Vom kapitalistischen Wahnsinn...

In den Jahrhunderten seiner Entfaltung hat der Kapitalismus unermesslich leistungsfähige und differenzierte Industrien hervorgebracht – eine organisierte, gesellschaftliche Macht gegen die Naturverfallenheit primitiver Existenz. Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit sind ihre technischen Kenntnisse und produktiven Fähigkeiten derart sprunghaft gestiegen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte verfügt sie über die Mittel, um alle Menschen vor Hunger und vor den meisten Krankheiten zu schützen. Und mit jedem Tag erwirbt sie neue Fertigkeiten, die das Leben aller Menschen verlängern und verschönern könnten. Doch die Jahrhunderte des Kapitalismus sind zugleich randvoll mit organisierter Gewalt, massenhaftem Elend und einsamer Verzweiflung. An die Spitze dieser zivilisierten Barbarei stellte sich die nationalsozialistische deutsche Gesellschaft mit Vernichtungskrieg und Holocaust. Und während die kapitalistischen Zentren periodisch auf den ewigen Frieden in ihren Gefilden anstoßen, sterben abseits die Menschen noch immer wie die Fliegen durch längst vermeidbare und heilbare Krankheiten, und im Kampf um verwertbare Ressourcen.


Die sichtbaren Leichenhaufen der kapitalistischen Welt sind aber nur Exzesse ihrer alltäglichen Irrationalität. An die Stelle der oft primitiven Naturverfallenheit vorindustrieller Gesellschaften ist eine neue, bezwingende Abhängigkeit getreten. Produziert wird nicht in gesellschaftlicher Selbstbestimmung nach bewussten Zwecken und ausgehend von grundlegenden Bedürfnissen. Produziert wird unter den Zwängen der Kapitalverwertung, unter einem System unternehmerischer und staatlicher Konkurrenz, um den Reichtum der Welt. Dass dabei durch „Angebot und Nachfrage“ eine „optimale Steuerung“ der Produktion erreicht würde, ist bürgerliche Ideologie. Für die Mehrheit der Menschen werden existentielle Bedürfnisse nicht nur nicht erfüllt, sie werden innerhalb der kapitalistischen Verwertungslogik systematisch missachtet und verletzt.

Die Krise – Teil des Systems

„Ungerechtigkeit“ und sozialer Ausschluss sind in einer Weltordnung, die auf Konkurrenz und Ausbeutung beruht, keine zufälligen Vorkommnisse, sondern systematisch angelegt. Ökonomische und soziale Krisen sind kaum jemals auf falsche Politik zurückzuführen. Sie sind schlicht und ergreifend die Art und Weise, wie sich kapitalistische Konkurrenz als System gesellschaftlicher Herrschaft reguliert. Das bedeutet nicht, dass Politik gegenstandslos wäre. Es ist nicht gleichgültig, mit welcher Politik auf strukturelle Krisen reagiert wird. Doch in ihren institutionalisierten Formen reproduziert Politik die Voraussetzungen des kapitalistischen Irrationalismus. Sie ist Teil einer Weltordnung, in der die nächste „humanitäre Katastrophe“ und der nächste ökonomische oder psychische Crash nur eine Frage der Zeit sind.

Hierzulande erleben die meisten Leute die jüngste Krise des Kapitalismus, die sich auf scheinbar wundersame Weise von der Immobillien – über die Finanz- zur Staatsschuldenkrise verwandelt hat, vor allem als mediales Ereignis. Die österreichische Regierung und weite Teile der Medien sorgen dabei dafür, dass das Ganze seinen Unterhaltungswert behält und auch nach der x-ten Wiederholung nicht als ein grundlegendes Problem gesellschaftlicher und ökonomischer Strukturen gesehen wird. Der abschätzige Blick auf die „faulen Südländer“ führt die unausweichlichen Ausfallerscheinungen des kapitalistischen Verwertungsmotors auf individuelles Fehlverhalten zurück, dass in der Projektion auf andere Nationen in kulturalistisch–rassistischer Weise zum Wesensmerkmal erklärt wird. Gleichzeitig kann so die Identifikation mit dem eigenen Standort mal wieder gestärkt werden. Nicht nur erfolgreich will man sein, sondern auch noch moralisch überlegen. Dass die Krise, wenn auch in abgeschwächter Form, auch hier ihre gesellschaftliche Folgen hat — wie unter anderem die massenhaften Entlassungen und die weiteren Verschärfungen von Arbeitsverhältnissen zeigen — fällt dabei gerne schnell unter den Tisch.

It‘s not enough to be angry

Ganz anders – nicht weit entfernt: Griechenland. Eine ungewählte „nationale Notstandsregierung“ wird durch eine gewählte ersetzt, die jedoch an die technokratischen Krisenverwaltung gebunden bleibt. Während dessen nimmt das Elend in der Bevölkerung immer erschreckendere Ausmaße an und Nationalist_innen und Polizei machen weiterhin gemeinsam Jagd auf „Nicht-Griech_innen“. Dies zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, dass die Systemzwänge kapitalistischer Verwertung immer wieder ideologisch eskalieren können. Dass der Umschlag von Verwertung in Vernutzung und Vernichtung eine reale Gefahr bleibt, gerade in Zeiten kapitalistischer Krise auf globaler Stufenleiter. Ob diese ideologische Eskalation verhindert werden kann, ob die kapitalistische Fatalität nicht etwa durchbrochen werden kann, entscheidet sich in (anti-)politischen Kämpfen hier und heute.

Die soziale Revolution wäre sozusagen die Notbremse eines Zuges, der immer schneller Richtung Abgrund fährt. Von einer Katastrophe zur anderen. Da dies aber nicht von alleine geschehen wird, kein „Volk“ und keine „Klasse“ zur Emanzipation taugen, werden wir uns wohl in die Niederungen linksradikaler (Anti-)Politik herab begeben müssen. Dies bedeutet konkret sich zu organisieren, weil ohne Organisation gar nichts passiert und Theoriearbeit, weil ohne Theorie keine vernünftige Praxis zu Stande kommt. Es ist an der antikapitalistischen, antistaatlichen Linken Vorschläge zu entwickeln, wie eine sozialrevolutionäre Dynamik von sozialen Kämpfen aussehen könnte, nach Formen kollektiver Widerstandspraxis, Aneignung und Subversion zu suchen. Dort, wo der Kitt von Ideologie und kapitalistischer Vergesellschaftung bröckelt, kann ruhig mal der Vorschlaghammer gezückt werden.

Wir wollen das schöne Leben für alle! Ohne Angst, Stress, Lohnarbeit und Konkurrenz! Gegen den Horror des Kapitalismus! Für die befreite Gesellschaft! Zeigen wir dem Schweinesystem unsere hässlichste Fratze! Kommt verkleidet um 18h zum Demotreffpunkt am Westbahnhof (u3/u6) in Wien!

Ein Aufruf der autonomen antifa [w]


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