„Wir sind nicht Anarchist*innen durch Bakunin geworden oder der CNT, eher durch unsere Großmütter und das ist eine schöne Schule des Anarchismus.“

Die da so locker leichtfüßig daherkommen sind  „....verrückte, aufrührerische, rebellische ungehorsame, subversive Frauen, Hexen, auf der Straße lebende Frauen, Grafitas, Anarchistinnen, Feministinnen, Lesben und Heteras; verheiratete und ledige Frauen, Studentinnen und Büroangestellte, Indigenas, "Chotas"*, Cholas**"Birlochas***" und "Señoritas“ Alte und Junge, weiße und dunkelhäutige Frauen, wir sind ein Solidarbündnis von Individuen, Gemeinschaften, wir sind Frauen,  erschaffende kreierende Frauen – mujeres creando.“ - (*in manchen Ländern Lateinamerikas: leichtfertiges Mädchen ** ländliche Frau, auch Mestizin *** in Bolivien/Peru Ausdruck für „Schlampe“) -

"Eine Utopie im Kopf haben bedeutet: Riesinnen im Kleinen zu sein.“

Die Geschichte der Frauen (hier in Lateinamerika) war immer verdeckt, unsichtbar gemacht durch ein System, in das keine Fragen passen, keine Auseinandersetzung und keine Entlarvung. Mujeres creando wollte nicht Teil dieses Systems sein und kämpft sich mit ihrer Vorstellung von Leben seit 1992 durch den dornigen Weg der Utopie.

Maria Galindo, Julieta Paredes und Monica Mendoza waren drei Freundinnen in La Paz (Bolivien), die sich mehr und mehr aus den traditionellen linken Zusammenhängen herauszogen, wo sie nur hierarchische und homophobe Strukturen feststellten und sich als Frauen der ihnen dort zugeordneten Rolle als „Teekocherin“ und „Kopfkissen“ widersetzten.

„Wir glauben an die radikale Veränderung der Gesellschaft, wir glauben an die Revolution. Aber diese Organisationen waren nichts für uns.“


Mit „Communidad creando“ (= erschaffende Gemeinschaft) gründeten sie in einem Stadtteil von La Paz eine Gruppe, die sich noch im gleichen Jahr „mujeres creando“ nannte und mit Graffitis auf sich aufmerksam machte

„Für uns ist die Straße der wichtigste Ort für unseren Kampf.“

So erschien gegenüber den Bushaltestellen, auf Parkbänken, neben den kleinen Lebensmittelläden in vielen Stadteilen die Aufschrift: „No quiero ser reina, no quiero ser magnífica, quiero ser libre y plebeya”.

Als ersten Treffpunkt entstand das Cafe „Carcajada“ (= lautes Gelächter), das anfangs vielen Verdächtigungen ausgesetzt war – so wurde von der bürgerlichen Öffentlichkeit immer wieder versucht, dies als „Bordell“ abzuqualifizieren. Acht Jahre lang war es ein Treff, wo z.B. Bäuerinnen, Mütter, Lesben und Schülerinnen ihre Kämpfe und Utopien austauschen.

Heute ist in der Strasse „20 Oktober“ in La Paz das selbstverwaltete Zentrum „Virgen de los Deseos“(= Jungfrau der Wünsche). Ein Haus, in denen sie ihre verschiedenen politischen und kulturellen Aktivitäten entwickeln,  auch ein Haus, wo Versammlungen stattfinden, sich ein kleiner Lebensmittelmarkt mit Mittagstisch eingerichtet hat,  - aber wo auch Frauen Unterschlupf finden können, wenn die täglichen Dinge des Lebens etwas schwer werden und wo sie für einige Tage der Gewalt entkommen und geschützt über die weiteren Entwicklungen nachdenken können.

"Jungfrau der Wünsche/Liebhaberin des Lebens/Schwester der Träume und Tochter der Hoffnung/schütze uns alle/negras, morenas y blancas/Indigene, Huren und Lesben/und lass die Wünsche weiter aus der Erde spriessen/ die wir brauchen um weiter zu kämpfen... Erlöse uns von den Rassisten/Homophoben/ den Korrupten/Sexisten sowie von den heuchlerischen Predigern und Priestern/ für unsere armen Schwestern der Rebellion/damit sie zum Träumen zurückfinden/und Freude säen/und daß nie Brot fehle in unserem Haus/noch der Honig/ der unsere Tage versüsst/der Wein, der unsere Feste begleitet/damit wir jeden Tag das Leben feiern können/ der Liebe, der Zärtlichkeit und der Hoffnung/ ... Und, Virgen Nuestra, erlöse uns/ von allen Göttern/die uns der Versuchung berauben wollen/ frei zu sein. Deshalb/Jungfrau der Wünsche/daß Ungehorsam komme/in die Herzen aller Mädchen/für diesen Wunsch/frei und glücklich zu sein/ jeden Tag aufs neue/ in Ewigkeit...."

Die Räume jedoch für ihre Aktionen bleiben die Strassen, hier finden die „Acciones Callejeras“ statt in Form von Straßentheater und Graffitis (las Pintadas).

Und hier verteilen sie ihre Zeitung „Mujer publica(=öffentliche Frau)“ - http://mujerpublica.mujerescreando.org/

Seit 2007 haben sie auch einen eigenen Radiosender „Radio Deseo“ - http://radiodeseo.com/

Ziemlich bekannt wurden sie durch Aktionen, die sich gegen die Mikrokredite richteten, die für die Frauen in Lateinamerika als "entwicklungspolitische Massnahme" gepriesen werden, aber viele Familien verschulden und die Frauen ausbeuten. So beteiligten  sie sich 2001 an einer Aktion von verzweifelten Frauen, die mit einigen Brandflaschen und Dynamitstangen  ein Büro der Bankenaufsicht für die Mikrokredite besetzten,  um einen Schuldenerlass zu erreichen, der zumindest in einigen Fällen erreicht wurde.

„Wir gehen nicht los, um zu provozieren. Wir gehen nicht los, um zu schlagen. Wir sind vorsichtig in unseren Aktionen, weil wir wissen, daß dann durch die Polizei viele verletzt werden Aber wir glauben an unser Recht auf Notwehr. Also müssen wir bei uns Strategien ansprechen, wie wir unseren Widerstand einsetzen. Drei Monate hatten wir zuvor versucht, mit der Bankenaufsicht eine Vereinbarung zu treffen. Jetzt hatten wir endlich etwas erreicht.“

Eine Verbindungsstrasse soll das Hochland des Departamento Cochabamba mit dem Tiefland Departamento Beni verbinden. Diese Strasse soll allerdings durch den als indigenes Territorium anerkannten Nationalpark Isiboro Securo (TIPNIS) führen. Auch dort engagieren sich von Anfang an „mujeres creando“. Der Konflikt ist noch nicht ausgestanden.

Aber „mujeres creando“ setzen sich nicht alleine für indigene Frauen ein, oder für lesbische. Sie beschäftigen sich mit allen politischen Fragen: „denn jede Frage der Gesellschaft ist eine Frauenfrage, genauso wie die Frauenfrage eine soziale Frage ist, die sich nicht auf drei oder vier Frauenthema reduzieren lässt.“

„mujeres creando“ legt sich auch mit den NGO´s an, die für sie die neoliberale Politik internationaler Organisationen fortführen und von ihnen nicht als „Subjekte“ sondern nur als „Mütter“ oder „Objekte eigener Technokratie“ wahrgenommen werden und lehnen genauso eine „Quote“ ab, die sich nicht an Inhalten orientiert, sondern nur an dem „biologischen Frau-sein“.
 
Ihre Kraft ziehen  „mujeres creando“ aus ihrer jeweils eigenen individuellen Identität als „India, Lesbe oder Hure,“ wo keine für die andere spricht oder andere vertritt. Aber gleichzeitig ziehen sie ihre Stärke über die Jahrzehnte hinaus aus diesen „unerträglichen, unerlaubten und unmöglichen Beziehungen – gemeinsam, schwesterlich,  revoltierend“.

Wobei sie durchaus differenziert ihre einzelnen „Identitäten“ sehen. Für sie sind dies keine festen Kategorien, sondern Ausdrücke bestimmter Situationen.
Prostitution ist z.b. so eine Situation. Prostituierte sind Objekte und das ist keine Arbeit, sondern eine Situation. Sie kämpfen – ähnlich wie die „mujeres libres“ in Spanien –gegen Prostitution. Aber nicht gegen die Prostituierten. „Die Definition von Sexarbeit gefällt vielen Frauen in der Prostitution. Auch mit diesen Frauen arbeiten wir, egal wie sie es für sich nennen.“

Hier die offizielle Internetadresse: http://www.mujerescreando.org/

Originaltext: http://digitalresist.blogspot.com/2013/06/ich-mochte-nicht-die-frau-ihrer-traume.html


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