharchatsreader aus Köln, der u.a. auf Männersexualität und Folgen eingeht. wir empfehlen ihn hier auf's heftigste).
7) Sozialisation, Erziehung und Pädagogik
Es ist schwierig diesen Komplex in Kürze darzustellen. Wegen seines Umfanges unterteilen wir nochmal: a) geschlechtsspezifische Erziehung/Sozialisation, b) Erziehung c) Pädagogik
a) Die geschlechtsspezifische Erziehung beginnt bei der Geburt
Mütter, die "bestenfalls wegen der anerzognen Fähigkeiten besonders qualifiziert ist (sind) für die Kindererziehung" (U. Scheu "Wir werden nicht als Mädchen geboren", Ffm 1983, S. 72), üben ihr (unbewußtes) patriarchales Handwerk ab der Geburt aus. (Die Grundlage für die folgenden Aspekte ist eine Hausarbeit zweier Frauen "Aspekte der geschlechtsspezifischen Sozialisation", Fachhochschule Hildesheim, März 1988. Alle Aspekte stützen sich hierauf.)
Mütter nehmen ihre drei Wochen alten Jungen im Durchschnitt 27 Minuten länger aus dem Bett und in den Arm. Sinnesreize werden in den ersten Monaten durch die Haut aufgenonmmen. Hier werden also Tastsinn und Bewegungsempfindungen der Mädchen schon geringer "gefördert". Diese geringere Stimulanz wirkt sich auf die Lebhaftigkeit aus. Mädchen sind eher passiv. Auch wird den Jungen beim Stillen ein eigener Rhythmus zugestanden. Mädchen werden zur Schnelligkeit angehalten. Im Alter von zwei Monaten dauert sie 20 (!) Minuten länger. Der Beginn der Sauberkeitserziehung beginnt bei Mädchen im 5. Monat, bei Jungen drei Monate später. Dies reicht als Einblick. Hieran wird deutlich, wie tief patriarchale Erziehung sitzt. Es ist ein wichtiger Bruchteil der Sozialisation. Wir haben diesen Punkt weiter ausgeführt, weil um uns herum eine große Unwissenheit ist, über die Unterschiede zwischen den verschiedenen Behandlungen bei Mädchen und Jungen.
Werbung, Medien, Schule, Druck durch Freund/in, Verwandte etc. spielen eine nicht unbedeutende Rolle. (Wer/welche kennt die "Bravo" nicht?) Ilse Brehmer schreibt in "Inspektion der Herrenkultur" (Hrsg. C. F. Pusch: "Die Fixierung auf das Persönlichkeitsbild eines autonomen Mannes läßt die Entwicklung von Mädchen nur als Rand- oder Sonderproblem zu." So weit, so schlecht.
b) Erziehung
"... nichts nötiger brauchen als eine Mutter und nur eine, die alles das wieder gut machen kann, die Schutz und Sicherheit gibt, durch die alle schlechte Erfahrungen kompensiert werden können." (Swing Nr. 14). Hieran wird unserer Meinung nach schon vieles deutlich. Was früher rausgeprügelt wurde, wird heute weggeliebt. Die Wirkung ist genauso qualvoll, hierarchisch und entmutigend. Kids sind doof, verstehen nichts und können Erlebnisse nicht verarbeiten. Mütter müssen ihre Kids erziehen, ist dann eine liebevolle, verständliche und hoffnungsvolle Konsequenz.
Wir fragen uns häufig, warum die Bevölkerung, darunter auch der große Teil der Szene, so "führer/in/hörig" ist, warum so wenig Selbstverantwortung, Selbstbewußtsein, aber auch Konsumdenken und soviel Bequemlichkeit (enger Horizont) da sind. Einer, wenn nicht sogar der wichtigste Punkt, ist die Erziehung. Als Kids wird uns gelehrt, Autoritäten zu gehorchen, da sie immer Recht haben. Selbst wenn's anders sein soll, gilt dies. Die Gefühle, die Gegenbeweise zählen erst einmal nicht. So nach dem Motto "ich weiß besser, was gut und richtig ist". Hieraus entsteht logischerweise eine Verwirrung des "kleinen" eigenen Inneren. Mit der Zeit wird aus dem Selbstbewußtsein, aus dem tiefen Ich ein Schlachtfeld. Orientierungslosigkeit und Vereinsamung (verstärkt durch Kleinfamilie und Wohnisolation) führen zum Blick auf "Führer/innen", auf Leute, die den Durchblick haben, die anbieten, meine äußerlichen Widersprüche (Wohnung, Arbeit, Kohle) zu lösen, und wo wir hoffen, damit auch das Innere zu klären. Die Verantwortung für mich tragen die Autoritäten, denn die wissen ja besser Bescheid. Dies lernen wir von Kind auf. Nicht meine Entscheidung als Kind ist wichtig, sondern was der/die Verwaxene will; nicht was ich tue, ist wichtig, sondern wie es die Großen bewerten; nicht das, was ich mache, ist wichtig, sondern ob der/die Herrscher/in dies gut findet. Belohnung und Bestrafung. Die Grenzen des Erlaubten können auch unendlich sein (antiautoritär), aber dann lerne ich, daß die Großen sich nicht ernst nehmen, sich quälen lassen von mir als Gör etc.
H. Giesecke erkannte 1969, noch als Erzieher: Erziehung impliziert (beinhaltet d.T.) immer ein Gewaltverhältnis von Menschen über Menschen...". "Ich weiß besser, was für dich gut ist" Leitspruch des Imperialismus, des Patriarchats, des (Staats-) Kapitalismus und jeden Staates - Leitspruch der Erziehung.
Es ist konsequent, daß Erzogene in der Regel später selbst erziehen. Dies in Kürze. Es ist hoffentlich deutlich geworden, was Erziehung ist - Mord an Lebendigen!
c) Pädagogik
Früher Kinder- und Knabenführung, heute die wissenschaftliche Absicherung von Kontrolle und Dressur. Sie umfaßt Erziehung und Bildung, Philosophie davon und ihre Geschichte. (Das letzte ist immer gut, sehen wir doch, wie weit wir heute sind!) Pädagogik ist der Versuch, Vorgänge zwischen Männer und Frauen zu versachlichen, Kriterien und Antworten zu finden. Sie ist Profilierungsfeld der Erwaxenen auf den Körpern ihrer Kids (Versuchskarnickel!). Ihre Grundlage ist eine zu formende Noch-Unperson -das Neugeborene!
Die Alternative zu den großen Pädagogik-Strömungen dienen der weiteren Herrschaftsabsicherung und sind Ausdruck der bürgerlichen Gesellinschaftsströmungen. Sie möchten sich ja auch ausleben, und nach 20/30 Jahren Unterdrückung möchte ja auch ein/e Grüne/r ein bißl mächtig sein.
Aber auch ein Großteil der Antipädagogikvertreter/innen sind inkonsequent. Ihr reduzierter Blick auf Nicht-Erziehung von Kids ist eine Verlogenen und meist defensive Inselmentaltität.
Eine konsequent anti-pädagogische und gesamtgesellinschaftliche offensive Herangehensweise mit einer libertären Perspektive (Schule und Entschulung, Unis, Lebensisolation, Kinderselbstbestimmung, "Rechte" etc.) ist eine individuelle Veränderungsmöglichkeit, aber auch ein Kampf der Unterdrückten gegen die Herrschaft. Die Praktizierung/Umsetzung ist heute möglich! Die Auflösung der Hierarchien Kinder, Alten, Behinderte etc. ist ein wesentlicher Punkt.
8) Institutionen
Vom Kindergarten über Schule, Ausbildung bis Uni, Büros und Betrieben wird unterdrückt. Aus mutigen kleinen Rebell/inn/en werden angepasste Erzieher/inn/en oder sie fallen unter den konsumgesellinschaftlichen Tisch. Wenigen gelingt es ihr Selbstbewußtsein und ihre Gefühlswelt zu bewahren (unsere Autonomie ist meistens nur eine Verneinung unserer Eltern, der Erziehung und Schule und die bekämpfen wir oft in Form von Bullen auf der Straße). Innerinstitutionelle Konkurrenz, Bewertungen, Zwänge bauen ein Heer von Masken auf. Wir sollen oft zu Objekten einer sadistischen Einpressung in die so gehaßte Ellenbogenschaft werden.
"Wir brauchen keinen Streß, keine Gehirnwäsche, keine Lebens- und keine (Welt)Muster, sondern lernen die Sachen, die wir wissen wollen von unseren Freunden, mit denen wir freiwillig zusammenleben" (Indianerkommune Nürnberg, Flugi 10/87).
Der Pädagogikbereich und deren Institutionen (dazu gehört auch die Lehre oder Erziehung zu sozialer Kontroll-Blockwart/wärtin/mentalität) haben sich kaum verändert. Daß z.B. die Sozis jetzt getrennt-geschlechtliche Schulklassen wegen der Chancengleichheit befürworten, ist Klitterung. Es geht weiterhin um die maximale Ausbeutung menschlicher Ressourcen.
Innerinstitutionelle Veränderung (die ihnen eigene Struktur und Bürokratie und die vermittelten Inhalten) sind fast unmöglich und nur mit einer Masse Leute zu bewirken. Hier ist es einfacher, gleich den Überbau zu kippen, um gemeinsam die diskutierten und ausprobierten eigenen Sachen aufzubauen. Denn Institutionen schaffen durch staatliche Vorschriften und Wert- und Normenvorstellungen auf Dauer Zwänge und Erwartungen, was in der Regel zur Distanzierung, Ängsten, Konservierung, Sicherheitsdenken, Machtansprüche etc. führt.
9) Mittel
Ob Kinderbücher, ob Schulbücher, ob Sportunterricht oder Klassenarbeiten immer wird sich am Mann orientiert. Ausnahmen sind die "frauenspezifischen" Aufgaben, die zu Ende gedacht aber auch nur unterstützend dem patriarchalen Gebilde dienen.
Spielzeug, Freizeitangebote, Diskussionen, Zeitungen, Werbung, TV und Bücher: in fast allem wird eine Rolle festgelegt, die Mittel sind dem angepaßt. Es geht nicht um gleichmachende Mittel oder Mann/Frau-Gleichheit, sondern um die vom Kapitalismus produzierten Mittel, dies zu festigen und auszubauen. Es geht uns darum, die Geschichte der Unterdrückten zu entdecken, um neue (alte) Mittel zu finden, eine nicht-leistungsorientierte und antipatriarchale Gesellinschaft wenigstens ansatzweise zu konkretisieren. Literatur von und für Verwaxene je nach Interesse gibt's genug. Warum sollte es nicht in allen Bereichen möglich sein?
Dies Papier wurde 1993 von zwei Autoren in Kiel geschrieben und veröffentlicht.
Originaltext: http://www.anarchismus.de/paedagogik/erziehung.htm