Ulrichsberg im Zeichen des Edelweiß
Einer der präsentesten Personenkreise am und um den Ulrichsberg sind ehemalige Angehörige der sogenannten Gebirgsjäger. In der "Kameradschaft ehemaliger Gebirgsjäger" sind Mitglieder der Gebirgsjägertruppen, einer Spezialeinheit der Wehrmacht, organisiert. Diese ist in Kärnten mit ca. 155 Mitgliedern zwar relativ klein, aber dank ihrer Verbindungen zu "Kameraden" in Deutschland, sowie zu Militär und Politik höchst aktiv und lebendig.
Bei der Traditionspflege der Gebirgsjäger fällt dabei die Verstrickung der Truppe in Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg unter den Tisch. So verübten Gebirgsjäger Massaker in Griechenland, Italien, Frankreich, Finnland, Jugoslawien, Polen, Albanien, der (ehemaligen) Sowjetunion und am Kaukasus.
Der Ulrichsberg und die Gebirgsjäger
Gegründet wurde die Kameradschaft vom Vater des derzeit amtierenden Klagenfurter Bürgermeisters Harald Scheucher, Blasius Scheucher. Blasius Scheucher war darüber hinaus Gründungsmitglied und bis zu seinem Tod Vorsitzender der Ulirchsberggemeinschaft.
Obwohl 1955 das vorgesehene Edelweißtreffen der Gebirgsjäger in Klagenfurt staatspolizeilich verboten worden war, strebten diese an ein Ehrenmal für ihre Gefallenen zu errichten. So verwundert es auch nicht, dass die Kameradschaft von Beginn der Ulrichsbergfeierlichkeiten an immer recht präsent war und der Erinnerung an die Gebirgsjäger am Ulrichsberg auch mehrere Tafeln gewidmet sind.
Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger
Im nordgriechischen Ort Kommeno verübte die 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 am 16. August 1943 ein Massaker an der Bevölkerung. Die unter dem Kommando des späteren Stabsoffiziers der Bundeswehr Reinhold Klebe stehenden Soldaten ermordeten Zivilisten und gaben das Dorf zum privaten Raubzug frei. Sie töteten insgesamt 317 Menschen. Im Gefechtsbericht dazu hieß es später lapidar: "Beute: etwa 150 tote Zivilisten, 16 Stück Großvieh, 1 LKW, 5 italienische Karabiner, eine italienische MP." Alle von der deutschen Staatsanwaltschaft zu den in Kommeno begangenen Verbrechen eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden allerdings wieder eingestellt. Über die begangenen Verbrechen wurde einerseits der Mantel des Schweigens gebreitet, andererseits wurden diese mit juristischer Diktion versehen als Kriegshandlungen legitimiert, und die Täter mit widersprüchlichen juristischen Konstruktionen vor einer Strafverfolgung geschützt.
Auf der griechischen Insel Kephallonia beteiligte sich die 1. Gebirgsdivision and der Entwaffnung der italienischen Armee in Griechenland. Dabei erschossen sie im September 1943 ca. 5.000 italienische Kriegsgefangene.
Unter dem Deckmantel der sogenannten "Bandenbekämpfung", also zur Bekämpfung antifaschistischer PartisanInnen, ermordeten Gebirgsjäger-Einheiten über 1.000 GriechInnen und zerstörten allein im Oktober 1943 im Epirusgebiet mehr als 100 Dörfer. In Joannina unterstützte die 1. Gebirgsdivision die Geheime Feldpolizei bei der Ghettoisierung und Deportation der griechischen Jüdinnen und Juden. Jüdische PartisanInnen wurden hingerichtet. Griechische ZivilistInnen, die die Massaker überlebten, wurden als Geiseln festgehalten oder nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt.
Die Gebirgsjäger waren ebenfalls an der Ermordung der Athener Juden und Jüdinnen beteiligt. Am 24. März 1944 wurden alle registrierten Juden und Jüdinnen von Polizeieinheiten in die Synagoge gebracht und dort eingesperrt. Zu den eingesetzten Polizeieinheiten gehörten die dritte und vierte Kompanie des I. Bataillons des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18. Insgesamt wurden an diesem und dem folgenden Tag 1700 Jüdinnen und Juden verhaftet. Nach neun Tagen wurden die Verhafteten in das KZ Dachau sowie das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Angehörige der 3. und 4. Kompanie des I. Bataillons des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 sowie der Polizei-Gebirgs-Artillerie-Abteilung begleiteten diese Deportationszüge.
Im Juni 1944 verübten Gebirgsjägereinheiten während des Rückzugs der deutschen Armee in Italien weitere Massaker. Aus Gefechtskarten und Aktenverweisen geht hervor, dass die 5. Gebirgsdivision für die Verbrechen in Camerino und Fabriano verantwortlich ist. Sie sahen sich mit einer relativ starken Resistenza konfrontiert, die regelmäßig versuchte Brücken und Nachschubwege zu zerstören. Auf die Präsenz der PartisanInnen reagierte die Militärführung mit der Verschärfung des "Anti-Bandenkampfes". Neben der Massakrierung der Zivilbevölkerung empfahl der Oberbefehlshaber Südwest, Albert Kesselring, auch die Deportation der Verhafteten ins Reich zum "Arbeitseinsatz". Am 21. und 22. Juni 1944 wurden in Camerino 22 LandarbeiterInnen erschossen. Am 24. Juni wurden dort weitere 85 Menschen getötet, und am selben Tag wurden in Fabriano weitere 6 ZivilistInnen ermordet.
Angreifbare Traditionspflege
Der Kameradenkreis der Gebirgstruppe e. V., in dem außer den ehemaligen Wehrmachtsangehörigen auch nachfolgende Bundeswehrsoldaten organisiert sind, veranstaltet jährlich ein Pfingstreffen. Dieses findet auf einem Berg bei Mittenwald, einer bayrischen Tourismusgemeinde nahe der Tiroler Grenze, statt. Gleichzeitig ist das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger die größte Soldatenfeier der Bundesrepublik Deutschland. Nur am 17. Mai 1959, als zu Pfingsten die "Heimkehrergedenkstätte" eingeweiht wurde, fand die Festsitzung der Edelweißkameradschaft der Gebirgsjäger im Rahmen der Ulrichsbergfeiern statt.
Seit 2002 gibt es in Mittenwald Proteste gegen diese Form der Erinnerungskultur, die ähnlich wie am Ulrichsberg alleine positiven Bezug auf die Soldaten nimmt, die begangenen Verbrechen und die Opfer jedoch völlig ausblendet. Der Aktionskreis "Angreifbare Traditionspflege" und die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN-BdA) rufen seit 2003 jährlich zu Aktionen gegen das Pfingstreffen der Gebirgsjäger auf. Neben Protestveranstaltungen ist ein zentraler Punkt der Gegenaktivitäten die Einladung von ZeitzeugInnen, darunter auch Überlebende der von den Gebirgsjägern verübten Massaker.
Während die Mörder aus den Reihen der Gebirgsjäger und anderer Wehrmachtstruppen strafrechtlich nur schleppend verfolgt wurden und bis heute von staatlichen Renten leben, erhalten die meisten Opfer der Gebirgsjäger keine Entschädigungen. So auch nicht die Überlebenden der von den Gebirgsjägern begangenen Massaker in Griechenland.
Mehr Informationen zu den Gebirgsjägern und den Protesten in Mittenwald: www.nadir.org
Originaltext: www.u-berg.at