Rosa Antifa Wien - Niemals vergessen!
Aufruftext zur Gedenkkundgebung zum Novemberpogrom in Wien, Altes AKH, 2003
Am 9. November jährt sich zum 65.Mal der sogenannte Novemberpogrom, ein vorläufiger Höhepunkt der Verbrechen des Naziregimes und seiner MittäterInnen, die Millionen von JüdInnen das Leben kosteten. Diesen 9. November nehmen wir zum Anlass den noch immer allgegenwärtigen Antisemitismus aufzuzeigen und zu bekämpfen. Die Gedenkfeier findet vor der ehemaligen "Spitalssynagoge" statt, die ein gutes Beispiel für den sorglosen Umgang Wiens mit der Vergangenheit darstellt.
Der Pogrom in Wien
Am 9. November 1938 kam es in gesamten damaligen Reichsgebiet zum damals schlimmsten Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung. Von den Nazis "Reichskristallnacht" genannt, wurde es als der Novemberpogrom bekannt. In Österreich trieben es die Nazis besonders schlimm. 27 JüdInnen wurden ermordet, 88 schwer verletzt, mehr als 6500 JüdInnen wurden festgenommen, 4000 davon wurden nach Dachau verschleppt. 42 Synagogen und Bethäuser wurden in jener Nacht in Wien zerstört. mehr als 4000 Wohnungen und Geschäfte von JüdInnen wurden zerstört, fast 2000 Wohnungen wurden zwangsgeräumt. In dieser für viele ausweglosen Situation begingen Hunderte JüdInnen Selbstmord. Und es waren nicht nur Einheiten von SA und SS die mordeten und plünderten, es war nicht nur die Naziregierung auch wenn sie den "spontanen" Pogrom beschlossen hatten, es war vor allem "die anständigen, normalen Leute von nebenan". Denn selbst die GESTAPO gab zu die größten Probleme gehabt zu haben den Mob davon abzuhalten, noch weiter zu gehen. Viele obere Nazis waren empört über "Privatplünderungen" und den daraus entstandenen "volkswirtschaftlichen Schaden". Das war aber auch alles, was sie berührte.
Eine Geschichte voll Antisemitismus
Schon bald nach der Anerkennung des Christentums, begann diese zuvor noch verfolgte Religionsgemeinschaft selbst, ihren Glauben, vor allem aber ihre weltliche Macht mit Gewalt zu verbreiten. Opfer und erklärtes Feindbild stellten hier auch Jüdinnen und Juden dar. In der Darstellung des Christentums seien es ja die "Juden", die Jesus an die römische Besatzungsmacht in Palästina verraten haben. Im Laufe der Zeit kamen noch andere Schuldzuweisungen wie rituelle Morde an christlichen Kindern dazu. Der widerlegte Mythos vom Anderl vom Rinn ist ein Beispiel dafür, wie sich eine Lüge aus dem Mittelalter bis heute halten kann. Die Unterstellung finsterer Geldgeschäfte, vom "blutsaugenden Juden" verbreitete sich in breiten Bevölkerungsschichten. Vielen jüdischen Menschen war es untersagt, handwerklichen Tätigkeiten nachzugehen, und so blieben Geldgeschäfte als einziger Ausweg. Und viele mittelalterliche Fürsten liehen sich das Geld gerne, um ihre Kriege zu finanzieren, und gleichzeitig konnten sie die jüdische Bevölkerung als Aussätzige und Südenböcke hinstellen. Dies kam gut an und auch im mittelalterlichen Wien waren Pogrome der ständige Begleiter der jüdischen Geschichte, geschürt gerade auch von der katholischen Kirche. Am Stephansdom sind bis heute antisemitische Abbildungen an der Außenfasade zu betrachten. Politischer Schutz durch den Adel, der mit der Kirche eng verflochten war wurde der jüdischen Bevölkerung nicht zuteil.
Der moderne Antisemitismus ging in Österreich vor allem von katholischen Teilen der Gesellschaft aus. Aufgrund wirtschaftlicher und militärischer Krisen, wie den Bankenkrach 1873 und die Niederlage bei Königgrätz 1866, die das Selbstbewusstsein der ÖsterreicherInnen erschüttete, kam es zu keiner weiteren Liberalisierung der Gesellschaft in Österreich. Die durch diese Entwicklung besonders gefährdeten Schichten der Gesellschaft, wie z.B. die Handwerker definierten sich als Mittelschicht zwischen Proletariat und Obrigkeit, die es beide ablehnte. Aufgrund dieser Einstellung war dieser Mittelstand antiliberal und antikapitalistisch, als Zielscheibe boten sich die vermeintlichen Vertreter des Liberalismus an, die JüdInnen.
Die Vorgängerpartei der ÖVP, die christlich-soziale Partei, vertrat diesen antisemitischen Antiliberalismus. Luegers Partei nutzte den Antisemitismus für politische Zwecke, so verschmolz das schon vorhandene christliche Feindbild "Jude" mit dem Feindbild "Kapitalist". Der Kapitalismus wurde zum "jüdischen Phänomen". Die christliche Partei sowie Bevölkerung war aber nicht nur antikapitalistisch sondern auch antisozialistisch, und wieder wurde der politische Gegensatz durch Antisemitismus zum Ausdruck gebracht: "Die bolschewistische Gefahr ist eine jüdische Gefahr" (Ignatz Seipel).
So war es nicht verwunderlich das es schon vor den Nazis zu antisemitischen Ausschreitungen kam. So war es in der Wiener Bevölkerung in den 20er und 30er Jahren sehr beliebt, einmal nicht in den Prater zugehen, sondern in die Stadt zugehen und dort "Jagd" auf JüdInnen zumachen. Gemütlich wie das goldene Wienerherz ist, hat er es "Antisemitenbummel" genannt. Nach der Machtübernahme durch die Nazidiktatur wurden die letzten Hemmungen über Bord geschmissen, es kam schon in den ersten Tagen nach der Machtergreifung zu Pogromen; Straßen wurden von der Bevölkerung abgesperrt um JüdInnen zusammenzutreiben und sie zu schikanieren. Auch gibt es dutzende Berichte von jüdischen Überlebenden, die von Nachbarn erzählten, die mit vorgehaltener Pistole die Wohnung und den Besitz stahlen. Selbst die Nazipropagandazeitung "Der Stürmer" schrieb über das "vorbildhafte Vorgehen" der WienerInnen und das es die Deutschen im Altreich es ihnen gleichtun sollten.
Antisemitismus nach 1945
Obwohl der Antisemitismus nach dem Holocaust politisch-moralisch zunächst geächtet war, wurden schon bald die TäterInnen wieder rehabilitiert. Die aufgrund mangelnden Interesses und Schuldbewußtseins gescheiterte "Entnazifizierung" endete in einer Neuformierung des deutschnationalen Lagers, aus dem, mit Förderung der SPÖ (sie hoffte, das bürgerliche Lager zu spalten) bald der Verband der Unabhängigen (VdU) hervorging – die Vorläuferpartei der FPÖ. Während auch SPÖ und ÖVP um die Gunst "einfacher" NS-Parteimitglieder warben, fanden sich im VdU Personen aus gehobenen Nazischichten wieder. In diesen Kreisen blieb der Antisemitismus konserviert, sei es aus ideologischen oder auch aus beruflichen Gründen (viele empfanden JüdInnen als Konkurrenz).
Durch das NS-Verbotsgesetz und dem Verhetzungsparagraphen war es jedoch sehr schwierig, offen antisemitische Propaganda zu betreiben. Dies blieb eher jungen Aktivisten überlassen. Die neue Erscheinungsform des Antisemitismus war daraufhin der "Revisionismus", d.h. Leugnung und Verharmlosung von Holocaust und NS-Kriegsschuld. Aber auch die zwei Großparteien haben nach 1945 dafür gesorgt, dass eine wirkliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und somit auch der Verantwortung für den Holocaust nur halbherzig bis gar nicht geschehen ist.
So auch beim Thema "Entschädigungen": Das erste Opferfürsorgegesetz, das bereits 1945 beschlossen wurde, sah lediglich Fürsorgemaßnahmen und Begünstigungen für WiderstandskämpferInnen vor. Auch im zweiten Opferfürsorgegesetz von 1947 wurden JüdInnen nicht gleichgestellt. Mit der Einführung eines Opferausweises wurde ihnen zwar eine "moralische" Anerkennung als Opfer des NS-Regimes zugestanden, die mit wesentlich mehr Rechten ausgestattete Amtsbescheinigung wurde aber weiterhin nur jenen zuteil, die für ein freies Österreich gekämpft hatten.
Die Führung der neugegründeten SPÖ (in der Karl Renner, Adolf Schärf vor 1938 dem rechten Flügel angehörten), ließ in ihrer ersten Aussendung aus dem befreiten Wien an die ins Ausland geflüchteten ParteigenossInnen diese recht deutlich wissen, dass eine allzu zahlreiche Rückkehr von jüdischen EmigrantInnen aus der Partei nicht unbedingt erwünscht sei. Diese Stimmung (nämlich den Eindruck entstehen zu lassen, in der SPÖ gäbe es eh keine JüdInnen) schlug sich auch in Wahlkämpfen nieder, wobei sich besonders Franz Olah mit antisemitischen Untertönen hervortat. Dies beherrschte auch die ÖVP glänzend. 1966 schimpfte der VP-Abgeordnete Scheibenreif Bruno Kreisky einen "Saujuden". Und im Wahlkampf 1970 wurde Kreisky erneut Zielscheibe antisemitischer Hetze. Auf einem Wahlplakat der ÖVP wurde der VP-Spitzenkandidat Klaus mit der Parole "Ein echter Österreicher" beworben, ganz im Gegensatz zu Bruno Kreisky, der als Jude nach Meinung vieler offenbar kein Österreicher sein könne (dieses Sujet wurde im Wahlkampf 1999 von der FPÖ wieder aufgenommen – "Zwei echte Österreicher"). Der Antisemitismus, wenn auch in codierter Form, wurde also gezielt als Wahlkampfmittel eingesetzt. Nicht ohne Grund: Aus einer Umfrage von 1968 geht hervor, dass 43% der Befragten meinten, dass ein Jude, der sich als Österreicher bekennt, kein richtiger Österreicher sein kann.
Eine weitere antisemitische Eskalation stellte der Präsidentschaftswahlkampf 1986 dar, nachdem die SA-Vergangenheit des ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim ruchbar wurde. Er selbst inszenierte eine Gedächtnislücke, was seine Funktion im Balkanfeldzug betrifft. Doch das focht viele ÖsterreicherInnen nicht an. Vor allem die ÖVP entdeckte die Schlagkraft eines antisemitisch geführten Wahlkampfes, machte in kodierter Form (Ostküste) jüdische Menschen für die "Schmutzkübelkampagne" gegen Waldheim verantwortlich, und unter dem rotzig-trotzigem Schrebergarten-Motto "Wir Österreicher wählen, wen wir wollen!" wurde Waldheim als Präsident gewählt. In dieser völkischen und antisemitischen Aufwallung konnte Jörg Haider seinen Aufstieg beginnen. Vom Lob über die Beschäftigungspolitik des 3. Reiches über die Würdigung von SS-Veteranen, unzähligen zweideutigen Anspielungen auf die NS-Zeit bis zum sattsam bekannten Ariel-Sager im Wiener Wahlkampf 2001 konnte Haider ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, die antisemitische Grundstimmung bedienen.
"Ausfransungen am rechten Rand"
Dies ist ein Kommentar einer grünen Gemeinderätin über Teile der Bevölkerung von Baden bei Wien. Dort sollte eine seit fünfzig Jahre verfallende Synagoge renoviert werden. Dass im Badener Budget dafür 363.000 Euro vorgesehen waren, rief die FPÖ auf den Plan. Die forderte eine Volksbefragung dazu. Unterstützung bekam die Partei des latenten Antisemitismus aus der Bevölkerung. In LeserInnenbriefen aus der lokalen Presse waren Kommentare wie "wir Christen werden nicht so grosszügig bedacht". Diese Ausfransungen am rechten Rand beschränken sich jedoch keineswegs auf das gutbürgerliche Baden, sondern finden ihre Wege vom bodenständigen Kärnten in den Nationalrat. Dort gab der freiheitliche Abgeordnete Uwe Scheuch eine Replik auf den SPÖ-Abgeordneten Posch, der sich für eine dringende Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde aussprach. "Unterstützen wir lieber unsere Bergbauern!" Als die antisemitische Äusserung, die sie war, wollte er das jedenfalls nicht verstanden wissen und erhielt wohlwollende Rückendeckung durch den Koalitionspartner und 1. Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP): "wäre er (der Zwischenruf) antisemitisch gemeint, wäre er mit der Würde des Hauses nicht vereinbar." Und weil Khol sich in der Beurteilung von antisemitischen Äußerungen so gut auskennt wie mit dem Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, waren auch keine Konsequenzen zu erwarten.
Ansonsten hätte er auch mit seinem Parteichef und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hart ins Gericht gehen müssen, weil er meinte "die Regierung sei nicht bereit, abgetakelte Mossad-Agenten zu subventionieren." Diese Aussage soll gefallen sein als er auf die Notwendigkeit einer Lösung der Finanzprobleme der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) angesprochen wurde. Dies ist eine Anspielung auf den notwendigen aber kostspieligen Schutz für Objekte der IKG, der hauptsächlich von jüdischem Personal durchgeführt wird. Die Republik Österreich will offenbar kein Geld dafür ausgeben. Die schwarz/blaue Regierung, und das liegt in ihrer Natur, hat überhaupt kein Interesse daran, dass diese Gemeinde überleben kann. Als schon Personal der IKG zur Kündigung ausgeschrieben wurde, setzte sich die Regierung hin, verhandelte ein wenig, und stellte ein zinsloses Darlehen in Aussicht, bis die IKG Geld aus dem Restitutionsfonds erhält. Mensch stelle sich vor: die Regierung würde, wenn überhaupt, nur Geld locker machen, dass als Restitution für die NS-Verbrechen an jüdischen Menschen in Österreich gedacht war, und nicht für laufende Kosten. Im übrigen fühlt sich ja sogar das Haus Habsburg bemüssigt, Anspruch auf den Fonds zu erheben, seien sie doch auch Naziopfer gewesen. So reiht sich das nahtlos in Schüssels Aussage vom "ersten Naziopfer Österreich" ein (und dies gab er ausgerechnet der "Jerusalem Post" zum Besten). Irgendwie waren ja alle Naziopfer und warum sollen dann ausgerechnet die Juden soviel bekommen, und sie sollen bloss aufpassen, sonst machen sie sich unbeliebt, .... Und wieder mal selbst Schuld am Antisemitismus.
Fraglos werden aber geschichtsrevisonistische Treffpunkte wie das "Haus der Heimat" mit horrenden Summen unterstützt, und 47 noch lebenden österreichischen Nazitätern wird noch immer kein Prozess gemacht, während Wehrmachtsdeserteure noch immer nicht rehabilitiert werden (wenn überhaupt, müssen sie nachweisen, dass dies eine Widerstandshandlung darstellte).
Dies ist die eine Seite des heutigen Antisemitismus: die Leugnung der Schuld gepaart mit der Überhöhung der eigenen "Opferrolle", das Lächerlichmachen von jüdischen Ansprüchen, die schlichte Weigerung, jüdische Organisationen ernst zu nehmen, sie als "Projekt" anzusehen. Die andere Seite ist der Versuch, jüdische Menschen selbst zu Tätern zu stilisieren, ihnen die Allmacht zu unterstellen, im Hintergund die Fäden zu ziehen und die Welt ins Unheil von Globalisierung und Krieg zu stürzen. So phantasierte Otto Habsburg-Lothringen kürzlich von einem Pentagon als "jüdische Institution". In die selbe Kerbe schlägt, wen wundert´s, ein FPÖ-Politiker. Auch er sieht das Pentagon jüdisch dominiert und faselt weiter von einem "global organisierten, territorial nicht fassbaren Zionismus." Diese Aussagen von Richard Melisch finden sich auch in einer freiheitlichen Postwurfsendung in Kaumberg (NÖ) wieder. Hier werden gleich mehrere antisemitische Stereotype bedient: der Jude als dunkler Hintermann und der Jude als jemand, der keine Grenzen akzeptiert, sich niemals zugehörig fühlt, keine Grenzen akzeptiert, der Antipode zu Volksgemeinschaft und Heimat.
Und bei all dem Mainstream, der von Bundesregierung und Kronenzeitung produziert wird, nimmt es nicht wunder, wenn einige alsbald zur Tat schreiten. Ein paar Zitate, die aus einem Report des Forum gegen Antisemitismus (FGA), das einen "deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle" verzeichnet, wiedergegeben werden:
"Von Jahresbeginn bis 31. August 2003 seien dem FGA insgesamt 108 antisemitische Vorfälle gemeldet worden. Das seien um 71,4 Prozent mehr als im Vorjahr, wo im selben Zeitraum 63 Vorfälle gemeldet wurden. Dabei handelt es sich u.a. um Schmierereien, Drohungen, Beschimpfungen auf offener Straße, aber auch die Anwendung physischer Gewalt vor allem gegen orthodoxe Juden." und "Von einer "Entspannung der Lage" könne man nicht berichten, so das FGA - das im Untertitel seiner Aussendung auch kritisiert, dass der Verfassungsschutz 2002 das reale Bild von 2003 verzerre. Allerdings gibt das Forum dem Verfassungsschutz Recht in der Feststellung, dass die stärkere Vernetzung der österreichischen Rechtsextremen mit deutschen und Schweizer Neonazis beunruhigend sei. 2003 habe es mehrere Skinhead-Konzerte in Vorarlberg und Oberösterreich mit teilweise bis zu 1.000 Teilnehmern aus diesen drei Ländern gegeben." sowie "Außerdem verweist das Forum auf den jüngsten Sprengstofffund und die Verhaftung von sechs mutmaßlichen Neonazis in München. Dabei wurden auch Pläne für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in München gefunden. "Dementsprechend kann man nicht von einer Entspannung der Lage berichten."
Fazit
All das ist trotz der Greuel des Nationalsozialismus möglich. Nachdem Österreich überdurchschnittlich viele Naziverbrecher hervorgebracht, und nach 1945 überdurchschnittlich wenige zur Verantwortung gezogen hatte, nachdem jüdische Opfer, Deserteure, Roma und Sinti, Homosexuelle ... über 50 Jahre lang einer Entschädigung nachlaufen mussten, während Wehrmachtssoldaten und SS-Angehörige die Zeit ihrer Kriegsgefangenschaft anstandslos als Pensionszeit angerechnet wurde, und sich obendrein als erstes Opfer darstellt- sprich: dieses Land hat sich seiner Vergangenheit nie ernsthaft gestellt – kann keineswegs von antisemitischen Auswüchsen gesprochen werden. Der Antisemitismus ist nach wie vor tief verankert.
1999 konnte eine Partei die Wahlen gewinnen, nicht obwohl sie rassistisch und antisemitisch ist, sondern deswegen. Der Sinkflug der FPÖ bedeutet nicht, dass die ÖsterreicherInnen ihre Abscheulichkeiten endlich eingesehen hätten, sondern dass die FPÖ schlicht zu unfähig ist, an einer Regierung teilzunehmen. Das Gedankengut ist da, und auch andere können gut auf diesem Klavier spielen.
Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus gibt es in Österreich nicht. Selbst dann, wenn die Opfer ins Spiel gebracht werden, geht es nicht um das Thema an sich. Ein gutes Beispiel dafür ist "Letter to the Stars". Bei diesem Projekt, das mehr ein Event war, wurden ausgerechnet am Heldenplatz Luftballons mit Briefen an einzelne Opfer (Jugendliche setzten sich zuvor mit jeweils einem Einzelschicksal auseinander und verfassten dann die entsprechenden Briefe) in den Himmel gelassen. Hauptsponsor war – ohne die eigene Geschichte auch nur ein einziges Mal anzusprechen - ein Unternehmen, das am Holocaust wesentlich profitiert hat, und sich bei Entschädigungszahlungen gerne ziert: Siemens.
Und es stört sich kaum jemand an Blödheiten, wie ausgerechnet am 9. November gegen den Bau der israelischen Grenzmauer (mit dem geschichtsrevisionistischen Kontext, dass am 9. 11. 1989 auch die Berliner Mauer gefallen ist) zu demonstrieren. Da wird schnell mal noch darauf hingewiesen, dass die "Juden ja selbst Täter sind".
Und so lebt es sich dann weiterhin ganz gemütlich in Österreich.
Wer darauf hofft, hier würde jemand von selbst gegen den Antisemitismus aufstehen, kann lange warten. Bis dahin ist es zu spät. Daher:
Keine Chance, keinen Platz für AntisemitInnen!
{rosa antifa wien}
Die "Spitalssynagoge"
Das jüdische Bethaus wurde 1903 von Max Fleischer, auf dem Gelände des heutigen "Alten AKH" erbaut. Während des Novemberprogromes wurde es völlig verwüstet. In den späteren Jahren wurde aus dem Bethaus ein Lagerraum für das Krankenhaus. In den 50er-Jahren kam Wien offenbar auf die Idee die ehemalige "Spitalssynagoge" "sinnvoll" zu nutzen, und baute eine Transformatorstation ein. Erst in den letzten Jahren kam es zu einer Diskussion über den "Schandfleck" (Rektor der Universität Wien).
Originaltext: http://www.raw.at/texte/attack/niemalsvergessen.htm