Moderne Sklaverei. Zeitarbeit - Beschäftigungsform von morgen?
Zeitarbeit ist ins Gerede gekommen: Nicht zuletzt durch die Weltausstellung EXPO2000 in Hannover und die Art und Weise, wie eines der größten Unternehmen der Branche - Adecco - dort mit seinen Beschäftigten umsprang.
Dennoch: Die Zeitarbeit boomt! Seit Jahren wächst der Riesenkuchen, von dem sich immer mehr, meist mittelständische Unternehmen, ein Stück abschneiden wollen. 12, 3 Mrd. DM setzte die Branche 1999 in Deutschland um (1998: rund 9 Mrd. DM). Bis zum Jahr 2005 wird sogar noch eine Verdreifachung des Umsatzvolumens von 1998 erwartet!(1)
Noch ist die Branche zersplittert: Bislang nahm die Zahl der "Verleiher" ständig zu. Seit 1990 gab es einen Zuwachs um rund 80% auf 4.375 Firmen.(2) Aber der Kampf um die Aufteilung des Marktes tobt heftiger denn je. Mit Fusionen und Übernahmen versuchen sich die Großen gegen ihre Konkurrenz zu behaupten. Erst im Januar 2000 schluckte das weltweit drittgrößte "Personaldienstleistungsunternehmen" der Welt, die Randstad Holding (mit Stammsitz in den Niederlanden), die Kölner Firma "Time Power", die zusammen mit der deutschen Tochter "Randstad- Zeit- Arbeit" zu "Randstad Deutschland" (derzeit Branchenführer in Deutschland) verschmolz. Im gleichen Jahr übernahm Adecco die "Olsten Corporation" und baute damit ihre Position als weltweite Nr.1 aus. In Deutschland wurde Adecco das zweitgrößte Zeitarbeitsunternehmen. Mit der Beteiligung an der EXPO 2000 wollte es seinen hiesigen Marktanteil von 6% nochmals vergrößern.(3)
Doch im Gegensatz zu anderen Branchen gehen Fusionen von Zeitarbeitsfirmen nicht mit Job-Verlusten einher. Im Gegenteil: Auch die Zahl der Leihjobs wächst stetig. 243.390 Frauen und Männern waren laut Bundesverband für Zeitarbeit (BZA) 1999 fest als Zeitarbeiter/innen beschäftigt; mehr als 600.000 Menschen jobbten insgesamt für die "Verleiher". 200.000 wurden von "Entleihern" übernommen.(4) Der Anteil der Frauen lag bei 22,3% gegenüber 21,8% im Vorjahr.(3) In Deutschland stehen zudem überdurchschnittlich viele ehemalige Langzeitarbeitslose in Leiharbeitsverhältnissen - nach einer Berechnung des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) waren zuvor 52,3% arbeitslos.(5)
Insgesamt hat sich Zeitarbeit in den letzten Jahren zur am schnellsten wachsenden Beschäftigungsform in Deutschland entwickelt: Seit 1992 hat sich die Zahl der Zeitarbeiter/innen mehr als verdoppelt.(5) Ihr Anteil umfaßt heute rund 0,7% der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. In den kommenden Jahren wird mit einer weiteren Verdopplung der Zahl der Zeitarbeiter/innen um 20% gerechnet. Zum Vergleich: In den Niederlanden beträgt der Anteil der Zeitarbeiter/innen 4,6%, in den USA 2,3%, in Frankreich 2,2%, in Japan 0,7%.(5)
Was ist Zeitarbeit eigentlich?
Das Sonderrecht der Zeitarbeit ist im "Arbeitnehmerüberlassungsgesetz" (AÜG) geregelt. Jedes Zeitarbeitsunternehmen benötigt eine Lizenz der Bundesanstalt für Arbeit. Die Landesarbeitsämter sind dazu verpflichtet, die Zeitarbeitsfirmen zu überwachen und sie auch regelmäßig zu kontrollieren. Bei starken Verstößen gegen die geltenden Gesetze kann dem Zeitarbeitsunternehmen (theoretisch) die Überlassungserlaubnis auch wieder entzogen werden.
Das Vertragsverhältnis wird zwischen Lohnabhängigen und Zeitarbeitsunternehmen (Verleihern) abgeschlossen. Zeitarbeiter/innen sind demnach Beschäftigte der Zeitarbeitsunternehmen selbst. Letztere übernehmen alle Pflichten eines Arbeitgebers. Sie führen Sozialabgaben und Steuern ab, müssen bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und dem Bundesurlaubsgesetz) gewähren, sich nach den Unfallverhütungsvorschriften oder Schutzgesetzen (z.B. Mutterschutzgesetz und Schwerbehindertengesetz) zu Gunsten der Lohnabhängigen (zumindest theoretisch) richten. In einem Arbeitsvertrag müssen die wesentlichen Arbeitsverhältnisse beschrieben werden.
Dann kommen die sogenannten "Entleiher" (Unternehmen, die Arbeitskräfte für kurze bzw. längere Zeit benötigen) zum Zuge: Sie wenden sich an Zeitarbeitsunternehmen mit dem Auftrag, ihnen für die geforderte Tätigkeit geeignete/entsprechend qualifizierte Zeitarbeiter/innen für eine bestimmte Zeit zu "überlassen". Diese suchen dann unter ihren Beschäftigten und Bewerbern/-innen Leute aus, die sie an das Auftragsunternehmen "verleihen" ("Arbeitnehmerüberlassung"). Dazu schließen Zeitarbeitsunternehmen mit ihren Kunden (Entleihern) Verträge über die Überlassung eines Beschäftigten ab, wofür die Zeitarbeitsunternehmen von den Entleihern eine Vergütung erhalten. Zeitarbeiter/innen arbeiten also "für zwei".
Das Geschäft der Zeitarbeitsunternehmen besteht nun darin, die Differenz zwischen dem Gesamtposten Lohnkosten einerseits und der mit dem Entleiher vereinbarten Vergütung andererseits so groß wie möglich zu halten. In der Regel zahlt das Zeitarbeitsunternehmen 10 bis 20% weniger Lohn an den Beschäftigten, als ein Tarifvertrag in der jeweiligen Branche gewöhnlicherweise vorsieht. Der Entleiher hingegen bekommt eine Arbeitskraft zu einem Preis ausgeliehen, der bis zum 1,5-fachen des Lohns einer Dauerarbeitskraft gehen kann. Die Löhne der Leiharbeiter/innen unterschreiten demnach seit Bestehen der Branche regelmäßig die geltenden Tarife in den Kundenunternehmen.
Die Lohnabhängigen ("Entliehenen") treten zu den Entleihern in keine arbeitsvertraglichen Beziehungen; sie erhalten von ihnen auch keine Vergütung und keine sonstigen Leistungen, werden aber von den Entleihern beaufsichtigt und müssen deren Weisungen folgen. Von ihnen wird erwartet, daß sie sich, solange sie in einem Entleihbetrieb arbeiten, darin eingliedern, gleichgültig, ob der Einsatz nur einige Tage, Wochen oder sogar bis zu zwölf Monate dauert.
Einsatzorte sind u.a. abhängig von saisonalen Schwankungen. Zum Beispiel werden im Dezember Bankkaufleute oder Buchhaltungskräfte für Jahresabschlußarbeiten benötigt. Und wenn in den Unternehmen der Jahresurlaub genommen wird, sind Zeitarbeiter/innen massig gefragt: Den ganzen Sommer hindurch werden in allen Branchen Urlaubsvertretungen gesucht. Daneben gibt es noch weitere typische Personalengpässe, die durch Zeitarbeiter/innen ausgeglichen werden: Termindruck, Auftragsspitze, Krankheit, Bundeswehr/Zivildienst, Schwangerschaft, Erziehungsurlaub u.ä.
Weitere gebräuchliche Bezeichnungen für Zeitarbeit sind "Leiharbeit", wobei dieser bereits der Ruf des "Menschenhandels" anhaftet. Ein "Besitz" wird ver-/ausgeliehen, wie Gegenstände werden Zeitarbeiter und Zeitarbeiterinnen herumgereicht. Die amtliche Bezeichnung dieser Arbeitsverhältnisse lautet dagegen "Arbeitnehmerüberlassung".
Geschichtlicher Abriß und Ausblick
Zunächst agierten Zeitarbeitsfirmen wie BINDAN (6) und nachfolgende Unternehmen in der BRD in einer gewissen gesetzlichen Grauzone. Das änderte sich erst 1972, als mit dem "Arbeitnehmerüberlassungsgesetz" (AÜG) Zeitarbeit legitimiert wurde. Anfangs recht restriktiv, wurde die Gesetzeslage immer mehr liberalisiert. Das machte Zeitarbeit zunehmend attraktiv, weil es sich für einige wenige auf Kosten anderer ganz gut Geld verdienen ließ. Dies zeigte sich dann nicht zuletzt am stetigen Zuwachs der Branche.
1985 wurde die zulässige Arbeitnehmerüberlassungsdauer von drei auf sechs Monate verlängert. 1994 fiel das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit; private gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung wurde zugelassen. Zudem verlängerte sich die höchstzulässige Arbeitnehmerüberlassungsdauer auf 9 Monate. 1997 trat eine weitere AÜG- Reform in Kraft: Die Verleihhöchstgrenze wurde auf maximal 12 Monate erhöht; eine einmalige zeitliche Deckungsgleichheit von Ersteinsatz (beim "Entleiher") und (Zeit-)Arbeitsvertrag (Synchronisation) wird zugelassen.
Für die Zukunft streben die Zeitarbeitsunternehmen an, die Verleihdauer noch weiter auszudehnen. Nach derzeitigem Recht können ihre Beschäftigten - wie erwähnt - nur maximal 12 Monate an ein anderes Unternehmen verliehen werden. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) plädiert für eine Ausdehnung dieses Zeitraumes auf 36 Monate (!). Vorgeschoben werden dafür Gründe wie die Überbrückung von längeren Phasen der Abwesenheit von Stammbeschäftigten, beispielsweise durch einen längeren Erziehungsurlaub.(7) Naheliegender scheint da aber eher der Wunsch zu sein, noch mehr Stammbelegschafter/innen gegen billigere Zeitarbeiter/innen austauschen zu wollen, wie zum Beispiel derzeit bei DaimlerChrysler: Mitte November 2000 kam es hier zu Protesten seitens der DaimlerChrysler- Belegschaft in Sindelfingen (12.000 Demonstrierende), nachdem Pläne der Konzernleitung publik wurden, Beschäftigungsverhältnisse flexibilisieren zu wollen, um Kosten zu sparen. Nachgedacht werde seitens der Konzernleitung dabei über den Einsatz von Leiharbeiter/innen sowie die verstärkte Befristung von Arbeitsverhältnissen in den Werken des Fahrzeugherstellers in Deutschland. Jeden vierten der 212.000 Arbeitsplätze würde dies künftig betreffen.(8)
Ferner wünschen sich die Zeitarbeitsunternehmen laut BDA die gleichen Möglichkeiten zum Abschluß befristeter Arbeitsverhältnisse wie sie auch anderen Firmen eingeräumt werden. Und noch mehr: Ein weiterer Knackpunkt ist das sogenannte Synchronisationsverbot: Trotz Lockerungen ist es nach wie vor unzulässig, ein/e/n Zeitarbeiter/in wiederholt nur für die Dauer eines erstmaligen Einsatzes bei einem anderen Unternehmen einzustellen. Der BDA erblickt darin eine "systemwidrige arbeitsrechtliche Beschränkung von Zeitarbeit" und plädiert dafür, daß diese "vollständig aufgehoben" wird.
Ebenso wünscht sich der BDA, daß das Wiedereinstellungsverbot fällt. Gegenwärtig ist es einer Verleihfirma nicht erlaubt, gekündigten Zeitarbeitern/-innen wiederholt innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses neu einzustellen.(7)
Welche Vorteile bietet Zeitarbeit den "Entleihern"?
Nun wurde bereits bemerkt (s.o.), daß Kundenunternehmen das bis zu 1,5fache einer Dauerarbeitskraft an die Verleihfirmen zahlen, was ja hieße, daß Zeitarbeiter/innen eigentlich teurer wären. Was bringt diese Unternehmen nun dazu, sich gerade zum Zwecke der Rationalisierung Leihbeschäftigte zu ordern? - Sie sparen Geld, viel Geld!
Die Unternehmen fahren nur noch mit einem festem Belegschaftsstamm und holen sich im Bedarfsfalle (bei anziehender Auftragslage) zusätzlich und befristet Arbeitskräfte dazu ("leihen" sich diese aus). Die Vorteile dieser Verfahrensweise liegen auf der Hand: Die Unternehmen sind nicht mehr im vollen Umfang auf Festverträge/-anstellungen eigener Arbeiter/innen angewiesen, was sie auch in Zeiten durchschnittlicher oder schlechter Auftragslage dazu zwingen würde, Gewinne durch Lohnkosten zu schmälern. Sie müßten Probezeiten, Kündigungsfristen, Kündigungsschutzbestimmungen beachten, ggf. Abfindungen und Prozeßkosten bezahlen. Weiterhin ist an die Kosten durch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (für bis zu 6 Wochen), Urlaub, Fort- und Weiterbildung sowie Freistellung dazu zu denken. Auch kopfzahlbezogene Vorschriften, die nach derzeitiger Gesetzeslage in Kraft sind, können dank des Einsatzes von Zeitarbeiter/innen mitunter unterlaufen werden (z.B."Ausgleichsabgaben" an den Staat, wenn die Behinderten- Quote von 6% unterschritten wird, u.ä.).
Die Unternehmen vergrößern also ihre Gewinne und können dabei noch situativ durch Rückgriff auf eine flexible Personalreserve (Zeitarbeiter/ innen) schnell auf Veränderungen am Markt reagieren.
Fällt beispielsweise ein/e Zeitarbeiter/in wegen Krankheit im "Einsatz" aus (bzw. feiert einfach mal krank), ist der "Verleiher" vertraglich verpflichtet, der Kundenfirma (Entleiher) "Ersatz" zu stellen - ohne nochmalige "Entleihgebühr" (Lohnkosten plus Gewinn) verlangen zu können!
Allerdings gibt es auch Grenzen der Zeitarbeit, und zwar auf Grund mangelnder Identifikation von Zeitarbeiter/innen mit ihren Kundenunternehmen. So würde sich letztendlich kein "Wir- Gefühl" ("Wir von Mercedes", "Wir von Siemens" usw.) einstellen, da Leihbeschäftigte einfach einer zu hohen Fluktuation ausgesetzt sind - was ihrer Motivation (zu funktionieren) abträglich sei. Der Konzern "Randstad" beziffert diese Grenze selbst mit 15-20%.(9)
Neuere Entwicklungen in der Branche
In den letzten Jahren gab es einige Entwicklungen in der Branche, die - auch mittels zunehmender Angebotspalette - auf eine Erweiterung der jeweiligen Marktanteile abzielt. Eines dieser Angebote ist das sogenannte "Temp-to-hire": Qualifizierte Zeitarbeiter/innen können zunächst "on the job" getestet werden (was ja theoretisch bis zu 12 Monate möglich ist), um anschließend ggf. vom Kundenunternehmen übernommen und dauerhaft eingestellt zu werden. Auf der anderen Seite werden lohnabhängig Beschäftigte mit der Option der möglichen Übernahme in Festanstellung durch Entleiher gelockt. In der Regel wird die Übernahmequote mit einem Drittel beziffert; verschwiegen wird dabei zumeist, daß dies mehrheitlich nur die Angehörigen kaufmännischer Berufe betrifft!
Desweiteren bieten Leiharbeitsfirmen sogenanntes "Outsourcing" an, übernehmen also die von ihren Kundenunternehmen ausgegliederten "betrieblichen Nebenaufgaben" (z.B. Reinigung von Bürogebäuden, Kundenbetreuung usw.), so daß sich diese im Zuge ihrer Rationalisierungsmaßnahmen auf ihre sogenannten "Kernaufgaben" (z.B. Produktion von Kraftfahrzeugen) beschränken können. Konzerne wie Adecco, Manpower und Randstad bilden für die Arbeit in Call-Centern selbst sogenannte "Call-Center-Agenten" aus, die dann in Call-Centern beispielsweise den Bereich Kundenbetreuung für Kundenunternehmen abdecken müssen. Sie werden zunächst in Seminaren geschult und dann in mehrstufigen Auswahlverfahren auf Tauglichkeit für den Job getestet.
Sogenannter "On-Site-Service" oder "Projektorientiertes Personalmanagement vor Ort" ist eine weitere "Dienstleistung" im Repertoire der Verleiher. Dies beinhaltet das Erarbeiten von bestimmten Projekten für Kundenfirmen, bei denen angestellte Managementkräfte zeit- oder themenbezogen bestimmte Aufgaben der Auftragsfirma übernehmen. Ziel ist es, den Personalstamm besagter vorübergehend zu erweitern und zu entlasten. Auch das sogenannte "Akutmanagement" gehört dazu: So stellt beispielsweise die Zeitarbeitsfirma "time&more" (bundesweit 210 Mitarbeiter/innen) in kürzester Zeit "führungs- und praxiserfahrene" Manager/innen - vom Abteilungsleiter bis zur Geschäftsführerin - für das "Krisenmanagement" eines Kundenunternehmens zur Verfügung. "Time & more" entwickelt ferner spezielle Trainingsprogramme für diese leitenden Angestellten, bietet diese aber auch - entsprechend modifiziert - als "Dienstleistung" ihren Kundenfirmen für deren Mitarbeiter/innen an. Die Zeitarbeitsfirmen etablieren sich demnach auch im Bereich Management-/Leitungsebene als Personaldienstleister. (3)
Outplacement
"Outplacement" heisst ein neues Modewort, d.h. Zeitarbeitsfirmen übernehmen Mitarbeiter/innen, die in Kundenunternehmen entlassen werden sollen (mit Einverständnis der Betroffenen), selbst in Festbeschäftigung bzw. führen "Bewerbungstrainings" mit ihnen durch und bieten diese dann ggf. im genannten "Temp-to-hire"- Verfahren an. Ziel ist es, die zu erwartenden Folgekosten (Prozeßkosten, Abfindungen) sowie Imageschäden (man gibt sich "sozial") fürs Unternehmen zu vermeiden.
Immer öfter passiert es auch, daß Beschäftigte in irgendeine "Auffanggesellschaft" entlassen werden, um sodann im Wege der "Rücküberlassung" - für weniger Geld versteht sich - auf demselben Arbeitsplatz zu landen. Beispielgebend ist da etwa die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaft DB Arbeit GmbH, deren Aufgabenfeld die interne (Umsetzung von Beschäftigten innerhalb des Konzerns), aber auch externe Personalvermittlung (an Fremdunternehmen) ist. Der mit der Privatisierung des ehemals staatlichen Unternehmens einhergehenden - und dem geplanten Gang an die Börse noch verschärften Rationalisierungsdruck -bringt die Entlassung tausender Bahnbeschäftigter mit sich. Ihnen wird der Wechsel zur DB Arbeit nahegelegt, wo sie neue Arbeitsverträge abschließen müssen, die den Makel tragen, daß darin keine konkreten Tätigkeiten vereinbart werden. Die Arbeiter/innen müssen dann Tests durchlaufen, um schlußendlich mittels Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen auf ihr neues, ungesichertes Jobber/innen- Dasein vorbereitet zu werden: Die Arbeitsverträge mit der DB Arbeit verpflichten sie schließlich auch zur Übernahme befristeter Tätigkeiten. Im Rahmen der "gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung" (Arbeit auf Zeit) werden sie dann den Unternehmen des DB- Konzerns, aber auch externen Unternehmen als Zeitarbeiter/innen angeboten. Neuerdings (seit Mitte des Jahres) kooperiert die DB Arbeit laut ihrem Kundenbrief "Arbeitsblatt" auch mit dem Branchenführer "Randstad": Beide vermitteln im Bedarfsfall auch die Beschäftigten des jeweils anderen an ihre Kundenunternehmen weiter.(10)
Trend zur Spezialisierung
Auffallend ist eine Zunahme der Spezialisierung von Zeitarbeitsfirmen auf bestimmte Bereiche. Die "Großen" gründen sogar eigens Tochtergesellschaften dafür. Im Wachsen begriffen ist beispielsweise der IT- Bereich, ein weiteres Feld, was die Leiharbeitsfirmen auch für sich gewinnbringend zu besetzen wissen. Hier gibt es auch nicht die in anderen Branchen übliche Gehaltsdifferenz von 20% zwischen fest angestellten und Zeitarbeits-Beschäftigten. Für derartige Spezialisten zahlen die Firmen höhere Honorare. Darum sind bei den Zeitarbeitsfirmen auch Zusatzleistungen für ihre Angestellten üblich.(3) Recht neu, aber stark wachsend ist der medizinische Sektor für Zeitarbeitsfirmen. Sie vermitteln und "verleihen" insbesondere Pflegekräfte, die dann in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen. Ferner bieten diese Firmen die Entwicklung individueller Arbeitszeitmodelle (also Rationalisierungsmaßnahmen!) für verschiedene Klinik- und Pflegebereiche als "Dienstleistung" an und betreuen die Kundenunternehmen auch bei deren Umsetzung. Die der Firma "ambas Personalservice" (Hannover) wurden vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits ausgezeichnet.(11)
Prämien für Beschäftigtenwerbung
Da der Zeitarbeit - trotz versuchter Imagepolituren - weiterhin der Ruf der "neuen Sklaverei" anhaftet, aber ständiger Bedarf an neuen Arbeitskräften besteht, lassen sich die Branchengrößten einiges einfallen, um weiterhin Zuwachsraten zu verzeichnen. Da gibt es zum Beispiel eine Art "Fangprämie" für die Beschäftigten, die eineN neue/n werben konnten - nach Art von Versandhausfirmen und Medienunternehmen! Nur heißt es hier nicht "Leser werben Leser" oder "Kunden werben Kunden", sondern "Beschäftigte werben Beschäftigte"! Beim Konzern Randstad werden dafür beispielsweise Einkaufsgutscheine im Wert von 50,- DM geboten, die dann in bestimmten Kaufhäusern oder Fachgeschäften eingelöst werden können. Alternativ kann auch eine Randstad-Armbanduhr gewählt werden.(12) Und um die schlecht bezahlten Zeitarbeiter/innen bei Laune zu halten, bieten die "Großen" ihnen auch "Leistungsanreize" in Form von Sonderprämien: So verleiht der Konzern Manpower Beschäftigten, die von den Kundenunternehmen mehrfach positiv für gute Leistungen beurteilt wurden, einen sogenannten "Oskar". Den silbernen gibt’s zusammen mit einer Prämie in Höhe von 300,- DM (Voraussetzung: mindestens ein Jahr Beschäftigungszeit bei Manpower). Mit dem goldenen "Oskar" und 600,- DM werden Beschäftigte entsprechend "ausgezeichnet", wenn sie mindestens 3 Jahre in Lohn und Brot stehen.(13)
Zeitarbeit - in Zukunft auch Mittel zur Zwangsarbeit?
Sozialamt und Arbeitsamt, die früheren Kontrahenten darin, sich gegenseitig Leistungsempfänger/innen zuzuschieben, um Kosten auf den jeweils anderen abzuwälzen, sind sich nunmehr einig: Fortan arbeiten sie gemeinsam daran, die betroffenen Menschen gänzlich aus dem Leistungsbezug zu drängen. Auch die Zeitarbeit wird dazu mittlerweile als probates Mittel erkannt.
Beispielsweise im Landkreis Plön bemüht sich seit sechs Jahren die vom LK mitgegründete Gesellschaft "Neuland", Sozialhilfeempfänger/ innen prekäre Jobs statt Sozialhilfe anzudrehen. Als Pflegehelfer/innen, Fahrer/innen, Packer/innen, Lagerarbeiter/innen, usw. werden die "Neuland"- Beschäftigten in vielen kleinen Betrieben in der Region eingesetzt. Über Nachfrage kann sich die Gesellschaft, bei der die ehemaligen Sozialhilfeempfänger/innen einen einjährigen Arbeitsvertrag unterschreiben, nicht beklagen. Ihren Erfolg schreiben die "Neuland"- Vermittler v.a. ihrem Konzept "soziale Zeitarbeit" zu. Dabei funktioniert ihr System nicht anders als das "Temp-to-hire"- Konzept anderer Zeitarbeitsfirmen - mit der Ausnahme, daß "Neuland" nicht nur geringere, sondern Hungerlöhne zahlt und das auch noch "sozial" nennt! Lediglich ein Stundengeld haben die Handwerksmeister und Betriebsleiter nach einem kostenlosen(!) einmonatigen Praktikum für die neue Hilfskraft zu zahlen. Das eigentliche Gehalt - in Höhe der früheren Sozialhilfe plus einer "kleinen Prämie" - zahlt "Neuland". Gut jede/r zweite der rund 500 Zeitarbeiter/innen wurde seit 1994 auf diese Weise "erfolgreich" aus dem Sozialhilfebezug in feste Jobs "vermittelt".(14) Auch in Niedersachsen haben Arbeitsämter und Landkreise ihre Scheu vor der Zeitarbeit verloren und rühren kräftig die Werbetrommel: In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Zeitarbeit und Personaldienstleistungen (BZA) veranstaltete beispielsweise das Arbeitsamt am 14.9.2000 eine "Zeitarbeitsmesse" in Hannover. Einen Monat später, am 12.10., zog der Landkreis Hannover mit einer gleichartigen Werbe- Show (die bundesweit zweite "Zeitarbeitsmesse" nach Hamburg, die von Sozialhilfeträgern organisiert wurde) nach. Mehrere Firmen, darunter die Branchengrößen Adecco, Randstad, nutzten die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Und 1.500 bis 2.000 Besucher/innen wurden tatsächlich angelockt, nachdem zuvor in den Sozialämtern im Landkreis kräftig geworben wurde.
Erklärtes Ziel der Organisatoren ist es dabei, die rund 23.000 im Landkreis registrierten Arbeitslosen von denen ein Großteil Sozialhilfe beziehen würde, in Lohnarbeit zu bringen - um Kosten einzusparen, versteht sich. Da kommen zweifelhafte Heilsbringer wie das BZA gerade recht, wenn sie zu verkünden wissen, daß von 600.000 sozialversicherungspflichtigen Stellen im ersten Arbeitsmarkt, die Zeitarbeitsfirmen bundesweit anbieten würden, derzeit rund 100.000 unbesetzt seien.(15)
Arbeiter/innen/rechte
Viele Rechte sind es nicht, die Zeitarbeiter/innen zugestanden werden. Doch wichtig ist es, auch diese wenigen zu kennen. Wie beispielsweise das, daß das Leiharbeitsunternehmen den Beschäftigten auch dann das volle Gehalt zahlen muß, wenn der Einsatz beim Auftragsunternehmen ("Entleiher") beendet ist, im Anschluß daran aber (noch) kein neuer Job für sie vorhanden ist.(16) Wenn der "Verleiher" ein Arbeitsverhältnis kündigt, die bzw. den Ex- Beschäftigte/n wiederholt innerhalb von 3 Monaten aber erneut einstellt, ist die Kündigung unwirksam. Die Firma muß dann auch den Lohn für den Zeitraum zwischen Kündigung und erneuter Einstellung bezahlen. Dabei ist es irrelevant, ob dem "Verleiher" die eigene Arbeitsleistung selbst angeboten wurde (sich die Arbeiter/innen selbst beworben haben)!(17) Und was gelbe (Stellvertreter-)Konzepte (Personal-/Betriebsrat) betrifft: Bei Wahlen zur "Arbeitnehmervertretung" im Entleihbetrieb dürfen Zeitarbeiter/innen weder wählen noch sind sie wählbar. Jedoch besteht auch hier das Recht, die Sprechzeiten der "Arbeitnehmervertretung" aufzusuchen und an Betriebs- und Jugendversammlungen im Entleihbetrieb teilzunehmen!(18)
Nicht zuletzt ist Zeitarbeitsfirma dazu verpflichtet, den Arbeiter/innen bei Vertragsabschluß ein "Merkblatt der Bundesanstalt für Arbeit" zum Thema "Arbeitnehmerüberlassungsgesetz" auszuhändigen, welches wichtige Regelungen wie die vorgenannten enthält.
Organisierung und Kampf - einige Gedanken
Auf Grund der kurzen Einsätze in den Kundenunternehmen können selten enge kollegiale Bindungen entstehen. Das macht es nicht gerade einfacher, wenn sich Leiharbeiter/innen mit ihren Kollegen/-innen der Stammbelegschaften zusammenschließen wollen, um gemeinsame Forderungen aufzustellen. Zudem gelingt es den Unternehmensleitungen oft, die Beschäftigten in ein Konkurrenzverhältnis zueinander zu stellen - allein die unterschiedliche Bezahlung tut ihr übriges. Als eines müssen Zeitarbeiter/innen (theoretisch) in den Kundenunternehmen allerdings - selbst von staatlicher Seite her verfügt - nicht hinhalten - als Streikbrecher/innen! "Sie sind nicht verpflichtet, bei einem Entleiher tätig zu werden, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist. Bei einem solchen Arbeitskampf muß der Verleiher Sie auf Ihr Leistungsverweigerungsrecht hinweisen."(19)
Leicht dürfte es allerdings fallen, aufmüpfige Zeitarbeiter/innen, die sich mit Angehörigen der Stammbelegschaften organisieren wollen, abzutrennen: Sie werden kurzerhand zurückbeordert, ausgetauscht und an anderer Stelle wieder eingesetzt.
Auch die gelben Konzepte der DGB-Gewerkschaften (und DAG) taugen nichts. Daran können auch keine Tarifverträge mit Zeitarbeitsunternehmen etwas ändern. Der für die Zeit der EXPO abgeschlossene Tarifvertrag zwischen Adecco und sechs reformistischen Gewerkschaften ist da nur ein Beleg. Ein weiterer der zwischen Randstad und ÖTV/DAG im April 2000 abgeschlossene, der der erste flächendeckende Tarifvertrag in Deutschland überhaupt ist (gilt bundesweit für alle 25.000 überbetrieblich Beschäftigten, also Zeitarbeiter/ innen, des Konzerns). Hat der den Randstad-Arbeiter/innen doch keine Verbesserungen gebracht (abgesehen von den 3 bis 7% Lohnerhöhung), sondern beinhaltet lediglich die Regelungen, die vorher bereits in der Betriebsvereinbarung für Randstad- Zeit-Arbeit gestanden hatten.(20) Wem nützt das also? Der Druck, einheitliche Standards in der Branche mittels Tarifverträgen durchzusetzen, ging und geht v.a. von den Großunternehmen selbst aus, die darin eine Möglichkeit sehen, die Konkurrenz tausender Kleinfirmen abzuwehren, wie Randstad-Geschäftsführer Dr. Reinhold Henseler selbst zugibt.(5) Und die gelben Gewerkschaften, die der Zeitarbeitsbranche lange Jahre skeptisch gegenüberstanden, sind sich nun nicht mehr zu fein, als Speerspitze und Feigenblatt gleichermaßen zu dienen - um die Konkurrenz auszustechen, die Arbeiter/innen aber einzulullen und niederzuhalten!
Ein nicht zu unterschätzendes Potential besteht allerdings darin, daß Zeitarbeitsfirmen zumeist bundesweit und - die Konzerne unter ihnen - sogar international agieren. Eine Organisierung der Zeitarbeiter/innen könnte sich somit dort als schlagkräftig erweisen, wo sie über eigene Firmengrenzen hinaus den Zusammenschluß suchen und Kampfformen entwickeln, die die Belange der Stammbelegschaften in den Kundenunternehmen, wo sie eingesetzt werden, ebenso aufgreifen wie die eigenen. Auf Grund ihrer hohen Fluktuation kommen Zeitarbeiter/ innen zudem in vielen Firmen zum Einsatz, worüber es also Möglichkeiten der Vernetzung gäbe! Dazu kommt noch, daß die "Verleiher" nicht nur eine Branche, sondern eine Vielzahl von Branchen abdecken. Eine branchenübergreifende Organisierung wäre daher nicht nur wünschenswert, sondern sogar notwendig!
Auch wenn das Gedanken sind, die noch in ferne Zukunft gehen mögen - ohne Organisierung von Kämpfen und im Vertrauen auf Konzepte gelber Gewerkschaften werden Zeitarbeiter/innen keine Verbesserung ihrer individuellen Lage erringen! Geschweige denn mehr!
Fußnoten:
(1) Berliner Zeitung, 8./9.4.2000. HAZ, 14.8.1999.
(2) Diese Zahl geht auf eine Studie der Social Consult GmbH in Bonn zurück und enthält alle Unternehmen inklusive Niederlassungen, die ihr Geld ausschließlich oder überwiegend mit sogenannter "Arbeitnehmerüberlassung" verdienen. (HAZ, 14.8.1999) Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) selbst gibt die Zahl der Zeitarbeitsunternehmen mit derzeit 3.635 an. (HAZ, 11.11.2000)
(3) Berliner Zeitung, 8./9.4.2000.
(4) HAZ, 11.11.2000.
(5) Financial Times Deutschland, 29.2.2000.
(6) Bindan: Das Unternehmen gehört ebenfalls zu den Branchenführern in Deutschland. Es wurde bereits 1960 gegründet und ist damit das erste seiner Art in der BRD. Es hat bundesweit mehr als 80 Niederlassungen in Deutschland und verfügt über 4.000 Beschäftigte. 1982 gründete "BINDAN" das Schwesterunternehmen "TECCON", das sich auf Konstruktions- und Ingenieurtechnik spezialisierte. Im Gegensatz zu den anderen Marktführern konzentriert sich BINDAN allerdings auf Deutschland und hat auch künftig nicht vor, darüber hinaus zu expandieren.
(7) Berliner Zeitung, 17.4.2000.
(8) jW, 14.11.2000.
(9) HAZ, 14.8.1999.
(10) jW, 21.7.2000.
(11) HAZ, 23.9.2000.
(12) Randstad- Mitarbeiterzeitung "memorandstad" Nr.3, Juli 2000, S.8.
(13) Manpower- Werbebroschüre "Vorteile und Perspektiven".
(14) HAZ, 8.11.2000.
(15) HAZ, 13.10.2000.
(16) Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesanstalt für Arbeit, A.9.
(17) wievor, A.4., 1.Abs.
(18) wievor, A.7., 1.Abs.
(19) Merkblatt für Leiharbeitnehmer der Bundesanstalt für Arbeit, A.10.
(20) Randstad- Mitarbeitermagazin "memorandstad" Nr.3, Juli 2000, S.4-5.
Aus: Direkte Aktion Nr. 144-146, 2001
Originaltext: http://www.arbeitsalltag.de/Texte/Mod_Skl.htm