Vor 13 Jahren - am 15. Juli 1999 - begann das Cafe Libertad Kollektiv mit dem Vertrieb von zapatistischen Kaffee in Europa, um ihn aus Solidarität mit der Aufstandsbewegung der EZLN zu vermarkten.
Wir wollten einerseits die zapatistische Bewegung ökonomisch beim Aufbau ihrer Selbstverwaltungsstrukturen durch den Verkauf von Kaffee unterstützen und andererseits auch Arbeitsplätze für uns hier schaffen, die selbstverwaltet sind. Weiterhin verband uns der klare antikapitalistische Charakter der zapatistischen Bewegung - damals wie heute.
Das hat nunmehr 13 Jahren lang geklappt - sicherlich in wechselnden Besetzungen, aber immer mit steigenden Rohkaffee-Umsätzen und wirtschaftlichem Erfolg. Nach anfänglich ehrenamtlicher Arbeit durch einen von uns, waren wir ab Januar 2001 in der Lage, auch eine geringe halbtägliche Bezahlung zu leisten. Seit Beginn haben wir einen 6-Stundentag (wobei jede/r zwischen vier und fünf Tagen die Woche arbeitet), unser Stundenlohn beträgt derzeit brutto 17,50 €uro und jede/r erhält 75% Urlaubs- und Weihnachtsgeld, wir haben sechs Wochen bezahlten Urlaub und gewähren bei außergewöhnlichen Gesundheitsaufwendungen Zusatzzahlungen.
Angefangen haben wir 1999 mit erstmals 8, später dann insgesamt 32 Sack Rohkaffee; heute importieren wir 6,5 Container zapatistischen Kaffee aus Chiapas/Mexiko sowie 17 t aus Costa Rica und 25 t aus Honduras - das sind über 155 Tonnen Rohkaffee oder 2.300 Säcke – zum Vergleich: Im Jahre 2000 kauften wir 150 Sack von der Kooperative Mut Vitz. Das entspricht einem Gesamtwert von über 760.000 €uro, den wir seit November 2011 – also bis zu 8 Monate im Voraus - mit 300.000 €uro vorfinanziert haben. Unser Umsatz stieg im letzten Jahr auf über 1,5 Mio. €uro und ist stabil; der Gewinn nach Steuern betrug 2011 genau 16.900,10 €, der in die gesetzliche Rücklage eingestellt wurde, die nicht privatisiert werden darf. Unser solidarisch gehandelter Anteil an ‚fair’ gehandeltem Kaffee liegt gerade einmal bei 2% (von wiederum 2% am gesamten Kaffeehandel in Deutschland) und ist somit ausbaufähig.
Bemerkenswert ist auch der Vergleich unseres Verkaufspreises von vor 13 Jahren gegenüber dem heutigen Preis: Unser erstes Angebot für 500g Filterkaffee Café Libertad (noch ohne Biosiegel) lag bei 11,50 DM, das sind umgerechnet 5,81 €uro. Heute kostet unser solidarisch gehandelter Bio-Café Libertad zwar noch 7,50 €uro aber dies ist eine Steigerung im Rahmen der jährlichen Inflationsrate (insgesamt jedoch von 30%).
Der Verkaufspreis der zapatistischen Kooperativen veränderte sich im Zeitraum von April 2000 mit 5,71 DM/kg (umgerechnet 2,86 €) zu aktuell 80 mexikanischen Pesos – dies entspricht momentan 4,90 €uro/kg Rohkaffee (wir müssen mit schwankenden Kursen arbeiten). Das ist eine Steigerung um 70% im Einkommen der zapatistischen Kleinbauernfamilien. Der ‚faire’ Handel von Transfair/FLO erhöhte seine Mindestpreise im gleichen Zeitraum nur um ganze 22,5% für ökologisch zertifizierten Biokaffee (1,55 auf 1,90 US$/lbs – ca. kg-Preis von 3,35 €uro), um weiterhin im Preiskampf um die Supermarktregale mithalten zu können.
Das entstandene Kollektiv wandelte sich in Laufe der Jahre von einer Einzelfirma zu einer BGB-Gesellschaft um ab 2006 zur offenen Handelsgesellschaft zu werden. Seit dem 1. Januar 2007 firmieren wir nun als eingetragene Genossenschaft. Dieses Modell entspricht genau unseren politischen Vorstellungen von gleichberechtigtem Arbeiten. Unabhängig von der Kapitaleinlage in der Firma hat in der Genossenschaft jede/r nur eine Stimme bei Abstimmungen, zu denen es ohnehin nicht kommen soll weil wir versuchen, weitestgehend im Konsens zu entscheiden.
Neben unserer täglichen Arbeit des Packens von Bestellungen und der Abwicklung unserer Importe waren wir der Geburtshelfer des 2007 gegründeten RedProZap (Netzwerk Red Productos Zapastistas), das wir zusammen mit unseren europäischen Freunden und Genoss/innen aus Zürich, Athen, Paris und Barcelona aufbauten, um gemeinsam die Importmengen und Einkaufspreise untereinander solidarisch zu koordinieren. Das funktioniert nicht immer reibungslos aber mittlerweile gibt es auch beteiligte Gruppen in Schweden, Norwegen, England und Italien.
Insgesamt haben bei uns im Kollektiv bisher 20 Genossinnen und Genossen gearbeitet: Sie alle haben ihren Anteil am Gelingen unseres Konzeptes – jede/r auf verschiedene Art und Weise. Dabei gab es immer wieder auch Konflikte durch unterschiedliche Auffassungen über unser Projekt und die damit verbundene selbstbestimmte und selbstverwaltete „Arbeit“. Einige Mitglieder suchten sich daher neue Betätigungsfelder, andere gründeten eigene Kaffeefirmen, mit anderen Ausrichtungen und Inhalten.
Seit 1999 haben wir Fördergelder von mehr als 280.000 Euro (Stand Juni 2012) eingesammelt und zum größten Teil auch bereits nach Chiapas für zapatistische und andere Projekte vermittelt, ebenso wie mehrere Hundert Kleinförderungen im Rahmen unseres Störtefonds an radikale linke, feministische und antirassistische Initiativen verteilt. Wer mehr über unsere wirtschaftliche Situation erfahren möchte, kann sich unsere Bilanzen der Jahre 2007 bis 2010 im Bundesanzeiger unter www.bundesanzeiger.de anschauen.
Unsere ehrenamtlichen Aktivitäten sind ausbaufähig aber der Ausschank von zapatistischem Kaffee auf Festivals und die Organisation von sozialpolitischen Veranstaltungen im Rahmen der alltäglichen Arbeit kostet auch immer wieder Kraft und Zeit. Wir bemühen uns zukünftig auch mehr Bildungsarbeit zu leisten.
Unser Ziel ist eine solidarische Zusammenarbeit mit den zapatistischen und anderen Kaffee-Kooperativen in Costa Rica und Honduras und Chiapas/Mexiko auf Augenhöhe.
Wir verstehen uns dabei nicht als »Gutmenschenorganisation«, die aus der Perspektive einer einseitigen Solidarität oder paternalistischer »Menschenfreundlichkeit« handelt, z.B. aufgrund eines schlechten Gewissens oder einer weniger prekären Lage, sondern als solidarischer Handel, der weder entstehende Privilegien noch die Verantwortung für die Umgestaltung der hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse aus den Augen verliert. Dies bedeutet: Angemessene Löhne für alle, selbstverwaltetes, kollektives Arbeiten miteinander, den Versuch von Kooperation statt kapitalistischer Konkurrenz, sowie die Verpflichtung zur Vergesellschaftung unserer Kenntnisse und Erfahrungen.
Andererseits bedeutet für uns die Unterstützung der zapatistischen Bewegung und anderer Projekte (die Fördergelder bezahlen ja die Käufer und Kundinnen, sind also keine Mildtätigkeit des Cafe Libertad Kollektivs), dass wir unsere Preise für den Kaffee der entsprechenden wirtschaftlichen Situation anpassen. Das bedeutet aktuell, dass wir unsere Verkaufspreise in Beziehung zum allgemeinen Trend senken werden, sobald wir einen kontrollierten Überblick über den gesamten Import des laufenden Jahres haben. Das dürfte Anfang August der Fall sein.
Ankündigungen:
- Neben einer Preissenkung für unsere Kaffeeprodukte voraussichtlich ab 15. August 2012 präsentieren wir zwei neue Kaffeesorten:
- Den Genossenschafts-Kaffee zur Unterstützung des Internationalen Genossenschaftsjahr 2012 um solidarisches Wirtschaften weltweit zu fördern. Wir freuen uns, dass unser Genossenschaftsverband ZDK (http://www.zdk-hamburg.de) uns dabei unterstützt. Der Kaffee wird als 250g-Filterkaffee angeboten; der Rohkaffee kommt von der kleinbäuerlichen Organisation Comsa in Honduras.
- Der St. Pauli Roar-Espresso, mit dem wir unabhängige Initiativen rund um das Millerntor unterstützen wollen, um Gelder für den Kampf gegen Umstrukturierungen und Mietpreiserhöhungen sowie den kulturellen Kahlschlag des Stadtteils zu erwirtschaften. Dieser Espresso kommt ebenfalls als 250g-Brick (Hartvakuum) daher, der Kaffee stammt ebenfalls von Comsa/Honduras. Pro verkauftem Päckchen gehen neben der bei uns üblichen Förderung, zusätzliche 50 €ent an ein Gremium, welches die auflaufenden Gelder verwaltet und verteilt (Mehr Infos: http://stpauliroar.blogsport.de).
An dieser Stelle wollen wir uns auch bei mittlerweile über 3.000 Kundinnen und Kunden bedanken, Kollektiven, Initiativen, Welt- und Bioläden, die unseren Kaffee anbieten, verkaufen oder einfach aus Solidarität mit der zapatistischen Bewegung unser Konzept unterstützen. Das Cafe Libertad Kollektiv besteht aktuell aus Folkert, Stephan, Ninja, Micha, Roland und Ronja als neuem Kollektivmitglied ab diesen Montag sowie unserem Gründungsmitglied Gerrit, der uns als Berater für die Kommunikation mit den Kooperativen unterstützt. Eines können wir Euch allen garantieren: Wir als Cafe Libertad Kollektiv haben auch nach 13 Jahren noch viel vor – wir Handeln weiter!
Das Cafe Libertad Kollektiv
Hamburg, 15. Juli 2012