Hans Manfred Bock - Anarchosyndikalismus in Deutschland. Eine Zwischenbilanz
1. Rückblick auf die zweite internationale Anarchismusdebatte und den Aktualisierungskontext des Anarchosyndikalismus in der Bundesrepublik
Vor einigen Jahren hat George Woodcock hingewiesen auf eine Interimsperiode zwischen dem Niedergang der anarchistischen Bewegung mit dem Ausgang des Spanischen Bürgerkrieges und der Neubelebung anarchistischer Traditionen im Zusammenhang mit der Studentenrevolte am Ende der sechziger Jahre. (1) Er sah für diese Periode im angelsächsischen Intellektuellen-Anarchismus die vitalste Weiterentwicklung anarchistischen Denkens und eine Art Überbrückungsphänomen. Die Begegnung mit diesem angelsächsischen Intellektuellen-Anarchismus und mit dem damals einzigen Hochschullehrer in der Bundesrepublik Deutschland, der auch die Nebenströmungen in der Arbeiterbewegung für forschungswürdig hielt, Wolfgang Abendroth, waren die Voraussetzung dafür, daß sich der Verfasser des folgenden Forschungs- und Literaturberichts einem vor 25 Jahren so esoterischen Thema wie dem Anarchosyndikalismus in Deutschland zuwandte. (2)
Die international gleichzeitige Studentenrevolte der späten sechziger Jahre weckte dann schlagartig das Interesse einer größeren Öffentlichkeit am Gesamtphänomen Anarchismus. Es begann eine zweite, ebenso breit wie kontrovers geführte Anarchismusdebatte, nachdem bereits im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts der internationale Aktionsanarchismus zu einer ähnlichen öffentlichen Anarchismusdiskussion geführt und zu den Anfängen der wissenschaftlichen Befassung mit dem Thema Anlaß gegeben hatte. (3) In den siebziger Jahren setzte eine bis heute anhaltende literarische und wissenschaftliche Bearbeitung des Anarchismus in seinen verschiedenen Varianten und Aspekten ein.
Die aus dieser Bearbeitung hervorgegangenen Veröffentlichungen weisen drei historiographische Orientierungen auf. Erstens florierte eine Literatur, die tendenziell die Studentenrevolte als Wiedergeburt des Anarchismus deutete, den Anarchismus mit dem Terrorismus gleichsetzte und ihn zur Monstrosität im Repertoire der neuzeitlichen Ideen- und Sozialgeschichte stilisierte. Der Wirkung dieser in der Regel konservativ orientierten Veröffentlichungen in den frühen siebziger Jahren und dem Beitrag der Presse zur Verfestigung des negativen "Anarchismus"-Klischees in der Bundesrepublik Deutschland sowie ihres Beitrags zum "kollektiven Reizklima" ist eine kritische medienwissenschaftliche Dissertation gewidmet worden. (4)
Zweitens entstanden neben dieser stark an die Konjunkturen der öffentlichen Meinung gebundenen Art von Anarchismuspublikationen überwiegend im universitären Veröffentlichungsbereich Beiträge zur Ideengeschichte des Anarchismus, die der Absicht verpflichtet waren, die Anarchismusdebatte zu versachlichen. Sie stellten die für diesen Zweck erforderlichen historischen Informationen und Dokumente zur Verfügung und standen in der Regel liberalem Denken nahe, das bei aller prinzipiellen Kritik bereit ist, dem Anarchismus eine Korrektivfunktion gegenüber den bürokratischen Erstarrungstendenzen moderner Industrie- und Verwaltungsstaaten zuzubilligen. (5) Während in der neuen internationalen Anarchismusdiskussion der siebziger Jahre der politische Topos Studentenrevolte = Anarchismus = Terrorismus eingehend kritisch diskutiert wurde, (6) blieben die vereinzelten Beiträge zu diesem Thema in der akademischen Literatur in der Bundesrepublik ohne größere Resonanz. (7)
Eine dritte Version der publizistischen Befassung mit dem Anarchismus entstand teilweise erst gerade im Widerspruch gegen den in der Bundesrepublik Deutschland weithin akzeptierten Gemeinplatz Studentenrevolte = Anarchismus = Terrorismus. Gegen Mitte der siebziger Jahre setzte (zeitgleich mit den Neuen Sozialen Bewegungen) in der Nach-Achtundsechziger-Generation die aktive historische, gleichsam besitzergreifende Hinwendung zu den anarchistischen Traditionen in Deutschland ein, nachdem das Interesse der Antiautoritären in den sechziger Jahren am Anarchismus überwiegend prüfender und selektiver Art gewesen war. Die erste monographische Studie über den Vorgang der "Wiederaneignung" des Anarchismus in der Bundesrepublik der siebziger Jahre hat dies noch einmal bestätigt. (8) Die Unhaltbarkeit der Gleichsetzung von Anarchismus und Terrorismus richtig erkennend, daraus aber oft vorschnell auf die politische Praktikabilität und pauschale Rechtfertigung des Anarchismus schließend, setzte in Wechselwirkung mit den Neuen Sozialen Bewegungen (9) in den politisch interessierten Teilen der Jugend- und Studentengenerationen seit Mitte der siebziger Jahre die intensive Aufarbeitung der Geschichte des Anarchismus in Deutschland ein. In ihr erhielt - stärker noch als die Tradition des Intellektuellen-Anarchismus (10) - der Anarchosyndikalismus eine hervorragende Bedeutung. Als Indiz für den Versuch, an diese historische Bewegung anzuknüpfen, kann die 1977 erfolgte Neugründung einer "Freien Arbeiter Union" (FAU), mehr als vier Jahrzehnte nach dem gewaltsamen Ende der "Freien Arbeiter Union Deutschland (Anarcho-Syndikalisten)" (FAUD (AS)) unter dem Nationalsozialismus, angesehen werden. (11)
Der folgende Forschungs- und Literaturbericht geht nicht ein auf die konservativ-polemische, die erste der hier unterschiedenen drei Arten der neueren Anarchismusveröffentlichungen. (12) Dies ist schon deshalb gerechtfertigt, weil in dieser meist ein größeres Publikum suchenden Publizistik das historische und begriffliche Unterscheidungsvermögen in aller Regel gering ist; aber auch deshalb, weil die liberal-kritischen und die neoanarchistisch-legitimatorischen Studien sehr oft einsetzen bei der Auseinandersetzung mit den vorurteilhaften Zügen verbreiteter Anarchismusauffassungen. Die folgende Bilanz berücksichtigt also die wissenschaftlichen und jungakademischen Bücher und Aufsätze der letzten zwanzig Jahre zum Anarchosyndikalismus im Deutschland der Weimarer Republik einschließlich seiner Vor- und Rezeptionsgeschichte. Der kritische Bilanzierungsversuch soll, in weitgehend chronologischer Anordnung und jeweils unter zentralen Themen gruppiert, die Erkenntnisgewinne und -defizite der weit verstreuten neueren Literatur zum deutschen Anarchosyndikalismus überschaubar machen. Die Darstellung der einschlägigen Veröffentlichungen konzentriert sich auf deren Ertrag an neuen Kenntnissen und methodologischen Anregungen; die Erörterung der wissenschaftlich-technischen Qualitäten der Arbeiten wird der besseren Lesbarkeit des Textes wegen in den Anmerkungsapparat versetzt.
2. Zu den Anfängen der lokalistischen Gewerkschaftsbewegung: Handwerker-Sozialisten, lokale Fachvereine und Versammlungsdemokratie
Die sozialgeschichtliche Erneuerung der deutschen Gewerkschaftsgeschichtsschreibung für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die jüngst in den achtziger Jahren begann, hat auch für die genauere Kenntnis der Konstituierungsursachen der lokalistischen Gewerkschaften zu höchst schätzenswerten Ergebnissen geführt. Bislang war man auf die ältere organisationsgeschichtliche Skizze verwiesen, die W. Kulemann den "Lokalorganisierten" in seinem monumentalen Werk über die "Berufsvereine" schon vor dem Ersten Weltkrieg gewidmet hatte. (13) Die auf dem Zugang zum Archiv der lokalistischen "Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften" (FVdG) beruhende Darstellung setzte erst bei den Diskussionen über die Organisationsfrage auf dem Gewerkschaftskongreß in Halberstadt 1892 ein und ließ die Frage nach den vorausgegangenen Entwicklungen offen. In den vorausgegangenen Gewerkschaftsdiskussionen der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts versuchte dann Angela Vogel in ihrer Dissertation, in der Person und in der Gewerkschaftstheorie Carl Hillmanns den ideengeschichtlichen Ausgangspunkt des Lokalismus und des Anarchosyndikalismus zu konstruieren. (14) Diese Arbeit folgte damit engstens der Darstellung ihrer historischen Herleitung durch die Anarchosyndikalisten selbst. (15) Sie vermochte jedoch weder eine durchgängige Übereinstimmung noch überhaupt eine Erinnerung an Hillmanns Konzeption in der Formierungsphase der Lokalisten oder in der Geschichte der FVdG zu belegen. Sie blieb damit nicht nur den Beweis für die These schuldig, Hillmann erweise sich "in gewisser Hinsicht als der geistige Vater des deutschen Lokalismus und späteren Anarcho-Syndikalismus", (16) sondern mangels Quellenkenntnis überhaupt neue Einsichten in die Geschichte des Lokalismus.
Wirklich neue Einsichten und eingehenderes Verständnis der Entstehungsbedingungen des Lokalismus sind einem sozialgeschichtlichen Forschungsansatz zu verdanken, der einsetzt bei der Analyse des Alltagslebens der Arbeiter in möglichst vielen konkreten Bezügen. Als wichtigste dieser Rahmenbedingungen für das Organisationsverhalten des Arbeiters in der Frühgeschichte der Gewerkschaftsbewegung resümiert Klaus Schönhoven: "Seine Herkunft, seine Wohnsituation und sein Freizeitverhalten, seine Einkommens- und Besitzverhältnisse; seine konfessionellen Bindungen und seine kommunikativen Beziehungen"; die außerbetriebliche Lebensweise des Arbeiters müsse in Verbindung gesetzt werden mit "seinem innerbetrieblichen Status, seiner beruflichen Qualifikation und seinen spezifischen Arbeitsverrichtungen"; seine soziale Lage und seine politischen Optionen müßten "in den Zusammenhang gesamtgesellschaftlicher Entwicklung gestellt" werden. (17) Dieses anspruchsvolle Programm, das die älteren ideen- und organisationsgeschichtlichen Fragestellungen zu überschreiten und in eine komplexere Konzeption der Gewerkschaftsgeschichte einzubetten beabsichtigt, hat Schönhoven am Beispiel der Entwicklung der Freien Gewerkschaften von 1890 bis 1914 forschungspraktisch zu verwirklichen versucht. Er behandelt mit seiner Untersuchung des Expansions- und des Konzentrationsprozesses der Freien Gewerkschaften eben die sozial- und organisationsgeschichtlichen Zusammenhänge, in denen die Ursachen für die Formierung und organisatorische Verselbständigung der lokalistischen Opposition angelegt waren. Die Arbeit konzentriert sich dann allerdings resolut auf den Siegeszug der organisatorischen Zentralisierungsbefürworter und streift nur die Opposition der Lokalisten und ihre Motive. (18) Gerade gegen diese Blickverengung, die die Gefahr birgt, die Gewerkschaftsgeschichte nur vom Ergebnis der modernen massengewerkschaftlichen Zentralverbände her zu schreiben, erhebt Rudolf Boch in seiner 1985 als Buch erschienenen Bielefelder Dissertation ausdrücklich Widerspruch. (19) Die Studie über die Geschichte der lokalen Solinger Schneidwarenschleifer-Gewerkschaft und die gleichzeitig erschienene Studie von Dirk H. Müller über die Geschichte der Gewerkschaften des Berliner Baugewerbes (20) sind die einschlägigsten und ertragreichsten Beiträge zur Sozialgeschichte des Lokalismus.
Diese beiden Monographien bringen in Verbindung mit einigen ergänzenden Arbeiten erstmals Licht in die Entstehungsgeschichte des in den neunziger Jahren zutage tretenden oppositionellen Lokalismus. Es zeigt sich, daß dieser sich an der Organisationsfrage entflammende Konflikt das Ergebnis des Aufeinandertreffens von zwei unterschiedlichen Typen der Arbeiterschaft war, die jeweils einer bestimmten Periode sozio-ökonomischer Entwicklung zuzuordnen sind und jeweils eigene Konzeptionen gewerkschaftlicher Organisation und Aktion hervorbrachten. Diese ansatzweise generalisierende These wird am deutlichsten von Rudolf Boch im Schlußkapitel seiner Regionalstudie vertreten. Er bilanziert, "daß die Solinger Schneidwarenschleifer, die ja nicht Heimarbeiter, sondern verlegte, qualifizierte Handwerker waren, die in Schleifereien zwischen zehn und hundert Personen arbeiteten, auch mit jenem Arbeitertypus starke Ähnlichkeiten aufwiesen, d.h. vermutlich vergleichbar waren, der in der Metall-, Werft-, Leder- und Bauindustrie der ersten Jahrzehnte des Kaiserreichs als Lohnarbeiter in noch weitgehend handwerklich geprägten Arbeitsprozessen stand. Die Kenntnis der jeweiligen Produktionsprozesse, die relative Selbständigkeit gegenüber den Unternehmern [...] sowie der handwerklich geprägte Sozialisationshintergrund, gaben diesen Arbeitergruppen in der Zeit der Aushöhlung und schließlich Aufhebung des Koalitionsverbots eine erhebliche gewerkschaftliche Marktmacht." (21) Der Autor plädiert dafür, diesen Typus des "Handwerker-Arbeiters" bzw. "Handwerker-Sozialisten" ebenso wie die von ihm bevorzugte "lokalistische" Gewerkschaftskonzeption als eine sozialgeschichtliche Erscheinung sui generis zu sehen, die mehr als ein Vorläufer der modernen zentralistischen und tendenziell industrieverbandlichen Massengewerkschaften gewesen sei. Seine Fallstudie zeigt, daß dieser Typus des "Handwerker-Arbeiters" und seine Gewerkschaftskonzeption zu Beginn der neunziger Jahre vorherrschte, daß er unter besonderen regionalen Produktionsbedingungen den Zentralisationsprozeß der Freien Gewerkschaften überdauerte und daß die gesellschaftliche Verankerung dieses "Handwerker-Sozialismus" breiter war als die sozio-professionelle und geographische Rekrutierungsbasis der aus dem Lokalismus 1897 hervorgegangenen Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften. Für die Formierungsphase des Lokalismus am Ende der Periode des Sozialistengesetzes widersprechen die Feststellungen anderer Autoren der These Bochs nicht. Auch Schönhoven z.B. kommt für die Schwelle zu den neunziger Jahren zu der Beobachtung: "Am weitesten verbreitet waren berufsorientierte Fachvereine auf örtlicher Ebene, die an den handwerklichen Erfahrungsbereich qualifizierter Gesellenarbeiter anknüpften." (22)
Dirk H. Müller schließlich arbeitet gelegentlich für die Frühgeschichte den deutschen Gewerkschaften in den sechziger und siebziger Jahren die handwerklich-zünftlerischen Merkmale und die Vorherrschaft lokaler Organisationsautonomie heraus, die als Ausgangspunkt der lokalistischen Opposition der neunziger Jahre anzusehen sind. (23) Boch stützt seine These vom "Handwerker-Arbeiter" als gesellschaftliche Grundlage des Lokalismus gelegentlich durch den Vergleich mit dem "old unionism" in Großbritannien. (24) Eine Ausweitung dieses Vergleichs auf den "proudhonisme" des 19. Jahrhunderts in Frankreich (25) und den in ihm dominanten Typus des handwerklich hochqualifizierten, professionell selbstbewußten, kleingewerblichen Facharbeiters würde die These wahrscheinlich erhärten und wäre die Mühe einer komparatistischen Studie wert.
Sicherer noch als die Frage der Generalisierbarkeit der These vom "Handwerker-Arbeiter" als sozio-professioneller Grundlage des Lokalismus, die Boch am Beispiel der Solinger Metallarbeiter und Müller am Beispiel der Berliner Bauarbeiter entwickeln, kann neuerdings die Frage nach der Genese der lokalen Organisationsautonomie und der direkt-demokratischen Entscheidungs- und Delegationsverfahren im Lokalismus beantwortet werden. Es zeigt sich, daß die zwischen 1870 und 1890 neu und immer zahlreicher gegründeten Fachvereine generell erst einmal lokale Organisationsansätze für Streik- und Unterstützungszwecke waren. In der umfassendsten neueren Arbeit zu den Fachvereinen bis zum Ende des Sozialistengesetzes werden diese definiert als "örtlich begrenzte gewerkschaftliche Organisation für einen Beruf oder eine Gruppe verwandter Berufe". (26) Nach der Verabschiedung des Sozialistengesetzes setzte in den Jahren 1879 bis 1882 eine "Fachvereinsbewegung" in der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaftsbewegung ein, die angesichts des Parteiverbots und der Unterdrückung gewerkschaftlicher Zentralisationsansätze die Kontinuität der Bewegung im lokalen Rahmen gewährleisten sollte. (27) In der in Berlin besonders starken Fachvereinsbewegung begann ab 1884 bei den Maurern sich eine Konzeption gewerkschaftlicher Organisation und Politik abzuzeichnen, die im Widerspruch zur eher zentralistischen Hamburger Maurerbewegung artikuliert wurde. In dieser auf andere Berufsgewerkschaftszweige des Baugewerbes einwirkenden Konzeption der Berliner Maurer, die publizistisch vertreten wurden von Gustav Keßler (1832-1904), (28) sind die frühesten Ansätze einer lokalistischen Gewerkschaftsbewegung zu sehen. Gegenüber dem "Zentralverband der deutschen Maurer" konstituierte sich im Juli 1891 in Berlin die lokalistische Opposition der Maurergewerkschaften mehrerer Städte, die unter dem Namen "Freie Vereinigung der deutschen Maurer" auftrat. Bereits im April 1887 hatte sich in Magdeburg die lokalistische Opposition der Zimmerergewerkschaften als "Freie Vereinigung" zusammengeschlossen. (29) Bei den Metallarbeitern war der Widerstand gegen das in der Gründung des Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV) 1891 am weitgehendsten verwirklichte neue zentralistische Industrieverbandsprinzip sehr stark. Den dem DMV angeschlossenen rund 20.000 Mitgliedern standen 1891 mindestens ebenso viele Metallarbeiter in den lokalen Fachvereinen gegenüber, die zur Aufgabe ihrer lokalen Organisations- und Aktionsautonomie nicht bereit waren; unter ihnen gerade die höchst qualifizierten wie die Kupferschmiede, Gold- und Silberarbeiter und auch die Solinger Schneidwarenarbeiter. (30) Diese lokalistischen Tendenzen wurden zwar wie bei den Bauberufen im Laufe der neunziger Jahre insgesamt zurückgedrängt, behaupteten sich jedoch beispielsweise in Solingen bis nach der Jahrhundertwende. Die Gegensätze in der Organisationsfrage auf dem Halberstädter Gewerkschaftskongreß 1892 hatten also eine längere Vorgeschichte und waren mit dessen Resolutionen nicht abgeschlossen.
Die Frage ist, worin das Festhalten an der weitgehenden Autonomie der lokalen Fachvereine begründet war. Was aus rein verbandsgeschichtlicher Sicht etwas abstrakt wie ein Ringen "um die beste Form der Organisation" (31) und wie Innovationsscheu aussieht, erscheint in sozialgeschichtlicher Interpretation als der Beharrungsversuch einer anderen Gewerkschaftskonzeption. Dirk H. Müller und Rudolf Boch haben dargelegt, daß der Kern der lokalistischen Gewerkschaftsauffassung das Insistieren auf selbstbestimmter Handlungsfähigkeit und direkt-demokratischer Entscheidungsfindung im überschaubaren lokalen Zusammenhang war. Müller hat als zusammenfassende Bezeichnung für diese Merkmale den Begriff der "Versammlungsdemokratie" eingeführt (32) und deren Tradition u.a. am Beispiel des Funktionswandels des "Platzdeputierten" im Baugewerbe aufgezeigt. In der lokalistischen Gewerkschaftsauffassung wurde der Bewegungscharakter dieser Organisation nachdrücklich betont. Das bedeutet insbesondere die autonome Entscheidung über den Streik nach Maßgabe der lokalen Gegebenheiten; das bedeutet das Vertrauen in die spontane Solidarität der Fachvereine der anderen Berufe am selben Ort und des selben Berufszweiges an anderen Orten; das bedeutet schließlich zumindest bei den Lokalisten im Berliner Baugewerbe die Befürwortung sozialdemokratischer Agitation in den Fachvereinen. (33)
Die Betonung des Bewegungscharakters in der lokalistischen Gewerkschaftskonzeption bedingte auch ein immer waches Mißtrauen gegen eine zu weit gehende Festlegung der Gewerkschaften auf Unterstützungsfunktionen und gegen die Professionalisierungs- und Bürokratisierungstendenz ihrer Verbandsvertreter; beides waren Tendenzen, die in erster Linie bei den Zentralverbänden festgestellt und kritisiert wurden. (34) Die überörtliche Zusammenarbeit der Lokalisten wurde ermöglicht durch eine "lockere" Form der Zentralisation, durch die Delegation lokaler Fachvereinsrepräsentanten, die sogen. Vertrauensmänner-Zentralisation. (35) Ein von Gustav Keßler angeregter Versuch, die beruflichen Fachvereine der Bauarbeiter an einem Ort nach dem Vorbild der französischen "bourses du travail" zur ständigen Zusammenarbeit zu bewegen, scheiterte. (36)
Für Müller sind die versammlungsdemokratischen Merkmale des Lokalismus ein Beleg für die Kontinuität basisdemokratischer Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung, die von der Frühgeschichte der Gewerkschaften bis zur Formierung der Rätebewegung in Verbindung mit der gewerkschaftlichen Opposition seit 1917 reichen: "Die deutsche Rätebewegung hatte [...] die eigenständige organisatorische Tradition der gewerkschaftlichen Versammlungsdemokratie und Arbeiterdelegierten zur Voraussetzung, die sich vor, neben und innerhalb gewerkschaftlicher Organisationen nachweisen lassen". (37) In dieser Sicht wird der lokalistischen Gewerkschaftsbewegung historisch eine gewisse Vorläuferfunktion zugeschrieben. Rudolf Boch, der seine Argumentation nicht auf den Delegations- und Entscheidungsmodus, sondern auf den Status der lokalistischen Arbeiter im Produktionsprozeß konzentriert, vermag hingegen historisch im Lokalismus dergleichen antizipatorische Elemente nicht zu erkennen. Für ihn war die Konfrontation der Solinger Lokalgewerkschaften mit dem DMV, die sich bis ins letzte Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg erstreckte, das "letzte, eindrucksvolle Aufbäumen einer älteren Arbeits- und Lebensordnung"; (38) die Lokalisten erscheinen in dieser Perspektive eher als die Refraktäre der zentral- und industrieverbandlichen Transformation der Gewerkschaften.
3. Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften: Von der sozialdemokratischen Avantgarde zum Schrittmacher des revolutionären Syndikalismus vor 1914
Obwohl die bisher vorgestellten Studien zum Lokalismus allesamt nicht die Geschichte der "Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften" (FVdG) zum zentralen Thema haben, tragen sie ganz wesentlich zum Verständnis ihrer Geschichte bei. Das umfangreiche Kapitel, das Dirk H. Müller der FVdG widmet, (39) ist als aktuelle Synthese des historischen Kenntnisstandes dieser unmittelbaren Vorläuferorganisation des deutschen Anarchosyndikalismus anzusehen. Gleichwohl sind einige neuere komplementäre Detailstudien zur FVdG in das kritische Referat ihrer Geschichtsschreibung miteinzubeziehen. Referiert werden sollen die neueren Einsichten in die Konstituierungsgrundlagen, die Funktions- und Arbeitsweise und in den ideologisch-programmatischen Wandlungsprozeß der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften bis 1914.
Die wichtigste Erkenntnis zu den Konstituierungsbedingungen der FVdG besteht in der Feststellung, daß diese selbständige Organisationsgründung im Jahre 1897 bereits nur mehr die Reste und von diesen wiederum nur einen Teil der lokalistischen Gewerkschaftsbewegung umfaßte. Man hat daraufhingewiesen, daß der Zusammenschluß zu einer besonderen Organisation u.a. den Sinn gehabt habe, die Erosion des lokalistischen Lagers aufzuhalten. (40) Zu Beginn des Jahres 1897 war z.B. ein großer Teil der lokalorganisierten Metallarbeiter in Berlin zum DMV übergetreten, allerdings unter der Bedingung, die lokale Streikautonomie beibehalten zu können; (41) dieses Privileg behaupteten sie dann innerhalb des DMV bis 1907. Die bei weitem wichtigsten sozio-professionellen Rekrutierungsfelder der FVdG waren die Berufe des Baugewerbes und der Metallverarbeitung. Als wichtige Komponente in der sozio-professionellen Zusammensetzung der Organisation sind außerdem die Gruppen hochspezialisierter und seltener Berufe anzusehen: "Außer den handwerklich qualifizierten Maurern, Zimmerern und Töpfern strömten der "Freien Vereinigung" vor allen Dingen Angehörige von wenig verbreiteten Spezialberufen zu, die in den großen multiberuflichen Verbänden kaum ins Gewicht gefallen wären: Klaviermacher, Stockarbeiter, Korbmacher, Kistenmacher, Fliesenleger u.ä". (42) Dieses Merkmal wird für die Metallberufe durch Bochs Solingen-Studie bestätigt. Die regionalen Schwerpunkte der Orgnisation blieben Berlin, wo 7 von 11 Vorkriegs- Kongressen der FVdG abgehalten wurden, und das mitteldeutsche Industriegebiet. Einige Trendentwicklungen in den sozialen und regionalen Grundlagen, die in diesen Globalcharakterisierungen der FVdG nicht zum Ausdruck kommen, sind neuerdings erkennbar für das rheinisch-westfälische Industriegebiet, dem wichtigsten Rekrutierungsfeld des Anarchosyndikalismus der ersten Nachkriegsjahre.
Die Solinger Vertreter der lokalen Fachvereine für die Schneidwarenproduzenten waren zwar seit der Gründung der FVdG auf deren Kongressen zugegen und teilten deren versammlungsdemokratische Praktiken und bürokratiekritische Ansichten. (43) Sie verstanden sich im Vergleich zur Berliner Geschäftskommission der FVdG als zwar ebenfalls sozialdemokratische, aber doch vorwiegend politisch neutrale Organisation der Interessenvertretung. Die Vermutung, daß sich die Solinger Fachvereine in dem Maße von der FVdG abwandten wie diese sich nach der Jahrhundertwende der antiparlamentarischen Agitation zuwandte, (44) ist zumindest plausibel. Die Metallfachvereine schlossen sich in der Solinger Region 1907 zu einem Industriearbeiterverband zusammen, der weiterhin Spuren der lokalistischen Tradition aufwies. (45) Er umfaßte mit 6.000 Mitgliedern für sich allein fast halb so viel Organisierte wie die gesamte FVdG auf Reichsebene, und er war bis 1911 stärker als der regionale DMV, mit dem er konkurrierte.
Während sich dieser Zweig der lokalistischen Fachvereine seit 1904 von der FVdG entfernte, näherten sich seit dem Massenstreik im Ruhrgebiet von 1905 kleine Teile der Bergarbeiterschaft tendenziell der Programmatik der Organisation an. Klaus Tenfelde hat in einer Studie zum Linksradikalismus in der Ruhrbergarbeiterschaft die Konstituierungsbedingungen der "Freien Vereinigung" der Bergarbeiter erörtert. (46) Obwohl es auch bei den Bergarbeitern ältere Traditionen direkt-demokratischer Entscheidungs- und Delegationsverfahren gab, (47) waren hier nicht lokalistische Tendenzen entstanden und für die Gründung "Freier Vereinigungen" bestimmend gewesen. Es waren vielmehr die seit der Streikbewegung von Anfang 1905 wachsenden Spannungen zwischen den Mitgliedern und der bürokratisierten Führung der gewerkschaftlichen Zentralverbände, die erste und überaus zaghafte Annäherungen von Ruhrbergarbeitern an die antibürokratische und antiparlamentarische Programmatik der FVdG bewirkten. Neben den Handwerker-Sozialisten der lokalistischen Tradition trat im Ruhrgebiet im letzten Vorkriegsjahrzehnt bereits in Ansätzen die vergleichsweise "moderne" Trägergruppe antibürokratisch-oppositioneller Bergarbeiter in Erscheinung, die in der Nachkriegsentwicklung des deutschen Anarchosyndikalismus dominant werden sollte. Interessanterweise gehörten einer im Dezember 1905 in Düsseldorf gewählten siebenköpfigen Agitationskommission der "Freien Vereinigung" drei Fliesenleger, also Vertreter der Bauberufe, an. (48) Die Zahl der in der regionalen FVdG organisierten Bergleute scheint nicht über 450 hinausgekommen zu sein. (49) Als eine Besonderheit der Ruhrgebietsorganisation der Vorkriegs-FVdG weist Tenfelde auf ihre enge Zusammenarbeit und personelle Verbindung mit der "Anarchistischen Föderation für Rheinland und Westfalen" hin, aus der dort 1910 ein kurzlebiges Periodikum ("Weckruf. Organ für Anarchismus und Syndikalismus") hervorging, die aber für die Gesamtorganisation bis 1914 keineswegs charakteristisch war.
Die Binnen- und Außenaktivitäten der FVdG, besonders ihre alternative Organisationspraxis im Vergleich zu den Zentralverbänden und ihre Wirkung innerhalb des Gesamtrahmens der Arbeiterbewegung des Wilhelminischen Reichs, waren bisher nur umrißhaft bekannt. Während die konkreten Probleme der Organisationspraxis in der Arbeit von Angela Vogel gar nicht ins Blickfeld kommen, widmet die Monographie von Dirk H. Müller diesem Thema erstmals gebührende Beachtung. Sie weist die erheblichen Schwierigkeiten nach, die die FVdG mit der praktischen Realisierung des Prinzips der lokalen Streikautonomie hatte. (50) Die geforderte lokale Streikautonomie stand im Widerspruch zur mangelnden finanziellen Selbständigkeit der lokalen Fachvereine. Die in Streikfallen aus dieser Mangelsituation resultierende Intervention der Geschäftskommission (Umlageverfahren) stand im Widerspruch zur statutengemäßen freien Solidarität und zur offiziellen Aufgabenzuweisung an die Berliner Spitze der Organisation, die eigentlich nur Agitationszwecke verfolgen sollte. Auch der Anspruch der FVdG, besonders intensive sozialdemokratische Rekrutierungsarbeit geleistet zu haben, scheint der statistischen Überprüfung nicht standzuhalten.
In einer in Berlin Ende 1906 erhobenen Statistik über die Parteizugehörigkeit der Gewerkschaftsmitglieder zeigte sich, daß das sozialdemokratische Organisationsniveau mit 16,4% bei den Zentralverbänden und 16,5% bei den Lokalisten etwa gleich hoch war. (51) Mit ihren wenigen Mitgliedern und ihren schwachen Organisationsressourcen war die FVdG weder zu selbständigen Streikaktionen größeren Umfangs noch zu resonanzkräftiger Agitation fähig. Ergänzende Zahlen zu den Organisationsressourcen finden sich in der bisher einzigen DDR-Veröffentlichung zur lokalistischen Gewerkschaftsbewegung. (52) Dort finden sich u.a. Angaben zur Auflagenhöhe des Vereinsorgans "Die Einigkeit" (1897 = 2.650, 1907 = 12.800) und des seit 1911 erscheinenden komplementären theoretischen Blatts "Der Pionier" (1912 = 4.500). (53) Die Einwirkung der FVdG in die Öffentlichkeit der Arbeiterbewegung hinein wird von Müller an den zweifellos spektakulärsten Beispielen der Generalstreikagitation der Jahre 1904-1906 und der Enthüllungsaktion der "Einigkeit" über die Absprache der Vorstände der SPD und der Freien Gewerkschaften über den Gebrauch des Massenstreiks dargestellt und diskutiert. (54) Seine Darstellung der auf hoher Organisationsebene geführten Gespräche zwischen der SPD, der Generalkommission der Freien Gewerkschaften und der Geschäftskommission der FVdG über deren Fusion mit den Zentralverbänden zeigt, daß insbesondere seit der Massenstreikdebatte die sozialdemokratische Führung überaus sensibel reagierte gegenüber der radikalen Kritik der lokalistischen Gewerkschaften. (55) Die aus dem Scheitern dieser Gespräche 1908 resultierende Spaltung der FVdG und der Bruch der verbleibenden Mitglieder mit der Sozialdemokratie bedeutete organisationsgeschichtlich den Schritt in die Marginalität.
Während Angela Vogel anhand einer oberflächlichen Rekonstruktion des Diskussionsverlaufs in der FVdG zu der Schlußfolgerung kommt, daß "die lokalistische Reformismus- und Bürokratisierungskritik weit über die Kritik etwa R. Luxemburgs als Sprecherin des linken Flügels der SPD hinausging" und ihr "historischen Weitblick" (56) testiert, fällt das Urteil Müllers über die Geschichte der FVdG aufgrund einer umfassenden Analyse ihrer Organisationspraxis weniger pathetisch aus. Er sieht im Vergleich mit der breiteren lokalistisch-versammlungsdemokratischen Oppositionsbewegung des späten 19. Jahrhunderts in der FVdG nach der Jahrhundertwende die Tendenz zur organisatorischen Erstarrung und seit 1908 zur "praxislosen syndikalistischen Propagandagesellschaft", (57) deren historische Bedeutung in ihrer späteren Funktion als Kristallisationskern der revolutionär-syndikalistischen Massenbewegungen nach der Revolution von 1918 liege.
Im Gegensatz zur Erforschung der sozialen Konstituierungsgrundlagen und der Organisationspraxis der FVdG stand der Prozeß ihrer ideologisch-programmatischen Transformation bislang im Mittelpunkt aller Beiträge zu ihrer Geschichte. Daß dieser Wandlungsvorgang vom militanten sozialdemokratischen Selbstverständnis der FVdG zur Annäherung an und schließlich zur Propagierung von revolutionär-syndikalistischem Denken führte, ist allgemein unbestritten; kontrovers ist allerdings, ab wann und in welchem Ausmaß diese in mehreren Schritten vollzogene Umorientierung einsetzte. Fritz Held, Verfasser einer der älteren Dissertationen, die zu Unrecht von der gesamten neueren Literatur zum deutschen Syndikalismus nicht zur Kenntnis genommen werden, (58) kommt nach der gründlichen Lektüre der Kongreßprotokolle zu dem Ergebnis, schon die Beschlüsse des 4. Kongresses im Jahre 1900 hätten syndikalistische Züge aufgewiesen. (59) Kulemann sieht den Bruch in der programmatischen Entwicklung der FVdG nach dem Tode von Gustav Keßler, dem "geistigen Leiter der Bewegung" (60) im Jahre 1904. In der neueren Literatur vertritt Fricke die Auffassung, ab 1904 hätten "anarchosyndikalistische Auffassungen" (61) an Einfluß gewonnen. Angela Vogel sieht in der Spaltung der FVdG von 1908 den "realhistorischen, auf organisatorischer Ebene festmachbaren Konstitutionsprozeß des deutschen Anarcho-Syndikalismus" (62) abgeschlossen.
Müller, der eingehend über diese Frage nachgedacht hat, kommt zu einer differenzierten Antwort. Nach seinem Verständnis wies die lokalistische Gewerkschaftsbewegung selbst bereits einige wesentliche Merkmale des etwa gleichzeitig in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Frankreich sich ausformenden revolutionären Syndikalismus auf. Diese syndikalistischen Merkmale waren demgemäß: "versammlungsdemokratische Entscheidungs- und Delegationsstrukturen, örtlich und beruflich begrenzter Organisationsrahmen, genossenschaftliche Experimente und Zukunftsperspektiven". (63) Die deutlichen Unterschiede zum revolutionärsyndikalistischen Paradigma in Frankreich seien in der lokalistischen Opposition deren enge Verbindung zur SPD und ihre Akzeptierung des Parlamentarismus gewesen. Erst mit Beginn der antiparlamentarischen Orientierung seit 1904 hätte sie ihre "bislang ausschließlich gewerkschaftsintern vertretene Kritik am repräsentativen Vertretungssystem auf die politische Ebene" (64) übertragen und sich somit dem revolutionären Syndikalismus einen weiteren Schritt angenähert.
Es ist zweifellos eine wichtige und zutreffende Beobachtung, die partiellen versammlungsdemokratischen, lokal- und berufsbezogenen Entsprechungen zwischen Lokalismus und revolutionärem Syndikalismus aufzuzeigen. Auch die vor allem von Rudolf Boch identifizierten "Handwerker-Arbeiter" als wichtigste soziale Trägergruppe des Lokalismus finden ihre Entsprechung im französischen revolutionären Syndikalismus, von dem man gerade jüngst als gesicherte Erkenntnis resümiert hat, daß er soziologisch aus dem Zusammentreffen älterer, handwerksnaher Berufsgruppen mit den Zwängen neuer Produktionstechniken zu erklären sei. (65) Auch die parlamentarismuskritische und schließlich antiparlamentarische Orientierung der FVdG seit 1904 rundet das Bild einer gewissen Parallelität und schließlichen Konvergenz zwischen der marginalen Gewerkschaftsopposition des Lokalismus in Deutschland und der gleichzeitigen, mehrheitlichen Gewerkschaftsbewegung des revolutionären Syndikalismus in Frankreich ab. Die Grenzen dieser Analogien liegen jedoch - nach meinem Eindruck in den Arbeiten von Dirk H. Müller zu wenig diskutiert - in der programmatischen Zukunftsperspektive der FVdG und des französischen revolutionären Syndikalismus. In Frankreich war im revolutionären Syndikalismus den Gewerkschaftsorganisationen die Aufgabe als Kampforgane und als Grundlage für den Neuaufbau des gesellschaftlichen und politischen Lebens nach der Revolution zugewiesen; entsprechend war das Verhältnis zwischen CGT und den politischen Parteiformationen bzw. der SFIO ab 1905 das einer wechselseitigen Unabhängigkeit und Konkurrenz. (66) Für die FVdG wird in der bisher vorliegenden Literatur weder eine vergleichbare produzentendemokratische Zukunftsperspektive belegt, noch ging ihre Ablösung von der Sozialdemokratie jemals so weit, daß sie in ausdrückliche Konkurrenz mit der SPD hätte treten können oder wollen. Von den drei von Müller angeführten syndikalistischen Merkmalen des Lokalismus bleiben dessen "genossenschaftliche Experimente und Zukunftsperspektiven" historisch am wenigsten erkennbar und überzeugend. Hier wäre es hilfreich, die politische Entwicklung und Konzeption Gustav Keßlers, neben Fritz Kater und Raphael Friedeberg die bedeutendste Gestalt für die Programmartikulation der FVdG, einmal selbständig zu untersuchen. Gerade in der politischen Biographie Fritz Katers (1861-1945) (67) wird deutlich, daß es ihm sehr schwer fiel, seine sozialdemokratische Sozialisation abzustreifen. Es gibt keinen Grund, an der Versicherung Rudolf Rockers zu zweifeln, daß Kater dies erst zu Beginn der zwanziger Jahre vollends gelungen sei und daß er erst nach dem Bruch mit der SPD ab 1908 entdeckt habe, daß "den wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiterschaft eine höhere Aufgabe gestellt war als den politischen Parteien als Werbeorgan zu dienen". (68) Die Entwicklung im Verhältnis der FVdG zur politischen Arbeiterpartei, der SPD, läßt sich im Gegensatz zum revolutionären Syndikalismus in Frankreich charakterisieren als ein unfreiwilliger und zögerlicher Abschied.
Wichtiger als der direkte Einfluß durch das französische Beispiel war für den Ablösungsvorgang der FVdG von der Sozialdemokratie die katalysatorische Wirkung des Anarchismus in ihren Reihen. Darauf weist nachdrücklich Max Nettlau in seinem erst unlängst veröffentlichten Kapitel über die Lokalisten und die FVdG hin. (69) Er stellt für die neunziger Jahre keinen direkten Einfluß aus Frankreich und auch keine Querverbindung zwischen der Bewegung der Unabhängigen Sozialisten (70) sowie der Anarchisten und den Lokalisten fest. Im Arbeiter-Anarchismus der Gruppe um die Zeitschrift "Neues Leben" (71) ab 1897 und besonders in der Agitation ihres Mitarbeiters Siegfried Nacht (1878-1951, Pseudonym: Arnold Roller), (72) der ab 1900 in unmittelbarem Kontakt mit Emile Pouget in Paris stand, sieht Nettlau den Beginn der Syndikalismusrezeption durch die Anarchisten und über ihre Vermittlung deren Ausstrahlung auf die Lokalisten. (73) Die von Nacht erstmals in deutscher Sprache dargestellte Generalstreikidee wurde dann mit der nachhaltigsten Wirkung für die Neuorientierung der FVdG allerdings nicht von einem Anarchisten, sondern von einem durch den Parlamentarismus enttäuschten Sozialdemokraten, den Berliner Arzt Dr. Raphael Friedeberg, (74) aufgegriffen und propagiert. In seiner aufsehenerregenden Rede, die er vor dem Berliner lokalistischen Gewerkschaftskartell Anfang August 1904 hielt, (75) knüpfte er an die in der FVdG lebendige traditionelle Kritik des Vertretungssystems in der Arbeiterbewegung an und weitete diese Kritik auf den Parlamentarismus aus, der zum Verzicht auf die eigenverantwortliche Interessenvertretung durch die Arbeiter selbst und zur Passivität führe. Friedebergs aus dieser Kritik abgeleitete Propagierung des Generalstreiks und seine theoretische Konzeption des "Historischen Psychismus" gingen weit über das hinaus, was nach der Einschätzung Katers den sozialdemokratisch geprägten Mitgliedern der FVdG zugemutet werden konnte und sollte. (76) So blieb Friedebergs Tätigkeit in der FVdG bis 1907 eine Gastrolle. Die Wirkung seiner Agitation war ein Anstoß zur programmatischen Neuorientierung, nicht jedoch der Kompaß für deren weiteren Weg. Friedebergs Vorstellungen waren offenbar letztlich ebensowenig assimilierbar in der FVdG wie die Ideen des zeitgenössischen Intellektuellen-Anarchismus (Gustav Landauer, Erich Mühsam), dessen Einwirkung ganz unbedeutend blieb.
Nettlaus These von der unterschwelligen Verbindung der FVdG mit dem Arbeiter-Anarchismus läßt sich zumindest durch zwei namhafte Beispiele bestätigen: Zum einen war seit dem Gründungskongreß der Berliner Musikinstrumentenmacher Andreas Kleinlein (1864-1925) ein beharrlicher Anwalt der Öffnung der FVdG zum Anarchismus; zum anderen war Friedrich Köster, der Redakteur des "Pionier", des FVdG-Organs, das sich am weitesten von der Sozialdemokratie entfernte, eng mit dem Arbeiter-Anarchismus verbunden und in dessen Landarbeiteragitation hervorgetreten. (77) Insgesamt jedoch war einer ideologischen und organisatorischen Annäherung zwischen der FVdG und dem Dachverband des Arbeiter-Anarchismus, der "Anarchistischen Föderation Deutschlands", (78) nicht nur der sozialdemokratische Traditionalismus der lokalistischen Geschäftskommission im Wege, sondern auch die dogmatische Sorge der Anarchisten, durch die fortschreitende Syndikalismusrezeption ihre Auffassung des kommunistischen Anarchismus in Frage gestellt zu sehen. (79) Es kam - wie Dirk H. Müller herausgefunden hat (80) - zu einer Art Neutralitätsabkommen zwischen beiden Organisationen. Als Schlußfolgerung aus den vorausgehenden Beobachtungen zur ideologisch-programmatischen Wandlung der FVdG kann festgehalten werden, daß dieser Prozeß nicht durch Ideologieimport von außen und auch nicht durch den Intellektuellen-Anarchismus, sondern aus endogenen Ursachen und durch punktuelle Einwirkung des Arbeiter-Anarchismus gesteuert wurde.
4. Die Neuformierung der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften als Massenorganisation 1918/1919: Zur Frage der Kontinuität zwischen Lokalismus und Anarchosyndikalismus
Im Vergleich zu den Forschungsergebnissen zum Lokalismus, die aus der Sozialgeschichtsschreibung zu den deutschen Gewerkschaften vor 1914 hervorgingen und eine erstmalige Gesamteinschätzung der lokalistisehen Gewerkschaftsopposition erlauben, haben die Erträge der wissenschaftlichen Bemühungen um die Kenntnis des Anarchosyndikalismus in der Weimarer Republik alles in allem weniger den Charakter einer Revision als den der generellen Erweiterung und fallweisen Vertiefung und Ergänzung des bisherigen Wissensstandes. Die Relation zwischen den überaus zahlreichen kommentarlosen Neudrucken von Dokumenten des Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik und der monographischen Bearbeitung der anarchosyndikalistischen Bewegung ist hier umgekehrt wie im Falle des Lokalismus. Neben den groß angelegten Forschungsarbeiten von Erhard Lucas und Larry Peterson z.B. dominieren hier die Abschlußarbeiten akademischer Nachwuchskräfte, deren Erkenntnisinteresse aus dem generationsspezifischen Erfahrungszusammenhang der Neuen Sozialen Bewegungen auf die Bewegung des Anarchosyndikalismus gelenkt wurde. In dieser jüngeren Literatur ist besonders durch die Dissertation von Angela Vogel die Frage der Kontinuität zwischen der Vorkriegs- und der Nachkriegsentwicklung der FVdG zum kontroversen Thema gemacht worden. (81) Gleichfalls kontrovers wurde die Frage diskutiert, ob die FVdG nach der Novemberrevolution eine Verbindung mit neuen politischen, soziologischen und ideologischen Kräften eingegangen sei.
Dieses Fragenbündel läßt sich - auf der Grundlage der neueren, aber auch schon älteren (nicht zur Kenntnis genommenen) Literatur - mit der größtmöglichen Bestimmtheit beantworten. Unbestrittene Tatsache ist, daß die FVdG innerhalb kürzester Zeit in den Jahren 1918-1919 zur Massenorganisation wurde. Nur im Zusammenhang mit dieser Metamorphose lassen sich die Fragen ihrer soziologischen und ideologischen Kontinuität beantworten. Die Ursachen für die Umwandlung vom halbherzigen Propagandaverein für Syndikalismus zur syndikalistischen Massenorganisation sind zum größten Teil identisch mit den Ursachen für die Entstehung einer breiten Gewerkschaftsopposition während der Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre in Deutschland. Man hat neuerdings die Merkmale dieser innergewerkschaftlichen Opposition zusammengefaßt: Die Opposition habe ihre Schwerpunkte gehabt in Berlin und "in den Industriezentren Mitteldeutschlands, an Rhein und Ruhr und in den großen Küstenstädten, wo die gewerkschaftliche und politische Organisation der Arbeiterschaft schon vor dem Kriege am weitesten fortgeschritten war, ferner unter den Arbeitern, die in Arbeitskämpfen erfahren, auch im Krieg die gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse recht gut einzuschätzen vermochten". (82) Mit dieser allgemeinen Charakterisierung der Gewerkschaftsopposition sind exakt die Orte und Kräfte benannt, die schwerpunktmäßig die Zentren sozialrevolutionärer Gewerkschaftsneubildungen außerhalb des freigewerkschaftlichen Rahmens in den Jahren 1918/19 waren. Der Überblick über die Geschichte der Opposition innerhalb der Freien Gewerkschaften bis 1920 (83) zeigt auch, daß die Konflikte zwischen den lokalen Gewerkschaftsmitgliedern und ihren Funktionären anläßlich der Burgfriedenspolitik besonders heftig waren bei den Altorganisierten, während die seit dem November 1918 hereinströmender Neugewerkschaftler ganz überwiegend folgsame Mitglieder blieben.
Die Motive der in der Organisationsarbeit und in den Arbeitskämpfen erfahrenen oppositionellen Gewerkschafter, die in Berlin, den Hansestädten im Nordwesten, im Ruhrgebiet und im mitteldeutschen Industriegebiet die Initiative ergriffen für die Abspaltung von den etablierten Gewerkschaften und für die Konstituierung neuer, dem Anspruch nach sozialrevolultionärer Gewerkschaften, sind in der älteren Literatur breit diskutiert und dokumentiert worden. (84) Das vorherschende Motiv war die extrem gesteigerte Spannung zwischen den auf die Burgfriedenspolitik festgelegten Gewerkschaftsfunktionären und den durch die sozialpolitische, organisationspolitische und kriegspolitische Lage radikalisierten Mitgliedern, die ganz überwiegend Träger der innergewerkschaftlichen Opposition waren. (85) Die großen Themen des innergewerkschaftlich-oppositionellen Diskurses (Hilfsdienstgesetz, Zentralarbeitsgemeinschaft u.a.) wurden in der beharrlichsten Weise in den freigewerkschaftlichen Verbänden der Metallindustrie und des Bergbaus debattiert, und sie spielten in den Diskussionen der USPD, des Spartakusbundes und der politischen Tendenz der Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD) sowie deren Nachfolgeorganisation Internationale Kommunisten Deutschlands (IKD) eine wichtige Rolle. (86) Diese breite oppositionell-gewerkschaftliche Verhaltensdisposition, die wesentlich bedingt war durch antibürokratische Reflexe (Kritik an den "Instanzen", "Führern", "Bonzen"), war nach dem Novemberrevolution von 1918 die Grundlage für die Entstehung von neuen Sozialrevolutionären Gewerkschaften, die sich aus "revolutionären Betriebsorganisationen" nach einem längeren Formierungsvorgang zur "Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands" zusammenschlossen; und dieselbe antibürokratische Verhaltensdisposition der Gewerkschaftsopposition war die Grundlage für die Rekrutierungserfolge der FVdG und für ihre Ausgestaltung zur Massenorganisation im Laufe des Jahres 1919. Wie immer man diese Bürokratiekritik bewerten mag - es durchmischten sich in ihr die berechtigte Anprangerung von bürokratischen Verselbständigungstendenzen und die problematische Personalisierung der Schuldzuweisung für ökonomische und politische Mißstände -, ohne die Berücksichtigung der antibürokratischen Impulse in der Opposition der Freien Gewerkschaften ist eine Analyse der Sozialrevolutionären Gewerkschaftsneubildungen nach Kriegsende nicht möglich. (87) Die FVdG, deren antizentralistische Argumentation hier auf fruchtbaren Boden fiel, gewann aus diesem Rekrutierungspotential zu der traditionellen Trägergruppe der "Handwerker-Arbeiter" eine vergleichsweise "moderne" Klientel einerseits organisationserfahrener und qualifizierter Arbeiter, andererseits organisatorisch fluktuierender und tendenziell dequalifizierter Massenarbeiter mit sozialrevolutionärer Orientierung hinzu. Sie vermochte allerdings nicht, dieses stark dem konjunkturellen Wandel unterworfene Rekrutierungspotential allein auszuschöpfen, sondern versuchte dies 1919 in Zusammenarbeit, ab 1920 in Konkurrenz mit der unionistischen Bewegung. (88)
Die Erforschung der syndikalistischen und unionistischen Gewerkschaftsneugründungen der Nachkriegsjahre ist in den siebziger und achtziger Jahren partiell vertieft worden hinsichtlich der sozialgeschichtlichen Voraussetzungen ihrer Entstehung. Die Forschungslage ist für den wichtigsten Organisationsbereich des Syndikalismus, das Ruhrgebiet, vergleichsweise kohärent, für die übrigen Zentren der syndikalistischen und der unionistischen Neubildung ausgesprochen disparat. Für Berlin z.B. ist für die Jahre 1918/19 nur das über die Neuformierungsumstände der FVdG bekannt, was durch die ältere Literatur und die Hausgeschichtsschreibung der späteren "Freien Arbeiter-Union Deutschlands" (FAUD) mitgeteilt wurde: Nachdem dort die FVdG nach Kriegsbeginn ihre Tätigkeit einstellen mußte und "Die Einigkeit" sowie "Der Pionier" verboten worden waren, hatte vor allem Fritz Kater den Minimalkontakt der Mitglieder bis 1917 durch ein "Mitteilungsblatt" und ein periodisches "Rundschreiben" aufrechterhalten. Als organisatorische Klammer existierte ein illegaler "Allgemeiner Arbeiterverein", der aus dem lokalistischen Gewerkschaftskartell gebildet wurde und die Infrastruktur bot für das erste nationale Zusammentreffen der FVdG in Berlin am 26./27.12.1918 und für die Herausgabe des neuen Verbandsorgans "Der Syndikalist", das seit Mitte Dezember 1918 erschien. Über die Anziehung neuer Gruppen von Arbeitern in Ergänzung zu den Vorkriegskadern gibt es bisher keine Informationen für Berlin. (89) In anderen Städten wie Köln und Nürnberg, für die zeitgenössische Beobachter einen Massenzulauf zur FVdG 1918/19 belegen, (90) sind gleichfalls bislang keinerlei genauere Kenntnisse über Anlaß und Zusammensetzung dieses Zustroms verfügbar. Dasselbe gilt für die syndikalistische Enklave in Sömmerda/Thüringen, die 1919 entstand und über die Rocker in seinen Memoiren berichtet. (91) In Bremen und Hamburg sind Anlaß und Entwicklung der Sozialrevolutionären Gewerkschaftsneubildungen in den großen Zügen bekannt. (92) Sie konnten dort nicht auf lokalistische Vorkriegskader aufbauen, sondern wurden von oppositionellen Freigewerkschaftern und angelernten Arbeitern getragen. (93) Sie waren daher von Anfang an unionistisch ausgerichtet und wurden zum Ausstrahlungszentrum des Unionismus im Reich und zum Motor für die Entstehung der "Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands" (AAUD).
Im Vergleich zu diesen fragmentarischen Kenntnissen über die Konstituierungsbedingungen der Sozialrevolutionären Gewerkschaftsneugründungen 1918/19 gibt es für das Ruhrgebiet neuerdings eine beträchtliche Zahl von sozialgeschichtlichen Spezialstudien und damit auch ein deutlicheres Bild von den Ursachen der erfolgreichen Massenbewegung der FVdG bei den Bergleuten und Metallarbeitern der Region. Es ist das unbestreitbare Verdienst von Erhard Lucas, mit langem Atem, Detailbessenheit und kritischem Blick für die grobe Parteilichkeit der zeitgenössischen Darstellungen durch Beteiligte die Sozialbewegungen im Ruhrgebiet vom November 1918 bis März/April 1920 dokumentiert und dargestellt zu haben. (94) Der Autor akzeptiert das Programm einer möglichst vielschichtigen Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung und sieht auch nach jahrelanger Archivarbeit die Grenzen und Schwierigkeiten seiner forschungspraktischen Verwirklichung. (95) Er entwickelt aber im Laufe seiner langjährigen Arbeiten eine immer heftigere Aversion gegen die "Organisationshistoriker". (96) Damit meint er gleichermaßen die Autoren, die der politischen Rechtfertigungslogik einzelner Organisationen verpflichtet sind ("Hausgeschichtsschreibung"), (97) wie diejenigen, die ihr Interesse auf die Rolle der Organisationen als maßgebliche Akteure in den Sozialbewegungen richten. Während die Kritik an der "Hausgeschichtsschreibung" zur Arbeiterbewegung zwar berechtigt, aber nicht eben neu ist, erscheint die zunehmende Ausblendung der Funktion der Arbeiterorganisationen als ungerechtfertigte Preisgabe einer keineswegs unbedeutenden Dimension in den Streik- und Insurrektionsbewegungen des Ruhrgebiets. (98) Anders als bei den sozialgeschichtlichen Studien zum Lokalismus der Vorkriegszeit erfährt man auf diese Weise in Lucas` materialreichen und kaleidoskopartig angeordneten Studien zur Sozialgeschichte des Ruhrgebiets 1919/20 vergleichsweise wenig über das Agieren der Organisationen und ihr Reagieren auf die Sozialbewegungen. Am ergiebigsten für die Perspektive der Wechselwirkung von Sozialbewegung und Organisationsentwicklung sind seine frühesten Arbeiten. (99) Dort werden schwerpunktmäßig am Beispiel Hamborn detailliert die Präsenz der FVdG seit den Streikbewegungen im Ruhrgebiet vom November 1918 an und die Konflikte im freigewerkschaftlichen "Alten Verband" der Bergarbeiter, in denen die Opposition die Beitragssperre propagierte und insbesondere aufgrund der antibürokratischen Argumentation für die FVdG gewonnen werden konnte, aufgezeigt. (100)
Die Agitationserfolge der FVdG wuchsen im Verlauf und nach dem Scheitern der Sozialisierungsbewegung im Steinkohlebergbau in den ersten drei Monaten des Jahres 1919, dem meistdiskutierten Abschnitt der Streikbewegungen der Region, (101) und sie wurden zu massiven Rekrutierungserfolgen, als ab April 1919 die Bergarbeiter in Reaktion auf die gewaltsame Niederschlagung der Sozialisierungsbewegung und deren Akklamation durch den freigewerkschaftlichen "Alten Verband" diesen in Scharen zu verlassen begannen. Daß die Rekrutierungserfolge der FVdG auch darauf zurückzuführen sind, daß die von ihr propagierten antibürokratisch-föderalistischen Organisationsvorstellungen "versammlungsdemokratischen" Traditionen der Bergarbeiterschaft entsprachen, ist zumindest wahrscheinlich. Hans Mommsens These, daß "die Schacht- und Betriebsdelegiertenkonferenzen der syndikalistisch-unionistischen Gruppierungen eine unmittelbare Fortsetzung dieser älteren Interessenartikulationsmuster" darstellten, verdient eine eingehendere Untersuchung. (102) Auch in der metallverarbeitenden Industrie hat eine Fallstudie zum Linksradikalismus während der Novemberrevolution in Mülheim an der Ruhr die frühen Wahl- und Rekrutierungserfolge der FVdG belegt. (103) In den Waffenfabriken Thyssen war sie dort schon im Dezember 1918 zum ernsthaften Konkurrenten für den freigewerkschaftlichen DMV geworden. (104)
Alle Erkenntnisse dieser sozialgeschichtlichen Fallstudien zum rheinisch-westfälischen Industriegebiet ergeben das Bild einer weitreichenden Veränderung des soziologischen Profils der FVdG 1918/19 im Vergleich zu ihrer Vorkriegsgeschichte. Neben die Kerngruppe der "Handwerker-Arbeiter" traten die oppositionellen, in der Regel qualifizierten Arbeiter mit Organisationserfahrung, die den Verbänden der Freien Gewerkschaften den Rücken kehrten; und als dritte Kategorie, die zweifellos die zahlreichste und organisatorisch unbeständigste war, kam die fluktuierende Gruppe der tendenziell ökonomisch verelendeten und politisch verbitterten radikalisierten Arbeiter hinzu, die auf kurzfristige Verwirklichung ihrer Forderungen drängte. Die zweite und dritte Gruppe, die in der Sozialgeschichte der FVdG ein nahezu völliges Novum darstellten, konstituierten die im Laufe des Jahres 1919 wachsende Massenbasis der Organisation. Man kann annehmen, daß sich diese Arbeitergruppen lokal dort an die FVdG anschlossen, wo es bereits seit der Vorkriegszeit einen Organisationsansatz gab, (105) während in den Orten, wo eine solche Tradition fehlte, die Gründung neuer unionistisch orientierter Organisationen vorgenommen wurde, wie sie für die Bergarbeiter des Ruhrgebiets auf einer Delegiertenkonferenz aller Zechen am 30. März 1919 beschlossen worden war. (106)
Lucas zufolge wurden zum Zentrum der syndikalistischen FVdG die Zechen des westlichen Ruhrgebiets um Hamborn (107) und Oberhausen, zum Mittelpunkt der "Allgemeinen Bergarbeiter-Union" wurden Gelsenkirchen und Wattenscheid. (108) Die bekanntesten Repräsentanten der FVdG im Ruhrgebiet, denen in den Polizeiakten viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde, wiesen geradezu paradigmatisch die Merkmale der ersten und der zweiten Gruppenkomponenten der Mitgliedschaft der FVdG auf. Der Fliesenleger Carl Windhoff (1872-1945) war Gründungsmitglied der "Freien Vereinigung" im Ruhrgebiet nach 1905 gewesen und hatte deren Organisationsansätze durch die Kriegsjahre hindurch aufrechtzuerhalten geholfen; (109) der in fast allen wichtigen Konferenzen und Demonstrationen des Jahres 1919 als Repräsentant der FVdG auftretende, rhetorisch begabte Bergmann Heinrich Heiling war langjähriges Mitglied des freigewerkschaftlichen Bergarbeiter-Verbandes gewesen, bevor er gegen Kriegsende überwechselte. (110)
Die zahlenmäßig bedeutendste Komponente der Mitgliedschaft der "Freien Vereinigung" im Jahre 1919, die der radikalisierten Arbeiter ohne Organisationserfahrung, ist zugleich die am schwierigsten charakterisierbare. Erhard Lucas hat sich eindringlich bemüht, deren konstitutive Merkmale am Beispiel des "Hamborner Typus" des Arbeiterradikalismus darzulegen. Im abstrahierenden Ergebnis seiner Recherchen kommt er zu folgender Kennzeichnung dieses Arbeitertypus, den er dem "Remscheider Arbeitertypus" gegenüberstellt: Im Gegensatz zum überwiegend qualifizierten "Remscheider Typus", der durch Kontinuität der Lebensgeschichte, relative Sicherheit, traditional patriarchalische Sozialbeziehungen und rationale Zukunftsplanung erkennbar sei, werde der "Hamborner Typus" als idealtypischer Träger des Syndikalismus geprägt durch "Diskontinuität der Lebensgeschichte, Unsicherheit der Zukunftsperspektive, kapitalbestimmt entfremdete Arbeit (und) Zielgerichtetheit auf Unmittelbares". (111) Eine von Lucas` Kategorien angeleitete neuere lokal- und sozialgeschichtliche Darstellung der Hamborner Arbeiterschaft bestätigt und spezifiziert noch einmal diese konstitutiven Merkmale: (112) Im späten und rapiden Industrialisierungsprozeß von Hamborn habe sich eine breite Facharbeiterschaft nicht herausbilden können, wie sie in den kleingewerblichen Industrien und im Handwerk anderer Städte zu finden sei; in Hamborn dominierte der un- bzw. angelernte Arbeitertypus. Die lebensgeschichtliche Kontinuität sei durch den Wechsel des Sprach- und Kulturraums (Beispiel polnische Immigranten) oder durch den Wechsel vom agrarisch bestimmten Milieu zu industriellen Arbeitsbedingungen bei den Hamborner Arbeitern verhindert worden; diese industriellen Arbeitsbedingungen seien hart und durch starke Abhängigkeit von den Arbeitgebern charakterisiert gewesen.
Der Verfasser einer anderen organisationsgeschichtlichen Arbeit zur FAUD, Martin Luy, der sich Lucas` Beobachtungen anschließt, diskutiert die Merkmalkom-bination des "Hamborner Typus" mit Bezug auf die Bergarbeiter und die Metallarbeiter im rheinisch-westfalischen Industriegebiet, die ja die Massenbasis des deutschen Anarcho-Syndikalismus bildeten. (113) Luy kommt in seiner Untersuchung der Sozialstruktur der FAUD-Mitgliederbasis zu dem Schluß, daß die handwerkliche Produktionsweise des Baugewerbes, der traditionellen Rekrutierungsbasis der FVdG, im und nach dem Ersten Weltkrieg allenfalls durch den vermehrten Einsatz von ungelernten Arbeitern modifiziert worden sei, aber weiterhin vorgeherrscht habe und als Rekrutierungsfeld der FAUD präsent blieb. Für die Metallarbeiter macht er in Anlehnung an Alfred Weber folgende Veränderungen seit dem Weltkrieg als Ursache für ihre Ansprechbarkeit durch den Anarchosyndikalismus geltend: die Abnahme der gelernten Arbeiter, die Homogenisierung eines großen Teils in einer neuen Schicht von ungelernten Arbeitern, die Verschärfung der Ausbeutung, den Verlust des identitätsstiftenden Charakters der Arbeit. Diese Tendenz zur an- und ungelernten Massenarbeiterschaft findet er noch stärker ausgeprägt für den Bergbau; und er sieht darin den Verursachungsgrund für eine Mentalität, die die Bergleute "sehr empfänglich für die syndikalistische Propaganda machte, deren Idee von direkter Aktion und Eigeninitiative der Arbeiter abseits von gewerkschaftlichen Hierarchien sich genau mit den unmittelbar von diesen Arbeitern entwickelten und angewandten Aktionsformen wie Streik, Solidaritätsstreik, Betriebsbesetzungen, Überwältigung und Entwaffnung von unternehmerischem Wachpersonal oder sogar der Polizei deckte". (114)
Alle diese politisch-soziologischen Erklärungs- und Beschreibungsversuche der der generalisierenden Erklärung schwierig zugänglichen Massenbasis des Anarchosyndikalismus im Ruhrgebiet enthalten viele überprüfbare Beobachtungen und gehen in die richtige Richtung. Sie sind jedoch Generalisierungen, indem sie in Anlehnung an Lucas` Typologie einen Teil der soziologisch benennbaren Komponenten der FAUD-Mitgliederbasis für das Ganze nehmen. Der von diesen Autoren zutreffend beobachtete und analysierte Typus des ungelernten oder dequalifizierten Arbeiters mit wenig Organisationserfahrung, unstabilem Organisationsverhalten und einer Orientierung auf kurzfristige sozial- und tarifpolitische Erfolge ist der soziologische Schlüssel zum Verständnis der Entstehung einer zeitweiligen Massenbasis der FAUD. Diese Arbeitergruppen waren die zahlreichsten und unbeständigsten. Neben ihnen gab es im Ruhrgebiet und im ganzen Reich jedoch die andere relativ neue Gruppe der durch Weltkrieg und Revolution radikalisierten Arbeiter mit Organisationserfahrung und höherer Qualifikation, die im antibürokratischen Affekt mit ihren Herkunftsgewerkschaften gebrochen hatten und zeitweilig in der lokalen Agitation der FVdG bzw. der FAUD eine wichtige Rolle spielten. Von ihnen ist anzunehmen, daß sie die stärkste Disposition für die Mitarbeit in der Gelsenkirchener Richtung der Freien Arbeiter-Union aufwiesen und in einer prekären Verbindung zur USPD und zur KPD(S) bzw. VKPD standen. Schließlich und selbstverständlich gab es in der FAUD der Zwischenkriegszeit nach wie vor den traditionellen Typus des "Handwerker-Sozialisten", der im Lokalismus vorgeherrscht hatte und nunmehr vor allem in der Bau- und Textilindustrie sowie in einigen artisanal geprägten Spezialberufen fortlebte. Das Baugewerbe blieb nach dem Bergbau und der Metallindustrie das wichtigste Rekrutierungsfeld des Anarchosyndikalismus der zwanziger und dreißiger Jahre. Diese drei Komponenten zusammengenommen, nicht aber die Isolierung eines einzigen Arbeitertypus, ergeben ein modellhaftes soziologisches Profil des deutschen Anarchosyndikalismus.
Lucas` nachgerade Schule machendes Konstrukt des "Hamborner Typus" (115) benennt und präzisiert die fluktuierende Massenbasis der FAUD im Ruhrgebiet. Es verfehlt infolge seiner Ausblendung aller organisationspolitischen und organisationssoziologischen Aspekte jedoch gerade den Kern und das Spezifikum des deutschen Anarchosyndikalismus nach dem Ersten Weltkrieg. Es verfehlt den Kern der Bewegung, der nach wie vor von "Handwerker-Sozialisten" gebildet wurde; und es verschleiert das Spezifikum der Bewegung, das darin besteht, daß deren Rekrutierungspotential in entscheidender Weise angereichert wurde durch die antibürokratische Opposition in den Freien Gewerkschaften, aus der die Impulse für die Gründung neuer sozialrevolutionärer Wirtschaftskampforganisationen kamen. (116)
Die eingangs des Kapitels gestellte Frage nach der Kontinuität zwischen Lokalismus und Anarchosyndikalismus ist in soziologischer Hinsicht eindeutig zu beantworten: Die Ausweitung der FVdG zur Massenorganisation im Ruhrgebiet wurde möglich durch die Gewinnung organisationserfahrener und beruflich qualifizierter Arbeiter aus der freigewerkschaftlichen Opposition und durch die Heranziehung größerer Teile von un- bzw. angelernten oder dequalifizierten Arbeitern ohne Organisationserfahrung. Diese beiden Komponenten unterschieden die FVdG der Jahre 1918/19 maßgeblich von der Vorkriegsorganisation. Gleichzeitig blieb jedoch eine Stammgruppe aus dem Milieu des traditionellen "Handwerker-Sozialismus" erhalten, die in Berlin dominierte. Sie ging im Gegensatz zur Vorkriegsorganisation in den ersten Nachkriegsjahren eine enge und stabile Verbindung ein mit dem Intellektuellen-Anarchismus. Es ist zwar richtig, daß der deutsche Anarchosyndikalismus "wesentlich eine originär proletarische Bewegung" (117) war, aber in der Zeit der Weimarer Republik trat er gleichsam in ein symbiotisches Verhältnis ein mit dem Teil des Intellektuellen-Anarchismus, der in der Tradition von Gustav Landauer den kommunistischen Anarchismus vertrat. Das ist nicht nur nachweisbar am Beispiel einer ganzen Reihe führender Repräsentanten der FAUD wie Rudolf Rocker, Augustin Souchy, Max Nettlau u.a., sondern auch beispielsweise an der engen Zusammenarbeit zwischen Rocker und Erich Mühsam in den späten zwanziger Jahren. (118)
Abschließend seien zur Frage der Kontinuität bzw. der Unterschiede zwischen dem Lokalismus der Vorkriegszeit und dem Anarchosyndikalismus der Weimarer Jahre einige Vergleichszahlen wiedergegeben, die ein Zeitgenosse der frühen zwanziger Jahre aufgrund seines Zugangs zum Archiv der FVdG zusammengestellt hat (119) und die in der gesamten neueren Forschung nicht herangezogen wurden. Sie belegen die einschneidenden Veränderungen in Bezug auf die regionale und die sozio-professionelle Rekrutierung der FVdG vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Im Jahre 1900 kamen demnach von 17.000 Mitgliedern 12.300 aus Berlin, 1904 waren von 12.267 Mitgliedern 11.156 Berliner. Im Jahre 1921 verteilten sich die 71.747 FAUD(S)-Mitglieder regional wie folgt: (120)
Bezirke Mitgliederzahl angeschlossene Ortsvereine
Rheinland und Westfalen 57.217 143
Berlin und Brandenburg 3.906 28
Süddeutschland 3.584 19
Mitteldeutschland 3.026 31
Saargebiet 1.546 13
Nordwestdeutschland 1.385 5
Schlesien 1.083 6
Diese FAUD(S)-Mitglieder kamen nun nicht mehr, wie die Lokalisten der Vorkriegszeit, ganz überwiegend aus den Bauberufen, sondern mit weitem Abstand vorherrschend aus dem Bergbau und den Metallberufen: (121)
Mitglieder Ortsgruppen Durchschnittsstärkeder Ortsgruppen
Freie Vereinigung aller Berufe 10.526 79 133
Bauberufe 3.969 26 141
Bergarbeiter 19.368 70 277
Holzarbeiter 756 8 94
Metallarbeiter 34.183 52 657
Verkehrsarbeiter 2.945 10 294
Unter dem Aspekt des längerfristigen Entwicklungstrends der regionalen und sozio-professionellen Zusammensetzung der FAUD(S)-Mitgliedschaft ist festzustellen, daß am Ende ihres Fragmentierungsprozesses während der zwanziger Jahre sich allem Anschein nach die Mitgliederstrukturen wieder den Vorkriegsgegebenheiten annäherten. So hat man z.B. im Ruhrgebiet ein neuerliches Dominieren spezialisierter Bau- und Textilberufe (Fliesenleger und Namenbandweber) und eine Verschiebung des Rekrutierungsfeldes von den Großbetrieben zu den Mittel- und Kleinbetrieben beobachtet. (122) Auch Berlin scheint zu Beginn der dreißiger Jahre als Stadt wie im Rahmen der Provinzialarbeiterbörse Brandenburg-Pommern wieder zur mitgliederstärksten Hochburg geworden zu sein; eine Rangstellung, die die Reichshauptstadt in den zwanziger Jahren lange Zeit an Düsseldorf und das rheinisch-westfälische Industriegebiet abgegeben hatte. (123)
5. Die FAUD zwischen Anarchismus und Unionismus: Zum Fragmentierungsprozeß des deutschen Anarchosyndikalismus
In den Unterschieden und Gegensätzlichkeiten der drei nunmehr deutlich erkennbaren soziologischen Gruppenkomponenten des Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik war bereits ein großer Teil der internen Differenzen und Spannungen angelegt, die für die Entwicklung der FAUD von Anfang an charakteristisch waren. Diese internen Differenzen und Spannungen kamen zum Ausdruck einmal im Zusammenhang mit politisch-ideologischen Orientierungsangeboten, die miteinander konkurrierten, zum anderen im Zusammenhang mit strategischen und taktischen Grundfragen, zu denen die Bewegung in der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Praxis Antworten finden mußte.
Die politisch-ideologischen Orientierungsangebote sind mit drei Positionen benennbar: die Synthese von revolutionärem Syndikalismus und kommunistischem Anarchismus, die 1919/20 unter dem maßgeblichen Einfluß von Rudolf Rocker (1873-1858) von der Berliner Geschäftskommission übernommen wurde und - insbesondere an der ideologischen Entwicklung von Fritz Kater nachvollziehbar (124) - den langen Weg des Lokalismus von der sozialdemokratischen Opposition zu einer besonderen Variante des Syndikalismus definitiv abschloß. Diese Position wurde in der FAUD in Frage gestellt einerseits durch das Orientierungsangebot konkurrierender Formen des Anarchismus, andererseits durch den 1920 sich verselbständigenden Unionismus. Im Folgenden sollen die neueren Arbeiten und Einsichten zu diesen drei Positionen und ihr Verhältnis zueinander dargestellt werden. Ihre Gegensätze waren neben der soziologischen Heterogenität der FAUD-Mitgliederbasis das Ferment des fortschreitenden Fragmentierungsprozesses des Anarchosyndikalismus in Deutschland.
Zur Entstehung und zu den theoretischen Prämissen der in Rockers "Prinzipienerklärung des Syndikalismus", der offiziellen theoretischen Plattform der FAUD seit Dezember 1919, (125) vollzogenen Synthese von revolutionärem Syndikalismus und kommunistischem Anarchismus verspricht aufgrund der Themenstellung am ehesten die Arbeit von Angela Vogel Aufschluß. In mehr als der Hälfte ihrer Dissertation bemüht sie sich, eine "Rekonstruktion der anarchosyndikalistischen Theorie" (126) vorzunehmen. Das Ergebnis ist eine glossierende Zusammenstellung von Aussagen diverser FAUD-Autoren zu zentralen theoretischen Kategorien und praktischen Fragen revolutionärer Gesellschaftsveränderung. Diese Zusammenstellung und (dem Ausspruch gemäß) kritische Paraphrasierung der zentralen Inhalte des theoretischen Diskurses der FAUD ist ein durchaus sinnvoller und nützlicher Versuch der Analyse des im deutschen Anarchosyndikalismus vorherrschenden Selbstverständnisses. Der Wert dieses Versuchs wird jedoch gemindert durch elementare methodische Schwächen, die zum einen darin zu sehen sind, daß die Autorin die Voraussetzungen ihrer Kritik nicht kohärent formuliert, und zum anderen darin, daß die Auswahl der Schriften, die sie in ihre Darstellung einbezieht, nirgendwo begründet wird. Sie ist der Überzeugung, daß "die entscheidendste Leistung der Bewegung" darin bestand, "die Frage nach dem revolutionären Subjekt in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen gestellt zu haben". (127) Sie macht bei ihrem Versuch der kritischen Bewertung Anleihen bei ganz gegensätzlichen neomarxistischen Autoren und bleibt entsprechend sprunghaft in ihren Urteilen. Die FAUD-Autoren, auf die sie sich bezieht, u.a. Rudolf Rocker, Max Nettlau, Fritz Oerter, Franz Barwich, Karl Roche, Pierre Ramus, werden umstandslos als theoretisches Kombinat genommen (was sie nicht waren), und aus ihren Schriften wird die Theorie des Anarchosyndikalismus "rekonstruiert". Die Auswahl der Autoren und einzelner ihrer Publikationen ist überdies willkürlich und im Falle von Pierre Ramus höchst fragwürdig. (128) Die Konzentration auf einen der Autoren und seine politischtheoretische Arbeit oder eine Inhaltsanalyse der Jahrgänge des FAUD-Verbandsorgans "Der Syndikalist" hätten hier ein höheres Maß an Repräsentativität und Zuverlässigkeit ermöglicht.
Ansätze, in dieser Weise die dominierende theoretische FAUD-Position zu analysieren, gibt es bereits. In seiner umfassenden Rocker-Biographie widmet Peter Wienand ein in allen Punkten überzeugendes Kapitel der Bedeutung seines Helden für das Verständnis der FAUD vom Anarchosyndikalismus. (129) Er hebt die von Gustav Landauer formulierte philosophische Anarchismusauffassung hervor, an die Rocker (wie übrigens auch Augustin Souchy) in vielen Bezügen anknüpfte: "In Rocker entstand Gustav Landauer ein Nachfolger, der neben der Fortführung der speziellen philosophischen Tradition des deutschen Anarchismus auch der praktischen Seite Aufmerksamkeit widmete, und damit das vernachlässigte Terrain der Agitationsarbeit unter den Massen stärker berücksichtigte". (130) Eben dies wurde ermöglicht durch die "enge Allianz zwischen dem "Praktiker" Kater und dem "Theoretiker" Rocker". (131) Die Entsprechungen (direkte Einflüsse, gemeinsame theoretische Rückgriffe auf Peter Kropotkin und den kommunistischen Anarchismus) und die Unterschiede zwischen Landauer und Rocker selbständig zu thematisieren, wäre eine durchaus sinnvolle Aufgabe. Obwohl die Schriften beider gegenwärtig nahezu vollständig wieder aufgelegt und leicht zugänglich und die monographischen Arbeiten zu diesen einflußreichsten anarchistischen Theoretikern deutscher Herkunft zahlreich sind, (132) steht ein solcher Vergleich bislang noch aus. Hingegen ist der Versuch unternommen worden, die philosophischen Grundlagen von Rockers Marxismus-Kritik zu analysieren. Angeregt von Arnold Künzlis Urteil, Rockers Kritik am Sowjetmarxismus sei von einer bemerkenswerten Hellsichtigkeit gewesen, geht Marcel Hediger in seiner Züricher Lizentiatsarbeit den Ursprüngen und theoretischen Hauptthemen seiner vehementen Ablehnung und den Widerlegungsversuchen marxistischer Theorie und Praxis nach. (133) Die Arbeit bezieht sich auf das Gesamtwerk Rudolf Rockers, thematisiert jedoch auch eingehend dessen Tätigkeit und Erfahrungen im Rahmen des deutschen Anarchosyndikalismus (134) und kann insofern als ein gehaltvoller Beitrag zum eingehenderen Verständnis der dominanten politisch-ideologischen Position, die von der Geschäftskommission der FAUD vertreten wurde, angesehen werden. Hediger weist im Einzelnen nach, daß der Bezugspunkt von Rockers Marxismuskritik die Marxismusversionen der Zweiten und Dritten Internationale, nicht aber das Werk von Marx und Engels waren, und daß er namentlich die Frühschriften von Marx nicht zur Kenntnis nahm. Rockers rigorose Ablehnung des marxistischen Basis-Überbau-Schemas sieht der Verfasser darin begründet, daß "damit das menschliche Wollen, die Phantasie und Einbildungskraft immer nur durch den ökonomischen Wertcharakter bestimmt und aus diesem abgeleitet werden und somit die menschliche Einzelpersönlichkeit nicht jene überragende Bedeutung bekommt, die ihr Rocker für den gesellschaftlichen Transformationsprozeß zuteilen möchte". (135) In einer ideologiekritischen Weiterführung der Analyse von Rockers Theorie des Anarchosyndikalismus müßte u.a. erörtert werden, in welchem Maße die in dieser Theorie postulierte hervorragende Rolle der (vermittels einer solidaristischen Ethik in ihrem Wollen angeleiteten) Einzelpersönlichkeit dem besonderen Selbstbewußtsein der "Handwerker-Sozialisten", also der Stammklientel der FAUD, entsprach.
Wenn hier eine ausgeprägte Affinität sehr wahrscheinlich ist, so kann in ähnlicher Weise eine Anziehungskraft der konkurrierenden Orientierungsangebote des Anarchismus und des Unionismus auf die beiden anderen soziologischen Komponenten in der FAUD angenommen werden. Bei den kurzfristig politisch mobilisierten un- und angelernten bzw. dequalifizierten Arbeitern, die sich in großer Zahl der FVdG oder der FAUD angeschlossen hatten, ist die Neigung zu tendenziell organisationsfeindlichen Positionen des Anarchismus wahrscheinlich und nachzuweisen. Bei dem beruflich qualifizierten Arbeitertypus, der aufgrund der Kriegspolitik seiner Stammgewerkschaft radikalisiert worden war und sich den revolutionären Gewerkschaftsgründungen angeschlossen hatte, ist die Bereitschaft seines Engagements im Organisationsbereich des Unionismus zumindest wahrscheinlich, der eine widerrufliche Anbindung an die politischen Parteien der äußersten Linken zuließ.
Über den organisierten Anarchismus in der Weimarer Republik außerhalb der FAUD, die auf ihrem Kongreß im Jahre 1921 mit der Ergänzung ihres Namens um den Zusatz "Anarchosyndikalisten" [FAUD(AS)] ihrem Selbstverständnis Ausdruck gab, liegt eine ältere monographische Studie von Ulrich Linse vor, (136) die bislang nicht überholt ist. Die früheste anarchistische Organisations-Wiedergründung nach 1918 war die schon in der Vorkriegszeit existierende Föderation Kommunistischer Anarchisten Deutschlands (FKAD), die in Berlin vor allem durch Rudolf Oestreich (1878-1963) organisiert und repräsentiert wurde. Während viele der FKAD-Anhänger besonders 1919/20 auch Mitglieder der FAUD waren, bestanden namentlich die führenden Repräsentanten der FKAD auf der Selbständigkeit der Dachorganisation der Kommunistischen Anarchisten. Als Motiv für diesen Verbandspatriotismus sind neben persönlichen Rivalitäten mit den Sprechern der FAUD in erster Linie Vorbehalte gegen die Einschränkung individueller Autonomie der Gruppen und Mitglieder erkennbar, die gegenüber dem Aufbau einer wirtschaftskämpferischen Massenorganisation geltend gemacht wurden. (137) Ähnliche Vorbehalte und die selben Motive der Abgrenzung zur Politik der Berliner Geschäftskommission der FAUD sind offensichtlich im österreichischen Bund herrschaftsloser Sozialisten (BhS), der 1919 von Rudolf Großmann (1882-1942; Pseudonym: Pierre Ramus) (138) ins Leben gerufen wurde und agitatorisch als Element des Widerspruchs in die internen Auseinandersetzungen der FAUD hineinwirkte. Obwohl die latenten Konflikte zwischen den Protagonisten der FAUD und der FKAD bzw. dem BhS erst in den späten zwanziger Jahren offen zu Tage traten, (139) übten die von den anarchistischen Parallelorganisationen in Umlauf gesetzten Parolen von der Notwendigkeit der vorrangigen Selbstbestimmung der Kleingruppen und Individuen nachweislich bereits ihre organisatorisch destabilisierende Wirkung aus in der Zeit zwischen dem Gründungskongreß der FAUD im Dezember 1919 und dem nachfolgenden Kongreß im Oktober 1921. Dort wurde - von einem wissenschaftlichen Zaungast aufmerksam beobachtet - bereits die Gefährdung des Zusammenhalts der FAUD diskutiert, die besonders von der Verbreitung "aller möglicher Ideen, z.B. Siedlungs- und Genossenschaftsideen" ausging. Nach dem Eindruck dieses Beobachters drohte die "größte Gefahr" von der Seite "des Anarchismus, insbesondere von der individualistischen Richtung". (140) Als besonders beeindruckendes Beispiel für den ebenso spontanen Rekrutierungserfolg wie den raschen Verfall unter dem Einfluß dieser Tendenz wird die FAUD-Arbeiterbörse in Köln angeführt. (141) Dort seien Ende 1920 4.000 Mitglieder gezählt worden, die sich bald auf 30 autonome Ortsgruppen verteilt hätten, von denen Ende 1921 gerade noch 16 Ortsgruppen mit rund 500 Mitgliedern übriggeblieben seien. Sie seien dem Kongreß ferngeblieben und propagierten seinerzeit die Ablehnung der "bürgerlichen" Industrieföderationen der FAUD und "organisch flutende Verbindungen der Vielheit der Ichs".
Daß Siedlungs-, Genossenschafts- und Erziehungsexperimente unter dem Einfluß der FKAD, des BhS und möglicherweise auch des individualistischen Anarchismus (142) einen beträchtlichen Anteil der materiellen und ideellen Ressourcen der lokalen FAUD-Gruppen banden, steht fraglos fest. (143) Ob es sich aber dabei generell um Einwirkungen anarchistischer Parolen handelte, muß bezweifelt werden. Es war eher eine ideologisch nicht von vornherein festgelegte Disponibilität der kurzfristig mobilisierten Arbeiter, die sie nachweislich auch für ganz andere politische Orientierungsangebote ansprechbar machte. Zwei neuere Lokal- bzw. Regionalstudien geben hierüber detailliert Auskunft und ermöglichen ein genaueres Bild von der FAUD-Opposition im Ruhrgebiet, die in ihrer tumultuarischen Entwicklung vom Juli 1921 bis Anfang 1924 im Düsseldorfer Syndikalisten-Organ "Die Schöpfung" zum Ausdruck kam. (144)
Andreas Müller zeichnet mit seiner Darstellung der FAUD-Ortsgruppe in Mengede, (145) einer zu Beginn der zwanziger Jahre noch selbständigen Gemeinde im Nordwesten von Dortmund, den Weg eines Teils der FAUD-Aktivisten von der lokalen Gründung der FVdG am 8. März 1919 bis zur Gründung einer der ersten Ortsgruppen der NSDAP außerhalb Bayerns im Juni 1922 nach. Die sozialgeschichtlichen Daten seiner Lokalstudie gleichen einer Zusammenfassung der idealtypischen Bedingungen für die Entstehung der Massenbasis der FVdG bzw. FAUD: rapide Industrialisierung, Verzehnfachung der Bevölkerung in den vier Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, sehr hoher Prozentsatz von ausländischen und deutschen Arbeitsmigranten und geringer gewerkschaftlicher und parteipolitischer Organisationsgrad der Arbeiter. Die Streikbewegungen des Frühjahrs 1919 im Ruhrgebiet führten in Mengede zur schubartigen Mobilisierung besonders der Bergarbeiter und im Gesamtraum Dortmund bis Ende 1919 zur Rekrutierung von mindestens 16.000 Mitgliedern durch die FVdG, bis Mitte 1920 von rund 20.000 Mitgliedern durch die FAUD(S). (146) Die Ortsgruppe Mengede zeichnete sich in diesem Kontext durch ihre besondere Radikalität aus, indem sie die Mitarbeit in Betriebsräten, als Knappschaftsälteste oder als Gewerbegerichtsbeisitzer ablehnte und "für eine unmittelbare Durchführung der sozialen Revolution kämpfte". (147) In den Jahren 1920 bis 1922 ist in Dortmund und Mengede die Agitation eines am 15.08.1920 gebildeten Frei-Bundes anarchistischer Gruppen Rheinland-Westfalen in der FAUD(S) nachweisbar, der sich von der FKAD aufgrund seiner noch weitergehenden Ablehnung formaler Organisationsstrukturen entfernte und seit September 1920 mit den Hamburger Freien Sozialisten-Anarchisten um Carl Langer zusammenarbeitete. (148) Aus dem Kreis dieses Frei-Bundes und anderer Absplitterungen der FAUD(S) kamen im Juni 1922 acht von vierzehn Gründungsmitglieder der ersten NSDAP-Ortsgruppe in Mengede. Der Autor der interessanten Studie erklärt sich diese befremdliche Entwicklung der abtrünnigen FAUD-Aktivisten allgemein mit der "Suche nach neuen Lebens- und Verhaltensweisen". (149) Das ist richtig beobachtet, aber zu allgemein. Man muß dieses Phänomen im Zusammenhang mit der FAUD-Massenbasis aus kurzfristig mobilisierten und ideologisch ungefestigten Arbeitern sehen, die besonders im Ruhrgebiet die Verbindlichkeit der anarchosyndikalistischen Programmatik und Politik der Berliner Geschäftskommission nicht anerkannten und unter dem Einfluß konkurrierender, tendenziell organisationsfeindlicher Anarchismuskonzeptionen bis zum Bruch mit ihrer Bewegung und zum Übersteigen auf eine in allen wesentlichen Punkten konträre Bewegung getrieben wurden.
Ein weiteres Beispiel für die politisch-ideologische Disponibilität eines Teils der FAUD-Anhänger enthält eine Studie über die Geschichte der anarchosyndikalistischen Organisation im Regierungsbezirk Aachen. (150) Dort waren seit 1920 im Bereich des Bergbaus und der Textilindustrie zuerst 12, dann bis 1923 19 Ortsvereine der FAUD(S) entstanden, (151) die durch die Polemik gegen die "Verbandspfaffen" des ADGB, durch rigorose Lohnforderungen und in einem Angestelltenstreik des Bergbaus im Sommer 1921 hervorgetreten waren. Es waren auch hier Kräfte aus der anarchistischen Opposition in Düsseldorf, die eine Minderheit der FAUD(S)-Mitglieder seit Ende 1922 der rheinischen Separatistenbewegung zuführten. (152) Der Verfasser der Aachener Regionaluntersuchung stellt klar, daß zu keinem Zeitpunkt die FAUD(S) als Ganze Konzessionen an diese Bewegung machte, daß aber dort, wo ihre Ortsvereine in Einzelfällen den Anschluß an den Separatismus vollzogen, "die ideologische Verbundenheit mit syndikalistischen Ideen fast gar nicht existent gewesen war". (153) Im Raume Aachen bewirkte die punktuelle Gemeinsamkeit mit dem Separatismus, daß nach dem Ende der Ruhrbesetzung die FAUD(S) offenbar so diskreditiert war, daß ihre Ortsvereine nach 1923 von der Bildfläche verschwanden. (154)
Während also die anarchistische Opposition der FAUD(S) im Ruhrgebiet mit dem Zentrum Düsseldorf viel Beachtung fand in den neueren Recherchen zum Anarchosyndikalismus in Deutschland, wurde der anderen politisch-ideologischen Alternative zur Politik der FAUD(S)-Geschäftskommission in Berlin, der FAU Gelsenkirchener Richtung, weit weniger Aufmerksamkeit zuteil. Das ist deshalb unangemessen, weil die organisatorisch auflösende Wirkung der Abspaltung eines massiven Blocks der FAUD-Mitglieder unter den Bergleuten durch die Verselbständigung der Gelsenkirchener Richtung ungleich größer war als das allmähliche Abbröckeln der unter oppositionell-anarchistischen Einfluß geratenen Mitgliedergruppen. Der Gelsenkirchener FAU galt das beharrliche Bemühen um Einflußnahme durch die KPD, und deshalb ist sie auch ein wichtiges Untersuchungsobjekt der Ph.-D.-Dissertation des amerikanischen Historikers Larry D. Peterson über die Gewerkschaftspolitik der Partei in Rheinland-Westfalen von 1920 bis 1924. (155) In der umfangreichen Arbeit wird im ersten Teil die Gewerkschaftspolitik der KPD in der Region im Zusammenhang mit den Streik-, Arbeitskampf- und Sozialbewegungen von Ende 1920 bis Mitte 1924 minutiös nachgezeichnet, im zweiten Teil werden zusammenfassend die strukturellen Aspekte der Ziele, Träger und Ergebnisse der kommunistischen Gewerkschaftspolitik erörtert.
Neben der kommunistischen Zellenbildung in den freigewerkschaftlichen Verbänden war die FAU Gelsenkirchener Richtung (FAU-G) in Rheinland-Westfalen das wichtigste Terrain für die Gewerkschaftsarbeit der KPD. Sie war ein unbequemes Relikt aus den Ruhrbergarbeiter-Streiks des Frühjahrs 1919 und den nachfolgenden Monaten, in denen die damalige linkskommunistische Mehrheit der KPD noch den Austritt aus den Verbänden der Freien Gewerkschaften und den Eintritt in die neuen Wirtschaftskampforganisationen, die Unionen, propagiert hatte. (156) Die Bergarbeiterunion hatte sich im September 1919 der FAU-Gründung in Rheinland-Westfalen angeschlossen, berief aber im Oktober 1920 bereits einen eigenen Reichskongreß ein und konstituierte sich im September 1921 als Union der Hand- und Kopfarbeiter Deutschlands (UdHuK), indem sie sich gegen den Willen der KPD durch Fusion mit oppositionellen Verbänden anderer Berufsgruppen vergrößerte. Im Gegensatz zur FAUD(S) schloß sie sich der kommunistischen Roten Gewerkschafts-Internationale (RGI) an. (157) Peterson stellt im Einzelnen dar, wie die FAU-G bzw. die UdHuK immer dann stark war und ihr unionistisches Erbteil hervorkehrte, wenn die KPD schwach war, z.B. nach der gescheiterten Märzaktion von 1921, daß diese aber langfristig und schrittweise ihren Dominanzanspruch gegenüber der Organisation durchsetzte; ein Vorgang, der im Juni 1924 abgeschlossen war.
Das dauerhafte Interesse der KPD an der FAU-G bzw. UdHuK, die ja schließlich wie ein erratischer Block im Felde ihrer auf Zellenbildung in den ADGB-Verbänden gerichteten Gewerkschaftspolitik lagen, war begründet in deren bis 1924 beständig wachsenden Erfolgen bei den Betriebsrätewahlen. Über die Beteiligung an diesen Wahlen bestand in der FAU-G, wiederum im Gegensatz zur FAUD(S), kein Dissens, und sie erreichte bei den Betriebsrätewahlen im Ruhrbergbau 1921 26%, 1924 sogar 34,3% der abgegebenen gültigen Stimmen. (158) Über den Bergbau hinaus konnte die FAU-G/UdHuK nennenswerte Organisationserfolge in der Metallindustrie sowie geringfügige Terraingewinne im Bau- und Textilgewerbe verzeichnen. Peterson belegt und erörtert eingehend die unionistischen Grundzüge der Organisation, um deren Beseitigung sich die Kommunisten so beharrlich bemühten: die Vorstellung prinzipiell basisdemokratischer auf räteartigen Betriebsorganisationen aufbauender und in großen Industrie-Unionen zusammengefaßter Arbeitermacht, die der Bevormundung durch eine politische Partei nicht bedurfte und gleichermaßen Kampforganisation sowie Ausgangspunkt für die Neugestaltung der Gesellschaft sein sollte. Diese Konzeption des teilweise nach US-amerikanischem Vorbild entwickelten Unionismus, (159) der auch die revolutionäre Wirtschaftskampforganisation der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) verpflichtet war, entsprach weder in der Herkunft noch in der theoretischen Grundlegung dem Anarchosyndikalismus der FAUD(S). (160)
Das schloß - wie Peterson mit zahlreichen Beispielen belegt - nicht aus, daß den beteiligten Arbeitern diese Unterschiede nicht immer bewußt waren. Die soziologischen Merkmale der FAU-G bzw. UdHuK-Mitglieder waren - und das ist eines der wichtigsten neuen Ergebnisse dieser Studie (161) - im Wesentlichen diejenigen, die generell für die Massenbasis der FAUD im Ruhrgebiet feststellbar sind. Aufgrund einer Analyse der Betriebsräte-Wahlergebnisse der UdHuK stellt Peterson fest, daß diese vor allem im Norden des Ruhrgebiets [Duisburg, Oberhausen, Essen III, Gelsenkirchen, Recklinghausen-West und Herne (162)] am stärksten war. Dort waren die Anlagen am jüngsten, größten und tiefsten, befand sich ein hoher Anteil an Arbeitsmigranten (besonders polnischer Herkunft), existierten schwache Organisationstraditionen der Arbeiterbewegung und zeigten sich überdies deutliche Zeichen der Dequalifizierung (Niedergang der Gruppe der Häuer und Anstieg der Gruppe der Ungelernten). Für die Metallhochburgen der UdHuK findet der Autor analoge Strukturen der Mitglieder und der Wähler der Organisation. (163) Direkte Anhaltspunkte für die Hypothese, daß die FAU-G und die UdHuK in besonderem Maße die freigewerkschaftlichen Oppositionellen angezogen haben, kann man aus diesen Befunden nicht ableiten. Das liegt aber eher daran, daß eingestandenermaßen die statistischen Daten die Analyse des individuellen Organisationsverhaltens nicht zulassen. Immerhin ist die Tatsache, daß die FAU-G mit freigewerkschaftlichen Dissidentengruppen im September 1921 fusionierte, ein Indiz dafür, daß sie bereits Organisierte erreichte, und zwar zu einer Zeit, wo andernorts die Mitgliederbewegung zu Lasten der FAUD(S) und zugunsten der ADGB-Verbände verlief. (164)
Peterson kommt nach abwägender Diskussion der in den Eigenangaben und in den Observantenberichten weit auseinandergehenden Mitgliederzahlen der UdHuK zu dem begründeten Schluß, daß die Organisation in Rheinland-Westfalen Mitte 1922 etwa 80.000 Mitglieder zählte, Ende 1923 etwa 60 bis 70.000 und im Mai 1924 noch 28.000. (165) Geht man davon aus, daß 1922 die FAUD(AS) rund 70.000 Mitglieder umfaßte, deren Zahl sich bis 1925 auf etwa 25.000 reduzierte, (166) so kann man die Bedeutung der Abspaltung der Gelsenkirchener Richtung für den Fragmentierungsprozeß der FAU ermessen. Sie bedeutete praktisch die Halbierung der Bewegung und die Kanalisierung der etwas größeren Hälfte der Freien Arbeiter-Union in Bahnen, die sie vom anarcho-syndikalistischen Programm immer weiter entfernten. Ob und in welchem Maße sie davon überhaupt berührt war und sich ihre unionistischen mit den revolutionär-syndikalistischen Vorstellungen der FVdG bzw. FAUD(S) amalgamierten, ist durch die Arbeit von Peterson nicht geklärt worden. Und zwar vor allem deshalb, weil er mit seiner quellengestützten Untersuchung erst einsetzt beim Vereinigungsparteitag der KPD(S) mit dem linken Flügel der USPD im Dezember 1920 und damit die Periode der größten Nähe zum Unionismus und eventuell zum Anarchosyndikalismus thematisch ausgrenzt.
Eine monographische Befassung mit der Geschichte der FAU-G bzw. der UdHuK unter Einbeziehung dieser Aspekte ist durch die beeindruckende Arbeit von Larry D. Peterson zwar erleichtert, aber nicht erübrigt worden. Erstaunlicherweise hat sich von den jungakademischen Autoren in der Bundesrepublik Deutschland niemand dieses Themas im Umfeld des deutschen Anarchosyndikalismus angenommen. Das gilt auch für das angrenzende Forschungsfeld der Geschichte der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands (AAUD) und der Allgemeinen Arbeiter-Union Einheitsorganisation (AAUE). (167) Sowohl zwischen der FAUD(AS) und der AAU, besonders aber zwischen der FAUD(AS) und der AAUE, brachen die Kontakte auf der Ebene der Ortsvereine niemals völlig ab. Es wäre eine historiographische Rechtfertigung des Organisationsegoismus dieser Verbände, würde man hier die Trennlinien ähnlich scharf ziehen wie deren Führungsgruppen. Man kann deshalb, zumal für die Zeit nach 1924, als alle diese Organisationen erheblich dezimiert waren, von einem antiautoritären Lager sprechen, das mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufwies und das sich innerhalb der Arbeiterbewegung mit gleicher Entschiedenheit gegen die Sozialdemokratie und gegen den Kommunismus abgrenzte. (168)
6. Die FAUD zwischen sozialrevolutionärer Klassenkampforganisation und radikaler Kulturbewegung: Zur Struktur und Funktion des deutschen Anarchosyndikalismus
Die politisch-ideologischen Orientierungen und Tendenzen im Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik enthielten gleichwohl jeweils unterschiedlich akzentuierte Antworten auf die Grundfragen revolutionärer Strategie und Taktik und auf das Problem ihrer praktischen Umsetzung in gegebenen Situationen. Nachdem aufgrund der neueren Studien zur FAUD(AS) die interne Diskussion dieser Fragen und die organisationsinterne Praxis in mehreren Teilbereichen und für die gesamte Zeitspanne von 1918 bis 1933 deutlicher erkennbar ist, zeigt sich, daß das Bild von der realitätsfernen Sekte, die ihre Glaubenssätze ebenso beharrlich wie ergebnislos wiederholte, nicht ganz zutreffend und vor allem nicht geeignet ist, die spezifische Wirkungsweise dieser Bewegung zu analysieren. Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die FAUD(AS) gemessen an ihrem Anspruch, zugleich Sozialrevolutionäre Klassenkampforganisation und radikale Kulturbewegung zu sein, gescheitert ist. Dieses in der Prinzipienerklärung der FAUD(AS) verbindlich gemachte anspruchsvolle Programm scheiterte nicht nur wegen der in den nachinflationären Jahren der Weimarer Republik schwindenden Werbekraft seiner Inhalte, sondern nicht zuletzt deswegen, weil die beiden Oppositionstendenzen in der Bewegung jeweils einen dieser Schwerpunkte praktischer Arbeit ausschließlich verfolgten und damit deren von der Berliner Geschäftskommission vertretene Synthese auflösten: Die anarchistische Opposition verfolgte das Ziel der Erprobung neuer Lebensformen und Formen der Sozialisation in den Siedlungs-, Erziehungs- und künstlerischen Experimenten, die unionistische Opposition das Ziel wirksamer Vertretung tarif- und sozialpolitischer Interessen und generell der Arbeiterinteressen in den Betriebsräten.
Die Kenntnis der über die Inflationsperiode hinausreichenden internen Diskussionen in der FAUD(AS) über die strategische und taktische Umsetzung ihres Programms wird neuerdings erleichtert durch die Dissertation von Angela Vogel und durch die Arbeit von Ulrich Klan und Dieter Nelles über den rheinischen Anarchosyndikalismus. (169) Es wird deutlich, daß die FAUD(AS) sich nach 1923 organisatorisch im Vergleich zu den anarchistischen und unionistischen Gruppen auf einer vergleichsweise hohen Reduktionsstufe stabilisierte und durchaus fähig war, auf die veränderten ökonomischen und politischen Gegebenheiten mit taktischen Revisionen zu reagieren. Auf dem 13. Kongreß der FAUD(AS) im Herbst 1921 wurde das Prinzip der Ablehnung aller Stellvertretungsorganisationen in der Arbeiterbewegung auch auf die linken Parteien ausgedehnt und damit die Empfehlung der FVdG vom Dezember 1918, sich diesen Parteien anzuschließen, aufgehoben. (170) Der 15. Kongreß 1925 sah sich gezwungen, diese rigorose Auffassung der Strategie der "direkten Aktion" mit Bezug auf die Institutionen der wirtschaftlichen Interessenvertretung der Arbeiter zu revidieren. (171) Diese beiden taktischen Festlegungen der Berliner Geschäftskommission waren die wichtigsten und wohl auch problematischsten Entscheidungen in der Organisationsgeschichte der FAUD(AS). (172)
Die auf dem 15. Kongreß eingeleiteten Revisionen galten der Stellung der Anarchosyndikalisten zu den Betriebsräten und zu den Tarifverträgen. Im Falle des Tarifvertragssystems hatte man sich vorher klar ablehnend verhalten und blieb auch jetzt beim prinzipiellen Vorbehalt. (173) Man sah sich aber in den Stabilitätsjahren der Weimarer Republik vor das Problem gestellt, daß die Taktik der direkten Aktion aufgrund der ausbleibenden Massenbewegungen nicht mehr wirksam praktizierbar war, und daß man gerade die nach dem Verlust der Massenbasis nun wieder wichtigen Gruppen der handwerklichen Spezialberufe [Fliesenleger, Namenbandweber, Riemendreher (174)] nur dann binden konnte, wenn man sich auch ihrer tarifpolitischen Forderungen annahm. Die Bemühungen, die generelle Tariffähigkeit zugesprochen zu bekommen, scheiterten jedoch am Widerspruch des Reichsarbeitsgerichts, das diese Forderung der FAUD(AS) mit dem Hinweis auf deren grundsätzliche Kritik des Tarifvertraggedankens ablehnte.
Die andere auf dem 15. Kongreß der FAUD(AS) eingeleitete Revision galt der Beteiligung an den Betriebsrätewahlen, einer Frage, die ähnlich wie das Thema der Notwendigkeit oder der Vermeidbarkeit von Gewalt im revolutionären Kampf (175) während der ganzen zwanziger Jahre kontrovers diskutiert wurde. (176) Der Gründungskongreß hatte Ende 1919 die prinzipielle Ablehnung der für das Jahr 1920 zu erwartenden gesetzlichen Betriebsräte beschlossen, aber zugleich eingeräumt, daß örtliche, organisatorische und praktische Gründe die Beteiligung von FAUD-Mitgliedern an den Wahlen zu den Betriebsräten rechtfertigen könnten. Während die Beiträge im "Syndikalist" zu den Betriebsrätewahlen in der folgenden Zeit überwiegend negativ waren, beteiligte sich - wie bereits dargestellt - die FAU-G mit wachsendem Erfolg an diesen Wahlen. Die FAUD(AS) kandidierte aufgrund ihrer unentschlossenen Einstellung nur in einigen Städten (177) und gewann deshalb nur einen Bruchteil der Stimmen, die die FAU-G bzw. die UdHuK für sich verbuchen konnte. Im Bereich des Ruhrbergbaus erhielt z.B. die FAUD(S) im Jahre 1920, also vor der Spaltung, insgesamt 27% der abgegebenen Stimmen; (178) 1921 erhielt die UdHuK 26%, die FAUD(AS) 4,7%; 1924 die UdHuK 34,3%, die FAUD(AS) 7,3%. Der 15. Kongreß und die ihn begleitende Diskussion befürworteten zwar ein verstärktes Engagement der FAUD(AS) bei den Betriebsrätewahlen, aber der Versuch einer Revision kam hier offenbar zu spät und setzte sich - gemäß Klan/Nelles (179) - im Ruhrgebiet nur zögernd durch. Die längerfristige Tendenz in den Betriebsrätewahlergebnissen der FAUD(AS) war rapide rückläufig: Wiederum im Bergbau des Ruhrgebiets als Beispiel gewann sie 1925 noch 3% der gültigen Stimmen (die letztmals kandidierende UdHuK erhielt 29,1%), dann 1926: 2,9%, 1927: 2%, 1928: 1,8%, 1929: 1,1%, 1930: 1,5 %, 1931: 0,6%. Die Revisionsversuche der Berliner Geschäftskommission nach 1924 erreichten also nicht den gewollten Effekt, die Funktion der FAUD(AS) als Organisation der wirtschaftlichen Interessenvertretung, als "Interessengemeinschaft", zu stärken. Tatsächlich leistete jedoch die FAUD(AS) über die Inflationsperiode und über ihre Existenz als Massenorganisation hinaus eine Arbeit als "Ideengemeinschaft", die nicht aus der Quantität der verfügbaren Organisationsressourcen, sondern nur aus der besonderen Qualität ihrer verbliebenen Mitglieder erklärt werden kann.
Dieser Funktion der FAUD(AS) als Kulturbewegung, als "proletarische Kulturbewegung jenseits von Bürgertum und marxistischen Arbeiterorganisationen", (180) gilt das vorherrschende Interesse der Autoren einiger neuerer Studien, die durch die Neuen Sozialen Bewegungen der späten siebziger und achtziger Jahre für diese Aspekte des deutschen Anarchosyndikalismus sensibilisiert wurden. (181) Es empfiehlt sich, bei der Analyse der FAUD(AS) als radikale Kulturbewegung zum einen ihre Wirksamkeit als mobilisierende Kraft nach außen, zum anderen ihre Wirksamkeit als Sozialisationsagentur auf ihre Mitglieder nach innen zu unterscheiden.
In ihrer Agitationsarbeit nach außen kann man nach dem Verlust der Massenbasis in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre die Tendenz erkennen, die dezimierten Kräfte des antiautoritären Lagers punktuell zusammenzuführen und diese durch gleich orientierte Kulturinitiativen zu erweitern. Ab 1925 setzte eine Debatte ein um die Konstituierung sogen. Antiautoritärer Blocks, in denen die Militanten der FAUD(AS), der FKAD und der AAUE vorzugsweise in antimilitaristischen und antireligiösen Aktionen zusammenwirken sollten; solche Antiautoritären Blocks gab es zeitweilig in Frankfurt/M., Hamburg, Berlin und Hagen. Eine nicht nur punktuelle, sondern dauerhafte Zusammenarbeit stellte sich her zwischen der FAUD(AS) und der überwiegend in Berlin existierenden Anarchistischen Vereinigung, (182) die auf Initiative Erich Mühsams (183) als Abspaltung von der FKAD entstanden war und die in dessen Zeitschrift "Fanal" (184) eine publizistische Plattform von 1926 bis 1931 hatte. Eine nach der Zahl der Mitglieder wichtigere Resonanzgruppe der Anarchosyndikalisten war die von ihnen seit 1928 stark beeinflußte Gemeinschaft proletarischer Freidenker, mit der eine Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Kindergruppen in Verbindung stand. (185) Die Publikationstätigkeit des von Fritz Kater in die anarchosyndikalistische Bewegung eingebrachten Verlags "Der Syndikalist" wurde nach 1924 ergänzt durch die Gründung einer Gilde freiheitlicher Bücherfreunde. Ihre Mitglieder waren nur zur Hälfte FAUD(AS)-Mitglieder und mit ihrem Programm erreichte sie also weitere Kreise als mit den Verbandsveröffentlichungen. (186)
Der Herausgabe von regionalen und lokalen FAUD-Periodika kam wahrscheinlich eine ebenso große Bedeutung für die Mitglieder- und Außenwirkung zu wie für die politische Sozialisation der Initiatoren und Mitarbeiter dieser Blätter, die versuchten, die Grundsätze des Anarchosyndikalismus selbständig zu formulieren und auf die Aktualität zu beziehen. Eine Auszählung der ersten umfassenden Bibliographie der deutschsprachigen Presse des Anarchismus vor dem Zweiten Weltkrieg ergibt 71 Titel von Periodika aus dem Organisationsbereich der FAUD(AS). (187) Für die Verbreitung der anarchosyndikalistischen Ziele und libertär-sozialistischen Ideen allgemein war es von Vorteil für die FAUD(AS), daß sie einen festen Stamm von Autoren hatte, die bereits als erprobte Publizisten in die Bewegung eintraten (Rudolf Rocker, Augustin Souchy, (188) Max Nettlau, (189) Franz Barwich, (190) Karl Roche, (191) Fritz Köster, Fritz Oerter u.a.) oder aus der jüngeren Generation nachwuchsen wie z.B. Helmut Rüdiger (1903-1966) (192) oder Gerhard Wartenberg (Pseudonym: H.W. Gerhard, 1904-1942). (193)
Zu den formalen Organisationsstrukturen der FAUD, innerhalb deren sich das interne Verbandsleben abspielte, gibt es weniger neue Erkenntnisse als zu den mit dieser Kernstruktur locker verbundenen Parallelorganisationen. Die eingehendste Analyse der Organisationspraxis der FAUD(AS) enthält die Arbeit von Martin Luy. (194) Er skizziert die Organisationsstruktur der überwiegend nach französischem Vorbild aufgebauten FAUD(AS): Die nach Berufen (seit 1927 nach Industriezweigen) in Ortsvereinen zusammengefaßten Anarchosyndikalisten traten über Industrieföderationen auf Reichsebene miteinander in Kontakt (von denen nur 5 von 12 geplanten Föderationen zustandekamen). Zugleich kooperierten die Ortsvereine lokal in Arbeitsbörsen miteinander, die ihrerseits sich in Kreis- und Provinzialarbeitsbörsen zusammenschlossen. (195) Der Aufbau der regionalen Börsenstruktur war 1926 abgeschlossen; in den Industrieföderationen war nur etwa ein Drittel der FAUD-Mitglieder organisiert, weil in vielen Orten die Mitgliederzahl nicht ausreichte für die Konstituierung eines besonderen Berufs- oder Industrieortsvereins und in solchen Fällen Freie Vereinigungen aller Berufe gegründet wurden.
Das besondere Interesse Luys gilt der Frage, wie und in welchem Maße die FAUD(AS) der organisationsinhärenten Gefahr der Bürokratisierung und der Selbstentfremdung der Mitglieder entgehen konnte und damit dem Anspruch der föderalistischen und antiautoritären Praxis gerecht wurde. Bei der detaillierten Untersuchung der Zusammensetzung und Arbeitsweise der Geschäftskommission findet der Verfasser heraus, daß diese zwar mit einem Minimum an hauptberuflichem Personal (196) auskam, jedoch aufgrund von Professionalisierung, Aufgabenkonzentration, Verfügungsgewalt über das obligatorische Verbandsorgan, verschiedenen Ausgrenzungsmechanismen, aber auch der Mitgliederapathie, mehr Macht ausübte als die ihr statutengemäß zustehende Koordinations- und Agitationsfunktion vorsah. Die "Machtkämpfe, Verbandsegoismen und Angriffe innerhalb der FAUD" zeigten, daß "weder eine freiheitlich-sozialistische Ideologie noch ein dementsprechender Organisationsaufbau einen menschlichen Umgang garantieren konnten". (197)
Konstruktive Ansätze zur Verwirklichung des kommunistischen Anarchismus seien nur in der Propaganda, in vereinzelten FAUD-internen Appellen und in den kulturellen Nebenorganisationen verfolgt worden. (198) Diese "Nebenorganisationen", die generell in den neueren Arbeiten als der interessantere Teil der FAUD-Geschichte gelten, waren in geringerem Maße den Zwecken und Weisungen der Stammorganisation unterworfen als beispielsweise bei der KPD und der SPD. (199) Klan/Nelles argumentieren, daß gerade nach dem Verlust der Massenbasis der FAUD die "organisierten anarchosyndikalistischen Kulturinitiativen" wegen ihrer Distanz zu den inner- und zwischenorganisatorischen Machtkämpfen ein privilegierter Ort für die Erprobung und Festigung der "hohen Ideale der Anarcho-Syndikalisten" gewesen seien. Deshalb habe "der deutsche Anarcho-Syndikalismus in vielen Regionen gegen Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre besonders in seinen Kulturorganisationen" überlebt, "auch wenn die örtlichen Industrieföderationen längst handlungsunfähig geworden waren". (200) Von diesen Kulturorganisationen sind in erster Linie die Jugendverbände, aber auch die Frauenbünde und die Siedlungs- und Erziehungsexperimente inzwischen gut überschaubar, weniger kohärente Informationen gibt es z.B. über die Gilde freiheitlicher Bücherfreunde und die Gemeinschaft proletarischer Freidenker.
Die mit der FAUD verbundenen Jugendverbände hat zuerst Ulrich Linse im Zusammenhang mit den anarchistischen und unionistischen Jugendorganisationen monographisch dargestellt und ausführlich dokumentiert. (201) Er rekonstruiert die konfliktreich verlaufende Organisationsgeschichte der beiden wichtigsten anarchosyndikalistischen Jugendorganisationen und ihrer Abspaltungen und Verzweigungen. Im Laufe der Jahre 1919/20 löste sich der Teil der Freien Sozialistischen Jugend (FSJ), der sich auf die Grundsätze der Autonomie der Jugend, des Dezentralismus ihrer Organisation und ihrer Unabhängigkeit von den politischen Parteien berief, aus der Bewegung heraus. Er wurde zusammengehalten durch den charismatisch und agitatorisch begabten Ernst Friedrich (1894-1967), der anfangs ideelle und materielle Hilfe von der FAUD-Arbeitsbörse in Berlin erhielt. Bereits Anfang 1920 wurde jedoch von der Geschäftskommission der FAUD(S) der Bedarf nach einer grundständigen eigenen Jugendorganisation angemeldet, der die bislang in Anspruch genommene Autonomie der Jugendlichen nicht im gewünschten Maße zugebilligt werden sollte. Bis zum Jahre 1922 klärten sich die Fronten: Ernst Friedrich und die von ihm repräsentierte Richtung der "Freien Jugend" wurde aus dem Organisationsbereich der FAUD(AS) verdrängt und die unter dem Namen Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (SAJD) konstituierte FAUD-Jugendorganisation erhielt den Status weitgehender Selbständigkeit. Die SAJD bekannte sich gleichermaßen zu den Prinzipienerklärungen der FAUD(AS) und der FKAD, hatte 1924 rund 120 Ortsgruppen, etwa 3000 Mitglieder und ein selbständiges Publikationsorgan mit einer Auflage von 5000 Exemplaren. (202) Die "Freie Jugend" und Ernst Friedrich, die zunehmend in ihrem Aktionsradius auf Berlin und Rheinland-Westfalen festgelegt waren, profilierten sich vor allem durch ihre spektakuläre antimilitaristische Agitation. Ab 1925 zeichnete sich in der SAJD die Neigung ab, verstärkt in gewerkschaftlichem Sinne mit der Erwachsenenorganisation der FAUD(AS) zusammenzuarbeiten. Sie war Spaltungstendenzen ausgesetzt und begann ab 1929, im Zeichen des antifaschistischen Kampfes sich wieder zu festigen. Die "Freie Jugend" geriet zeitweilig unter den Einfluß des AAUE-Theoretikers Otto Rühle (203) und verlor ihren organisatorischen Zusammenhalt ab 1927.
Diese von Ulrich Linse in solider historischer Arbeit ermittelte Organisationsgeschichte wird durch die Studien von Cornelia Regin und Ulrich Klan gleichsam um den Versuch einer Innenansicht der anarchosyndikalistischen Jugendorganisationen ergänzt. (204) Sie vermögen damit Aufschluß zu geben über deren spezifische Sozialisationswirkung auf ihre Mitglieder. Gestützt auf eine Inhaltsanalyse der Zeitschriften und Publikationen der SAJD und der "Freien Jugend" zeigt Regin die divergierende Entwicklungsrichtung beider Jugendorganisationen auf. Während der Autonomieanspruch und der generelle Protest gegen die Erwachsenenwelt der Jugendbewegung am konsequentesten aufrechterhalten wurden in der von Ernst Friedrich repräsentierten Tendenz und dort in der organisatorischen Auflösung endete, gab die SAJD ihren ursprünglichen Autonomieanspruch gegenüber der Erwachsenenorganisation weitgehend auf und orientierte seit Mitte der zwanziger Jahre ihre Aktivitäten auf die Selbstbildung und die anarchosyndikalistische Agitation unter den Gleichaltrigen in den Betrieben und Fortbildungsschulen. Die Verfasserin sieht einen wichtigen Grund für diesen Wandlungsprozeß der SAJD darin, daß die dort organisierten Jugendlichen nach dem Ende der Inflation nicht nur ihre unmittelbaren Revolutionserwartungen aufgaben, sondern auch verstärkt in den Arbeitsprozeß einbezogen waren. Sie maßen nach wie vor der "Bewußtseinsrevolution" des Proletariats zentrale Bedeutung bei, betonten nun aber erheblich nachdrücklicher die Rolle der Eroberung der Macht auf dem ökonomischen Terrain (205) und wurden auf diese Weise zum lebendigen Nachwuchsreservoir für die FAUD(AS).
In der Arbeit von Klan wird diese Entwicklung der SAJD nach 1924 u.a. erklärt durch die relative Schwäche der FAUD(AS), die nun an vielen Orten stark reduziert oder nicht mehr vorhanden war und kaum mehr Dominanzansprüche gegenüber der Jugendorganisation geltend machen konnte. Seine auf Veteranenbefragung gegründete Darstellung der SAJD in der rheinisch-bergischen Region bestätigt und illustriert mit vielen anschaulichen Einzelheiten die von Linse aufgezeigten Veränderungen der Funktion dieser Organisation. (206) Klan weist für Anfang 1921 12 rheinisch-bergische Jugendgruppen nach, die in gutem Einvernehmen standen mit der Düsseldorfer anarchistisch-oppositionellen FAUD(S) und die ihre Autonomieforderung vor allem gegen die Berliner Geschäftskommission richteten. Der Gruppenzusammenhalt wurde hergestellt durch Protest- und Verhaltensformen, die weitgehend von der bürgerlichen Jugendbewegung entlehnt, aber mit dem Bewußtsein proletarischer Eigenständigkeit und politischem Bildungsstreben verbunden waren. Für die Jahre 1924/25 belegt die Arbeit 13 SAJD-Ortsgruppen in der Region. Auch in der neuen Orientierung auf ökonomische Interessenvertretung und in der Situation größerer Isolierung blieb offenbar die umfassende private und politische Interaktion in den Gruppen erhalten, und sie erweiterten ihr Agitationsrepertoire durch die Gründung von "Kampfbühnen", Reichsferienlagern, Sprechchören u.a..
Es ist anzunehmen, daß gerade in den späten zwanziger Jahren die aktivistischen Jung-Anarchosyndikalisten durch ihre Überzeugungsstärke in ihrem engeren sozialen Umfeld auffielen und mehr oder minder aggressiv stigmatisiert wurden. In Wuppertal galten sie bei Arbeitern z.B. als "Kakaophilosophen", weil sie ihrer Überzeugung gemäß zu leben versuchten; (207) in Kassel, wo eine recht aktive Jugendgruppe der FAUD(AS) existierte, wurden sie als "interessante Sonderlinge" angesehen. Andererseits erwecken die historischen Quellen in Kassel, wo die FAUD(AS)-Gruppe Ende der zwanziger Jahre 20 bis 30 Mitglieder zählte, wie andernorts "den Eindruck einer politisch vitalen und intellektuell interessierten antiautoritären Arbeitergruppe, deren politische Aktivitäten verbunden waren mit eigenständigen, weit gefächerten Bildungsanstrengungen und vor allem mit dem intensiven Bemühen um die Identität von Überzeugung und politisch-persönlicher Lebenspraxis". (208)
Ein Versuch, in Übereinstimmung mit der anarchosyndikalistischen Forderung der vorrangigen Kulturrevolution die private Lebenspraxis zu verändern, war schließlich auch die Diskussion der Frauenfrage in der FAUD(AS) und die Gründung Syndikalistischer Frauenbünde mit einem autonomen Status. (209) Wenngleich die Geschichte der Syndikalistischen Frauenbünde ähnlich wie die Geschichte der anarchosyndikalistischen Siedlungsexperimente (210) eher die enormen Schwierigkeiten der Durchbrechung dominanter Sozialisationsmuster belegt, so zeigt sie doch eine nicht nur deklaratorische Auffassung von radikaler Kulturbewegung und gibt Aufschluß über eine die gesamte Lebenspraxis einbeziehende Binnenwirkung der anarchosyndikalistischen Bewegung auf ihre Mitglieder.
Der schlagendste Beweis und das stärkste Argument für die politische Sozialisationswirkung der Bewegung auf die FAUD(AS)-Militanten und ihre daraus resultierende Überzeugungsstärke ist die aktive Rolle der deutschen Anarchosyndikalisten im Kampf gegen den Nationalsozialismus und im Spanischen Bürgerkrieg. Zu diesem Aspekt der Geschichte des Anarchosyndikalismus in Deutschland gibt es inzwischen viele monographische und dokumentarische Mosaiksteine, aber noch kein vollständiges Bild. Die früheste politische Reaktion auf den Faschismus und den Nationalsozialismus war die 1929 einsetzende Gründung von paramilitärischen "Schwarzen Scharen". Man hat die Existenz dieser Gruppen militanter Anarchosyndikalisten zwischen 1929 und 1933 in mindestens 10 Orten im Reich und mit einer Gesamtstärke von mutmaßlich 250 Mitgliedern nachgewiesen. (211) Allem Anschein nach waren sie zum größten Teil zusammengesetzt aus arbeitslosen Jugendlichen der SAJD und jüngeren FAUD(AS)-Mitgliedern. Die "Schwarzen Scharen" verstanden sich als "Ergänzungsorganisation" zur SAJD und FAUD(AS) und als "Abwehrformation gegen Faschismus und Feinde des Anarchosyndikalismus". (212) Sie lancierten noch einmal einige neue lokale Blätter und traten bei antifaschistischen Demonstrationen gemeinsam, aber symbolisch deutlich unterschieden, mit der KPD in Erscheinung. (213)
In der FAUD(AS) und der SAJD waren die "Schwarzen Scharen" nicht nur deshalb umstritten, weil sie als Opposition gegen Erstarrungs- und Ermüdungserscheinungen in der Organisation antraten, sondern auch, weil die Regeln paramilitärischer Aktion (Uniformierung, Gewaltandrohung, Befehlsstrukturen) mit elementaren anarchosyndikalistischen Grundsätzen in Kollision gerieten. Ob die Anarchosyndikalisten Ansätze einer eigenen und schlüssigen kritischen Faschismustheorie vertraten, ist bislang kaum untersucht worden. Es bleibt zu überprüfen, ob sie im Faschismus "lediglich eine auf die Spitze getriebene Form des politischen Terrorismus [sahen], wie er in graduellen Abstufungen jeder Form der staatlichen Herrschaft eigentümlich und dessen totalitäre Ausprägung sogar von der etatistisch ausgerichteten Arbeiterbewegung begünstigt worden sei". (214)
Ein Blick in die Resolutionen der internationalen Kongresse der Anarchosyndikalisten und in ihre antifaschistischen Broschüren der dreißiger Jahre zeigt zumindest, daß ihnen der spezifische Charakter des Nationalsozialismus im Vergleich zu traditionellen Formen der Diktatur und Kulturreaktion nicht entgangen war. (215) Es war ihnen auf jeden Fall bewußt, wie 1932 der FAUD(AS)-Redakteur Gerhard Wartenberg schrieb, daß die Nationalsozialisten im Falle der Machtübernahme "den Staatsapparat zu einer rücksichtslosen Diktatur gegen alle freiheitlichen und sozialistischen Bestrebungen benutzen" würden. (216) Der 19. und letzte FAUD(AS)-Kongreß im März 1932 traf in Erfurt dementsprechende Vorkehrungen für den Fall der Illegalität, der dann mit dem Verbot der anarchosyndikalistischen Organisation am 5. März 1933 eintrat.
Dank der Auswertung der Polizeiakten und erhaltener Veteranenzeugnisse (217) ist nunmehr ein erster Überblick über die Widerstandstätigkeit der deutschen Anarchosyndikalisten zwischen 1933 und 1937 möglich. Die meisten Ortsgruppen der FAUD(AS) lösten sich - gemäß den bisherigen Kenntnissen - bis Mitte Februar 1933 formal auf, um sich der nationalsozialistischen Verfolgung zu entziehen. Nachdem die illegalisierte Geschäftskommission der FAUD(AS) nach einer Verhaftungswelle ab Ende April 1933 in Berlin nicht mehr haltbar war, wurde sie nach Erfurt und später nach Leipzig transferiert und arbeitete dort, von lokalen anarchosyndikalistischen Militanten geleitet, insbesondere als Informationszentrum bis Anfang 1936. Die aktivste Rolle für die praktische Arbeit in der Illegalität, d.h. für die Herstellung oder die Verteilung von Zeitschriften und Flugblättern, für die Unterstützung der Familien verhafteter FAUD(AS)-Mitglieder und für die Fluchthilfe bedrohter Genossen, wurde von den mit dezentraler Tätigkeit vertrauten lokalen anarchosyndikalistischen Gruppen übernommen. (218) Dabei entstanden neben den traditionellen Schwerpunkten anarchosyndikalistischer Aktivitäten, Berlin und Rheinland-Westfalen, neue Zentren aktiven Widerstandes in den Regionen Südwest- und Mitteldeutschland. (219) Nach Darstellung eines Geschäftskommissionsmitgliedes der FAUD(AS) waren Mitte 1934 rund 600 Anarchosyndikalisten in irgendeiner Form im Widerstand aktiv, das waren etwa 10% des Mitgliederbestandes der Organisation vom Jahre 1932. (220) In Berlin hatten sich ihre bekanntesten Repräsentanten wie Rudolf Rocker und Augustin Souchy der Verhaftung durch die Flucht ins Ausland entzogen, und Fritz Kater, der 1930 den Vorsitz der Geschäftskommission an einen Jüngeren abgegeben hatte, blieb unbehelligt. Erich Mühsam, der den Weg ins Exil nur zögernd beschreiten wollte, wurde im Februar 1933 verhaftet und im Juli 1934 im Konzentrationslager zu Tode gequält. (221) Er wurde für die FAUD(AS) zum ersten Märtyrer ihrer Bewegung. (222)
Berlin scheint bis 1936 ein wichtiger Umschlagplatz für die Verteilung illegaler Schriften geblieben zu sein. Bei der Zerschlagung der Organisationsreste im Frühjahr 1937 wurden 27 Anarchosyndikalisten verhaftet. (223) Das illegalisierte Verbindungsnetz der FAUD(AS) in Rheinland-Westfalen erhielt eine besondere strategische Bedeutung wegen seiner Lage als Grenzregion zu den Niederlanden, die zum frühesten Sammelpunkt der deutschen anarchosyndikalistischen Emigration wurden. Die Widerstandsaktivitäten der FAUD(AS) im Ruhrgebiet sind inzwischen breit dokumentiert. (224) Die Koordination der Widerstandstätigkeit wurde dort vor allem von dem Schlosser Julius Nolden (1895-1973) (225) und dem Schmied Anton Rosinke (1881-1937, im Gefängnis zu Tode gekommen) (226) getragen, beide Anarchosyndikalisten, die seit langen Jahren in der Bewegung aktiv waren. Es liegen Überblicke vor über die Widerstandsaktivitäten (227) in: Duisburg, Dülken, Mönchen-Gladbach, Krefeld, Düsseldorf, Köln, Wuppertal (228) und Aachen; insbesondere die Gruppen in Dülken, Aachen und Duisburg hatten eine wichtige Funktion bei der Fluchthilfe. Es wurden nachweislich bis 1935 sieben anarchosyndikalistische und anarchistische, sowie sechs weitere Emigrantenzeitschriften verbreitet. (229) Anfang 1937 wurden über 100 Anarchosyndikalisten im Rheinland verhaftet und im Januar/Februar 1938 wurden 88 von ihnen wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu Freiheitsstrafen zwischen 6 Monaten Gefängnis und 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. (230) In Mitteldeutschland entfaltete die illegale FAUD(AS) unter der Leitung von Ferdinand Götze (geb. 1907) im Bereich der Provinzialarbeitsbörse Sachsen/Thüringen bis Anfang 1935 eine bemerkenswerte Widerstandstätigkeit, die sogar die Herstellung zweier kurzlebiger Zeitschriften umfaßte. (231) In Leipzig wurden bei der Verhaftungswelle Anfang 1937 40 Anarchosyndikalisten festgenommen. (232) Im Gebiet der Provinzialarbeiterbörse Südwest der FAUD(AS) entstand ein Widerstandsnetz mit den Stützpunkten Mannheim, Ludwigshafen, Darmstadt, Offenbach und Frankfurt/M., das nunmehr relativ gut bekannt ist. (233) Die Kasseler FAUD(AS)-Gruppe gliederte sich diesem Netz an. Die südhessischen Gruppen stellten zwei illegale Zeitschriften ("Fanal. Revolutionäre Sozialistische Monatsblätter", "Hessischer Landbote") (234) her, in Kassel wurde von dem gelernten Tischler Willi Paul (1897-1979) eine hektographierte Zeitschrift "Die Internationale" herausgegeben, die überregionale Verbreitung fand. (235) Im Rhein-Main-Gebiet wurden das Widerstandsnetz in Darmstadt, Offenbach und Frankfiurt/M. am Jahreswechsel 1934/35 zerschlagen und vom Volksgerichtshof hohe Zuchthausstrafen verhängt; die Aktiven des FAUD(AS)-Widerstandes in Mannheim und Ludwigshafen wurden im August 1936 zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Kasseler Gruppe verlor mit Willi Pauls Emigration über Duisburg nach Amsterdam im März 1937 eine ihrer wichtigsten Stützen.
Generell sind am anarchosyndikalistischen Widerstand bemerkenswert die Ausdauer der Aktivitäten, die durch die Selbständigkeit und enge Vertrautheit der lokalen FAUD(AS)-Gruppen begünstigt wurde, und die Härte der Verfolgungsmaßnahmen und Strafzumessungen, in denen als Motiv die präsumtive besondere Gefährlichkeit der Anarchisten vermutet werden kann. (236) Mit Sicherheit spielte dieses Motiv eine Rolle, nachdem nach Beginn des Spanischen Bürgerkrieges Mitte 1936 die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Anarchismus und Anarchosyndikalismus gelenkt wurde.
Die Zerschlagung der anarchosyndikalistischen Bewegung in Deutschland mit der Verhaftung ihrer letzten lokalen Widerstandsgruppen Anfang 1937 war gleichwohl nicht das Ende der Bewegung, denn deren Kontinuität schien sich partiell in den Auslandsorganisationen der emigrierten Anarchosyndikalisten fortzusetzen. Es waren hier, wie in der Widerstandsarbeit in Deutschland, nicht in erster Linie die publizistisch namhaften FAUD(AS)-Mitglieder, sondern die in regionaler und lokaler Organisations- und Agitationstätigkeit in ihrer politischen Überzeugung gefestigten Militanten, die im Vordergrund standen. Zwei von ihnen, der Werkzeugdreher Gustav Doster (geb. 1904) aus Darmstadt und der Schlosser Fritz Schröder (geb. 1904) aus Kassel, gründeten Ende 1933 in Amsterdam die Auslandsorganisation Deutsche Anarcho-Syndikalisten (DAS). Diese Emigrantenorganisation, über deren Tätigkeit in Amsterdam bislang nicht viel bekannt ist, (237) verfügte bereits Mitte 1934 über Parallelgründungen in Barcelona, Stockholm und Paris. Von August 1934 bis April 1935 wurde das Publikationsorgan der anarchosyndikalistischen Internationale von diesen vier DAS-Gruppen getragen und neu herausgegeben. (238) Vor allem in Amsterdam, Barcelona und Stockholm konnten die DAS-Gruppen an bereits über die Internationale Arbeiter-Assoziation (IAA) geknüpfte Kontakte anschließen. In Amsterdam liefen die Verbindungen über den Leiter des Internationalen Antimilitaristischen Büros, Albert de Jong, und die syndikalistische Gewerkschaft Nationaal Arbeiders-Secretariaat (NAS). (239) Die meisten anarchosyndikalistischen Deutschland-Emigranten scheinen im Juli 1936 bei Beginn des Spanischen Bürgerkrieges von Amsterdam nach Barcelona gegangen zu sein. (240) Über die dortige Situation und die Aktivitäten der DAS, die zweifellos für viele der deutschen Anarchosyndikalisten der Höhepunkt ihres politischen Lebens waren, fügen sich die Informationen trotz der Berichte von Augustin Souchy (241) erst neuerdings zu einem differenzierteren Bild zusammen.
Die bislang umfassendste Darstellung findet sich in Patrik von zur Mühlens Buch über die deutsche Linke im Spanischen Bürgerkrieg, (242) die durch einige Dokumentationen ergänzt wird. Von zur Mühlen hat anhand der Korrespondenz der beteiligten deutschen Anarchosyndikalisten (243) und ihrer Veröffentlichungen (244) herausgefunden, daß es drei Formen ihrer politischen Integration gab, wobei einige von ihnen in mehr als eines dieser Netze einbezogen waren. Zum einen gab es die schon seit 1934 existierende Gruppe DAS in Barcelona, die zu Beginn des Bürgerkrieges im Juli 1936 rund 20 Personen umfaßte. Ihre Mitglieder beteiligten sich seit dem 19. Juli 1936 an der Überwachung der ortsansässigen Repräsentanten des Nazi-Regimes und an der Besetzung deutscher Institutionen in Barcelona. (245) Die DAS-Gruppe gab die deutschsprachige Frontzeitung "Die Soziale Revolution" (246) in Zusammenarbeit mit dem Regionalkomitee Katalonien der Confederación Nacionál del Trabajo (CNT) und der Federación Anarquista Ibérica (FAI) von Januar bis Juni 1937 in einer Auflage von je eintausend Exemplaren heraus, über die von zur Mühlen urteilt, sie entbehre inhaltlich der Originalität und sei ein "reines Agitationsblättchen" (247) gewesen. Die bedeutendste der politischen Kampfschriften der DAS-Gruppe Barcelona, die in Buch- oder Broschüren-Form erschienen, war ihr "Schwarz-Rot-Buch", (248) dessen Materialien sie teilweise aus den Akten des deutschen Generalkonsulats entnommen hatten. Die Gruppe, in der Helmut Rüdiger eine Integrationsgestalt war, führte überdies Schulungskurse im lokalen Hauptquartier der CNT/FAI durch, in denen u.a. über die Erfahrungen und Arbeiten der FAUD(AS) vor 1933 berichtet wurde. Die DAS-Mitglieder wurden nach den Mai-Ereignissen von 1937 in Barcelona zum Teil verhaftet und die Gruppe ist für die zweite Jahreshälfte 1937 nicht mehr nachweisbar.
Die zweite Form der Einbeziehung der deutschen Anarchosyndikalisten in Katalonien war ihre unmittelbare Beauftragung mit leitenden Funktionen in der CNT. Das Musterbeispiel dafür war Augustin Souchy, der aufgrund seiner Sprachkenntnisse und weitläufigen Kontakte als Repräsentant der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) 15 Monate lang die internationale Informationsarbeit der Ausländsabteilung des katalanischen Regionalkomitees der CNT leitete. Max Nettlau, der sich wie Souchy im Juli 1936 in Spanien aufhielt und angeblich an der Verhaftung und Vernehmung verdächtiger Deutscher beteiligt war, (249) vergrub sich alsbald in der Bibliothek des Hauses eines Industriellenverbandes, das kollektiviert und den DAS als Sitz ihres Büros angewiesen worden war. (250)
Die dritte und quantitativ bedeutendste Integrationsform in die spanischen Zusammenhänge war die Rekrutierung deutscher Anarchosyndikalisten und Anarchisten in den anarchistischen Milizen. Sie waren teilweise zusammengefaßt in einer Centuria Erich Mühsam, die mit italienischen und französischen Einheiten zur Columna Durruti gehörte. Die Zahlen der in den anarchistischen Milizen Kataloniens 1936/37 engagierten Deutschen schwanken zwischen 50 und 100 bis 200. (251)
Patrik von zur Mühlen dokumentiert und diskutiert u.a. die Schwierigkeiten, die sich offenbar in der Zusammenarbeit zwischen den deutschen Anarchosyndikalisten und der CNT/FAI ergaben und die die internen Zerwürfnisse aus der Zeit vor der Emigration eher noch steigerten. Demnach war Augustin Souchy z.B. sehr viel stärker geneigt, die Logik und die Zwänge der anarchistischen Bewegung, die aus den besonderen sozio-ökonomischen und politischen Umständen Spaniens entstanden, zu übernehmen und nachzuvollziehen. Helmut Rüdiger als Gegenbeispiel registrierte stärker die Kommunikationsgrenzen zwischen der autochthonen anarchistischen Sozialbewegung und der im Rahmen der FAUD(AS) und der IAA hervorgebrachten Konzeption des Anarchosyndikalismus als radikale Kulturbewegung. (252)
Die Konstituierungsbedingungen und die Wirkungsweise der anarchistischen Gewerkschaftsbewegungen in Spanien und in Deutschland, die bei von zur Mühlen kurz angeschnitten werden, (253) geben gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit Aufschluß über den besonderen Zuschnitt des deutschen Anarchosyndikalismus. Die deutsche Bewegung scheiterte zwar als Massenbewegung mit dem Ende der Inflationsperiode und sie konnte auch nicht ihr Programm realisieren, zugleich Wirtschaftskampforganisation und Kulturbewegung zu sein. Politisch isoliert und als Teil der Arbeiterbewegung marginalisiert, bewirkte jedoch der deutsche Anarchosyndikalismus gerade in dem Maße, wie er seit Mitte der zwanziger Jahre auf sich selbst verwiesen war, eine Wertorientierung und Verhaltensdisposition bei seinen Mitgliedern, die diese befähigten, eine bemerkenswerte Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und im Spanischen Bürgerkrieg zu spielen. Rudolf Rocker sprach in seiner Korrespondenz öfter von höchstens 3000 FAUD(AS)-Mitgliedern, die zu überzeugten Anarchosyndikalisten geworden seien. Diese kaum überprüfbare, aber auf die ganze Zeitspanne der Weimarer Republik bezogen wohl realistische Zahl umreißt die Kerngruppe der Arbeiter im Deutschland der Zwischenkriegszeit, die Träger einer freiheitlichen Sozialismuskonzeption in Abgrenzung gleichermaßen gegen die KPD und die SPD waren. Die jungen Historiker, die mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des organisierten Anarchosyndikalismus in Deutschland den Spuren jener Militanten der Zwischenkriegszeit nachgegangen sind, zeigen sich beeindruckt von deren Fähigkeit, "auch unter ohnmächtigen Bedingungen [...] selbst in kleinsten Zusammenhängen identisch und wirksam zu bleiben: d.h. politisch, ohne einem "politischen Sieg" nähergekommen zu sein". (254) Sie sehen in der Geschichte der FAUD(AS) "historische Beispiele von selbstorganisierter Kollektivität und freiheitlicher Kontinuität von Gruppen und Einzelnen", sind jedoch darauf bedacht, die Widersprüche und Aporien des historischen Anarchosyndikalismus nicht zu übersehen, um nicht dessen Heroisierung Vorschub zu leisten. Dennoch ist bei einer Reihe dieser jüngeren Autoren - zum Teil beeinflußt von Erhard Lucas` Handhabung der oral-history-Methode - die Neigung nicht zu verkennen, bei der Rekonstruktion von Erfahrungs- und dem Referieren von Argumentationszusammenhängen sich eher mit dem Anarchosyndikalismus zu identifizieren als ihn zu analysieren.
7. Internationale Arbeiter-Assoziation und internationaler Kontext: Zur Geschichte der IAA und zur vergleichenden Analyse des deutschen Anarchosyndikalismus
Die Nationalstaaten und der Nationalismus waren Vorzugsobjekte der Kritik des Anarchosyndikalismus, seine internationalen Organisationsversuche scheiterten jedoch in der Vorkriegszeit nicht nur an der Organisierungsunwilligkeit von Syndikalisten und Anarchisten, sondern gerade auch aufgrund der je besonderen Prägung der Bewegungen durch die nationalen Gegebenheiten, aus denen sie entstanden waren. Eine der historischen Funktionen des deutschen Anarchosyndikalismus war es, den in den Vorkriegsjahren vertagten internationalen Zusammenschluß des revolutionären Syndikalismus in den ersten Nachkriegsjahren zu einem Ergebnis zu führen. Allerdings kam die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) 1922 zu einer Zeit zustande, als sich bereits die Kommunistische Internationale und die mit ihr verbundene Rote Gewerkschafts-Internationale (RGI) etabliert und einen erheblichen Teil der revolutionär-syndikalistischen Gewerkschaftsbewegung angezogen hatten. Die Entstehung der IAA stand also in den Jahren 1919 bis 1922 im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem Bolschewismus, und die Repräsentanten des deutschen Anarchosyndikalismus, besonders Rudolf Rocker und Augustin Souchy, (255) trugen maßgeblich zur kritischen Abgrenzung gegen die RGI und zur Gründung einer konkurrierenden internationalen Organisation in der Tradition des revolutionären Syndikalismus bei.
Die Geschichte der IAA ist also als Teil der Geschichte des deutschen Anarchosyndikalismus, aber auch als internationale Kommunikationsplattform des Anarchosyndikalismus der Zwischenkriegszeit von Interesse. Die Forschungslage und der allgemeine Kenntnisstand zur IAA haben sich in den siebziger und achtziger Jahren zwar verbessert, (256) sie sind aber insgesamt nicht befriedigend. Und zwar zum einen, weil die neueren Forschungsarbeiten sich ganz auf die Entstehungsperiode konzentrieren, die mit dem Jahrzehnt von 1913 bis zum Gründungskongreß der IAA am Jahreswechsel 1922/23 anzusetzen ist; zum anderen, weil - besonders für die 15 Jahre zwischen dem Gründungskongreß in Berlin und dem 6. IAA-Kongreß im August 1938 in Paris - fast ausschließlich unkommentierte Reprints von Dokumenten und historischen Selbstdarstellungen der IAA vorliegen.
Am dauerhaftesten und eingehendsten hat sich der kanadische Historiker Wayne Westergard-Thorpe um die Erhellung der Vorgeschichte der anarchosyndikalistischen Internationale bemüht. (257) Er hat den Versuch der revolutionären Syndikalisten, sich 1913 auf einem Kongreß in London als selbständige Alternative zur reformistischen Gewerkschaftsbewegung zu konstituieren, erstmals umfassend dokumentiert und analysiert. (258) Es zeigt sich, daß bereits 1913 außerhalb Frankreichs in zahlreichen europäischen und südamerikanischen Ländern revolutionäre Gewerkschaften bzw. Gewerkschaftsminderheiten existierten, die sich auf eine Prinzipienerklärung einigen konnten; (259) diese wies im Vergleich mit der Charte d`Amiens der Confédération Générale du Travail (CGT) - dem klassischen Dokument des revolutionären Syndikalismus aus dem Jahre 1906 - deutlichere antistaatliche Züge auf und deutete insofern bereits eine Verbindung von anarchistischem und revolutionär-syndikalistischem Denken an. (260) Das große Thema während der Vorbereitung und des Verlaufs des Kongresses, der vom 27.9.-2.10.1913 stattfand, war das Fernbleiben der französischen CGT, die weithin als paradigmatische Alternative zur reformistischen Gewerkschaftsbewegung angesehen wurde. Westergard-Thorpe arbeitet überzeugend die jeweils spezifischen national bedingten Gründe heraus, derentwegen die CGT die Gründung einer revolutionären Gewerkschafts-Internationale ablehnte und derentwegen die überwiegend in der Minderheitssituation befindlichen syndikalistischen Kräfte in anderen Ländern diese Gründung befürworteten. Die CGT setzte 1912/13 auf die Umgestaltung der Internationalen Zentralstelle der gewerkschaftlichen Landeszentralen, (261) deren Vorsitz zu der Zeit Carl Legien innehatte, im Sinne des revolutionären Syndikalismus, während sich die syndikalistischen Minderheiten von der Konstituierung einer selbständigen Internationale eine Stärkung und Legitimierung ihrer Richtung im jeweiligen nationalen Kontext versprachen. Eine hervorragende Rolle unter diesen Minderheiten spielten neben einer englischen Industrial Syndicalist Education League das niederländische Nationaal Arbeids-Secretariaat (NAS), die schwedische Sveriges Arbetares Centralorganisation (SAC) und die deutsche FVdG, die durch Fritz Kater, (262) Karl Roche und Carl Windhoff vertreten wurde. Es waren schließlich trotz der Absage der CGT 33 Delegierte aus 60 Arbeiterorganisationen und 12 Ländern (263) mit etwa 220.000 Mitgliedern auf dem Londoner Kongreß vertreten. Er beschloß mit Rücksicht auf die französische Weigerung, einstweilen nur eine Art internationales Verbindungsbüro mit Sitz in Amsterdam einzurichten, dem auch die Aufgabe übertragen wurde, ein internationales syndikalistisches Kommunikationsorgan (264) herauszugeben und den nächsten Kongreß für 1915 in Amsterdam vorzubereiten. Im Ersten Weltkrieg, den man mit der antimilitaristischen Propaganda zu verhindern gehofft hatte, brachen dann die Verbindungen ab.
Da in der französischen Gewerkschaftsbewegung während der Kriegsjahre ein Polarisierungsprozeß einsetzte, der nach Kriegsende mit der Angliederung der CGT-Stammorganisation an den Internationalen Gewerkschaftsbund und dem Anschluß der Confédération Générale du Travail Unitaire (CGTU) an die RGI endete, (265) fiel die Initiative für die vertagte Gründung der Syndikalistischen Internationale unter den neuen Umständen der Nachkriegsjahre der FVdG/FAUD(AS) und dem NAS zu. Allerdings wurde das niederländische NAS seinerseits ab 1921 von internen Kontroversen über den Beitritt zur RGI zerrissen (266) und fiel als Motor für die Gründung einer Konkurrenzorganisation zur Moskauer RGI aus. Es war schließlich die FAUD(AS), die seit 1921 mit der aktiven Unterstützung der in der Sowjetunion verfolgten und teilweise emigrierten russischen Anarchosyndikalisten die Initiative für die Gründung einer eigenen Internationale übernahm.
Dank der Forschungsergebnisse von Westergard-Thorpe (267) und der Darstellung der Formierungsphase der IAA durch Arthur Lehning, (268) einem ihrer späteren Sekretäre, der zugleich Historiker ist, kann man nunmehr den Weg zur Gründung vom Jahreswechsel 1922/23 in seinen einzelnen Abschnitten recht deutlich überblicken.
Die frühesten Anläufe für die Konstituierung einer revolutionär-syndikalistischen Internationale wurden während des Krieges noch vom niederländischen NAS unternommen, das z.B. intern im Januar 1917 zum Kampf gegen Nationalismus, Militarismus und Kapitalismus im Rahmen einer nach Kriegsende zu gründenden Internationale aufrief. Eine vorbereitende Konferenz der skandinavischen Syndikalisten in Kopenhagen vom Februar 1919 blieb ohne Folgen. (269) Mit der im Monat darauf vollzogenen Gründung der Kommunistischen Internationale und der seit Mitte 1920 vorbereiteten Schaffung der komplementären RGI als Gegenpol zum 1919 neu konstituierten reformistischen Internationalen Gewerkschaftsbund waren völlig neue Voraussetzungen für die Fortsetzung der Bemühungen um die internationale Zusammenfassung der revolutionären Gewerkschaftsbewegung gegeben. Insbesondere die südeuropäischen revolutionären Syndikalisten neigten nun anfänglich dazu, in der Moskauer Gründung der RGI die Vollendung der 1913 begonnen internationalen Kontaktnahmen zu sehen, während die nördlichen und engeren Nachbarländer der Sowjetunion, allen voran die deutschen und schwedischen Syndikalisten, von Anfang an eine skeptische Haltung zu den Moskauer Gründungsinitiativen einnahmen. (270) Bereits Mitte 1919 schrieb die schwedische SAC an ihre syndikalistische Schwesterorganisation in den Niederlanden, die bolschewistische Strategie sei letztlich sozialdemokratischen Zuschnitts, insofern sie den Sozialismus durch Verordnungen und Gesetze verwirklichen wolle, und sie müsse auf einer internationalen Konferenz kritisch diskutiert werden. (271)
In Deutschland setzte in der zweiten Jahreshälfte 1919 der Kampf der von Paul Levi geführten Zentrale der KPD(S) gegen den Syndikalismus ein, (272) und der Gründungskongreß der FAUD(S) im Dezember 1919 entschied sich prinzipiell gegen die politischen Parteien und die Diktatur des Proletariats und für die Vorbereitung einer Syndikalisten-Internationale. Die langwierigen und wechselreichen Verhandlungen des Jahres 1920 zwischen den Vertretern der Komintern und des Initiativkomitees für die RGI auf der einen Seite und den revolutionär-syndikalistischen Landesorganisationen auf der anderen Seite (273) fanden im Juli/August einen Höhepunkt in den Diskussionen auf dem 2. Komintern-Kongreß in Moskau, wo Augustin Souchy zugegen war, (274) und sie führten dazu, daß sich die Syndikalisten im Dezember 1920 zu ihrer ersten internationalen Nachkriegskonferenz trafen, die in Berlin von der FAUD(S) ausgerichtet wurde. (275) Die Konferenz nahm nach heftigen Diskussionen mit dem russischen Komintern-Vertreter eine 6-Punkte-Resolution (276) an, in der im Hinblick auf den im Sommer 1921 geplanten Gründungskongreß der RGI die strategischen Grundsätze der direkten Aktion, des gesellschaftlichen Neuaufbaus auf der Basis der Gewerkschaftsorganisationen und der vollständigen Unabhängigkeit von den politischen Parteien als gemeinsamer Konsens beschlossen wurden. Zugleich wurde die Teilnahme am Gründungskongreß der RGI empfohlen und die Etablierung eines internationalen Syndikalistenbüros mit Sitz in den Niederlanden vereinbart.
Der Konsens der syndikalistischen Landesorganisationen vom Dezember 1920 war - wie vor allem Westergard-Thorpe nachweist (277) - nicht sehr solide. Erst die Enttäuschung über den Verlauf des Gründungskongresses der RGI im Juli 1921, (278) auf dem die FAUD(S) gar nicht erst vertreten war, und die einhellige Empörung über die Verhaftung der namhaften russischen Anarchosyndikalisten und Anarchisten von Ende 1920 bis 1921 (279) waren dafür ausschlaggebend, daß die auf dem Düsseldorfer Kongreß der FAUD(AS) im Oktober 1921 anwesenden Vertreter der SAC, des NAS und der amerikanischen Industrial Workers of the World (IWW) die Einberufung einer weiteren syndikalistischen internationalen Konferenz beschlossen, die dann im Juli 1922 in Berlin stattfand. Dort vertraten Delegierte der CGTU, der spanischen CNT, der italienischen Unione Sindacale Italiana (USI), der SAC und der norwegischen Syndikalisten nach eigenen Angaben 1,4 Millionen Mitglieder. (280) Die Anwesenheit exilierter russischer Anarchosyndikalisten (Alexander Schapiro u.a.) und eines sowjetischen Gewerkschaftsvertreters spitzte die Frage nach der Befreiung der verhafteten Anarchosyndikalisten und Anarchisten in Sowjetrußland konflikthaft zu und gab den letzten Anstoß für den Beschluß, eine eigene Internationale zu gründen. Die Junikonferenz nahm eine 10 Punkte umfassende Prinzipienerklärung an, die von Rudolf Rocker ausgearbeitet worden war, (281) und berief den Gründungskongreß der Internationalen Arbeiter-Assoziation (IAA) für Ende Dezember 1922 nach Berlin ein. Dem mit der Vorbereitung beauftragten Büro gehörten neben Rudolf Rocker [FAUD(AS)], Armando Borghi (USI), Angel Pestana (CNT), Albert Jensen (SAC) und Alexander Schapiro als Repräsentant der russischen Anarchosyndikalisten im Exil an; allesamt Namen, die in der Folgezeit zu den bekanntesten in der internationalen anarchosyndikalistischen Bewegung zählten. Zu den elf Gründungsmitgliedern aus Europa und Südamerika (282) kamen nach einem weiteren internen Klärungsvorgang in der CGTU und dem NAS noch als Mitglieder hinzu: der 1923 gegründete Nederlands Syndicalistisch Vakverbond (283) und die 1926 entstandene CGT Syndicaliste Révolutionnaire. (284)
Die ersten Sekretäre der IAA waren mit einer gewissen Symbolfunktion für die aktivsten Kräfte im Konstituierungsprozeß der IAA, Rudolf Rocker, Augustin Souchy und Alexander Schapiro (1883-1946). Ein Aspekt dieser langen Konstituierungsgeschichte der anarchosyndikalistischen Internationale, der bislang generell in der Anarchismusliteratur zu wenig Beachtung fand, wird von Arthur Lehning erörtert: (285) nämlich der Wandlungsvorgang vom revolutionären Syndikalismus französischer Prägung der Vorkriegszeit zum Anarchosyndikalismus der Zwischenkriegszeit, wie er charakteristisch war für die IAA. Lehning sieht die wichtigste Veränderung in der Theorie des Anarchosyndikalismus darin, daß dieser die politischen Parteien, die fortwährend die Staatsmacht zu erobern statt sie abzuschaffen bestrebt seien, grundsätzlich ablehne und aktiv bekämpfe, während sich der revolutionäre Syndikalismus der Vorkriegszeit noch mit einer Neutralitätserklärung in der Beziehung zu den Parteien begnügt habe. Diese gewiß ergänzungsbedürftige Charakterisierung der Unterschiede zwischen dem Anarchosyndikalismus der IAA und dem revolutionären Syndikalismus der Charte d`Amiens weist auf einen Kontinuitätsbruch im Ersten Weltkrieg und durch die Erfahrung in den ersten Jahren der russischen Revolution hin, der in anderen Zusammenhängen auch für die Geschichte der syndikalistischen Bewegung der Vor- und Nachkriegszeit in Deutschland nachweisbar war.
Den sehr detaillierten Kenntnissen, über die man jetzt zur Entstehung der IAA verfügt, stehen für ihre Tätigkeit und Entwicklung seit 1923 kaum vergleichbare monographische Arbeiten gegenüber. Man ist hier auf Dokumentationen angewiesen, die allerdings in größerer Zahl vorliegen. Aus ihnen lassen sich die folgenden Informationen über die Entwicklung der IAA in der Zwischenkriegszeit (286) ermitteln: Die IAA hielt fünf weitere ordentliche Kongresse und einen außerordentlichen Kongreß ab: vom 21.-28.3.1925 in Amsterdam, im Mai 1928 in Lüttich, vom 16.-21.6.1931 in Madrid, vom 24.-30.9.1935 in Paris und am selben Ort vom 24.-31.8.1938; auch der außerordentliche Kongreß fand in Paris vom 6.-17.12.1937 statt. (287) Zwischen den Kongressen wurden Konferenzen im Dezember 1923 in Innsbruck, im Mai 1926 in Paris, April 1932 in Madrid, April 1933 und November 1936 in Paris abgehalten. Dieser Rhythmus der IAA-Treffen läßt auf einen dichten Kommunikationszusammenhalt schließen. Dieser Zusammenhalt wurde auch hergestellt durch einen vom Sekretariat unter der Verantwortung von Augustin Souchy von 1923 bis 1938 herausgegebenen "Pressedienst der IAA". (288) Weniger kontinuierlich erschien das theoretische Diskussionsorgan der IAA "Die Internationale", das vollständig neu ediert, aber inhaltlich bisher nicht ausgewertet wurde. (289) Ergänzt wurden diese Publikationsorgane durch das Periodikum der Internationalen Antimilitaristischen Kommission (IAK), zu der sich die IAA mit dem Internationalen Antimilitaristischen Büro in Amsterdam 1927 zusammengeschlossen hatte; (290) der "Pressedienst der IAK" erschien in mehreren Sprachen von 1927 bis 1933 und wurde von Arthur Lehning redigiert.
Die seit langem schon bestehenden Verbindungen zu Südamerika wurden im Mai 1929 durch die Formierung einer Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation gefestigt, der Gewerkschaftsverbände aus 8 süd- und mittelamerikanischen Ländern angehörten. (291) Die zum zehnjährigen Bestehen der IAA veröffentlichte Selbstdarstellung ihrer Entwicklung (292) läßt deutlich werden, daß die spanische CNT aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke, aber auch wegen der dominanten Stellung dieses anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsverbandes im Verhältnis zu den anderen Sozialrevolutionären Organisationen im Lande immer stärker in den Mittelpunkt der Tätigkeiten, Diskussionen und Interessen der IAA gerückt wurde. (293) Die CNT war auf dem Gründungskongreß im Dezember 1922 nicht vertreten wegen der innenpolitischen Situation in Spanien. Sie erklärte aber, nachdem sie anfänglich durch ihren Moskau-Delegierten ihren Beitritt zur RGI in Aussicht gestellt hatte, auf ihrer Konferenz in Saragossa 1922 ihre Zugehörigkeit zur IAA (294) und stellte mit rund 1 Million Mitgliedern etwa die Hälfte der damals insgesamt in der anarchosyndikalistischen Internationale organisierten Arbeiter.
Das Sekretariat der IAA wurde 1933 von Berlin nach Madrid und Barcelona verlegt, 1935 nach Paris und 1938 nach Stockholm. Der Anspruch der IAA ging dahin, wie Alexander Schapiro es Anfang der dreißiger Jahre formulierte, (295) daß "die maßgebenden Prinzipien der nationalen Sektionen [...] in allen Ländern dieselben sein" und daß auch die Formen dieser Organisationen sich nach und nach in ihrem Aufbau einander angleichen sollten. Konkret ging es um den Aufbau von Industrieföderationen, der auf dem IAA-Kongreß in Lüttich 1928 empfohlen worden war. Auf dem CNT-Kongreß 1931 in Madrid wurde diese Empfehlung heftig diskutiert und insbesondere aus FAI-Kreisen als deutsche Erfindung und für Spanien inadäquat kritisiert. Einen interessanten Einblick in das komplizierte Verhältnis zwischen der IAA und der CNT/FAI gibt ein Bericht Alexander Schapiros vom April 1933, in dem er über die spanische Bewegung als Emissär der IAA berichtet. (296) Auch eine kleinere Studie von Rudolf de Jong belegt die Spannungen zwischen der CNT und der IAA, deren Sekretariat 1935 darüber Klage führte, daß die Zusammenarbeit seitens der CNT nicht gesucht worden sei. (297) Eine Klage übrigens, der Helmut Rüdigers Vorwurf des "Nationalismus" an die Adresse der spanischen Bewegung (298) entspricht und hinter der eine unterschiedlich akzentuierte Auffassung des Anarchosyndikalismus gemäß dem sozioökonomischen Entwicklungsstand der nord- und der südeuropäischen Länder vermutet werden kann. Aber diese Aspekte können erst sinnvoll diskutiert werden, wenn sehr viel mehr Kenntnisse über die Geschichte der IAA vorliegen und ein fundierter Vergleich zwischen der Geschichte der anarchosyndikalistischen Bewegung der europäischen Länder in der Zwischenkriegszeit möglich ist.
Hier gibt es einige Ansätze einer komparatistischen Analyse der revolutionär-syndikalistischen und anarchosyndikalistischen Bewegungen, die allerdings in der Regel nicht speziell auf die Zwischenkriegszeit gerichtet sind. Der erste neuere Versuch eines Überblicks über die Geschichte des revolutionären Syndikalismus ist zwar in einer Buchreihe "Impulse der Forschung" erschienen, (299) nimmt jedoch weder die älteren "Impulse" der breiten internationalen Forschung zum Thema auf, noch vermag er auch nur ansatzweise neue Forschungsorientierungen zu geben. (300) In der Absicht der "wissenschaftlichen Wiedergutmachung an einem vernachlässigten Gegenstand" will der Verfasser - im übrigen Autor einer verdienstvollen Biographie über Robert Michels (301) - eine "erste deutschsprachige Untersuchung des revolutionären Syndikalismus im übergreifenden Problemzusammenhang" vorlegen. (302) Man erfährt in einem umfangreicheren Kapitel allbekannte Daten über die Geschichte des revolutionären Syndikalismus und der CGT im Frankreich der Vorkriegszeit. Als Zusammenfassung des Kenntnisstandes und als theoretisch-konzeptueller Klärungsversuch ist dieses Kapitel ebenso unbrauchbar wie die fünf (!) Seiten über den "Italo-Sozialismus" der Vorkriegszeit. In beiden Fällen wird die internationale historische Forschung ignoriert und die konzeptuelle Klärung bleibt bei einer [fehlerhaften (303)] Paraphrasierung des Selbstverständnisses des revolutionären Syndikalismus französischer Prägung stehen. Über die Bewegungen der Zwischenkriegszeit teilt der Verfasser seine Kenntnisse auf 8 1/2 Seiten mit. Dort ist zu erfahren, daß es auch eine FAUD und eine IAA gegeben hat, der sich die CNT anschloß. Die wenigen konkreten Informationen über die FAUD(AS) sind zum Teil wörtlich der Sekundärliteratur entnommen, ohne als Zitate kenntlich gemacht zu werden und ohne die benutzte Literatur auch nur in einer Fußnote zu nennen. (304)
Glücklicherweise sind die neueren Versuche einer vergleichenden Analyse des deutschen Anarchosyndikalismus über diese Arbeit, in der offenbar ein für marginal angesehenes Thema mit marginalem Interesse abgehandelt wurde, hinweggeschritten. Ein sachkundiger Beitrag zum Thema liegt neuerdings mit einem Forschungsbericht über den Syndikalismus in Frankreich, England und Deutschland vor, der vom Umfang her mit der vorab dargestellten Schrift vergleichbar, vom Inhalt her aber ungleich gewichtiger ist. (305) Der Verfasser, ein ausgewiesener Kenner der französischen Gewerkschaftsbewegung, (306) beobachtet für alle drei Länder seit den sechziger Jahren ein rapide wachsendes Interesse an den jeweiligen revolutionär-syndikalistischen Bewegungen, das in methodologischer Hinsicht mit der verstärkten sozialgeschichtlichen Orientierung der Geschichtsschreibung zur Arbeiterbewegung korreliert. Er deckt die gängigsten Vorurteile zum (Anarcho-)Syndikalismus auf, die darin bestehen, daß diese Bewegung ein überwiegend romanisches und durch ökonomische Rückständigkeit bedingtes Phänomen sei; und er weist auf die vorherrschende ideengeschichtliche Orientierung der älteren Forschungsansätze hin. Als Ziel einer komparatistischen Analyse des Syndikalismus sieht Peter Schöttler die Erarbeitung einer "sozialhistorisch fundierten Typologie" (307) an, die um so notwendiger werde, je stärker die einzelnen länderspezifischen Forschungen die jeweils sehr besondere Eigenart der revolutionär-syndikalistischen bzw. anarchosyndikalistischen Bewegungen aufzeigten. In der umfassenden und kenntnisreichen Rezension der internationalen Literatur zum französischen Syndikalismus, dem "Prototyp" der vergleichbaren Bewegungen, kommt er zu dem Fazit, daß "der revolutionäre Syndikalismus - trotz seiner zahlenmäßigen Schwäche - eine relevante und durch die gesellschaftlichen Bedingungen geprägte bzw. diese in seinen inneren Widersprüchen ausdrückende Bewegung" darstelle. (308) Für nicht zufriedenstellend geklärt hält er u.a. die Frage nach seinen sozialen Trägerschichten. Hinsichtlich der revolutionärsyndikalistischen Tendenzen in England, die, ähnlich wie die in Deutschland, weit weniger bekannt sind, ergibt die Durchsicht der ebenfalls imponierend reichhaltigen Literatur seit den sechziger Jahren im Vergleich zu Frankreich u.a.: "... eine stärkere Betonung der Führer/ Basis-Problematik angesichts von konkreten Erfahrungen mit einer mächtigen Gewerkschaftsbürokratie; eine intensive Auseinandersetzung mit Problemen staatlicher Streikschlichtung und Sozialpolitik; ein[en] weniger explizite[n] Apolitismus; und schließlich eine strategisch andere Akzentuierung, indem die klassische Generalstreik-Losung mit der Forderung nach Arbeiterkontrolle eine konkrete Perspektive erhält, die sich bereits punktuell vorwegnehmen läßt." (309)
In dem nicht minder umsichtigen Überblick über die syndikalistischen Tendenzen in der deutschen Arbeiterbewegung charakterisiert Schöttler dieses Beispiel durch ein "Primat anarchistisch-kultureller Propaganda gegenüber unmittelbarer gewerkschaftlicher Aktion". (310) Diese Charakterisierung wird der Komplexität des deutschen Anarchosyndikalismus nicht gerecht und trifft z.B. weder für die FAU-Gelsenkirchener Richtung noch für die FAUD(AS) ab Mitte der zwanziger Jahre und auch nicht für die IAA-Politik der deutschen Anarchosyndikalisten zu. (311) Gleichwohl deutet dieser Ansatz einer vergleichenden Kennzeichnung der FAUD(AS) zutreffend auf das Landauersche Erbe in der deutschen Bewegung hin, auf die Auffassung vom Sozialismus als vorrangiger Kulturfrage. Ein vom Autor nicht durchgeführter Vergleich mit dem englischen Beispiel könnte interessante gemeinsame Merkmale zu Tage fördern, die durch die antibürokratische Stoßrichtung beider Syndikalismen als Abwehrreaktion gegen organisatorisch stark verfestigte Gewerkschaftsverbände bedingt waren und wohl eher ein Spezifikum der nordeuropäischen Bewegungen darstellen. Als revidierte sozialhistorische Typologie schlägt der Autor folgende generalisierenden Merkmale des Syndikalismus vor: Im Syndikalismus artikuliere sich eine "Arbeiterklasse des Übergangs" (Julliard), die Protest anmelde gegen den kapitalistisch-industriellen Wandel und gegen die Unternehmer- Willkür. "Die traditionellen politischen und gewerkschaftlichen Strukturen scheinen dazu um so weniger in der Lage, als sie in ihren Hierarchien und Kampfformen die herrschenden Verhältnisse imitierten oder allenfalls seitenverkehrt widerspiegelten, während die syndikalistische Bewegung - sowohl spontan wie bewußt - dezentrale, basisdemokratische Organisationsformen suchte und "direkte Aktionen" den institutionalisierten Verhandlungskämpfen vorzog." (312)
Diese politisch-soziologische Definition des Syndikalismus als gesellschaftliches Protestphänomen trifft wohl generell, in hohem Maße aber auf die Geschichte des Anarchosyndikalismus und seiner Vorläufer in Deutschland zu. Die in diesem Deutungszusammenhang getroffene Feststellung, daß der Syndikalismus gerade kraft seiner fundamentalen Verweigerung gegenüber den dominanten Ideologie- und Interaktionsformen zu einer "Projektionsfläche" von durchaus unterschiedlichen theoretischen Einwirkungen, sowohl anarchistischer als auch marxistischer Art, habe werden können, wird durch die ideologischen Kontinuitätsbrüche der Bewegung in Deutschland - insbesondere im Übergang vom Lokalismus zum Anarchosyndikalismus - geradezu beispielhaft belegt.
Die in den Überlegungen von Peter Schöttler enthaltenen generalisierenden Beobachtungen zur historisch argumentierenden politischen Soziologie des Syndikalismus werden in einer noch stärker abstrahierenden Weise in zwei weiteren neueren komparatistischen Beiträgen vorgetragen. Larry Peterson hat, ausgehend von der Basis seiner Kenntnisse des deutschen Unionismus, den Versuch unternommen, den "industrial unionism" als übergreifende Erneuerungsbewegung in der westeuropäischen und nordamerikanischen Arbeiterbewegung im ersten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts zu interpretieren. (313) Er bezieht sich in seiner modellhaften komparatistischen Analyse auf die Beispiele der CGT in Frankreich, des "labour unrest" in Großbritannien, der Arbeiter-Unionen in Deutschland, der IWW in den USA und der IWW bzw. One Big Union (OBU) in Kanada. Der Verfasser beabsichtigt, sich auf die Aspekte der ökonomischen Aktion und Organisation dieser Bewegungen, weniger auf ihre ideologischen Konturen - die er für sekundär und auswechselbar hält - zu konzentrieren. Gemeinsame Bedingungsfaktoren für die seit der Jahrhundertwende etwa gleichzeitig auftretenden Bewegungen des revolutionären "industrial unionism" sieht er in der Konzentration und Zentralisierung des Kapitals, in der Infragestellung der Facharbeitergewerkschaften durch die Massen der ungelernten Kräfte im veränderten Produktionsprozeß und im Beginn der sozialstaatlichen Integration der Gewerkschaften in die bestehenden politischen Strukturen. Peterson meint, im "industrial unionism" ein eigenständiges Phänomen sehen zu können, unter das der revolutionäre Syndikalismus in Frankreich subsumierbar sei. Es sei charakterisiert durch die Ergänzung der herkömmlichen Kampfformen der Arbeiterbewegung um die Taktik der direkten ökonomischen Aktion als Mittel zur Beseitigung der kapitalistischen Industrie und des bürgerlichen Staates sowie durch die Vorstellung, daß die revolutionären Gewerkschaften die Aufgabe hätten, die kapitalistische Produktionsweise umzuwälzen und die sozialistische Industrie neu aufzubauen. Diese gemeinsamen Bedingungsfaktoren und Merkmale des "industrial unionism" dienen in der Studie als Grundlage des Vergleichs, d.h. der Diskussion der Analogien und Unterschiede der revolutionären Gewerkschaftsbewegungen in den fünf Ländern. Es ist zweifellos faszinierend und auch heuristisch sinnvoll, von einem erst einmal abstrakt gefaßten konzeptuellen Rahmen auszugehen, um historische Beispiele vergleichend in Beziehung zu setzen. So gelingt es in der Studie von Peterson auch, gewisse Gleichzeitigkeiten und analoge Verursachungszusammenhänge zu verdeutlichen und die an eine spezifische sozioökonomische Periode gebundene Eigenart der revolutionären Gewerkschaftsbewegungen diskutierbar zu machen. Aber die Grenzen dieses methodischen Verfahrens werden deutlich, wenn der konzeptuelle Rahmen zur Schablone wird und die historischen Fallbeispiele nur noch in entsprechend reduzierter Form in die Argumentation Eingang finden. Das ist neben einigen offensichtlichen Mißverständnissen (314) die Schwäche der komparatistischen Untersuchung Petersons, zumindest was das deutsche Fallbeispiel betrifft. Er nimmt - was schon in seiner Ph.D.-Dissertation (315) erkennbar ist - die Bewegung der Arbeiter-Unionen im Deutschland nach 1918 nahezu ausschließlich in der Ausformung der FAU-Gelsenkirchener Richtung und der aus ihr entstandenen Union der Hand- und Kopfarbeiter zur Kenntnis und erklärt die anarchosyndikalistische Hauptströmung in der Bewegung der revolutionären Gewerkschaften kurzum zur quantité négligeable. (316) Aufgrund dieser Umkehrung der relativen Bedeutung der verschiedenen Tendenzen in den revolutionären Nachkriegsgewerkschaften in Deutschland, die ebenso unhaltbar ist wie die einseitige Thematisierung der anarchosyndikalistischen und die Ausblendung der unionistischen Organisationen in der einschlägigen neueren Literatur in der Bundesrepublik, ist der Erkenntnisgewinn der Studie für die genauere Situierung der Arbeiter-Unionen im internationalen Kontext begrenzt.
Eine gewisse Skepsis gegenüber dieser allzu schematischen Darstellung und ein höheres Bewußtsein für die noch konstatierbaren Lücken des historischen Kenntnisstandes zum revolutionären Syndikalismus und Unionismus in den verschiedenen Ländern signalisiert eine kleinere Studie des niederländischen Historikers Marcel van der Linden. (317) Er hält am Begriff des Syndikalismus fest und sieht diesen definiert durch "Streben nach direkt-demokratischer Beschlußfassung", "Streben nach direkten - im Gegensatz zu längerfristig geplanten und "bürokratisch" geleiteten Aktionen", "Ablehnung hochentwickelter Gewerkschaftsapparate", "Ablehnung großer Streikkassen und gleichzeitige Befürwortung der unmittelbaren Solidarität bei Arbeitskämpfen" und schließlich durch "Ablehnung einer auf Beeinflussung des Staatsapparates gerichteten Politik". (318) Als Hypothese für die etwa gleichzeitig in mehreren Ländern nach der Jahrhundertwende entstehenden revolutionär-syndikalistischen Bewegungen hält er für erwägenswert den Vorgang der tendenziellen Dequalifizierung der Arbeiter in technologisch fortgeschrittenen Unternehmen und den antibürokratischen Reflex in der Arbeiterbewegung, "ein "Zurück zur Basis", nachdem in den Gewerkschaften und Politgruppierungen zwischen Endziel und Alltag, zwischen Mitgliederbasis und Bewegungsapparat eine Kluft entstanden war". (319)
Auch van der Linden diskutiert den an eine besondere historische Epoche (etwa das erste Drittel des 20. Jahrhunderts) gebundenen Charakter des revolutionären Syndikalismus und er unterscheidet in vergleichender Sicht drei Arten und Weisen, wie diese Bewegung schließlich reagierte auf den Aufstieg des "Wohlfahrtsstaates", der die Lebenslage der Arbeiter wesentlich verbesserte und für kompromißlose Bewegungen nur Platz am gesellschaftlichen Rande gelassen habe: Beim Festhalten an den Prinzipien des revolutionären Syndikalismus sei die Marginalisierung der Bewegung eingetreten; bei der Anpassung an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse habe die jeweilige Bewegung ihre revolutionäre Strategie aufgeben müssen; bei der Ablehnung beider Entwicklungsalternativen habe sich die Bewegung in ihrer organisierten Form auflösen müssen. (320) Der Klärung der soziologischen Komponenten, der konstitutiven Merkmale, der Organisations- und Aktionsgeschichte der revolutionär-syndikalistischen und unionistischen Bewegungen in 12 Ländern dienen und damit die Voraussetzungen der vergleichenden Analyse des Gesamtphänomens verbessern soll eine erste internationale Synopse, die demnächst als Buch vorliegen wird. (321)
8. Wiedergründungs- und Wiederaneignungsversuche nach dem Zweiten Weltkrieg: Zum Erbe des deutschen Anarchosyndikalismus
Von den drei Reaktionsmöglichkeiten des revolutionären Syndikalismus auf die Entwicklung zum modernen Sozialstaat hin, die van der Linden generell feststellt, trifft für den deutschen Anarchosyndikalismus seit der Stabilisierungsperiode der Weimarer Republik die erste, die der Marginalisierung, zu. Allerdings hatte die besondere intensive Sozialisationswirkung der Bewegung auf ihre Mitglieder zur Folge, daß auch nach der Verfolgung durch den Nationalsozialismus und nach der Enttäuschung der in die soziale Revolution in Spanien gesetzten Hoffnungen die überlebenden Anarchosyndikalisten und anderen antiautoritären Sozialisten in den Nachkriegsjahren wieder Verbindungen knüpften und einen neuen Kommunikations- und Organisationszusammenhalt herzustellen versuchten. Diese Wiedergründungsversuche scheiterten bis Mitte der fünfziger Jahre. Die Reaktualisierung von Themen der anarchosyndikalistischen und unionistischen, der links- und rätekommunistischen Bewegungen kam in überwiegend theoretischen Bezügen durch die antiautoritäre Studentenbewegung der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zustande, ohne Zutun der antiautoritären Veteranen und allenfalls über linkssozialistische Kreise innerhalb und außerhalb der SPD vermittelt. Der umfassendere Versuch der Wiederaneignung der anarchosyndikalistischen und anderen antiautoritären Traditionen folgte dann gegen Mitte der siebziger Jahre gleichzeitig und in einem zu präzisierenden kausalen Zusammenhang mit den Neuen Sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland. Diese drei recht unterschiedlich motivierten Anläufe, eine verschüttete Tradition der deutschen Arbeiterbewegung wieder freizulegen und an sie anzuknüpfen, sind bislang erst ansatzweise dokumentarisch und analytisch bearbeitet worden. Der Anspruch, hier alle wissenschaftlich-publizistischen Arbeiten zu überblicken, ist aus der zeitgenössischen Beobachter-Perspektive schwierig zu verwirklichen.
Die bislang wichtigste Arbeit der historischen Spurensicherung zu den Neugruppierungsansätzen des ersten Nachkriegsjahrzehnts hat der politische Publizist Günter Bartsch geleistet. (322) Er trug Anfang der siebziger Jahre mit Hilfe der noch lebenden Initiatoren anarchosyndikalistischer und anarchistischer Kommunikationskreise der Nachkriegsjahre die Dokumente ihrer Diskussionen zusammen und veröffentlichte sie mit seinen Kommentaren und historischen Erläuterungen. (323) Das ausgebreitete Material zeigt hinsichtlich der Tradition des Anarchosyndikalismus, der in diesen Diskussionen die wichtigsten Anstöße gab, zugleich die Dauerhaftigkeit der ideologischen Konfliktlinien im antiautoritären Lager und die Wandlungsfähigkeit anarchosyndikalistischen Denkens bei gleichzeitig ungebrochener Meinungsführerschaft durch seine in verschiedene Länder und Kontinente vertriebenen Autoren. Die Bestrebungen, in Deutschland während der ersten Nachkriegsjahre die Anarchosyndikalisten und Anarchisten, die den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg überlebt hatten, miteinander in Verbindung zu bringen und gemeinsam handlungsfähig zu machen, blieben wie in der späten Weimarer Republik ohne dauerhaften Erfolg. Bartsch belegt dergleichen Bemühungen in Hamburg, Darmstadt, Mülheim/Ruhr, Zwickau und Berlin. (324) Sie führten zu Pfingsten 1947 zwar zur Gründung einer für alle Besatzungszonen gedachten, anarchosyndikalistisch geprägten "Föderation Freiheitlicher Sozialisten" (FFS), vermochten jedoch in keiner Weise, die stark überalterten Kräfte des antiautoritären Lagers zu sammeln, und noch weniger, die Spannungen zwischen Anarchismus und Anarchosyndikalismus bzw. zwischen deren Protagonisten aufzuheben. Es ist frappierend zu sehen, daß persönlich-ideologische Kontroversen, die vor dem Ersten Weltkrieg oder in der Zwischenkriegszeit begonnen hatten, nun kaum verändert fortgesetzt wurden. Beispielsweise wurde Carl Langer (1881-1958), einer der anarchistischen Inspiratoren der anarchistischen Opposition in der FAUD(AS) des Ruhrgebiets der frühen zwanziger Jahre, nun abermals aktiv und artikulierte den Widerspruch gegen die Nachkriegsentwicklung der in der FFS versammelten Anarchosyndikalisten. (325) Ebenso Rudolf Oestreich, der noch einmal seit Anfang 1949 in Berlin ein kurzlebiges Blatt mit dem Namen des FKAD-Organs "Der Freie Arbeiter" herausgab. (326) Eine neue Generation von anarchistischen Kritikern der ehemaligen Anarchosyndikalisten und nunmehrigen Freiheitlichen Sozialisten der FFS meldete sich zu Worte mit dem von London aus in die deutsche Diskussion intervenierenden John Olday, dessen Pseudonym nicht aufgehoben wurde. (327) Diese und andere anarchistische Wortführer und Debattierzirkel, deren ganzes Spektrum von den Bakunin-Adepten bis zu den "anarcho-liberalen" Freiwirtschaftlern in der Nachfolge Silvio Gesells Bartsch dokumentiert, erreichten allerdings nicht die Resonanz in den Kreisen der antiautoritären Sozialisten in Deutschland wie sie die bekanntesten Theoretiker und die jüngeren Militanten der zweiten Generation der Anarchosyndikalisten der Zwischenkriegszeit erzielen konnten.
Die im Sommer 1947 in Darmstadt gegründete FFS wurde allem Anschein nach getragen von ehemaligen Militanten der SAJD und der FAUD(AS). (328) Sie stand theoretisch ganz unter dem Einfluß von Rudolf Rocker und Helmut Rüdiger, die - der eine von Crompond in der Nähe von New York, der andere von Solna/Schweden aus - mit Rat und Tat halfen bei den Erneuerungsansätzen des organisierten Anarchosyndikalismus in den deutschen Besatzungszonen. Die FFS brachte mit der 1949 bis 1953 erscheinenden Zeitschrift "Die Freie Gesellschaft", einem Verlag gleichen Namens und der wiedergegründeten Gilde Freiheitlicher Bücherfreunde (329) die vergleichsweise attraktivste und meistbeachtete Kommunikationsplattform des Nachkriegsanarchismus zustande. Der Name der FFS, in dem ja der Bezug zum Anarchosyndikalismus nicht erkennbar war, bedeutet nicht nur eine Tarnungsmaßnahme im besetzten Deutschland, sondern er deutete eine theoretische und strategische Umorientierung der ehemaligen FAUD(AS)-Mitglieder an. Günter Bartsch dokumentiert diese Wandlung besonders ausführlich anhand der Schrift Rudolf Rockers aus dem Jahre 1947 über die Lage in Deutschland und anhand der breiten Debatte, die durch sie ausgelöst wurde. (330)
Viele der früheren FAUD(AS)-Mitglieder waren ab 1945 der SPD oder der KPD bzw. SED beigetreten. (331) Das hielt Rocker für einen Irrweg, da über die Parteipolitik das Ziel des freiheitlichen Sozialismus nicht zu erreichen sei. Zugleich war er sich mit den FAUD(AS)-Veteranen in Deutschland einig, daß jegliche oppositionell-gewerkschaftliche Voraussetzung für die Neukonstituierung einer anarchosyndikalistischen Organisation fehlte. Er sah nunmehr die Möglichkeiten politischer Kommunikation und Organisation eher in der Form von Zusammenschlüssen nach dem Vorbild von Landauers Bund der Sozialisten oder der Fabian Society. Organisationen, die im Nachkriegs-Deutschland zu aktiven Minderheiten werden konnten und sollten im Handlungsbereich der Gemeinden, der Gewerkschaften und der Genossenschaften. Theoretisch neigte Rocker in den vierziger und fünfziger Jahren dazu, in enger Abstimmung mit Helmut Rüdiger für die Konzeption des "freiheitlichen Sozialismus" mit der Theorie des Föderalismus ein neues zentrales Ordnungsprinzip auszuarbeiten; ideengeschichtlich rekurrierten sie dabei unter den deutschen Vorläufern über Gustav Landauer auf Konstantin Frantz, den liberal demokratischen Föderalisten und Kritiker des Bismarckreichs. (332)
Politisch wurde die Stellung Rockers, Rüdigers, Souchys (333) und ihrer Freunde in Deutschland weitgehend bestimmt durch die Konstellation des Kalten Krieges. (334) Ihr antitotalitärer Konsens bewog sie, nach der Niederwerfung des Faschismus in Europa die größte Gefahr für Freiheit und Frieden in der Sowjetunion zu sehen. Rocker hatte bereits 1946 im Nachwort zur 2. Auflage der amerikanischen Ausgabe von "Nationalism and Culture" geschrieben, die UdSSR überbiete die anderen Mächte mit ihren imperialistischen Tendenzen. (335) Verschärft wurde die Kritik am Sowjetkommunismus durch eine Verhaftungswelle anarchosyndikalistischer und libertär-sozialistischer Militanter 1948/49 in der Sowjetischen Besatzungszone, über die Bartsch berichtet, (336) und durch Rockers Broschüre über das Schicksal der Ehefrau seines verstorbenen Freundes Erich Mühsam in der Sowjetunion der dreißiger Jahre. (337) Es wäre die Mühe wert, anhand einer Inhaltsanalyse der FFS-Organe "Internationale" und "Die Freie Gesellschaft" die Föderalismus-Diskussion, die Bartsch für "das wichtigste geistige Ereignis im alten deutschen Nachkriegsanarchismus der fünfziger Jahre" (338) hält, und die Positionsbestimmung der ehemaligen Anarchosyndikalisten im Kalten Krieg genauer zu rekonstruieren und zu diskutieren im Zusammenhang mit der Tendenz zum "ethischen" und "freiheitlichen" Sozialismus, wie sie besonders in Willi Eichlers Zeitschrift "Geist und Tat" vertreten wurde. (339)
Rocker, Rüdiger und Souchy hatten sich im internationalen Kontext mit dem Vorwurf des "Revisionismus" auseinanderzusetzen. (340) Im Kontext der Bundesrepublik Deutschland der fünfziger Jahre blieb schließlich auch ihr Anpassungsversuch libertär-sozialistischen Denkens an die neuen Gegebenheiten ohne dauerhafte Resonanz. Die in der Bundesrepublik der fünfziger und sechziger Jahre nachwachsenden politischen Jugendgenerationen wurden durch die radikal föderalistisch begründete Theorie und die Strategie der Arbeit in den Gemeinden, Gewerkschaften und Genossenschaften, die die Veteranen der anarchosyndikalistischen Bewegung vorschlugen, nicht mehr erreicht. Die Schwierigkeiten, die die überwiegend hochbetagten Altanarchisten und die gegen Ende der sechziger Jahre aus der Studentenrevolte hervortretenden jungen Antiautoritären miteinander hatten, illustriert Günter Bartsch in Band 2 und 3 seiner Anarchismus-Dokumentation für die Periode 1965 bis 1973. (341) Das spezifische anarchosyndikalistische Erbe, auch in seiner "revisionistischen" Fassung der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre, wurde immer schwächer wahrnehmbar. Es war am ehesten noch lebendig in der 1969 auf Initiative von Otto Reimers (1902-1984) neu gegründeten Zeitschrift "Neues Beginnen", die ab 1971 als "Zeitgeist" fortgesetzt und von den Altanarchisten (u.a. Augustin Souchy) inhaltlich gestaltet wurde. (342)
Das langlebigste Periodikum des Nachkriegsanarchismus, die ab 1948 in Mülheim/Ruhr von dem Schlosser Willy Huppertz (1904-1978) (343) herausgegebene "Befreiung", geriet hingegen ab 1968 unter den zunehmenden Einfluß und schließlich ganz in die Regie studentischer Antiautoritärer, (344) ohne daß damit die Gegensätze zwischen den Alt- und den Neoanarchisten beigelegt worden wären. Diese Gegensätze waren - wie Bartsch breit dokumentiert (345) - auf einem bundesweiten Pfingsttreffen 1970 in Hamburg hart aufeinandergestoßen. Es waren nicht nur die Zugehörigkeit zu verschiedenen Altersgruppen und die damit verbundenen politischen Erfahrungen und Wertorientierungen, die diese Gegensätze hervorbrachten, sondern es waren vor allem höchst unterschiedliche soziale Gruppen mit entsprechend divergenten Motiven und Interessen an der Tradition des Anarchismus und Anarchosyndikalismus, die einander konfrontierten. Wenngleich die soziologischen und die motiv- und inhaltsanalytischen Informationen zur antiautoritären Studentenbewegung noch sehr unzureichend sind, (346) kann man die Ursachen der gegensätzlichen Motive und Interessen doch zumindest ansatzweise zu benennen versuchen. Nach Daten, die 1972 von einem Koordinationsbüro anarchistisch-rätekommunistischer Gruppen erhoben wurden, waren 28% der seinerzeit in diesen Gruppen Tätigen Schüler, 24% waren Studenten, 22% Lehrlinge, 19% Arbeiter und 7% Angestellte und Freiberufliche. (347) Diese also von Jugendlichen und von Absolventen höherer Bildungseinrichtungen bestimmten Mittelschichtengruppen verfügten über Bildungsmöglichkeiten, die die allermeisten Altanarchisten aus den Arbeiterberufen sich in beharrlicher autodidaktischer Bemühung hatten aneignen müssen; sie revoltierten gegen die politischen Institutionen, mit denen gerade die "Freiheitlichen Sozialisten" der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges sich zumindest als mit dem geringeren Übel arrangiert hatten; sie argumentierten theoretisch mit marxistischen Kategorien, die von Anarchisten aller Schattierungen entschieden abgelehnt wurden; sie interessierten sich für die Jugendrevolte der Älteren, die sich damals mit einer breiten Sozialbewegung verbunden hatte, und identifizierten sich mit einer Militanz und Kompromißlosigkeit, die die Älteren praktisch abgelegt hatten. Infolge dieser Unterschiede lehnten die Altanarchisten nicht nur überwiegend die Erneuerung ihrer Bewegung unter dem Einfluß der Studentenrevolte ab, sondern auch die jugendlichen Antiautoritären ihrerseits hatten einen höchst selektiven Zugang zu den theoretischen Traditionsbeständen des Anarchismus.
Die bislang umfassendste akademische Arbeit über den Vorgang der "Wiederaneignung" des Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland seit den sechziger Jahren (348) verdeutlicht diese besondere Form der Anarchismusrezeption. Gemäß dieser Untersuchung war in der Theorie der Antiautoritären der Anarchismus nur eine unter mehreren Quellen und historischen Bezugspunkten, und es war im wesentlichen nur die Taktik der direkten Aktion, die unmittelbar assimilierbar erschien. Als theoriegeschichtlich wichtigere historische Bezugspunkte der Antiautoritären konstatiert der Verfasser der "Wiederaneignungs"-Studie die philosophische westeuropäische Opposition in der frühen Dritten Internationale (Georg Lukacs und Karl Korsch) und die Theorie der revolutionären Organisation, wie sie von der Holländischen Marxistischen Schule (Anton Pannekoek, Herman Gorter u.a.) vertreten wurde. In der Tat wurde von den Wortführern der antiautoritären Studentenbewegung eher die links- bzw. rätekommunistische Theorietradition (349) rehabilitiert als generell der Anarchismus. Eine Sichtung der Neudrucke historischer Texte beider Traditionen der Arbeiterbewegung bis Mitte der siebziger Jahre zeigt deutliche Anhaltspunkte für das Überwiegen der marxistisch-rätekommunistischen Präferenzen in der Studentenbewegung. (350) Der Verfasser der Monographie zur Rezeptionsgeschichte des Anarchismus in der Bundesrepublik kommt zu dem Schluß, daß bis in die frühen siebziger Jahre eine sehr begrenzte Übernahme authentischen anarchistischen Denkens erfolgt sei: "Was vom Anarchismus eingeht in die antiautoritäre Theoriebildung, bleibt beschränkt auf das Wiederentdecken der "direkten Aktion" als Modalität sozialrevolutionärer Praxis und die Befürwortung spontaneistischer Massenaktionen als treibendes Moment sozialer Bewegung". (351)
Eine umfassendere Übernahme anarchistischer Theorie setzte dann erst in der Bundesrepublik im Verlauf der Fraktionierung der Studentenbewegung in den frühen siebziger Jahren ein, im Widerspruch zur Entstehung neuer rigider Kaderparteien (352) und in Verbindung mit der Alternativbewegung und den anderen Neuen Sozialen Bewegungen gegen Mitte der siebziger Jahre.
Die seitdem in Wechselwirkung mit den Neuen Sozialen Bewegungen neu etablierten anarchistischen Kommunikations- und Organisationsstrukturen, die einen sehr viel unmittelbareren und stärker identifikatorischen Bezug zur historischen Tradition des Anarchosyndikalismus aufweisen als die Antiautoritären der späten sechziger Jahre, sind insgesamt bislang wissenschaftlich nur wenig erforscht. Das gilt für das generelle Verhältnis der Neuen Sozialen Bewegungen zum Anarchismus; das gilt aber ebenso für die konkreten Strukturen des Neoanarchismus der letzten fünfzehn Jahre und seine Rezeption des Anarchosyndikalismus. Es ist behauptet worden, daß der Anarchismus "für einen nicht unbedeutenden Teil der nachsechziger Linken, insbesondere für die Alternativ- und Gegenkulturbewegung und [die] ihr integrierten Ökologie-, Anti-AKW-, Frauen- und Hausbesetzerbewegung einen Ausweg anzubieten schien aus der so offensichtlichen "Krise des Marxismus"". Der Einfluß des Anarchismus auf die in den Neuen Sozialen Bewegungen seit Mitte der siebziger Jahre ablaufenden politischen Bewußtseinsprozesse dürfe nicht unterschätzt werden, bilde er doch "gewissermaßen das integrierende theoretische Moment der divergierenden Strömungen, zusammengehalten und reflektiert von einer separaten neo-anarchistischen Bewegung". (353)
Diese Hypothese vom Anarchismus als einer Art neuer Integrationsideologie der Neuen Sozialen Bewegungen nach dem Verbindlichkeitsverlust des marxistischen Paradigmas in den siebziger Jahren wird auch von den Wortführern der neoanarchistischen Bewegung vertreten. Einer von ihnen, der sich sonst eher skeptisch über die allgemeine Praxisverankerung des Neoanarchismus äußert, befindet, daß in der "Beteiligung an breiten Bewegungen (Öko-Bewegung, Frauenbewegung, Anti-AKW, Antimilitarismus, Erziehung, Lokaldemokratie, Kunst und Kultur, Alternativökonomie, Friedensbewegung usw.)" die "Isolation der Bewegung sicherlich am weitesten durchbrochen" sei. (354) Sie könne dort als Katalysator wirken und Langzeitwirkung haben. Für eine Überprüfung dieser Hypothese von der katalysatorischen Wirkung der Präsenz anarchistischer Minderheiten in den Neuen Sozialen Bewegungen fehlen bislang fast alle Voraussetzungen (Quellensicherung und Quellenauswertung). Die einschlägige Literatur zu den Neuen Sozialen Bewegungen bewegt sich auf einer rein kategorialen Ebene. (355) Auf dieser Ebene kann man allenfalls eine relativ breite Disposition und wahrscheinliche Affinität der in diesen Bewegungen dominanten Wertvorstellungen zu den Standardthemen der anarchistischen Theorietradition feststellen: Die Neuen Sozialen Bewegungen sind nach Joachim Raschke definiert durch die Abwesenheit einer geschlossenen Ideologie, durch thematische Vielfalt, einen geringen Grad von organisatorischer Verfestigung, Bürokratisierung, Zentralisierung und Führungsorientierung, hohe Variabilität der Aktionsformen mit der Bevorzugung der direkten Aktion und durch eine Vielzahl autonomer, aber miteinander kommunizierender Teilbewegungen. (356) Sie verwerfen (gemäß einem anderen Definitionsansatz) das Avantgarde- und Stellvertretungsprinzip in der staatlichen wie in der gesellschaftlichen Organisation, orientieren sich am Ziel der Selbstorganisation und Dezentralität und sie bevorzugen "die Norm der konkurrenz- und hierarchiefreien Solidargemeinschaft, das Modell der genossenschaftlichen Selbsthilfe, der kleinen sozialen Netze, der verschiedenen Formen kommunitären Lebens". (357)
Eine solche Verhaltensdisposition und Wertorientierung kann zum sympathiegeleiteten Interesse am anarchistischen Diskurs führen (und damit die Hochkonjunktur anarchistischer Literatur erklären); aber diese Merkmale der Neuen Sozialen Bewegungen sind weder zwangsläufig günstige Voraussetzungen für Rekrutierungserfolge der neoanarchistischen Bewegung, noch sind sie etwa als Auswirkung neoanarchistischer Beeinflussung zu interpretieren. Alle gegenwärtig verfügbaren Informationen über diese neoanarchistische Bewegung in der Bundesrepublik sprechen gegen beide Annahmen. (358) Die Versuche in den frühen siebziger Jahren, zumindest eine bundesweit arbeitsfähige Koordinationsstelle zu schaffen, scheiterten und blieben ohne Folgen. (359)
Die frühesten lokalen Ansätze für die Formierung neoanarchistischer Gruppen bis 1973 beschreibt Bartsch an Beispielen in Berlin, Göttingen, Wilhelmshaven, Wetzlar und Hamburg. Über die chronologischen und sachlichen Grenzen dieser Dokumentation hinaus informieren die Verfasser zweier Dissertationen zur Entwicklung der neoanarchistischen Diskussionen und Presse bis in die achtziger Jahre und beschreiten damit Neuland. Gert Holzapfel, Autor der Arbeit über den theoretischen Diskurs des Neoanarchismus in den siebziger Jahren, widmet rund die Hälfte seiner Studie dem Versuch, die Umrisse einer selbständigen Positionsbestimmung dieser Bewegung zu ermitteln und nachzuzeichnen. (360) Er findet heraus, daß man seit etwa Mitte der siebziger Jahre von einer solchen neoanarchistischen Bewegung reden kann, nachdem ein Teil der sich auflösenden antiautoritären Studentenbewegung begann, sich gegen die marxistischen Leitkategorien zu wenden und - unter maßgeblichem Einfluß der Theorie Murray Bookchins - sich gleichermaßen gegen bürgerliche und sozialistische Theorietraditionen abgrenzte. Die Auswertung der neoanarchistischen Presse der siebziger Jahre ergibt dann, daß sich das neoanarchistische Selbstbewußtsein im Wesentlichen durch die Negation einer teleologischen und am Fortschrittsbegriff orientierten Geschichtsphilosophie und durch die Verurteilung der politischen Partei als Form der politischen Interessenartikulation bestimmt. Im neoanarchistischen Diskurs gelinge es nicht, die Träger der Sozialrevolutionären Transformation zu ermitteln, er sei gespalten hinsichtlich der Gewaltfrage in der Praxis der direkten Aktion und er favorisiere organisationspraktisch ein "Modell des koordinativen Dezentralismus". Da der Autor der Arbeit nicht nur keine Hinweise auf die Auswahl der zeitgenössischen Quellen gibt, aus denen er diese Erkenntnisse gewonnen hat, sondern auch Art, Umfang und Wege der Rezeption der älteren anarchistischen Theorie unerörtert läßt, bleibt gerade dieser Teil der Arbeit als historiographischer Beitrag enttäuschend.
Was ihr in dieser Hinsicht an Konkretheit fehlt, hat die andere Dissertation über die deutsche anarchistische Presse der Nachkriegszeit im Übermaß. Das heißt, daß in dieser pressegeschichtlichen Arbeit (361) eine detaillierte Auflistung auch noch der kurzlebigsten anarchistischen Periodika, aber wenig Auskunft über ihre sozialgeschichtlichen Entstehungsbedingungen und über die in ihnen transportierten Inhalte gegeben wird. Dennoch ist die Publikation gerechtfertigt und nützlich, weil sie zum einen ein Repertorium von zeitgenössischen Quellen darstellt, zum anderen da sie indirekt eine Geschichte des gegenwärtigen Neoanarchismus enthält. Und zwar deshalb, weil ein großer Teil der neoanarchistischen Bewegung als Initiativgruppen für Presse- und Publikationsprojekte existiert. Die Arbeit enthält ein Periodisierungsschema der Geschichte des deutschen Nachkriegsanarchismus, das plausibel erscheint: Die Jahrzehnte von 1945 bis 1965 werden als eine Einheit gesehen, in der der langsame Niedergang des Altanarchismus im Mittelpunkt steht. Das Jahrzehnt von 1965 bis 1975 wird in seinem studentisch-antiautoritären Aufbruch durch eine Vielfalt neuer und neuartiger Periodika erkennbar. Als besonders aktive neoanarchistische Kommunikationszentren seit Beginn der siebziger Jahre werden dargestellt: Berlin, Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt/M., Wetzlar und Karlsruhe. Für das Jahrzehnt 1965-1975 werden insgesamt 58 überwiegend kurzfristig herausgegebene Periodika mit heterogener anarchistischer Orientierung nachgewiesen und kurz porträtiert. Ab Mitte der siebziger Jahre sieht der Autor den stärksten Impuls für die Entwicklung der anarchistischen Presse in ihrer symbiotischen Verbindung mit den Neuen Sozialen Bewegungen: "Die anarchistische Presse spiegelte die zeitweilige Annäherung, mitunter die Kooperation von Alternativbewegung und anarchistischer Bewegung wider. Ökologie und Antimilitarismus gerieten zu Schwerpunkten anarchistischer Publikationen, der neue Typus einer alternativen Lokalzeitung inspirierte manche anarchistischen Blattmacher formal und inhaltlich." (362)
Für die Zeitspanne 1975-1985 weist die Studie 66 neue Titel in der neoanarchistischen Presselandschaft nach, von denen einige nicht über wenige Nummern hinaus Bestand hatten, andere hingegen im Übergang zu den achtziger Jahren zu vergleichsweise stabilen Plattformen neoanarchistischer Diskussion wurden. In der Münsteraner Publizistik-Dissertation werden übergreifende Trendentwicklungen der letzten 15 Jahre nicht erörtert. Setzt man aber die Porträts der erfolgreichsten neoanarchistischen Periodika dieser Jahre in Bezug zu den informellen Organisationsstrukturen der neoanarchistischen Bewegung, so wird eine Umorientierung erkennbar, die wegführt von der Gewalt einschließenden Auffassung von Direkter Aktion und hinführt zu einer überwiegend gewaltfrei und pragmatisch ausgelegten Anarchismuskonzeption. (363) Diese Umorientierung ist im ursächlichen Zusammenhang zu sehen mit der Symbiose zwischen den Neuen Sozialen Bewegungen und der neoanarchistischen Bewegung und sie begünstigt seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre erstmals eine Wiederbelebung anarchosyndikalistischer Tendenzen und eine Wiederbesinnung auf die anarchosyndikalistischen Traditionen im Neoanarchismus. Der seitdem praktizierte Dialog zwischen den Veteranen des Anarchosyndikalismus, dessen Symbolgestalten bis zu ihrem Tod 1984 vor allem Augustin Souchy (364) und Otto Reimers wurden, und den Vertretern des Neoanarchismus ist zumindest ein Indiz für diese Annäherung. Sie wird auch bestätigt bei einem Blick auf die überlokalen Organisationsstrukturen des Neoanarchismus.
Zuerst und vor allem wurde 1977 seit dem gescheiterten Versuch der "Föderation Freiheitlicher Sozialisten" in den vierziger/fünfziger Jahren zum erstenmal wieder eine neue anarchosyndikalistische Organisationsgründung eingeleitet mit der Konstituierung der "Initiative Freie Arbeiter-Union" (I-FAU) in Hamburg. Die I-FAU spaltete sich erstmals bereits 1980 und nahm dann den Namen Freie Arbeiter-Union/Internationale Arbeiter-Assoziation (FAU-IAA) an, der sie ganz in die historische Kontinuitätslinie des deutschen Anarchosyndikalismus stellen soll. Sie legt in ihrer Selbstdarstellung Wert darauf, nicht die Fortführung der FFS zu sein, denn die Gründung der FAU sei von "jungen Anarcho-Syndikalisten aus der 68-er Bewegung initiiert" worden. (365) Ein kritischer Insider stellt fest, die "meisten in den Betrieben arbeitenden deutschen Anarchisten [seien] nicht in der FAU organisiert". (366) Die Organisation sei Mitte der achtziger Jahre eine Vereinigung von Ortsgruppen zwischen 3 und 15 Personen, die sich ernsthaft bemühten, die Ideen des Anarchosyndikalismus zu verbreiten und ansatzweise zu praktizieren. Sie steht als Mitglied der IAA, die seit den siebziger Jahren wieder öfters tagte und 1988 ihren 18. Kongreß in Bordeaux abhielt, in Verbindung mit anderen anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsminoritäten. Das FAU-IAA-Organ "Direkte Aktion" erscheint seit 1977 und kommentiert überwiegend die Betriebsarbeit und kritisiert die Arbeit der Industrieverbände des DGB.
Die Arbeit von Jenrich über die Geschichte der anarchistischen Presse weist neben der "Direkten Aktion" weitere anarchosyndikalistische Blätter nach. (367) Der Trend zur verstärkten Hinwendung zum historischen Anarchosyndikalismus seit Mitte der siebziger Jahre wird dort auch verdeutlicht durch die Entwicklung der "Befreiung", die nach der Übernahme durch Repräsentanten der Studentenbewegung von 1968 zwischen 1975 und dem Ende ihres Erscheinens 1978 sich als Organ des Anarchosyndikalismus präsentierte. (368) Obwohl die Verständigung zwischen den Veteranen der Bewegung und den Neoanarchisten jetzt problemloser war, wurde ab 1981 von vormaligen FAUD(AS)- und FFS-Militanten aufs Neue "Die Freie Gesellschaft" lanciert. (369) Ein weiteres locker geknüpftes Kommunikationsnetz pragmatischanarchistischer Gruppen entstand 1983 mit dem "Forum für Libertäre Information" (FLI). In der von diesem Netz getragenen Vierteljahresschrift "Schwarzer Faden" wird seit 1980 nicht nur eine politische Diskussion über die Aktualisierungsmöglichkeiten des Anarchosyndikalismus geführt, sondern es wurden auch historische Artikel über diese Bewegung und Interviews mit Augustin Souchy veröffentlicht. In einem ähnlich informellen Organisationszusammenhalt stehen die überwiegend jugendlichen, pragmatisch-syndikalistisch orientierten Anarchisten des "Projekt A". Einer seiner Initiatoren übt eine Mittlerfunktion zum spanischsprachigen Anarchosyndikalismus (370) aus und widmete in einem seiner Bücher ein szenisch aufgelockertes Kapitel der Geschichte der FAUD(AS) als historisches Beispiel für das "Entstehen einer libertären Kultur". (371)
Ob es sich bei diesen vielfachen Bezügen im Neoanarchismus auf den historischen Anarchosyndikalismus seit Mitte der siebziger Jahre um einen dauerhaften und praktisch bedeutenden Trend handelt, der den ideologischen Einfluß und die organisierte Handlungsfähigkeit der neoanarchistischen Bewegung innerhalb der Neuen Sozialen Bewegungen zu steigern vermag, ist durchaus zweifelhaft. Der Autor einer fundierten sozialwissenschaftlichen Studie zu den Sozialen Bewegungen hat meiner Einsicht nach überzeugend darauf hingewiesen, daß die Wandlungsresistenz, auf den diese Bewegungen im ökonomischen Bereich stoßen, ungleich größer ist als im politischen und im soziokulturellen System. (372) Da die anarchosyndikalistische Strategie der sozialen Transformation aber direkt und ausschließlich auf den Kampf im ökonomischen System gerichtet ist, sind die Erfolgsaussichten dieser Strategie heute mit Sicherheit noch geringer als in der Weimarer Republik.
Der Anarchosyndikalismus war in der Zwischenkriegszeit in Deutschland nicht als revolutionäre Wirtschaftskampforganisation, sondern als Kulturbewegung und Sozialisationsagentur für seine Militanten wirksam. Die für diese Wirkung unerläßliche Dichte und Dauer der lokalen Kommunikationsnetze, die in der anarchosyndikalistischen Bewegung der Zwischenkriegszeit existierten, sind bislang im Neoanarchismus nicht erkennbar. Der historische Anarchosyndikalismus gewann seine Kohärenz in der Situation der politischen und gesellschaftlichen Isolierung. Der Neoanarchismus steht in einer permanenten personellen und thematischen Austauschbeziehung zu den Neuen Sozialen Bewegungen. Die Vielfalt der personellen Verbindungen zwischen beiden und der thematischen Rückfragen und Anleihen der Neuen Sozialen Bewegungen bei der Theorietradition des Anarchismus macht eine kohärenzfördernde Abschließung des Neoanarchismus ebenso unmöglich wie seine Festlegung auf eine einzige der historischen Versionen dieser Tradition. War die Anarchismusrezeption der antiautoritären Studentenbewegung überwiegend selektiv, so ist die Anarchismusrezeption der Neuen Sozialen Bewegungen wesentlich eklektizistisch.
Fußnoten:
1.) The Anarchist Reader. Ed. by George Woodcock, Trowbridge/Wiltshire 1977, bes. S.47ff.
2.) Siehe dazu Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-1923. Zur Geschichte und Soziologie der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten), der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiter-Partei Deutschlands, Meisenheim/Glan 1969. Erweiterte Neuausgabe in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft für 1990 vorgesehen.
3.) Vgl. zu den Anfängen der konservativen, überwiegend massenpsychologisch-kriminalistisch ausgerichteten und der liberalen, kritisch-systematisierenden Anarchismusforschung: Peter Lösche, Anarchismus, Darmstadt 1977, S. 1-24.
4.) Gabriele Voser, "Anarchismus" - ein Reizwort in der öffentlichen Meinung. Erörtert an Hand der Verwendung der Anarchie-Begriffe in "Spiegel" und "Weltwoche" in den Jahren 1968 und 1975, Frankfurt/M. 1982. Die Arbeit enthält vor dem eigentlichen mediensoziologischen zweiten Teil einen umfangreichen ideen- und organisationsgeschichtlichen Darstellungsversuch des Anarchismus in Europa.
5.) Vgl. dazu als einige von vielen Beispielen: Der Anarchismus. Hrsg. von Erwin Oberländer, Olten 1972, bes. S.58ff; Jan Cattepoel, Der Anarchismus. Gestalten, Geschichte, Probleme, München 1979; April Carter, The political theory of anarchism, London 1971 (deutsch: Berlin 1979); Henri Arvon, L`anarchisme au XXe siècle, Paris 1979; Terry M. Perlin, Contemporary Anarchism, New Brunswick 1979; Alan Ritter, Anarchism. A theo- retical analysis, Cambridge und New York 1980. Zu den akademischen Anarchismusveröffentlichungen bis 1972 siehe Peter Lösche, Probleme der Anarchismusforschung. Kritische Anmerkungen zu einigen Neuerscheinungen, in: IWK, H.19/20 (Dez. 1973), S.125-144. In diesen Zusammenhang gehört auch die Neuveröffentlichung fast aller maßgeblichen Bücher der frühen Anarchismusforschung um die Jahrhundertwende. Z.B. die folgenden ,"Klassiker". E.V. Zenker, Der Anarchismus. Kritische Geschichte der anarchistischen Theorie, Frankfurt/M. 1966; Paul Eltzbacher, Der Anarchismus, Berlin 1977; Hector Zoccoli, Die Anarchie und die Anarchisten, Berlin 1976.
6.) Siehe dazu die bis heute umfassendste Diskussion dieses Themas, die im Dezember 1969 in Turin (ohne deutsche Beteiligung) stattfand: Anarchici e Anarchia nel mondo contemporáneo. Atti del Convegno promosso dalla Fondazione Luigi Einaudi, Torino 1971, 654 S. Vgl. auch Anarchism today. Ed. by David Ernest Apter and James Joll, London 1971.
7.) Vgl. als Ansatz zur Klärung des Verhältnisses von Anarchismus und Terrorismus, allerdings ohne ausreichende historische Präzision: Walter Laqueur, Interpretationen des Terrorismus. Fakten, Fiktionen und politische Wissenschaft, in: Terrorismus. Untersuchungen zur Strategie und Struktur revolutionärer Gewalt. Hrsg. von Manfred Funke, Bonn 1977, S.37-82. Vgl. auch die Beiträge in: Extremismus im demokratischen Rechtsstaat. Ausgewählte Texte und Materialien. Hrsg. von Manfred Funke, Düsseldorf 1978. Dort (S.82ff) als einen der seltenen begründeten Unterscheidungsversuche den Beitrag: Peter Lösche, Terrorismus und Anarchismus. Internationale und historische Aspekte. - Ein frappierendes Beispiel für den ungenauen Umgang mit dem Anarchismusbegriff in der wissenschaftlichen Literatur der Bundesrepublik zum Studentenprotest ist die Schrift von Ronald Grossarth-Maticek, Anfänge anarchistischer Gewaltbereitschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1978. Der Autor, der in einer vorausgehenden Studie zur Studentenrevolte noch ganz ohne den Anarchismusbegriff auskam (siehe Ronald Grossarth-Maticek, Revolution der Gestörten? Motivationsstrukturen, Ideologien und Konflikte bei politisch engagierten Studenten, Heidelberg 1975), konstruierte in dieser Arbeit den Typus des "Extremanarchisten", um die psychosoziale Disposition für terroristisches Handeln zu analysieren. Da der Verfasser den "klassischen Anarchismus" nur als einen unter sieben politisch-ideologischen Einflüssen auf den Typus des "Extremanarchisten" ausmachen kann, ist diese Bezeichnung nur über die Gleichsetzung von Anarchismus und "Gewaltbereitschaft" zu begründen, ein Klischee, das weder politisch-psychologisch noch historisch stichhaltig und sicherlich nicht erkenntnisfördernd ist.
8.) Gert Holzapfel, Vom schönen Traum der Anarchie. Zur Wiederaneignung und Neuformulierung des Anarchismus in der Neuen Linken, Berlin 1984, bes. S.109ff. So auch schon meine Darstelung in: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland. Ein Versuch, Frankfurt/M. 1976, S.253ff.
9.) Dieser Wechselwirkung wird im folgenden in Kap.8 ein eigener Abschnitt gewidmet.
10.) Die Neuerscheinungen zum historischen Intellektuellen-Anarchismus in Deutschland erfordern inzwischen einen eigenen Forschungs- und Literaturbericht. Als wichtiger Beitrag dazu ist die Habilitationsschrift von Walter Fähnders anzusehen: Walter Fähnders, Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910, Stuttgart 1987.
11.) Siehe die Broschüre: Freie Arbeiter-Union/IAA, Anarcho-Syndikalismus in Deutschland. Zur Geschichte der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften (1897-1919) und der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (1919-1939), München 1986.
12.) Auch die orthodox marxistisch-leninistischen Publikationen werden hier nicht berücksichtigt. Bücher wie das von Bruno Frei, Die anarchistische Utopie, Frankfurt/M. 1971, trugen teilweise zur Gleichsetzung von Studentenrevolte, Anarchismus und Terrorismus bei. Dokumentarisch nützlicher und interessanter ist vergleichsweise die Zusammenstellung der Klassikeraussagen des Marxismus-Leninismus und ihr Aktualisierungsversuch in: Karl Marx, Friedrich Engels und W.I. Lenin, Über den Anarchismus. Zusammengestellt und eingeleitet von Hans Adamo, Frankfurt/M. 1976. Der historiographische Ertrag populärer Veröffentlichungen in der DDR wie der folgenden Titel ist sehr gering: Martin Robbe, Verlockung der Gewalt, Berlin [Ost] 1981; Jochen Weichold, Anarchismus heute. Sein Platz im Klassenkampf der Gegenwart, Berlin [Ost] 1980. Bei Weichold findet sich zum deutschen Anarchosyndikalismus die für das historiographische Niveau dieser Schriften aufschlußreiche, ganz abwegige Darstellung (S.30): "Vor allem die von der linkssektiererischen Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) gegründete anarchosyndikalistische Freie Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) hatte einen nicht unbeträchtlichen Einfluß." In spezielleren monographischen Studien (z.B. zu Erich Mühsam, Max Hölz oder den Lokalisten) gibt es seit den achtziger Jahren auch in der DDR-Historiographie zumindest exakt recherchierte Beiträge mit den allerdings stereotypen Bewertungsmustern.
13.) W. Kulemann, Die Berufsvereine, Bd.2, Deutschland 2, Organisation der Arbeitnehmer 2, Jena 1908, S.96-108. Ältere jeweils pro domo geschriebene Skizzen aus lokalistischer und aus zentralverbändlerischer Perspektive sind: Fritz Kater, Die Entwicklung der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Berlin 1921, und: Paul Umbreit, Die gegnerischen Gewerkschaften in Deutschland, Berlin 1907.
14.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus. Genese und Theorie einer vergessenen Bewegung, Berlin 1977, bes. S.33-38.
15.) Obwohl die Verf. beteuert, "das Selbstverständnis der FAUD [nicht] verabsolutieren zu wollen" (S.23), tut sie das hier und andernorts in ihrer Arbeit. Carl Hillmann (Praktische Emanzipationswinke. Ein Wort zur Förderung der Gewerksgenossenschaften, Leipzig 1873) war schon von Rudolf Rocker (vgl. ders., Zwei Pioniere, in: Der Syndikalist, Jg.9 (1927), Nr.25) als Vorläufer des Anarchosyndikalismus in Deutschland in Anspruch genommen worden. Die Verf. nennt nirgendwo diese Darstellung. Sollte sie den Artikel nicht kennen, so hat sie schlecht recherchiert; kennt sie ihn, so ist es unredlich, sich nicht auf ihn zu beziehen. Dieses Detail ist für die Argumentation der Arbeit zentral, da sie durchgehend die Bodenständigkeit und Kontinuität des deutschen Anarchosyndikalismus nachzuweisen sucht; es ist überdies aufschlußreich für die wissenschaftlichen Unzulänglichkeiten der Veröffentlichung, die immerhin an der Universität München als Dissertation angenommen wurde und sich damit an den Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens messen lassen muß.
16.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus, a.a.O., S.37.
17.) Klaus Schönhoven, Expansion und Konzentration. Studien zur Entwicklung der Freien Gewerkschaften im Wil-helminischen Deutschland 1890 bis 1914, Stuttgart 1980, S.11f.
18.) Vgl. a.a.O., S.278ff. Eingehender befaßt sich Klaus Schönhoven mit der Opposition gegen die organisatorische Zentralisierung in seinem Aufsatz: Lokalismus, Berufsorientierung, Industrieverband: Zur Entwicklung der organisatorischen Binnenstrukturen der deutschen Gewerkschaften vor 1914, in: Auf dem Wege zur Massengewerkschaft. Die Entwicklung der Gewerkschaften in Deutschland und Großbritannien 1880-1914. Hrsg. von Wolfgang J. Mommsen und Hans Gerhard Husung, Stuttgart 1984, S. 277-296.
19.) Siehe Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten gegen Fabrikgesellschaft. Lokale Fachvereine, Massengewerkschaft und industrielle Rationalisierung in Solingen 1870 bis 1914, Göttingen 1985, S.18.
20.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie und Arbeiterdelegierte vor 1918. Ein Beitrag zur Geschichte des Lokalismus, des Syndikalismus und der entstehenden Rätebewegung, Berlin 1985.
21.) Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten gegen Fabrikgesellschaft, a.a.O., S.288.
22.) Klaus Schönhoven, Lokalismus, Berufsorientierung, Industrieverband ..., a.a.O., S.278.
23.) Dirk H. Müller, Der Syndikalismus in der deutschen Gewerkschaftsbewegung vor 1914, in: Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anlangen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Erich Matthias und Klaus Schönhoven, Bonn 1984, S.58ff.
24.) Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten gegen Fabrikgesellschaft, a.a.O., S.19.
25.) Vgl. dazu die Charakterisierung der sozialen Träger des Proudhonismus in: Pierre Ansart, Naissance de Panarchisme. Esquisse d`une explication sociologique du proudhonisme, Paris 1970.
26.) Willy Albrecht, Fachverein, Berufsgewerkschaft, Zentral verband. Organisationsprobleme der deutschen Gewerkschaften 1870-1890, Bonn 1982, S.22.
27.) A.a.O., S.309ff.
28.) Vgl. zu Keßlers Artikelserie im "Baugewerkschafter" 1886/87 und in der "Berliner Volkstribüne" 1888: Willy Albrecht, Fachverein, Berufsgewerkschaft, Zentral verband, a.a.O., S.412ff, und: Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie, a.a.O., S.36ff und S.44ff. Willy Albrecht schreibt (a.a.O., S.413), mit Keßlers Gegenkonzeption zu den gewerkschaftlichen Zentralorganisationen habe die "lokalistische Bewegung innerhalb der deutschen Gewerkschaften ein erstes theoretisches Fundament erhalten." Wenn schon die politisch-theoretische Urheberschaft einer Person für wichtig gehalten werden soll für die frühen Vorläufer des Anarchosyndikalismus in Deutschland, so ist diese These zweifellos überzeugender als diejenige von Angela Vogel über die Bedeutung Hillmanns.
29.) Siehe die ausführliche Darstellung dieser Entwicklung der Fachvereine im Baugewerbe bei Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie, a.a.O., S.35-53, und Willy Albrecht, Fachverein, Berufsgewerkschaft, Zentral verband, a.a.O., S.397-450: Die Entwicklung der gewerkschaftlichen Organisationen im Baugewerbe während der Zeit des Sozialistengesetzes und die Auseinandersetzungen um die Organisationsform zwischen "Zentralisten" und "Lokalisten".
30.) Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten gegen Industriegesellschaft, a.a.O., S.149ff.
31.) Willy Albrecht, Fachverein, Berufsgewerkschaft, Zentralverband, a.a.O., S.427.
32.) Siehe Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie, a.a.O., S.25.
33.) Im Gegensatz zu den in dieser Hinsicht "apolitischeren" Solinger Metallarbeitern; vgl. dazu Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten ..., a.a.O., S.224; siehe dazu auch schon W. Kulemann, Die Berufsvereine ..., a.a.O., S.97.
34.) Vgl. besonders Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten ..., a.a.O., S.199ff.
35.) Bis zur Übernahme der Bezeichnung "Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften" 1901 wurden die Kongresse einberufen von den "lokalorganisierten oder aufgrund des Vertrauensmännersystems zentralisierten Gewerkschaften".
36.) Siehe Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.85f.
37.) A.a.O., S.327.
38.) Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten ..., a.a.O., S.296.
39.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.140-197: Die Lokalisten zwischen Sozialdemokratie und Syndikalismus.
40.) A.a.O., S. 140.
41.) Siehe dazu a.a.O., besonders S.224ff.
42.) Dirk H. Müller, Probleme gewerkschaftlicher Organisation und Perspektiven im Rahmen eines arbeitsteiligen Organisationskonzeptes, in: IWK, Jg.15 (1979), H.4, S.573.
43.) Vgl. dazu besonders interessant das Kapitel über die Kritik am DMV in: Rudolf Boch, Handwerker-Sozialisten gegen Fabrikgesellschaften, a.a.O., S.199-215.
44.) A.a.O., S.225.
45.) Vgl. a.a.O., S.216ff.
46.) Klaus Tenfelde, Linksradikale Strömungen in der Ruhrbergarbeiterschaft 1905-1919, in: Glück auf, Kameraden! Die Bergarbeiter und ihre Organisationen in Deutschland. Hrsg. von Hans Mommsen und Ulrich Borsdorf, Köln 1979, S. 199-223.
47.) Siehe a.a.O., S.200-205.
48.) A.a.O., S.213.
49.) A.a.O., S.216 nach polizeilichen Observantenberichten. Vgl. auch die Hinweise in: Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.195.
50.) A.a.O., S.147-156.
51.) A.a.O., S.189.
52.) Dieter Fricke, Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (Lokalistische Gewerkschaften), in: ders., Die deutsche Arbeiterbewegung 1869 bis 1914, Berlin [Ost] 1976, S.746-756.
53.) Die in Hamburg 1912-1914 erscheinende Zeitschrift "Der Kampf. Unabhängiges Organ für Anarchismus und Syndikalismus" [Jg.1 (1912/13) - Jg.2 (1914)], die nach dem rheinland-westfälischen "Weckruf" (1910) als erstes Periodikum in Deutschland den Syndikalismus-Begriff in den Titel aufnahm, wird in der Sekundärliteratur zur FVdG nicht berücksichtigt, weil keine direkte organisatorische Anbindung bestand. Die 24 Nummern des "Kampf" wurden 1986 von der FAU/Hamburg als Kopie-Reprint neu veröffentlicht.
54.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.176ff und S.183ff. Eines der wichtigsten Dokumente der Kritik an den Zentralverbänden ist neu veröffentlicht worden: Karl Roche, Aus dem roten Sumpf, oder: Wie es in einem nicht ganz kleinen Zentralverband hergeht, Berlin 1909 bzw. Hamburg 1988.
55.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.169ff.
56.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., S.67 und S.65.
57.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.196.
58.) Fritz Held, Der Syndikalismus in Deutschland, staatswissenschaftliche Diss. München 1924, maschinen-schriftl. Manuskript, 156 S.
59.) A.a.O., S.55.
60.) W. Kulemann, Die Berufsvereine ..., a.a.O., S.104. Im Anschluß an ihn auch Graf von Saurma-Jeltsch, Der Syndikalismus in Frankreich und die syndikalistischen Tendenzen der deutschen Arbeiterbewegung, Breslau 1920, S.46.
61.) Dieter Fricke, Die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften ..., a.a.O., S.750.
62.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., S.61.
63.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.331.
64.) Dirk H. Müller, Der Syndikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung vor 1914, a.a.O., S.64.
65.) Siehe Jacques Julliard, Autonomie ouvrière. Études sur le syndicalisme d`action directe, Paris, 1988 S.22. Die Arbeit, in der diese These in historisch fundierter Weise entfaltet ist: Bernard H. Moss, The Origins of the French Labor Movement 1830-1914. The Socialism of Skilied Workers, Berkeley und Los Angeles 1976.
66.) Siehe dazu Jacques Julliard, Autonomie ouvrière ..., a.a.O., S.199ff.
67.) Siehe dazu die Neuausgabe der FAU/Hamburg aus Anlaß des 40. Todestages von Fritz Kater von: Rudolf Rocker, Ein Leben für den Revolutionären Syndikalismus. Biographie von Fritz Kater, Hamburg 1985.
68.) A.a.O., S. 15f.
69.) Es handelt sich um einen der nach 1933 nicht mehr veröffentlichten Manuskriptbände von Nettlaus groß angelegter "Geschichte der Anarchie", deren erste drei Bände in Katers Verlag "Der Syndikalist" erschienen waren und neuerdings als Reprint und als Raubdruck zugänglich sind. Vgl. dazu meine Rezensionen in IWK, Jg.19 (1983), H.3, S.487f. und Jg.22 (1986), H.3, S.442f. Das Kapitel über die Lokalisten in: Max Nettlau, Anarchisten und Syndikalisten. Teil 1. Der französische Syndikalismus bis 1909. Der Anarchismus in Deutschland und Rußland bis 1914. Die kleineren Bewegungen in Europa und Asien, Vaduz 1984, S.266-276.
70.) Vgl. zu deren Geschichte: Dirk H. Müller, Idealismus und Revolution. Zur Opposition der Jungen gegen den Sozialdemokratischen Parteivorstand 1890 bis 1894, Berlin 1975, S.124ff.
71.) Vgl. dazu Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, Berlin 1969, S.163ff.
72.) Vgl. Siegfried Nacht, Der Generalstreik und die soziale Revolution, London 1902; dann Berlin 1905; nach Nettlau soll die Broschüre in über 30 Ausgaben und der Übersetzung in 17 Sprachen erschienen sein. Von Nacht bzw. Roller wurden neu veröffentlicht. Arnold Roller, Die direkte Aktion, Bremen 1978; ders. Der soziale Generalstreik, Bremen 1980.
73.) Siehe Max Nettlau, Anarchisten und Syndikalisten ..., a.a.O., S.268f.
74.) Zu Friedebergs Rolle in der FVdG siehe ausführlich Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.173-183; Max Nettlau, Anarchisten und Syndikalisten ..., a.a.O., S.270-275. Zur gesamten Biographie siehe Hans Manfred Bock und Florian Tennstedt, Raphael Friedeberg. Arzt und Anarchist in Ascona, in: Monte Verita. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie. Hrsg. von Harald Szeemann, Venezia-Martegallo 1978, S.38-53.
75.) Der Text der Rede erschien als Broschüre, die in mehrere Sprachen übersetzt wurde und zuletzt neugedruckt erschien im zweiten Teil von Rudolf Rocker und Raphael Friedeberg, Wozu noch in die Parlamente? Zur Geschichte der parlamentarischen Tätigkeit in der modernen Arbeiterbewegung. Parlamentarismus und Generalstreik. Vorwort von W. Haug und F. Kamann, Reutlingen 1978.
76.) So Kater rückblickend in einem Brief an Max Nettlau vom 6.11.1932, den dieser referiert in: Max Nettlau, Anarchisten und Syndikalisten ..., a.a.O., S.272f.
77.) Vgl. dazu auch Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, a.a.O., S.118f.
78.) Siehe dazu a.a.O., S.183ff.
79.) Vgl. Max Nettlau, Anarchisten und Syndikalisten ..., a.a.O., S.269f.
80.) Dirk H. Müller, Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie ..., a.a.O., S.192f.
81.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., besonders S.23ff. Im Anschluß daran auch: Freie Arbeiter-Union / IAA, Anarcho-Syndikalismus in Deutschland ..., a.a.O. (wie Anm. 11), Vorwort.
82.) Hans-Joachim Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution. Arbeiterbewegung, Industrie, Staat und Militär in Deutschland 1914-1920, 2 Bde, Hamburg 1981, Bd.l, S.517. Biebers umfassende Arbeit dringt übrigens - teilweise durch die thematische Entscheidung für die Darstellung der Interaktion der Gewerkschaften mit den politischen Institutionen und den Arbeitgeberorganisationen - nicht zur Analyse der Komponenten der Gewerkschaftsopposition vor. Er interessiert sich nicht für die gewerkschaftlichen Abspaltungen "unter syndikalistischen Vorzeichen" und er kommt zu der so nicht zutreffenden Aussage, außer der Allgemeinen Bergarbeiterunion im Ruhrgebiet seien "diese Absplitterungen [...], von vorübergehenden lokalen Erfolgen abgesehen, zahlenmäßig unbedeutend" geblieben und "nach ein bis zwei Jahren mit der Rückkehr der meisten Sezessionisten in die freien Gewerkschaften" geendet. (A.a.O., Bd.2, S.787).
83.) A.a.O., Bd.l, S.260-288 und S.487-519; Bd.2, S.782-787.
84.) So besonders der Max-Weber-Schüler Philipp Alexander Koller, Das Massen- und Führerproblem in den Freien Gewerkschaften, Tübingen 1920; und - vor allem unter Berufung auf Robert Michels` Bürokratisierungsanalyse -: Fritz Held, Der Syndikalismus in Deutschland, a.a.O., S.68-88; eingehend auch: Hans Bötcher, Zur revolutionären Gewerkschaftsbewegung in Amerika, Deutschland und England. Eine vergleichende Betrachtung, Jena 1922, S. 172-185.
85.) Hans-Joachim Bieber, Gewerkschaften in Krieg und Revolution, a.a.O., Bd.1, S.516, resümiert seine Analyse der Gewerkschaftsopposition: "Im Gegensatz zur Entwicklung unter den Mitgliedern blieb der Einfluß der Opposition in der Gewerkschaftsführung gering."
86.) Vgl. dazu meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus, a.a.O., S.80-86.
87.) In der "ideengeschichtlichen" Darstellung von Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus, a.a.O., besonders S.68ff, taucht die FVdG 1914 gleichsam in eine "black box" ein und tritt 1918 unverändert wieder aus ihr hervor. Die völlige sozialgeschichtliche Veränderung des Resonanzbodens für die syndikalistische Agitation wird nicht gesehen.
88.) Vgl. dazu unten das Kapitel über den Fragmentierungsprozeß der FAUD.
89.) In seinem Buch: Gewerkschaftliche Versammlungsdemokratie, a.a.O., S.285ff, interessiert sich Dirk H. Müller ausschließlich für die innergewerkschaftliche Opposition im Berliner DMV der Kriegsjahre und die Entstehung der Arbeiterrätebewegung. Es wäre zumindest den Versuch wert, einmal die Polizeiakten auf die Spuren der Berliner FVdG-Tätigkeit hin durchzusehen, sofern dergleichen Akten erhalten sind.
90.) Eduard Willeke, Der deutsche Syndikalismus, rechts- und staatswissenschaftliche Dissertation, Münster 1924, S.64 und S.78f.
91.) Dazu zusammenfassend: Martin Luy, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands als Teil der deutschen Arbeiterbewegung und ihre Sozialgeschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, Staatsexamensarbeit Münster 1986, S.41f. Die Sömmerda betreffende Passage fehlt in der auszugsweisen Veröffentlichung von Rockers Autobiographie: Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, Frankfurt/M. 1974.
92.) Vor allem dank der detaillierten Dissertation: Peter Kuckuk, Bremer Linksradikale bzw. Kommunisten von der Militärrevolte im November 1918 bis zum Kapp-Putsch im März 1920. Ihre Politik in der Hansestadt und in den Richtungskämpfen innerhalb der KPD, Hamburg 1970, besonders S.310-352 und S.460-473.
93.) Die sozialstrukturellen Grundlagen des Bremer Unionismus wurden u.a. jüngst zusammengefaßt und erörtert in: Paul Gerber, From Left Radicalism to Council Communism: Anton Pannekoek and German Revolutionary Marxism, in: Journal of Contemporary History, Jg.23 (1988), S.169-189.
94.) Siehe besonders Erhard Lucas, Märzrevolution im Ruhrgebiet. März/April 1920, 3 Bde, Frankfurt/M. 1970-1978; ders., Zwei Formen von Radikalismus in der deutschen Arbeiterbewegung, Frankfurt/M. 1976.
95.) Vgl. Erhard Lucas, Zwei Formen von Radikalismus ..., a.a.O., S.12f.
96.) Erhard Lucas, Märzrevolution ..., a.a.O., Bd.3, S.5.
97.) Das schließt übrigens nicht aus, daß Lucas selbst die Wertschätzung der neueren wissenschaftlichen Literatur ganz offensichtlich dosiert nach Maßgabe ihrer größeren oder geringeren Nähe zu seinem politischen Standpunkt. Vgl. besonders Erhard Lucas, Zwei Formen von Radikalismus ..., a.a.O., S.256ff. Ihm unterlaufen dabei politische Zuordnungen, die genau so falsch sind, wie viele Etiketten, die in der älteren Literatur den Akteuren der Sozialbewegungen im Ruhrgebiet aufgeklebt wurden, und gegen die er in seinen streitbaren (gelegentlich auch streitsüchtigen) Untersuchungen Sturm läuft.
98.) Uber seinen Weg zur Geschichte der Arbeiterbewegung als "Achtundsechziger", die von ihm konstatierten Strukturfehler der klassischen Arbeiterorganisationen und die Enttäuschung seiner in diese Emanzipationsbewegung projizierten Hoffnungen gibt er Auskunft in: Erhard Lucas, Vom Scheitern der deutschen Arbeiterbewegung, Frankfurt/M. 1983.
99.) Siehe dazu neben Band 1 von "Märzrevolution", S.57ff, besonders Erhard Lucas, Ursachen und Verlauf der Bergarbeiterbewegung in Hamborn und im westlichen Ruhrgebiet 1918/19. Zum Syndikalismus in der Novemberrevolution, in: Duisburger Forschungen. Schriftenreihe für Geschichte und Heimatkunde Duisburgs. Hrsg. vom Stadtarchiv Duisburg, Bd. 15 (1971), S. 1-119; ergänzend dazu Erhard Lucas und Claus Del Tedesco, Zur Bergarbeiterbewegung in Hamborn 1918/19, in: Duisburger Forschungen, Bd.22 (1975), S.141-168.
100.) Siehe Erhard Lucas, Ursachen und Verlauf der Bergarbeiterbewegung ..., a.a.O., S.29ff.
101.) Die Diskussion zusammenfassend Jürgen Tampke, The Ruhr and Revolution. The revolutionary movement in the Rhenish-Westphalian Industrial Region 1912-1919, London 1979, besonders S.117ff; siehe auch Hans Mommsen, Die Bergarbeiterbewegung an der Ruhr 1918-1933, in: Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen. Hrsg. von Jürgen Reulecke, Wuppertal 1974, S.275ff.
102.) Hans Mommsen, Soziale Kämpfe im Ruhrbergbau nach der Jahrhundertwende, in: Glück auf, Kameraden!
..., a.a.O. (wie Anm. 46), S.261.
103.) Irmgard Steinisch, Linksradikalismus und Rätebewegung im westlichen Ruhrgebiet. Die revolutionären Auseinandersetzungen in Mülheim an der Ruhr, in: Arbeiter- und Soldatenräte im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Studien zur Geschichte der Revolution 1918/19. Hrsg. von Reinhard Rürup, Wuppertal 1975, S.155ff. Nicht zugänglich waren die Staatsexamensarbeiten: Gerold Olsen, Syndikalismus und Revolution in Mülheim an der Ruhr. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Syndikalismus, Duisburg 1980, und Bernd Kopp, Der Anarcho-Syndikalismus in Deutschland in der Weimarer Republik. Konstitutionsbedingungen der anarchosyndikalistischen Bewegung, Bochum 1979.
104.) Bei den Wahlen zum Arbeiterausschuß der Maschinenfabrik Thyssen erhielten Mitte Dezember 1918 der DMV 2.492 Stimmen und 7 Sitze, die FVdG 1.638 Stimmen und 4 Sitze; siehe Irmgard Steinisch, a.a.O., S.187f.
105.) Das trifft sicherlich nicht allgemein zu, sondern vor allem für die Groß- und Industriestädte. Für die südwestlich an das Ruhrgebiet angrenzende Region des Regierungsbezirks Aachen belegt eine erste Regionaluntersuchung auch eine starke Präsenz der FAUD in einem überwiegend ländlich geprägten Raum, in dem keine lokalistischen Traditionen bestanden. Siehe Klaus Weberskirch, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands im Regierungsbezirk Aachen nach dem Ersten Weltkrieg, Magisterarbeit, Aachen 1988.
106.) Siehe Erhard Lucas, Märzrevolution ..., a.a.O., Bd.l, S.47f., und Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus ..., a.a.O., S.122ff.
107.) Außer Erhard Lucas` Darstellung in: Ursachen und Verlauf der Bergarbeiterbewegung in Hamborn, a.a.O., gibt es eine einschlägige Staatsexamensarbeit: Karl-Heinz Treude, Syndikalismus und Revolution in Hamborn. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Syndikalismus, Duisburg 1980, 83 Ms.-S.
108.) Erhard Lucas, Märzrevolution ..., a.a.O., Bd.l, S.58f.
109.) Zu seiner Biographie siehe jetzt auch Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme". Rheinische Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus, Grafenau-Döffingen 1986, S.141ff.
110.) Zu Heiling siehe Erhard Lucas, Ursachen und Verlauf der Bergarbeiterbewegung in Hamborn ..., a.a.O., S.42, und ders., Zwei Formen von Radikalismus ..., a.a.O., S.162ff.
111.) A.a.O., S.280f.
112.) Karl-Heinz Treude, Syndikalismus und Revolution in Hamborn ..., a.a.O., S.41.
113.) Vgl. dazu auch Martin Luy, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands als Teil der deutschen Arbeiterbewegung und ihre Sozialgeschichte bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, Staatsexamensarbeit, Münster 1986, S.35ff.
114.) A.a.O., S.38.
115.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.349, schließen sich unbesehen den Kategorien von Lucas an, weisen aber gleichzeitig auf die Existenz der anderen Gruppenkomponenten hin durch ihre Fallbeispiele zur sozialen Zusammensetzung der FAUD-Mitgliederbasis im Ruhrgebiet.
116.) Die Erfahrungen mit dem Bürokratisierungproblem in der deutschen Arbeiterbewegung wurden hier in ähnlicher Weise zum auslösenden Moment für den massenhaften Zulauf zum Syndikalismus wie in der französischen Arbeiterbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts die Erfahrungen mit dem Parlamentarismus zur Konstituierung des revolutionären Syndikalismus beitrugen. Siehe dazu demnächst auch meinen Beitrag: Anarcho-syndicalism in the German Labour Movement. A Rediscovered Minority Tradition, in: Revolutionary Syndicalism. An international perspective. Ed. by Marcel van der Linden and Wayne Westergard Thorpe, Veröffentlichung 1990 vorgesehen.
117.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.358.
118.) Siehe Peter Wienand, Der "geborene" Rebell. Rudolf Rocker. Leben und Werk, Berlin 1981, S.347ff.
119.) Eduard Willeke hatte 1921 für die Vorbereitung seiner bei Gustav Plenge in Münster vorgelegten Dissertation Der deutsche Syndikalismus, a.a.O. (wie Anm. 90), Zugang zu den Unterlagen der Berliner FAUD-Geschäftskommission; dort war ihm - wie er schreibt - die "schwielige Arbeiterfaust" in Aussicht gestellt worden für den Fall, daß er Unsinn berichte. Die Dissertation ist in ihrer Argumentation in trivialen völkerpsychologischen Denkmustern befangen, aber sie ist hinsichtlich der statistischen Angaben und der authentischen Beobachtungen des Verfassers eine wertvolle Quelle, die bislang übersehen wurde. Willekes bekannterer Aufsatz: Die Ideenwelt des deutschen Syndikalismus, in: Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik, Bd.128 (1928), S.870ff, enthält gerade diese interessanteren Aspekte nicht.
120.) Eduard Willeke, Der deutsche Syndikalismus, a.a.O., S.65.
121.) A.a.O., S.63. Die überwiegende Repräsentanz der Metallarbeiter ist zurückzuführen auf die Anfang November 1920 vollzogene Abspaltung der FAU Gelsenkirchener Richtung, die anfangs ausschließlich die Bergarbeiter organisierte und den Anteil dieser Berufsgruppe in der FAUD(S) entsprechend dezimierte.
122.) Siehe Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.355.
123.) Siehe dazu die Angaben zur Organisationsstärke der FAUD(AS) im Jahre 1932 in Wolfgang Haug, "Eine Flamme erlischt". Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (Anarchosyndikalisten) von 1932-1937, in diesem Heft der IWK.
124.) Vgl. dazu Rudolf Rocker, Ein Leben für den revolutionären Syndikalismus. Biographie von Fritz Kater ..., a.a.O., (wie Anm. 67), passim.
125.) Rockers "Prinzipienerklärung des Syndikalismus" ist wohl der am häufigsten neu abgedruckte Text des deutschen Anarchosyndikalismus. Zuerst vollständig in: Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus 1918-1923 ..., a.a.O., (wie Anm. 2), S. 363-367.
126.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., S.99-248.
127.) A.a.O., S.99
128.) Pierre Ramus (Pseudonym für Rudolf Großmann) versuchte eine Synthese zwischen kommunistischem Anarchismus und Tolstoianismus herzustellen, hatte vor dem Ersten Weltkrieg in kritischer Auseinandersetzung mit Gustav Landauer und nach dem Ersten Weltkrieg in Fehde mit Rudolf Rocker gestanden und ist nicht als Repräsentant des deutschen Anarchosyndikalismus anzusehen. Vgl. Gerfried Brandstetter, Rudolf Großmann ("Pierre Ramus"). Ein österreichischer Anarchist (1882-1942), in: Bewegung und Klasse. Hrsg. von Gerhard Botz u.a., Wien 1978, S.89-118
129.) Peter Wienand, Der "geborene" Rebell ..., a.a.O., (wie Anm. 118), S.289-303: Rudolf Rocker und die FAUD.
130.) A.a.O., S.289.
131.) A.a.O., S.295.
132.) Die Schriften Rudolf Rockers sind seit den siebziger Jahren zum größten Teil neu veröffentlicht worden. Nachfolgend nur eine Auswahl von Texten bzw. Textsammlungen: Rudolf Rocker, Anarchismus und Organisation, Berlin 1981; ders., Aufsatzsammlung. Bd.1: 1919-1933, Bd.2: 1949-1953, Frankfurt/M. 1980; ders., Gefahren der Revolution. 3 Aufsätze aus "Die Freie Gesellschaft", 2. Aufl., Hannover 1981; ders., Der Kampf ums tägliche Brot, 3. Aufl. Frankfurt/M. 1980; ders., Die Rationalisierung der Wirtschaft und die Arbeiterklasse, Frankfurt/M. 1980; ders., Über das Wesen des Föderalismus im Gegensatz zum Zentralismus, Frankfurt/M. 1979; ders., Anarchismus und Anarcho-Syndikalismus. Nachwort von Christoph Geist, Berlin 1979; ders., Max Nettlau. Leben und Werk des Historikers vergessener sozialer Bewegungen. Einleitung R. de Jong, Berlin 1978; ders., Die Möglichkeit einer anarchistischen und syndikalistischen Bewegung. Eine Einschätzung der Lage in Deutschland, Frankfurt/M. 1978; ders., Heinrich Heine, Ein deutscher Dichter als Prophet, Berlin 1977; ders., Die spanische Tragödie. Einleitung R. de Jong, Berlin 1976; ders., Nationalismus und Kultur, Bremen 1976, 2 Bde; ders., Absolutistische Gedankengänge im Sozialismus, Frankfurt/M. 1974; ders., Johann Most. Das Leben eines Rebellen, Glashütten im Taunus 1973; ders., und Serge Mailet, Anarcho-Syndikalismus. Streiks für Arbeiterkontrolle, Köln 1972; ders., und Emma Goldman, Der Bolschewismus. Verstaatlichung der Revolution, Berlin 1968; ders., Der Bankrott des russischen Staatskommunismus. Hrsg. von Anarchosyndikalistisches Kollektiv und Situationistisches Kollektiv, Berlin 1968. Ein Nachweis der Neudrucke von Schriften Gustav Landauers in den letzten zwanzig Jahren kann im Rahmen dieser Arbeit nicht gegeben werden. Die wichtigsten Monographien zu Landauer sind: Ruth Link-Salinger (Hyman), Gustav Landauer. Philosopherof Utopia, Indianapolis 1977; Eugene Lunn, Prophet of Community. The Romantic Socialism of Gustav Landauer, Berkeley 1973; Charles B. Maurer, Call to Revolution. The Mystical Anarchism of Gustav Landauer, Detroit 1971; Wolf Kalz, Gustav Landauer. Kultursozialist und Anarchist, Meisenheim/Glan 1967; zur Rolle Landauers in der Revolution siehe auch: Ulrich Linse, Gustav Landauer und die Revolutionszeit 1918/19, Berlin 1974.
133.) Marcel Hediger, Die Marxismuskritik von Rudolf Rocker, Lizentiatsarbeit Zürich 1986.
134.) A.a.O., S.13-45: Rudolf Rockers Einfluß auf den Syndikalismus in Deutschland und die Gründung der FAUD.
135.) A.a.O., S.75.
136.) Ulrich Linse, Die Transformation der Gesellschaft durch die anarchistische Weltanschauung. Zur Ideologie und Organisation anarchistischer Gruppen in der Weimarer Republik, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd.11 (1971), S.289-372.
137.) A.a.O., S.333ff.
138.) Siehe dazu die als Buch erschienene Münchener Dissertation: Ilse Schepperle, Pierre Ramus. Marxismuskritik und Sozialismuskonzeption, München 1988; dort relativ knapp (S.21-49) ein Überblick über die politische Biographie Großmanns und seine Tätigkeit in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg; generell zur Organisations- und Sozialgeschichte des Anarchismus in Österreich siehe auch Gerfried Brandstetter, Anarchismus und Arbeiterbewegung in Österreich 1889-1914, Diss.phil. Salzburg 1977, und: Gerhard Botz, Gerfried Brandstetter und Michael Pollak, Im Schatten der Arbeiterbewegung. Zur Geschichte des Anarchismus in Österreich und Deutschland, Wien 1977.
139.) Vgl. dazu die Darstellung bei Peter Wienand, Der "geborene" Rebell. Rudolf Rocker, a.a.O., S.343ff.
140.) Eduard Willeke, Der deutsche Syndikalismus ..., a.a.O., S.30.
141.) A.a.O., S.79.
142.) Eduard Willeke, a.a.O., S.76, berichtet, daß in der FAUD der Einfluß des von Carl Langer im Hamburger Organ "Der Alarm" vertretenen individualistischen Anarchismus für besonders schädlich angesehen wurde. Langer unternahm nachweislich als Vertreter der Freien Anarchisten-Sozialisten ab September 1920 Agitationsreisen ins Ruhrgebiet. Zur Geschichte des Anarchismus in Hamburg gibt es jetzt eine Darstellung: Heidi Heinzerling, Anarchisten in Hamburg. Beiträge zur ihrer Geschichte 1890-1914, in: Hamburger Zustände. Jahrbuch zur Geschichte der Region Hamburg, Hamburg, Bd.1 (1988), S.95-144. Es ist nicht sicher, ob in der FAUD tatsächlich der individualistische Anarchismus in der Tradition von Max Stirner und John Henry Mackay propagiert wurde, oder ob der Begriff eher eine Metapher zur Kennzeichnung organisationsfeindlicher Regungen war. Der authentische individualistische Anarchismus wurde überwiegend in Intellektuellenkreisen gehegt.
143.) Dazu zahlreiche Beispiele für das Ruhrgebiet bei Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., besonders S.270-291 zu den Siedlungsexperimenten. Ulrich Linse hat mit der Biographie des Künstlers, "Bewußtseins-Revolutionärs" und zeitweiligen FAUD-Aktivisten im Ruhrgebiet Max Schulze-Sölde (1887-1967) einen höchst interessanten Einblick ermöglicht in die lebensreformerischen Antriebe und Abwege dieser Gruppen, die (wie bei Schulze-Sölde) bis zu völkischen Positionen zu Beginn der dreißiger Jahre führen konnten. Siehe Ulrich Linse, Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre, Berlin 1983, S.129-155. Zu den Siedlungsaktionen, deren Verfechter sich auf Landauer beriefen, und zur Tätigkeit des "Öko-Anarchisten" Paul Robien, der im Organ der FKAD publizierte und mit Rocker wegen antisemitischer Äußerungen in Fehde lag, siehe auch Ulrich Linse, Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland, München 1986, S.72-94: Radikaler Ökosozialismus der Weimarer Zeit: die "Siedlungs-Aktion", und S.95-124: Alternativer Ökoanarchismus: die "Naturrevolution".
144.) Vgl. dazu meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus 1918 bis 1923, a.a.O., S.175ff. Siehe auch zur "Schöpfung" Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.321ff.
145.) Andreas Müller, Aufbruch in neue Zeiten. Anarchosyndikalisten und Nationalsozialisten in Mengede in der Frühphase der Weimarer Republik, in: Bochumer Archiv für die Geschichte des Widerstands und der Arbeit, Nr. 8 (1987), S. 121-154.
146.) A.a.O., S.128.
147.) A.a.O., S. 129.
148.) Vgl. a.a.O., S.135. Nachgewiesen wird u.a. die Verteilung des "Syndikalist" (FAUD(S)), des Hamburger "Alarm" und des "Ziegelbrenner", in dem eindeutig individualanarchistische Inhalte vertreten wurden. Die gesamte Zeitschrift Ret Maruts (B. Traven) ist neugedruckt worden: B. Traven - Ret Marut, Der Ziegelbrenner, Berlin 1976. Aus der umfangreichen Literatur über B. Traven siehe dazu Angelika Machinek, B. Traven und Max Stirner. Der Einfluß Stirners auf das Werk von Ret Marut/B. Traven, Göttingen 1986.
149.) Andreas Müller, Aufbruch in neue Zeiten, a.a.O., S.121.
150.) Klaus Weberskirch, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands im Regierungsbezirk Aachen ..., a.a.O., (wie Anm. 105).
151.) A.a.O., S.29ff.
152.) Vgl. a.a.O., S.139ff.
153.) A.a.O., S.153.
154.) Mit Beendigung der Inflationsperiode gingen generell die Mitgliederzahlen der FAUD(AS) drastisch zurück. Vgl. Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.121.
155.) Larry Dean Peterson, The Politics and Work of the KPD in the Labor Unions of Rhineland-Westphalia
1920-.) 1924, Ph.-D.-Dissertation, Columbia University 1978, 991 Ms.-S. Der Autor überarbeitet die Monographie gegenwärtig für die Drucklegung.
156.) Vgl. dazu detailliert für die Jahre 1919/20: Peter Kuckuk, Bremer Linksradikale bzw. Kommunisten von der Militärrevolte im November 1918 bis zum Kapp-Putsch im März 1920 ..., a.a.O., (wie Anm. 92), besonders S.160-205. Peterson hat diese Arbeit nicht zur Kenntnis genommen.
157.) Siehe als Überblick meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923 ..., a.a.O., S. 179-187.
158.) Larry D. Peterson, The Politics and Work of the KPD in the Labor Unions ..., a.a.O., S.632.
159.) Dazu a.a.O., S.870ff und bereits Hans Bötcher, Zur revolutionären Gewerkschaftsbewegung in Amerika, Deutschland und England ..., a.a.O., S.57ff.
160.) Siehe die eingehende Erörterung dieser Aspekte bei Larry D. Peterson, The Politics and Work of the KPD ..., a.a.O., S.736ff.
161.) A.a.O.
162.) In diesen Städten lagen 1922 die Ergebnisse der UdHuK bei den Betriebsrätewahlen über denen des freigewerk-schaftlichen Bergarbeiterverbandes (BAV).
163.) Der Autor geht gelegentlich auf die Entwicklung der kleingewerblichen Metallindustrie im Raume Solingen in den zwanziger Jahren ein, deren Vorkriegsgeschichte Rudolf Boch untersuchte (siehe oben Kapitel 2 und 3). Der 1907 gegründete Industriearbeiter-Verband blieb fest sozialdemokratisch, im übrigen wurde dieser Bereich eine kommunistische Gewerkschaftshochburg. Siehe Larry D. Peterson, a.a.O., S.754ff. Zutreffend auch die Feststellung (a.a.O., S.917ff), daß es sich beim Unionismus der zwanziger Jahre um eine prinzipiell andere Art von "Lokalismus" handele als beim Vorkriegslokalismus, da dieser eine berufsständische Komponente aufweise, der Unionismus aber eine auf Betriebsorganisationen fußende Räteorganisation darstelle.
164.) Zur Charakterisierung der Oppositionsgruppen, mit denen die FAU-G sich zusammenschloß, siehe meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus ..., a.a.O., S.182.
165.) Larry D. Peterson, The Politics and Work of the KPD ..., a.a.O., S.320ff und S.632.
166.) Vgl. den Versuch einer Ermittlung der FAUD(AS)-Mitgliederzahlen bei Martin Luy, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands als Teil der deutschen Arbeiterbewegung ..., a.a.O. (wie Anm. 91), S.180. Es ist eine unzulässige Ausblendung, daß in der dem Rheinischen Anarchosyndikalismus gewidmeten Publikation von Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., die FAU Gelsenkirchener Richtung nur mit einigen Sätzen gestreift wird. Ob die folgende thematisch einschlägige Magisterarbeit die FAU-G einbezieht, konnte nicht festgestellt werden, da mir die Arbeit nicht zugänglich war: Karl-Friedrich Gesau, Syndikalismus in der Ruhrbergarbeiterschaft zu Beginn der Weimarer Republik 1918-1925, Münster 1983.
167.) Zur Geschichte der AAUE und der AAU nach 1924 siehe meine Darstellung in: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland ... a.a.O., (wie Anm. 8), S.132.ff.
168.) Diese Deutung demnächst in meinem Beitrag: Anarcho-syndicalism in the German Labour Movement ..., a.a.O., (wie Anm. 116).
169.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O.. Dort schwerpunktmäßig die erste Hälfte des Buches, das in einem neoanarchistischen Verlag erschienen ist und neben einer Reihe von drucktechnischen Schwächen, die auf die begrenzten Mittel eines solchen Verlages zurückzuführen sind, auch viele Formfehler enthält, die beim Korrekturlesen zu vermeiden gewesen wären. Die besondere dokumentarische Qualität der Veröffentlichung geht u.a. auf die Tatsache zurück, daß die beiden Autoren insgesamt 17 Zeitzeugen der anarcho-syndikalistischen Bewegung der Zwischenkriegszeit in Rheinland-Westfalen befragen konnten. Die reichhaltige Dokumentation überwuchert in dem Buch bisweilen die Argumentation der Autoren; aber die Veröffentlichung stellt insgesamt einen wertvollen Beitrag besonders für die Spätphase der FAUD und für die mit ihr verbundenen Kulturinitiativen dar. Vgl. auch, in großen Teilen textgleich mit dem Buch, die Diplomarbeit von Dieter Nelles, der überwiegend die internen Diskussionen der FAUD darstellt: Dieter Nelles, Zur Soziologie und Geschichte des Anarcho-Syndikalismus im rheinisch-bergischen Raum unter besonderer Berücksichtigung des Wuppertals von 1918 bis 1945, Wuppertal 1984.
170.) Siehe dazu meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus ..., a.a.O., S.170.
171.) Vgl. dazu Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.132ff: Die Orientierung auf gewerkschaftliche Tageskämpfe.
172.) Im ersten Fall verhinderte diese Entscheidung für die FAUD alle Möglichkeiten der Zusammenarbeit von der KAPD bis zur USPD, obwohl aus zahlreichen Indizien zu schließen ist, daß viele FAUD-Mitglieder der frühen Jahre gleichzeitig diesen Parteien angehörten. Im zweiten Fall kam die Entscheidung für die Tätigkeit in diesen Feldern, auf denen die FAU-G so erfolgreich agiert hatte, zu spät.
173.) Vgl. dazu Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., S.189ff: Die Kontroverse um das Tarifwesen.
174.) Siehe Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.141-146.
175.) Vgl. a.a.O., S.33ff.
176.) Angela Vogel, Der deutsche Anarcho-Syndikalismus ..., a.a.O., S.198ff.:Die anarcho-syndikalistische Kritik am Betriebsrätegesetz.
177.) Eine Statistik von Larry D. Peterson, The Politics and Work of the KPD ..., a.a.O., S.344, zeigt z.B., daß 1922 die UdHuK in allen 20 Bezirken für die Betriebsrätewahlen im Ruhrbergbau kandidierte, die FAUD(AS) hingegen nur in 9 Bezirken.
178.) Diese und die folgenden Zahlen nach der sehr nützlichen Übersicht über die Betriebsrätewahlen im Ruhrbergbau
1920-1933 in: Martin Martiny, Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr vom Scheitern der Räte- und Sozialisierungsbewegung bis zum Ende der letzten parlamentarischen Regierung der Weimarer Republik (1920-1930), in: Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr ..., a.a.O., S.252f.
179.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.134.
180.) A.a.O., S.38ff.
181.) Außer dem Buch von Klan/Nelles und der Diplomarbeit von Dieter Nelles (a.a.O., wie Anm. 169) vgl. Ulrich Klan, Der Anarcho-Syndikalismus im rheinisch-bergischen Raum zwischen 1918 und 1945 als Kulturbewegung, Diplomarbeit, Wuppertal 1984; Cornelia Regin, Die "Freie Jugend" und die "Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands" in der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung von Organisation, Programmatik und Praxis, Examensarbeit, Göttingen 1984; Christine Weghoff, Die Frauenpolitik der FAUD von 1921-1932. Eine Untersuchung auf der Grundlage ausgewählter Quellen, Examensarbeit, Göttingen 1984.
182.) Zur Anarchistischen Vereinigung siehe Ulrich Linse, Die Transformation der Gesellschaft durch die anarchistische Weltanschauung ..., a.a.O. (wie Anm. 136), S.294ff.
183.) Zu Mühsam neben einer großen Zahl von Neueditionen seiner Schriften, die hier nicht einbezogen werden können: Chris Hirte, Erich Mühsam, Berlin [Ost] 1985; Augustin Souchy, Erich Mühsam. Sein Leben, sein Werk, sein Martyrium, Reutlingen 1984; Rolf Kauffeldt, Erich Mühsam. Literatur und Anarchie, München 1983; Heinz Hug, Erich Mühsam. Untersuchungen zu Leben und Werk, Glashütten/Taunus 1974.
184.) Siehe den Reprint: Fanal. Anarchistische Monatsschrift. Hrsg. von Erich Mühsam, Jg.1-5 (1926/27-1930/31), 5 Bde, Glashütten/Taunus 1973. Auch Mühsams vorausgehende Zeitschrift wurde neu herausgegeben: Kain. Zeitschrift für Menschlichkeit. Hrsg. von Erich Mühsam, Jg.1-5 (1911-1919), 3 Bde, Vaduz 1978.
185.) Zu deren Geschichte siehe Ulrich Linse, Die anarchistische und anarchosyndikalistische Jugendbewegung 1919-1933. Zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen, syndikalistischen und unionistischen Kinder- und Jugendorganisationen 1919-1933, Frankfurt/M. 1976, S.112ff.
186.) Siehe dazu auch Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten ..., a.a.O. (wie Anm. 91), S.302.
187.) Ermittelt auf der Grundlage von Jochen Schmück, Der deutschsprachige Anarchismus und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg. Eine historische Skizze und der Versuch einer bibliographischen Bestandsaufnahme, Magisterarbeit, Berlin 1986, S.286ff und S.160ff.
188.) Augustin Souchy (1892-1984) gehört zu den am meisten neu edierten Autoren des deutschen Anarchosyndikalismus. Siehe die folgenden Buch- und Broschürentitel, deren Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: Augustin Souchy, Reisen durch die Kibbuzim, Reutlingen 1984; ders., Erich Mühsam, Reutlingen 1984; ders., Gaston Leval u.a., Die anarchistischen Kollektive im Spanischen Bürgerkrieg, Wilmdorf 1983;ders., "Vorsicht Anarchist!". Ein Leben für die Freiheit. Politische Erinnerungen, Reutlingen 1982 (zuvor Darmstadt und 3.Aufl. Neuwied 1978); ders., Nacht über Spanien. Bürgerkrieg und Revolution in Spanien, 5.Aufl., Frankfurt/M. 1979; ders., Reise nach Rußland 1920. Mit einem aktuellen Vorwort "59 Jahre danach" und einem Gespräch hrsg. von A. W. Mytze, Berlin 1979; ders., Sacco und Vanzetti. Zum 50. Todestag Saccos und Vanzettis, Frankfurt/M. 1977; ders. und Gaston Levai, CNT. Die libertäre Bewegung in Spanien 1936-1976, Bremen 1977; ders., Betrifft Lateinamerika. Zwischen Generälen, Campesinos und Revolutionären. 20 Jahre Erfahrungen und Lehren, Frankfurt/M. 1974; ders. und Erich Gerlach, Die soziale Revolution in Spanien. Kollektivierung der Industrie und Landwirtschaft in Spanien 1936-1939. Dokumente und Selbstdarstellungen der Arbeiter und Bauern, Berlin 1974.
189.) Max Nettlaus (1865-1940) überwiegend im Zusammenhang mit der FAUD begonnene Beiträge zur Geschichte des Anarchismus sind inzwischen in mehreren Sprachen neu aufgelegt worden. In deutscher Sprache - wiederum ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Max Nettlau, Eugenik der Anarchie. Texte zur Geschichte und Theorie des Anarchismus. Einleitung von Rudolf de Jong. Hrsg. von Heiner M. Becker, Wetzlar 1985; ders., Anarchisten und Syndikalisten. Teil 1: Der französische Syndikalismus ..., a.a.O. (wie Anm. 69), Vaduz 1984; ders., Der Vorfrühling der Anarchie. Ihre historische Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahre 1864, 2.Aufl., Vaduz 1984 (1.Aufl. 1972, nach dem Original des Verlages "Der Syndikalist" Berlin 1925); ders., Der Anarchismus von Proudhon bis Kropotkin. Seine historische Entwicklung in den Jahren 1859-1880, 2.Aufl., Vaduz 1984 (1.Aufl. 1972, Original: "Der Syndikalist", Berlin 1927); ders., Anarchisten und Sozialrevolutionäre. Die historische Entwicklung des Anarchismus in den Jahren 1880-1886, 2. Aufl., Vaduz 1984 (1.Aufl. 1972, Original: "Der Syndikalist", Berlin 1931); ders., Die erste Blütezeit der Anarchie: 1886-1894. Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Vaduz 1981; ders., Gesammelte Aufsätze, Bd.1, Hannover 1980; ders., Diego A. De Santillan und José G. Pradas, Neue sozialistische Wege, Hannover 1980; ders., Elisée Reclus. Anarchist und Gelehrter (1830-1905), Vaduz 1977 (Original: "Der Syndikalist", Berlin 1928); ders., Die revolutionären Aktionen des italienischen Proletariats und die Rolle Errico Malatestas, Berlin 1973, (Original: "Der Syndikalist", Berlin 1922); ders., Michail Bakunin. Selbstzeugnisse und Dokumente, o.O. o.J. (ca. 1970), (Original: "Der Syndikalist", Berlin 1926).
190.) Neuausgaben seiner Schriften: Franz Barwich, Der kommunistische Aufbau des Syndikalismus im Gegensatz zum Parteikommunismus und Staatssozialismus, Hamburg 1973 (Original: "Der Syndikalist", Berlin 1923); ders., Erich Gerlach, Arthur Lehning, Rudolf Rocker und Helmut Rüdiger, Arbeiterselbstverwaltung. Arbeiterkontrolle, Räte, Syndikalismus, 2.Aufl., Berlin 1973.
191.) Vgl. Karl Roche, Die Allgemeine Arbeiter-Union, Hamburg o.J. (ca. 1978).
192.) Neuere Textausgaben: Helmut Rüdiger, Föderalismus. Beitrag zur Geschichte der Freiheit. Vorwort zur Aktualität des Föderalismus von Hans-Jürgen Degen, Berlin 1979; ders., Sozialismus in Freiheit. Beiträge zum freiheitlichen Sozialismus. Auswahl Akto Uisk. Vorwort von Evert Arvidsson. Nachwort zur deutschen Ausgabe von Hans-Jürgen Degen, Münster und Wetzlar 1978; ders., Sozialismus und Parlamentarismus. Ein Diskussionsbeitrag. Vorwort Hans-Jürgen Degen, Berlin 1979; ders., Konstruktive Zukunftsaufgaben des Syndikalismus und andere Texte, o.O. o.J. (ca. 1975).
193.) Vgl. H. W. Gerhard, Über Hildburghausen ins dritte Reich! Nationalsozialismus und Arbeiterklasse, 2.Aufl., Berlin 1981 (Original "Der Syndikalist", Berlin 1932).
194.) Martin Luy, Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands als Teil der deutschen Arbeiterbewegung ..., a.a.O. (wie Anm. 91).
195.) A.a.O., S.27ff.
196.) Martin Luy gibt (a.a.O., S.180) einen nützlichen tabellarischen Überblick über die personelle Zusammensetzung der Geschäftskommission und der Pressekommission, über die Auflage des Verbandsorgans "Der Syndikalist", die Mitgliederzahlen und die Zahl der Ortsvereine für die Zeit von der Gründung der FAUD(AS) bis 1932. Es wurden in der Geschäftskommission in der Regel nur 3 "Freigestellte" besoldet für ihre Organisationsarbeit.
197.) Martin Luy, a.a.O., S. 106.
198.) Der Verfasser nimmt als kritischen Maßstab für die Beurteilung der FAUD-Organisationspraxis das von Erhard Lucas, Vom Scheitern der deutschen Arbeiterbewegung ..., a.a.O., S.89ff, umrissene Konzept des "Liebessozialismus". Das scheint mir eher ein theologisch-normativer als ein sozialwissenschaftlich-analytischer Begriff zu sein, vor dem schlechterdings keine politische Praxis bestehen kann und der damit inadäquat ist.
199.) Zur Funktionalisierung der Kulturorganisationen siehe Hartmann Wunderer, Arbeitervereine und Arbeiterparteien. Kultur- und Massenorganisationen in der Arbeiterbewegung (1890-1933), Frankfurt/M. 1980.
200.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.44.
201.) Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1918-1933 ..., a.a.O. (wie Anm. 185).
202.) Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung ..., a.a.O. (wie Anm. 185), S.49.
203.) Dazu eingehend Cornelia Regin, Die "Freie Jugend" und die "Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands" ..., a.a.O., S.79ff. Als Insider-Bericht zur Geschichte der "Freien Jugend" siehe auch die autobiographische Schrift: Henry Jacoby, Von des Kaisers Schule zu Hitlers Zuchthaus. Eine Jugend links-außen in der Weimarer Republik, Frankfurt/M. 1980.
204.) Siehe dazu auch Cornelia Regin, "Vom Anarchismus des Gefühls zum Anarchismus der Überzeugung". Ein Beitrag zur Geschichte und Ideologie der anarchistischen und anarcho-syndikalistischen Jugendbewegung in der Weimarer Republik, in: IWK, Jg.22 (1986), H.4, S.471-498.
205.) Ulrich Linse hat bereits diese Funktionsveränderung pointiert: "Hatte zunächst die Jugendlichkeit das eigentliche Bestimmungsmerkmal abgegeben, so später das Bekenntnis zum Jungproletariat." Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung ..., a.a.O., S.12
206.) Vgl. Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.190-269: Syndikalistische Jugend zwischen "Jugendautonomie" und Klassenkampf.`
207.) A.a.O., S.216.
208.) Jörg Kammler, Zur historischen Ausgangslage des Arbeiterwiderstandes: Die Kasseler Arbeiterbewegung vor 1933, in: Volksgemeinschaft und Volksfeinde, Kassel 1933-1945. Hrsg. von Wilhelm Frenz, Jörg Kammler und Dietfried Krause-Vilmar, 2 Bde, Fuldabrück 1987, Bd.2, S.323. Die Existenz einer Gruppe der "Freien Jugend" Ernst Friedrichs in Kassel bezeugt das Dokument in Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung, a.a.O., S.328ff. Die Kasseler Gruppe der "Freien Jugend" schloß sich schließlich der KPD an, eine Entwicklung, die Cornelia Regin auch andernorts feststellt. Siehe dies., "Vom Anarchismus des Gefühls zum Anarchismus der Überzeugung" ..., a.a.O., S.497.
209.) Vgl. dazu in diesem Heft der IWK, den Beitrag von Cornelia Regin, die die Arbeit von Christine Weghoff über die Frauenpolitik der FAUD(AS) (wie Anm. 181) resümiert und ergänzt.
210.) Siehe dazu auch Dieter Nelles und Ulrich Klan, Alternative Entwürfe im Rheinland - am Beispiel der anarcho-syndikalistischen Siedlung "Freie Erde" bei Düsseldorf (1921), in: Anarchismus in Kunst und Politik. Zum 85. Geburtstag von Arthur Lehning. Hrsg. von Heribert Baumann, Francis Bulhof und Gottfried Mergner, Oldenburg 1985, S.79-92.
211.) Siehe dazu erstmals zusammenhängend: Ulrich Linse, Die "Schwarzen Scharen", eine antifaschistische Kampforganisation deutscher Anarchisten, in: Archiv für die Geschichte des Widerstands und der Arbeit, Bochum, Nr.9 (1989), S.47-66.
212.) Formulierungen aus den "Richtlinien der Schwarzen Schar, Bezirk Berlin-Brandenburg", zitiert a.a.O., S.62f.
213.) So nachweisbar in Wuppertal, siehe Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.258, und in Kassel, siehe Jörg Kammler, Zur historischen Ausgangslage des Arbeiterwiderstandes ..., a.a.O. (wie Anm. 208), S.324.
214.) So Jan Foitzik, Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40 unter besonderer Berücksichtigung des Exils, Bonn 1986, S.37.
215.) Vgl. z.B. Rudolf de Jong, Die Internationale Arbeiter-Assoziation (Anarcho-Syndikalisten) und der Faschismus, Hannover 1978, und: H. W. Gerhard, Über Hildburghausen ins dritte Reich! Nationalsozialismus und Arbeiterklasse ..., a.a.O. (wie Anm. 193), passim.
216.) A.a.O., S.26.
217.) Siehe dazu den Versuch einer Zusammenfassung des Kenntnisstandes von Wolfgang Haug, "Eine Flamme erlischt". Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (Anarchosyndikalisten) von 1932-1937 in diesem IWK-Heft.
218.) Siehe dazu a.a.O., und Rolf Theissen, Peter Walter und Johanna Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand an Rhein und Ruhr, Meppen/Ems 1980, besonders S.44ff.
219.) Siehe dazu a.a.O., S.49ff; auch Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.88ff.
220.) Die von Wolfgang Haug in diesem IWK-Heft, S.360, mitgeteilten Zahlen zum Mitgliederbestand der FAUD(AS) im Jahre 1932, die 6000 bis 7000 Mitglieder ergeben, sind nach meiner Auffassung überzeugend und liegen doppelt so hoch als man bislang angenommen hatte.
221.) Siehe dazu Heinz Hug, Erich Mühsam, Untersuchungen zu Leben und Werk ..., a.a.O., S.72ff. Mühsam hatte seine bedeutendste theoretische Schrift Mitte 1932 zuerst im Organ der anarchosyndikalistischen Internationale veröffentlicht. Siehe dazu Erich Mühsam, Die Befreiung der Menschheit vom Staat, Berlin 1973 (Neuauflage).
222.) Die Schrift von Augustin Souchy, Erich Mühsam. Su vida, su obra, su martirio, Barcelona o.J. (1934) leitete diese Würdigung ein und erschien in mehreren anderen Sprachen, in Deutsch m.W. zuerst 1984 (vgl. Anm. 183).
223.) Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.89.
224.) Neben der Buchveröffentlichung von Rolf Theißen, Peter Walter und Johanna Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand an Rhein und Ruhr ..., a.a.O., die sich auf ein Minimum an Darstellung beschränkt und eine reichhaltige Dokumentation enthält, siehe besonders Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.159ff und S.170ff.
225.) Siehe seine Kurzbiographie in: Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.305f.
226.) Siehe seine Kurzbiographie in: Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.178.
227.) Vgl. dazu vor allem Rolf Theissen, Peter Walter und Johanna Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand ..., a.a.O., S.62ff.
228.) Dazu auch ausführlich Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.180ff.
229.) Siehe Rolf Theissen, Peter Walter und Johanna Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand ..., a.a.O., S. 150.
230.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.179f.
231.) Vgl. Wolfgang Haug, "Eine Flamme erlischt" ... in diesem IWK-Heft.
232.) Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.89.
233.) Siehe dazu Axel Ulrich, Neue Forschungsergebnisse zum gewerkschaftlichen Widerstand in Hessen: Syndikalistischer Widerstand in Hessen, in: Informationen, Jg. 1986, H.24, S.13ff; und ders., Zum Widerstand der Freien Arbeiter-Union Deutschlands gegen den Nationalsozialismus. Ihr konspiratives Verbindungsnetz in Hessen und im Raum Mannheim/Ludwigshafen, in: Nassauische Annalen. Jahrbuch des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichte, Jg.1988 (war mir nicht zugänglich).
234.) Zur Biographie eines der aktivsten FAUD(AS)-Widerständler dieses Netzes, des vormaligen Redakteurs des SAJD-Organs "Junge Anarchisten" Georg Hepp aus Frankfurt/M., siehe auch aus neoanarchistischer Perspektive: Horst Stowasser, Eine unbedeutende Sache, in: Das hört nie auf. Lebensgeschichten vom Anfang des Faschismus bis heute. Hrsg. von Horst Scharnagel, Frankfurt/M. 1983, S.75ff.
235.) Vollständige Biographie von Willi Paul und ein rückblickender Bericht über seine Tätigkeit im Dritten Reich in: Jörg Kammler, Ich habe die Metzelei satt und laufe über ... Kasseler Soldaten zwischen Verweigerung und Widerstand 1939-1945. Eine Dokumentation, Fuldabrück 1985, S. 168-176.
236.) Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.89f., weist daraufhin, daß das gängige Vorurteil, Anarchisten seien gewalttätig, von den Nationalsozialisten ganz wörtlich genommen wurde. Ihre Furcht vor möglichen Attentaten nach Beginn des Bürgerkrieges in Spanien "büßten viele harmlose Anarchisten mit dem Leben."
237.) Jan Foitzik a.a.O., S.158, erwähnt die "beispielhafte" Emigrantenhilfe durch die Anarchosyndikalisten. Vgl. auch Rolf Theissen, Peter Walter und Johanna Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand ..., a.a.O., S.51f.
238.) Die Internationale. Anarchosyndikalistisches Organ. Hrsg. vom Sekretariat der IAA. Neue Folge, Amsterdam, Stockholm, Paris, Barcelona, 1934/35.
239.) Zur Nachkriegsgeschichte des NAS siehe: Erik Hansen und Peter A. Prosper, The Nationaal Arbeids-Secretariaat between Two Wars: Revolutionary Syndicalism in the Netherlands 1919-1940, in: Histoire Sociale/Social History, Jg. 1981, Nr.27, S.197-218.
240.) Vgl. Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.158.
241.) Augustin Souchy erwähnt die DAS weder in seinem Spanien-Buch: Nacht über Spanien. Bürgerkrieg und Revolution in Spanien, Darmstadt o.J. (1952), noch in seinen Memoiren: Augustin Souchy, "Vorsicht Anarchist!". Ein Leben für die Freiheit. Politische Erinnerungen, Darmstadt 1977.
242.) Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung. Die deutsche Linke im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939, Berlin und Bonn 1985, S.85-111. Eine ausführlichere Dokumentation und Geschichte der anarchosyndikalistischen Emigration in Spanien wird vorbereitet und soll 1990 als Buch erscheinen: Hans-Jürgen Degen, Wolfgang Haug, Ulrich Linse und Dieter Nelles, Deutsche Anarchisten im Spanischen Bürgerkrieg.
243.) Besonders mit Hilfe der Korrespondenz, die Helmut Rüdiger in diesen Jahren mit dem in die USA emigrierten Rudolf Rocker führte und die im Rocker-Archiv des IISG in Amsterdam erhalten ist. Rocker war zwar nicht physisch präsent in Spanien, dort erschien aber im Verlag Tierra y Libertad erstmals seine groß angelegte Summe anarchistischer Theorie (die erst 1949 in deutsch veröffentlicht wurde unter dem Titel: Die Entscheidung des Abendlandes): Rudolf Rocker, Nacionalismo y Cultura, 3 Bde, Barcelona 1935-1937; vgl. auch ders., Ideología y táctica del proledáriado moderno, Barcelona o.J.
244.) Neben den (Anm. 24) genannten Büchern von Augustin Souchy siehe: ders. und R Folgare, Colectivizaciones. La obra constructiva de la revolución española, Barcelona 1937; ders., Entre los campesinos de Aragon. El comunismo libertario en las comarcas liberadas, Barcelona 1937; Rudolf Rocker, Extranjeros en España, Mexico D.F. und Buenos Aires 1938; ders., Anarcho-Syndicalism. Theory and Practice, London 1938; Helmut Rüdiger, El anarcosindicalismo en la revolución española, Barcelona 1938; ders., Ensayo critico sobre la Revolución Española, Buenos Aires 1940.
245.) Eine lebendige Schilderung gibt Fritz Schröder (Kassel), der von Amsterdam nach Schweden emigriert war und im September 1936 nach Barcelona kam: Fred Schröder, "... alles war schwarz/rot". Als Zensor und CNT- FAI-Info-Dienst-Herausgeber in Barcelona, in: Wir sind es leid, die Ketten zu tragen ... Antifaschisten im Spanischen Bürgerkrieg. Hrsg. von Hans Jürgen Degen und Helmut Ahrens, Berlin 1979, S.85-96.
246.) Die Soziale Revolution. Frontzeitung. Hrsg. von den Deutschen Anarcho-Syndikalisten DAS und dem Nationalkomitee Spanien der CNT/FAI, 1937. Als neu gedruckte Propaganda-Broschüren der DAS siehe auch: Was sind die CNT und die FAI?. Hrsg. von der Gruppe DAS (Deutsche Anarcho-Syndikalisten), Berlin 1982 (Original: Bacelona 1936, Asy-Verlag); Revolution und Gegenrevolution. Hrsg. von den Deutschen Anarcho-Syndikalisten DAS, Berlin 1982 (Original: Barcelona 1937, Asy-Verlag).
247.) Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung, a.a.O., S.98.
248.) Schwarz-Rot-Buch. Dokumente über den Hitlerimperialismus. Hrsg. von der Gruppe DAS, Deutsche Anarcho- Syndikalisten, Barcelona 1937, Asy-Verlag.
249.) So Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung, a.a.O., S.96. Nach den Beschreibungen seiner Freunde zu urteilen, ist eine solche Beteiligung Nettlaus schwer vorstellbar.
250.) Siehe Nettlaus autobiographische Aufzeichnungen in: Max Nettlau, Geschichte der Anarchie. Ergänzungsband, 2.Aufl., Vaduz 1984, S.49f.
251.) Vgl. Jan Foitzik, Zwischen den Fronten, a.a.O., S.159, und: Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung, a.a.O., S. 104.
252.) Dazu Patrik von zur Mühlen, a.a.O., S.89ff und S.11Of. Einen allgemeinen Einblick in die internen Diskussionen der deutschen anarchosyndikalistischen Spanienemigranten gibt die Dokumentation: Wolfgang Haug, Deutsche Anarchisten im Spanischen Bürgerkrieg, in: Schwarzer Faden. Anarchistische Vierteljahresschrift, Jg.1983, Nr.11, S.42-47; dort u.a. ein Rechenschaftsbericht der Gruppe DAS in Barcelona vom Sommer 1936.
253.) Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung, a.a.O., S.85-89.
254.) Ulrich Klan und Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", a.a.O., S.362.
255.) Literarisch insbesondere durch ihre Schriften: Rudolf Rocker, Der Bankrott des russischen Staatskommunismus, Berlin 1921; Augustin Souchy, Wie lebt der Arbeiter und Bauer in Rußland und in der Ukraine? Resultat einer Studienreise vom April bis Oktober 1920, Berlin o.J. (1921).
256.) Vgl. als Ausgangspunkt meine erstmalige Darstellung der IAA in: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923, a.a.O., S.334-340.
257.) Siehe Wayne Westergard-Thorpe, Revolutionary Syndicalist Internationalism 1913-1923. The Origins of the International Working Men`s Association, Ph.D.-Dissertation University of British Columbia, Vancouver 1979. Westergard-Thorpes Arbeit ist für 1989 als Buchveröffentlichung angekündigt: Wayne Westergard-Thorpe, The Workers Themselves. Revolutionary Syndicalism and Industrial Labour 1913-1923, Dordrecht, Boston und London, Kluwer Academic Publishers 1989. Das Manuskript der Arbeit war mir nicht zugänglich.
258.) Siehe dazu Wayne Westergard-Thorpe, Towards a Syndicalist International: The 1913 London Congress, in: International Review of Social History, Jg.23 (1978), H.1, S.33-78, und ders., The Provisional Agenda of the International Syndicalist Congress, London 1913, in: International Review of Social History, Jg.26 (1981), H.1, S.92-103.
259.) Text der Prinzipienerklärung in Niederländisch: a.a.O., S.102f., in Französisch in: Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme. La naissance de lAssociation Internationale des Travailleurs de Berlin, in: Ricerche Storiche, Jg.11 (1981), S.107f.
260.) Vgl. Wayne Westergard-Thorpe, Towards a Syndicalist International, a.a.O., S.76f.
261.) Die Internationale Zentralstelle wurde 1913 umbenannt in Internationaler Gewerkschaftsbund, dessen Präsident Carl Legien bis 1919 blieb.
262.) Fritz Kater war einer der Präsidenten des Kongresses.
263.) Nach Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ... , a.a.O., S.107, waren es 38 Delegierte, die 68 Föderationen aus 12 Ländern vertraten.
264.) Es erschien als Bulletin International du Mouvement Syndicaliste vom April 1914 bis Januar 1915 in Amsterdam.
265.) Vgl. dazu die Dissertation von Dieter Marc Schneider, Revolutionärer Syndikalismus und Bolschewismus. Der Prozeß der ideologischen Auseinandersetzung französischer Syndikalisten mit den Bolschewiki 1914-1922, Erlangen 1974.
266.) Vgl. Erik Hansen und Peter A. Prosper, The Nationaal Arbeiders-Secretariaat between two wars ..., a.a.O. (wie Anm. 239), S.216f.
267.) Siehe Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow 1919-1922: The Breach, in: Canadian Journal of History/Annales Canadiennes d`Histoire, Jg.14 (1979), S.199-234.
268.) Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ..., a.a.O. (wie Anm. 259); siehe auch ergänzend: Eduardo Colombo, LAIT. L`alternative libertaire, in: Itinéraire. Une vie, une pensée. Rudolf Rocker, Nr.4 (1988), S.25-31; Augustin Souchy, Die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation, in: Die IAA. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation, Berlin 1980, S.3-10; und Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, Frankfurt/M. 1974, S.314ff.
269.) Nachgewiesen bei Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ... , a.a.O., S. 109.
270.) Siehe Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow ..., a.a.O., S.203f.
271.) A.a.O., S.205f.
272.) Vgl. dazu meine Darstellung in: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923, a.a.O., S.139ff.
273.) Dazu eingehend Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow ..., a.a.O., S.11Off.
274.) Siehe dazu Augustin Souchy, "Vorsicht: Anarchist!" Ein Leben für die Freiheit, a.a.O., S.33-54. Souchy hatte die Gelegenheit, mit Lenin und mit Kropotkin je ein Gespräch zu führen. Souchy legte in einer Besprechung meines Buches "Syndikalismus und Linkskommunismus" Wert auf die Feststellung, daß er entgegen der Darstellung von RGI-Funktionären niemals während seines Moskauaufenthaltes den Beitritt der FAUD(S) in Aussicht gestellt habe. Siehe Augustin Souchy, Syndikalismus vor fünfzig Jahren, in: Neues Beginnen, Jg.1971, Nr. 9, S.7f.
275.) Vgl. Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow ..., a.a.O., S.212ff.
276.) Abgedruckt bei Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ..., a.a.O., S.114. Deutsch in: Augustin Souchy, Die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation ..., a.a.O., (wie Anm. 268), S.5f.
277.) Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow ..., a.a.O., S.216ff.
278.) Siehe a.a.O., S.219ff und Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ..., a.a.O., S.115ff.
279.) Zur Situation der russischen Anarchisten und Anarchosyndikalisten 1920/21 siehe Paul Avrich, The Russian Anarchists, Princeton 1967, S.204ff. Speziell zu ihrer Aufnahme in Berlin und der Zusammenarbeit mit der FAUD(S) und der IAA siehe a.a.O., S.238ff. Als Neudruck von Aufsätzen aus dem theoretischen Publikationsorgan der IAA "Die Internationale" über die Anarchisten in der russischen Revolution siehe Arthur Müller-Lehning und G. P. Maximoff, Marxismus und Anarchismus in der russischen Revolution. Die revolutionärsyndikalistische Bewegung in Rußland, 2.Aufl., Berlin 1971.
280.) Wayne Westergard-Thorpe, Syndicalist Internationalism and Moscow ..., a.a.O., S.230.
281.) Vgl. dazu Augustin Souchy, Die Gründung der Internationalen Arbeiter-Assoziation ..., a.a.O., S.8f. Text der Prinzipienerklärung abgedruckt in meinem Buch: Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918 bis 1923, a.a.O., S.421ff.
282.) Deren Auflistung mit Mitgliederangaben in: Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten ..., a.a.O., (wie Anm. 268), S.312f.
283.) Vgl. dazu Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ..., a.a.O., S.119.
284.) Siehe dazu die Entstehungsgeschichte der CGT-SR in: Jean Maitron, Le Mouvement Anarchiste en France. De 1914 à nos jours, 2 Bde, Paris 1975, Bd.2, S.64-72.
285.) Arthur Lehning, Du syndicalisme révolutionnaire à l`anarcho-syndicalisme ..., a.a.O., S.124ff.
286.) Die IAA existiert über die Zwischenkriegszeit hinaus bis heute. Einen tabellarischen Überblick über alle Kongresse gibt Jean Maitron, der sonst auf die internationalen Verbindungen des französischen revolutionären Syndikalismus nicht näher eingeht. Siehe Jean Maitron, Le Mouvement Anarchiste en France ... , Bd.2, S. 121.
287.) Gemäß Rudolf de Jong, Die Internationale Arbeiter-Assoziation (Anarcho-Syndikalisten) und der Faschismus ..., a.a.O. (wie Anm. 215), S.18.
288.) Vgl. dazu auch Jochen Schmück, Der deutschsprachige Anarchismus und seine Presse ..., a.a.O., (wie Anm. 187), S. 322.
289.) Neuedition: Die Internationale. Organ der Internationalen Arbeiter-Assoziation. Deutsche Ausgabe. Hrsg. vom Sekretariat der IAA. Redaktion: Augustin Souchy, Jg. 1924-1926; dann fortgeführt mit dem Untertitel: Zeitschrift für revolutionäre Arbeiterbewegung, Gesellschaftskritik und sozialistischen Neuaufbau. Hrsg. von der FAUD(AS), Jg.1927-1933; neuer Untertitel: Anarchosyndikalistisches Organ. Hrsg. vom Sekretariat der IAA. Neue Folge. Amsterdam, Stockholm, Paris, Barcelona, Jg.1934-1935, 4 Bde, Vaduz 1979.
290.) Siehe dazu Arthur Müller-Lehning, Die IAA und der Kampf gegen Militarismus und Krieg, in: Die IAA. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation ..., a.a.O., S.22ff. Vgl. auch die autobiographischen Aufzeichnungen in: Arthur Lehning, Autobiographisches zu Politik und Literatur, in: Anarchismus in Kunst und Politik ..., a.a.O. (wie Anm. 210), S.16-28.
291.) Vgl. dazu den Artikel: Die Kontinental-Amerikanische Arbeiter-Assoziation, in: Die IAA. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation ..., a.a.O., S.43ff.
292.) Die Broschüre erschien neben der bisher zitierten Neuauflage bereits früher als Reprint: Asociacion International De Los Trabajadores. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation von 1921-1931, Bremen o.J. (ca. 1976).
293.) Vgl. dazu: a.a.O., S.30ff die Beiträge von Eusebio C. Carbo, einem zeitweiligen Sekretär der IAA: Die IAA in Spanien, und Avelino Gonzalez Mallada, Die CNT Spaniens unter der Republik, a.a.O., S.38ff.
294.) Dazu hatte u.a. beigetragen der Bericht des spanischen Moskau-Delegierten Angel Pestaña, der übersetzt abgedruckt ist in: Der Anarchismus ..., a.a.O. (wie Anm. 5), S.359ff.
295.) Alexander Schapiro, Die Taktik der IAA, in: Die IAA. Geschichte der Internationalen Arbeiter-Assoziation ..., a.a.O., S. 17.
296.) Siehe Alexander Schapiro, Bericht über die Confederación Nacional del Trabajo (CNT) und den Aufstand in Spanien im Januar 1933. Einleitung von Jaap Kloosterman, in: Jahrbuch Arbeiterbewegung. Theorie und Geschichte, Bd.4 (1976), S.159-194.
297.) Rudolf de Jong, Die Internationale Arbeiter-Assoziation (Anarcho-Syndikalisten) ..., a.a.O. (wie Anm. 215), S. 22.
298.) Vgl. dazu Patrik von zur Mühlen, Spanien war ihre Hoffnung ..., a.a.O., S.101.
299.) Wilfried Röhrich, Revolutionärer Syndikalismus. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Arbeiterbewegung, Darmstadt 1977.
300.) Die harsche Kritik, die Peter Schöttler an dem Buch geübt hat, ist leider nur zu berechtigt: Das Buch erweise sich "...bei näherem Hinsehen jedoch als geradezu skandalöse Sammlung von Banalitäten, Halbwahrheiten und sachlichen Fehlern fern jeder neueren Forschungsdiskussion". Peter Schöttler, Syndikalismus in der europäischen Arbeiterbewegung. Neuere Forschungen in Frankreich, England und Deutschland, in: Arbeiter und Arbeiterbewegung im Vergleich. Berichte zur internationalen historischen Forschung. Hrsg. von Klaus Tenfelde (= Historische Zeitschrift, Sonderhefte, Bd.15), München 1986, S.424.
301.) Wilfried Röhrich, Robert Michels. Vom sozialistisch-syndikalistischen zum faschistischen Credo, Berlin 1972, dort S.16-47 zu Michels` Stellung im und zum revolutionären Syndikalismus in Deutschland, Italien und Frankreich.
302.) Wilfried Röhrich, Revolutionärer Syndikalismus ..., a.a.O., S.3.
303.) Beispielsweise in der Einschätzung des CGT-Kongresses von Amiens als "Höhepunkt" des revolutionären Syndikalismus (a.a.O., S.33); tatsächlich war der Kongreß wohl eher "un congrès défensif qui précisa la doctrine afin de résister à la double menace de l`État et du Parti". So Henri Dubief, Le syndicalisme révolutionnaire, Paris 1969, S. 35.
304.) Zu den "Textcollagen" siehe Peter Schöttler, Syndikalismus in der europäischen Arbeiterbewegung ..., a.a.O., S.424.
305.) Peter Schöttler, Syndikalismus in der europäischen Arbeiterbewegung ..., a.a.O., S. 419-475.
306.) Vgl. Peter Schöttler, Die Entstehung der "Bourses du Travail". Sozialpolitik und französischer Syndikalismus am Ende des 19. Jahrhunderts, Frankfurt/M. 1982.
307.) Peter Schöttler, Syndikalismus in der europäischen Arbeiterbewegung ..., a.a.O., S.425.
308.) A.a.O., S.444.
309.) A.a.O., S.458.
310.) A.a.O., S.463.
311.) Auch die Beschreibung der Philosophie Rockers als "weniger klassenkämpferisch als allgemein-menschlich und der syndikalistisch-gewerkschaftliche Anteil darin blieb sekundär" (a.a.O., S.464) ist nicht zutreffend. Trotz der akribischen Biographie Peter Wienands über Rudolf Rocker (vgl. Anm. 118) und des anhaltenden Interesses an seinem Leben und seinen Schriften fehlt bislang eine kritisch-theoretische Arbeit zu seinem umfangreichen publizistischen Werk. Als neueste Arbeiten zu Rocker siehe das ihm gewidmete Themenheft: Itinéraire. Une vie, une pensée. Rudolf Rocker, Chelles/Frankreich, Jg. 1988, Nr.4, das hervorragende Fotodokumente aus dem Bestand des IISG/Amsterdam enthält; dort wird u.a. hingewiesen auf: Mina Graur, An "Anarchist Rabbi". The life and teachings of Rudolf Rocker, Ph.-D.-Dissertation, Houston/Texas 1988; Bert Hofmann, Rudolf Rocker, ein Mainzer Emigrant in Paris (1892-1894), Magisterarbeit, Mainz 1980; vgl. auch von den älteren Arbeiten vor allem: Margaret Vallance, Rudolf Rocker, a biographical sketch, in: Journal of Contemporary History, Jg. 1973, S.75-95.
312.) Peter Schöttler, Syndikalismus in der europäischen Arbeiterbewegung ..., a.a.O., S.475.
313.) Larry Peterson, The One Big Union in International Perspective: Revolutionary Industrial Unionism 1900-1925, in: Work, Community and Power. Ed. by James Cronin and Carmen Sirianni, Philadelphia 1983, S.49-87.
314.) Die "Einheitsorganisations" -Tendenz war z.B. gerade kein Beispiel für "union participation in left-wing politics" (a.a.O., S.62). Nach den noch unausgegorenen Vorstellungen der Bremer ISD/IKD von 1917/18, wo eine parlamentarische Aktivität der Einheitsorganisation noch erwogen wurde, war es das Hauptanliegen der späteren Allgemeinen Arbeiter-Union Einheitsorganisation (AAUE), die Arbeiterbewegung von dem vermeintlichen Irrweg politisch-parlamentarischer Tätigkeit wegzuführen. Vgl. meine Darstellung in: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland. Ein Versuch, Frankfurt/M. 1976, S.109ff.
315.) Larry Dean Peterson, The Politics and Work of the KPD in the Labor Unions in Rhineland-Westphalia 1920-1924 ..., a.a.O. (wie Anm. 155).
316.) Die folgende Aussage ist - wie dieser gesamte vorliegende Forschungsbericht noch einmal verdeutlicht - schlicht unzutreffend: "In fact, there was a syndicalist union in Germany that briefly won mass supports from miners and steelworkers in the Ruhr, but this union failed to keep pace with mass sentiment for revolutionary industrial unionism and was quickly superseded by the communist Freie Arbeiter-Union (Gelsenkirchen) and Union der Hand- und Kopfarbeiter". So Larry D. Peterson, The One Big Union ..., a.a.O., S.64.
317.) Marcel van der Linden, Vorläufiges zur vergleichenden Sozialgeschichte des Syndikalismus, in: Anarchismus und Politik ..., a.a.O. (wie Anm. 210), S.45-63.
318.) A.a.O., S.46.
319.) A.a.O., S.48.
320.) Interessant dazu der Versuch, den organisationsgeschichtlichen Verlauf der revolutionär-syndikalistischen Bewegungen in 10 Ländern in einem tabellarischen Überblick darzustellen; siehe a.a.O., S.51.
321.) Revolutionary Syndicalism. An International Perspective, Ed. by Marcel van der Linden and Wayne Westergard- Thorpe, Veröffentlichung für 1990 vorgesehen im Gower-Verlag, Aldershot/GB, ca. 400 S. Das Buch wird die Porträts folgender Organisationen enthalten: CGT/Frankreich (Barbara Fountain Mitchell), NAS/Niederlande
[Forts. Anm. 321] (Marcel van der Linden), SAC/Schweden (Lennart K. Persson), FAUD(AS)/Deutschland (Hans Manfred Bock), Labour unrest, ISEL/Großbritannien (Joseph White), CNT/Spanien (Antonio Bar), CGT/Portugal (Bernhard Bayerlein, Marcel van der Linden), USI/Italien (Charles Bertrand), OBU, IWW/Kanada (David Bercuson), FORA/Argentinien (Ruth Thompson), CGT/Mexiko (John Hart), IWW/USA (Melvin Dubofsky), IAA (Wayne Westergard-Thorpe).
322.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland. Band 1: 1945-1965, Hannover 1972; vgl. auch ders., Der deutsche Anarchismus seit dem Ende des 2. Weltkrieges, in: Politische Vierteljahresschrift, Jg.13 (1972), S.335-347.
323.) Der Band enthält zahlreiche Faksimiles und paraphrasiert über weite Passagen das Selbstverständnis der dargestellten Gruppierungen. Die Kommentare des Autors beziehen sich nicht auf einen vorgegebenen Diskussionsstand der Anarchismusforschung, sondern sind sehr oft metaphorisch (mit einer Vorliebe für organologische Bilder). Die historischen Referenzen sind bisweilen irrtümlich; so war sicherlich Rudolf Oestreich niemals Mitglied der FAUD(AS); vgl. Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S.141. Aufgrund der historischen Unzulänglichkeiten sind die anderen Anarchismusdarstellungen von Günter Bartsch weit weniger interessant als seine Arbeiten zum Nachkriegsanarchismus. Vgl. Günter Bartsch, Der internationale Anarchismus, o.O. (Hannover) 1972; ders., Schulen und Praxis des Anarchismus, Troisdorf 1974.
324.) Vgl. Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland, Bd.1, a.a.O., S.32ff.
325.) Siehe a.a.O., S.218-225.
326.) A.a.O., S.141ff.
327.) Siehe a.a.O., S.65ff.
328.) A.a.O., S.75ff.
329.) A.a.O., S.185ff. Ab 1949 war Georg Hepp/Frankfurt/M. Leiter der Gilde.
330.) Rudolf Rocker, Zur Betrachtung der Lage in Deutschland. Die Möglichkeit einer freiheitlichen Bewegung. Mit einem Vorwort von Helmut Rüdiger; New York 1947; Neuausgabe: Frankfurt/M. 1978. Zur Diskussion über die Schrift in Deutschland siehe Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland, ..., a.a.O., S.96-130, und Peter Wienand, Der "geborene" Rebell. Rudolf Rocker ..., a.a.O. (wie Anm. 118), S.432-442.
331.) Siehe Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S.103.
332.) Siehe dazu besonders Helmut Rüdiger, Föderalismus. Beitrag zur Geschichte der Freiheit, Berlin 1979 (zuerst: Stockholm 1947), S.254-261.
333.) Souchy lebte von 1942 bis 1948 in Mexico und ließ sich erst in den sechziger Jahren wieder in der Bundesrepublik Deutschland nieder. In den fünfziger Jahren arbeitete er im Auftrag des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften und des Internationalen Arbeitsamtes als Experte überwiegend in Ländern der Dritten Welt.
334.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S.200f., merkt dazu an, die ehemaligen Anarchosyndikalisten seien (insbesondere durch den "Fall Zensl Mühsam") "weitgehender in das Schema des Kalten Krieges" eingefügt worden als ihnen das lieb sein konnte, "obwohl diese Einfügung gleichzeitig als eine Art Schutzbrief gegen Verfolgungen in Westdeutschland wirkte".
335.) Vgl. dazu Margaret Vallance, Rudolf Rocker, a biographical sketch ..., a.a.O. (wie Anm. 311), S.95.
336.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S.188ff.
337.) A.a.O., S.199-204. Vgl. auch Rudolf Rocker, Der Leidensweg von Zensl Mühsam, Frankfurt/M. o.J. (1949); die Broschüre erschien im Verlag der FFS.
338.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S.179.
339.) Augustin Souchy schrieb dort gelegentlich. Vgl. vor allem seinen Nachruf auf Rudolf Rocker in: Geist und Tat, Jg. 13 (1958), S.339ff.
340.) Siehe dazu Rudolf Rocker, Ein Offenes Wort, in ders., Aufsatzsammlung. Band 2: 1949-1953 ..., a.a.O., (wie Anm. 132), S.90ff.
341.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland, Band 2/3: 1965-1973, Hannover 1973.
342.) Vgl. dazu Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland 1945-1985, Grafenau-Döffingen 1988, S. 102-109.
343.) Willy Huppertz kam ebenso wie Otto Reimers aus der Tradition einer organisationsfeindlichen Absplitterung der AAUE der Weimarer Republik um die Zeitschrift "Proletarischer Zeitgeist"; siehe dazu meine Darstellung in: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland ..., a.a.O., S.152. Zur "Befreiung" siehe eingehend Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland ..., a.a.O., S.47ff und S.144ff.
344.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland. Bd.2/3 ..., a.a.O., S.170ff.
345.) Siehe a.a.O., S. 154-164.
346.) Da die zwanzigste Jährung der Ereignisse des Jahres 1968 in Deutschland keinen Anlaß gab zu neueren Studien, siehe dazu noch immer Margareth Kukuck, Student und Klassenkampf. Studentenbewegung in der BRD seit 1967, Hamburg 1974, S.57-87, und meine Darstellung in: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland ..., a.a.O., S.170-280; als Dokumentation siehe vor allem: Subversive Aktion. Der Sinn der Organisation ist ihr Scheitern. Hrsg. von Frank Böckelmann und Herbert Nagel, Frankfurt/M. 1976.
347.) Zitiert in: Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland. Bd.2/3 ..., a.a.O., S.214.
338.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., S. 179.
349.) Vgl. dazu meinen Forschungsüberblick über diese marxistischen Bewegungen: Neuere Forschungen zur Holländischen Marxistischen Schule, in: IWK, Jg.24 (1988), H.4, S.516-538.
350.) Vgl. dazu Hans Manfred Bock, Bibliographischer Versuch zur Geschichte des Anarchismus und Anarchosyndikalismus in Deutschland, in: Jahrbuch Arbeiterbewegung. Theorie und Geschichte, Bd.l, Frankfurt/M. 1976, S.330-334, und das Verzeichnis der Neudrucke links- und rätekommunistischer Schriften in meinem Buch: Geschichte des "linken Radikalismus" in Deutschland ..., a.a.O., S.354-370. Eine Fortschreibung der Bibliographie der inzwischen in die Größenordnung von mehreren Hundert gehenden anarchistischen Schriftenneudrucke steht noch aus.
351.) Gert Holzapfel, Vom schönen Traum der Anarchie ..., a.a.O., S.140.
352.) Vgl. dazu Margareth Kukuck, Student und Klassenkampf ... a.a.O., S.97, und: Gert Langguth, Protestbewegung am Ende. Die Neue Linke als Vorhut der DKP, Mainz 1971.
353.) Gert Holzapfel, Vom schönen Traum der Anarchie ..., a.a.O., S.4.
354.) Horst Stowasser, Anarchismus heute. Definition, Bewegung, Kritik. Vortrag in der Evangelischen Akademie Arnoldshain, 24.01.1986, als Manuskript gedruckt, S.16.
355.) Auch die thematisch interessant erscheinenden Beiträge wie die im Folgenden genannten geben keine Klärung des Verhältnisses zwischen Neuen Sozialen Bewegungen und Neoanarchismus: Ulrich Linse, Alternativbewegungen und Anarchismus. Einige Vorüberlegungen, in: Anarchismus in Kunst und Politik ..., a.a.O. (wie Anm. 210), S.64-78; Rolf Schwendter, Strömungen und heutige Erscheinungsformen des Anarchismus, in: Christentum und Anarchismus. Beiträge zu einem ungeklärten Verhältnis. Hrsg. von Jens Harms, Frankfurt/M. 1988, S.38-54.
356.) Joachim Raschke, Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt/M. und New York 1985, S.412.
357.) Karl Werner Brand, Detlef Büsser und Dieter Rucht, Aufbruch in eine neue Gesellschaft. Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik, Frankfurt/M. und New York, 2. Aufl., 1984, S.255.
358.) Horst Stowasser, Anarchismus heute ..., a.a.O., S.12, schreibt dazu: "Tatsache ist jedenfalls, daß die anarchistische Bewegung, deren Stärke man auf mindestens 10.000 Menschen schätzen muß, im Vergleich zu ihrer Stärke relativ wenig tatsächlichen Einfluß auf das reale, soziale und kulturelle Leben unseres Landes nimmt".
359.) Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland ..., a.a.O., Bd.2/3, S.179ff.
360.) Gert Holzapfel, Vom schönen Traum der Anarchie ..., a.a.O. (wie Anm. 8).
361.) Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland 1945-1985 ..., a.a.O. (wie Anm. 342). Mit der Bibliographie der anarchistischen Presse in Deutschland von Jochen Schmück (siehe Anm. 187) und der Arbeit von Jenrich ist jetzt ein recht guter Überblick über diesen Aspekt der Geschichte des Anarchismus in Deutschland ermöglicht. Die bei Jenrich genannte Arbeit: Rudolf Kaglin, Die Presse des Anarchismus in Deutschland von 1918 bis 1933, Diplomarbeit, Dortmund 1984, war mir nicht zugänglich.
362.) Holger Jenrich, a.a.O., S.141.
363.) Zum Begriff des pragmatischen Anarchismus und zu seiner angelsächsischen Provenienz vgl. Peter Lösche, Anarchismus ..., a.a.O. (wie Anm. 3), S.146ff.
364.) Als Nachrufe in der Form politisch-biographischer Skizzen siehe Walter L. Bernecker, In memoriam Augustin Souchy, in: IWK, Jg.20 (1984), H.1, S.1f.; Hans Manfred Bock, Augustin Souchy, ein anarchistischer Moralist, in: Links. Sozialistische Zeitung. Jg. (1984), Nr.168, S.28f.; vgl. auch ders., Augustin Souchy, in: Lexikon linker Leitfiguren. Hrsg. von Edmund Jacoby, Frankfurt/M. und Wien 1988, S.344ff.
365.) Freie Arbeiter-Union/IAA, Anarcho-Syndikalismus in Deutschland ..., a.a.O. (wie Anm. 11), S.17.
366.) Horst Stowasser, Anarchismus heute ..., a.a.O. (wie Anm. 354), S.8.
367.) Holger Jenrich, anarchistische Presse in Deutschland ..., a.a.O., S.195ff.
368.) Vgl. a.a.O., S.141ff.
369.) Siehe a.a.O., S.166ff ihr Porträt.
370.) U.a. mit spanischsprachigen Periodika für Arbeitsmigranten; siehe a.a.O., S.186f.
371.) Horst Stowasser, Leben ohne Chef und Staat. Träume und Wirklichkeit der Anarchisten, Frankfurt/M. 1986, S. 162.
372.) Siehe Joachim Raschke, Soziale Bewegungen ..., a.a.O. (wie Anm. 356), S.398ff.
Aus: IWK - Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 25. Jg., Heft 3, September 1989. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Autors.