Was tun, wenn`s brennt?

Der folgende Text orientiert sich an der Rechtshilfeinfo der Roten Hilfe aus Deutschland. Bei einigen Teilen müssen ÖsterreicherInnen beachten, dass es dabei um die deutsche Gesetzeslage geht! Trotzdem enthält "Was tun, wenn´s brennt" viele hilfreiche Tips für Demos & den Umgang mit der Polizei. Die aktuelle Ausgabe der Roten Hilfe für Deutschland gibt es hier als PDF.

Was tun, wenn es brennt? Ruhe bewahren!

So lautet die Grundregel jedes Katastrophenplans und auch unsere, damit deine Verhaftung/Ermittlungsverfahren nicht zu einer Katastrophe wird. Mit Festnahmen bei Demonstrationen und anderen Aktionen, mit Beschlagnahme von Flugblättern, Zeitungen usw., mit Hausdurchsuchungen, mit Strafbefehlen und Prozessen muss heute jede/r rechnen, der/die aktiv am Klassenkampf teilnimmt, gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpft, egal ob als HausbesetzerIn, AKW-GegnerIn, AntifaschistIn, als KommunistIn oder AnarchistIn.

Mit immer neuen Gesetzen wird selbst das Wenige, was der kapitalistische Staat an Meinungsfreiheit, Organisationsfreiheit und Demonstrationsrecht gewährt, eingeschränkt. Die staatliche Repression gegen Linke nimmt noch lange nicht deswegen ab, weil die Linke immer schwächer wird - im Gegenteil, weil die staatlichen Stellen mit wenig organisierter Gegenwehr rechnen (müssen), können sie sich Kriminalisierungsversuche erlauben, die in Zeiten starker Massenbewegungen nicht durchsetzbar wären. Ihre Einschüchterungsversuche und Kriminalisierungsstrategien verfangen grundsätzlich nur in dem Maße, wie es uns nicht gelingt, unsere Vereinzelung aufzuheben und uns gemeinschaftlich zu organisieren. Eine gute Voraussetzung, um die erste Grundregel im "Ernstfall" wirklich beherzigen zu können, ist Vertrauen. Nicht in die göttliche Allmacht, des Schicksals Weg oder die Unzertrennlichkeit von Ying und Yang, sondern Vertrauen auf Genossinnen und Genossen, die sich um einen kümmern, wenn Mensch in der Scheiße sitzt, und die bei den Bullen genauso die Schnauze halten wie du!

Demo-Einmaleins

Klar, es gibt riesige Unterschiede zwischen einer Demo und einer Demo. Oft sagen wir uns, dass bei der Demo sowieso nix passiert und haben auch noch recht damit. Dennoch sollten einige Grundregeln auch auf einer (z.B.) 1. Mai-Demonstration beherzigt werden, weil auch eine solche schon Objekt polizeilicher Aktionen geworden ist.

Vorbereitungen

Versuche, niemals allein zu Demonstrationen gehen zu müssen. Es ist nicht nur lustiger, mit Menschen unterwegs zu sein, die du kennst und denen du vertraust, sondern auch nützlich. Zum einen wird es für Zivibullen und Provokateure des Verfassungsschutzes ungleich schwerer, sich unter die Demo-TeilnehmerInnen zu mischen. Zum anderen ist es leichter, z.B. wenn die Bullen an einer Stelle auf Leute einknüppeln, ruhig zu bleiben und nicht auseinander zu laufen. Profimäßig ist, zusammen zur Demo hinzugehen, auf der Demo und auf dem Nachhauseweg zusammen zu bleiben, sich vorher über mögliche Situationen, die eintreten könnten zu unterhalten, ehrlich zu gucken, wer wann Angst hat (der Macker-Test), und dementsprechend Absprachen für gemeinsames Verhalten zu treffen.

Auf der Demo

Mensch weiß nie, was kommt. Deshalb bleib bei den Leuten, die du kennst. Es kann auch nie schaden, sich unterzuhaken und in Ketten zu gehen. Nicht nur, dass die Stimmung gleich viel besser wird und sich Sprechchöre viel besser koordinieren lassen, nein, sollten die Ordnungswüter, Zivile oder andere Wildgewordene in den Demo-Zug einzudringen versuchen, bieten die Ketten einen verlässlichen Schutz. Deshalb achte darauf, dass zwischen den Ketten keine Lücken entstehen, und fordere Leute, die zwischen den Ketten rumlaufen, auf, sich einzureihen oder woanders zu gehen.


Wenn du Zeuge oder Betroffene von Polizeiübergriffen, Festnahmen u.ä. wurdest, fertige ein Gedächtnisprotokoll an und melde dich beim EA. Ins Gedächtnisprotokoll sollten rein:

Bei Festnahmen

Wirst du selbst festgenommen, mache auf dich aufmerksam (Fluchen!) und rufe deinen Namen, damit sich die Umstehenden diesen merken (ach dafür, Zettel und Bleistift!) und an den Ermittlungsausschuss (EA) weitergeben können. Wieder zu Hause notiere dir die Umstände der Festnahme, ggf. Zeugen, am besten ein richtiges Gedächtnisprotokoll. Dieses sollte der Ermittlungsausschuss bekommen, so es einen gibt, andernfalls erstmal aufbewahren. Oftmals erfahren die Betroffenen erst Monate später davon, dass ein Ermittlungsverfahren gegen sie läuft, dann ist so ein Protokoll Gold wert.


Wenn du meinst, dir würden Sachen vorgehalten, mit denen du gar nix zu tun hast - halt bitte trotzdem die Klappe. Denn was dich entlastet, kann jemand anderen belasten, wenn von zwei Verdächtigen einer ein Alibi hat, bleibt immer noch einer über! Wenn du meinst, du steckst schon so tief im Schlamassel, dass du lieber alles zugeben willst, damit du nicht so hart verknackt wirst, shut up your mouth! Erst nachdem dein(e) AnwältIn Akteneinsicht hatte und ihr euch beraten habt, lässt sich eine gute Strategie festlegen. Wenn du erstmal gequatscht hast, nützt dir auch der/die beste AnwältIn kaum noch was. Außerdem reißt du womöglich unbeabsichtigt andere Leute mit rein. Und ein Argument für ganz Störrische: Ein Geständnis vorm Richtertisch zahlt sich immer mehr aus als bei den Bullen, wenn's denn schon sein muss!

Nach der Festnahme hast du das Recht, zwei Telephongespräche zu führen (deutsche Rechtslage!). Nehme also 2 mal abgezählte 12 Pf. mit. 50 Pf. können die Bullen leider nicht wechseln und annehmen dürfen sie leider auch nicht, weil das ist dann Beamtenbestechung ... Wenn PolizistInnen dir dieses Recht verweigern, nerv' sie, besteh' darauf und droh' mit einer Anzeige. Bei Verletzungen einen Arzt verlangen, der ein Attest anfertigt. Nach der Freilassung einen weiteren Arzt aufsuchen, der ebenfalls Verletzungen attestiert. Bei beschädigten Sachen schriftliche Bestätigung verlangen. Bei ED-(erkennungsdienstlicher) Behandlung (Fotos/Fingerabdrücke) lege sofort Widerspruch ein und lasse diesen protokollieren.

Wie lange musst du brummen? (deutsche Rechtslage!)


Laß dich nicht hängen und halte durch: "Wenn der Richter gestanden hat, holen wir dich raus!"; "In Russland haben sie die Revolution auch nicht an einem Tag gemacht!"; "Mühsam nährt sich das Eichhörnchen!"; "Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter!" Solche und ähnliche Durchhalteparolen versüßen den Knastaufenthalt zwar auch nicht entscheidend, aber was willst du machen ...

Wenn du wieder draußen bist

Melde dich unbedingt beim EA wieder an und bei deinem/r AnwältIn und dann kannst du dich hoffentlich verwöhnen lassen und relaxen. Nimmst du diese Verhaltensregeln in Kopf und Bauch auf, bist du gut gerüstet, um gegen die Staatswillkür die Nerven zu behalten.

Bei Hausdurchsuchungen (deutsche Rechtslage!)

Nicht ungewöhnlich ist, dass bei Festgenommenen Hausdurchsuchungen stattfinden, deshalb einige Grundregeln:


Für die Hausdurchsuchung ist eigentlich ein richterlicher Durchsuchungsbefehl erforderlich. Ausnahme: bei Gefahr in Verzug, was meistens von den Bullen behauptet wird. Wenn möglich, solltest du versuchen, bevor die Polizei hereinkommt, jemanden (Nachbarn, Bekannte, Anwältin) anzurufen, kurz sagen, was los ist und den Hörer nicht auflegen, damit am anderen Ende wenigstens ungefähr mitzubekommen ist, was abläuft. Nach dem Grund der Durchsuchung fragen, dieser muss nach § 106 II StPO vor deren Beginn bekannt gegeben werden. Namen und Dienstnummern der BeamtInnen erfragen und hartnäckig Beschwerde einlegen. Verlange, dass ein Raum nach dem anderen durchsucht wird, da du das Recht hast, bei der Durchsuchung dabei zu sein (§ 106 I StPO). Versuche die Durchsuchung solange hinauszuzögern, bis Zeugen eingetroffen sind.

Nach der Durchsuchung ein Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände anfertigen lassen. Wenn nichts beschlagnahmt wurde, lass dir das bescheinigen. Außerdem schriftliche Mitteilung über den Grund der Durchsuchung verlangen. Auf beides hast du Anspruch, der allerdings verfällt, wenn er nicht geäußert wird (§ 107 StPO). Auf keine Fall irgendwas selbst unterschreiben, da nicht auszuschließen ist, dass die Polizei später noch etwas hinzufügt.

Ermittlungsverfahren, Vorladungen, Strafbefehle, Prozesse (deutsche Rechtslage!)

Wochen oder Monate nachdem du dich an irgendeiner Aktion/Demo beteiligt hast, bekommst du Post von den Bullen oder der Staatsanwaltschaft, manchmal rufen sie auch an. Egal ob du Zeuge oder Beschuldigte in ihrem Spielchen sein sollst, jetzt wird es Zeit, sich mit dem Ermittlungsausschuss, wenn das 'ne feste Gruppe ist, einer Bunten Hilfe oder uns, der Roten Hilfe, in Verbindung zu setzen. Gemeinsam können wir überlegen, was zu tun ist, ob bzw. welche(r) AnwältIn eingeschaltet werden soll, wie wir darauf politisch antworten. Auch hier gilt immer noch: keine Aussage! Zu den Bullen brauchst du eh nicht hingehen, bei der Staatsanwaltschaft musst du zumindest erscheinen und Angaben zur Person machen. Der Rest muß im Einzelfall entschieden werden. Das, was sie wollen, dich alleine herausgreifen und einschüchtern, funktioniert nur solange, wie du ihr Spiel mitspielst. Wenn wir uns gemeinsam wehren, funktioniert ihre Vereinzelungsstrategie schon lange nicht mehr, kann der Charakter eines Prozesses, dessen Sinn es ist, zu entsolidarisieren, umgekehrt werden.

Wer ist die Rote Hilfe?

Die Rote Hilfe versteht sich als überparteiliche bundesweite Schutzorganisation der gesamten Linken. Sie existierte bereits in der Weimarer Republik und wurde vor 17 Jahren neu gegründet. Unsere Unterstützung gilt allen, die als Linke wegen ihres politischen Handelns, wegen presserechtlicher Verantwortlichkeit für staatsverunglimpfende Schriften, wegen Teilnahme an wilden Streiks, wegen Widerstand gegen polizeiliche Übergriffe oder wegen der Unterstützung der Zusammenlegungsforderung für politische Gefangene ... ihren Arbeitsplatz verlieren, vor Gericht gestellt, verurteilt werden. Wir organisieren sowohl politische wie auch materielle Solidarität für die Betroffenen. Die Unterstützung für die Einzelnen soll zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein. Jede und Jeder, der/die sich am Kampf beteiligt, soll das im Bewusstsein tun können, dass sie auch hinterher nicht alleine dastehen.

Wie unterstützt die Rote Hilfe?

Vermittlung von geeigneten RechtsanwältInnen, finanzielle Hilfe bei hohen Prozess- und Anwaltskosten, Prozessvorbereitung und Öffentlichkeitsarbeit, persönliche Betreuung von inhaftierten GenossInnen. Öffentlichkeitsarbeit gegen staatliche Repression.

Wie funktioniert die Arbeit?

Bei uns gibt es die aktive und passive Mitgliedschaft. Alle Mitglieder sorgen durch ihre Beiträge und Spenden für den finanziellen Grundstock der Roten Hilfe. Dabei ist es unser Ziel, dass es zur Selbstverständlichkeit für fortschrittliche Menschen wird, in dieser Schutzorganisation Mitglied zu sein. Die aktiven Mitglieder sorgen durch Spendensammlungen und Solidaritätsveranstaltungen für weitere Mittel zur Finanzierung unserer Arbeit. In einigen Städten, z.B. Berlin, Hamburg, Kiel, Bielefeld oder Heilbronn gibt es Ortsgruppen, in anderen Aktivengruppen oder nur Einzelmitglieder. Es gibt einen Bundesvorstand, der alle zwei Jahre von einer Bundesdelegiertenversammlung gewählt wird, vierteljährlich erscheint die Zeitung der Roten Hilfe, die alle Mitglieder erhalten. Wer Unterstützung braucht oder Mitglied werden möchte, richtet sich entweder an seine Ortsgruppe oder den Bundesvorstand, dort sind auch Infomaterial, Beitrittserklärungen und weitere Kontaktadressen zu erhalten. Dort gibt es auch für 3.- € in Briefmarken die Broschüre "Aussageverweigerung und Verhörmethoden", in der es um die Aussageverweigerung als BeschuldigteR und als ZeugIn, um Beugehaft und Verhörmethoden geht.

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