RKAS - Einige Gedanken zur Arbeiterbewegung, ihrem Zustand und dem Ausweg aus der Krise

Die Krise der Arbeiterbewegung in der Ukraine ist offensichtlich. Sogar jener Teil der Arbeiterklasse, der in Gewerkschaften organisiert ist, befindet sich entweder in einem lethargischen Dämmerzustand, oder flammt in krampfhaften isolierten Protestaktionen auf (Streiks etc.), die schnell ergebnislos verklingen. Die zahlenmäßig geringen Gruppen von Arbeiteraktivisten fragen sich immer häufiger und quälender: „Was ist zu tun?“ Doch bevor eine Antwort auf diese Frage gesucht wird, d.h. Auswege für die Arbeiterbewegung, ihre Aktivierung und vor allem ein Anwachsen ihrer Ergebnisse – müssen die eigenen Positionen bestimmt werden: was soll die Bewegung anstreben? Und erst nachdem Klarheit über die anzustrebenden Ziele geschaffen wurde, kann damit begonnen werden Wege zu suchen, um sie zu erreichen.

Bei aller Vielfalt der möglichen Antworten, führen sie letztendlich lediglich zu zwei Möglichkeiten: entweder ist das Ziel der Arbeiterbewegung – eine Verbesserung seiner Lage im Rahmen der bestehenden Gesellschaft (Reformismus), oder – eine Änderung seiner Lage durch die Veränderung der gesamten Gesellschaft, den Bruch ihrer überlebten und schädlichen Einrichtungen und Institutionen (soziale Revolution).

Die Sackgasse der Reformen

Es könnte scheinen, dass das Anstreben einer Lebensverbesserung für die Mehrheit der Bevölkerung auf friedlichem Wege, durch rein ökonomischen Kampf einfacher sei, als sich „Revolutionen auszudenken“. So kann sich leicht einbildet werden, dass im Ergebnis einer legalen, der „zivilisierten Gesetzgebung“ entsprechenden Gewerkschaftstätigkeit, vielleicht gar mit der Zustimmung irgendwelcher „linken“ „oppositionellen“ Parteien (vielleicht nicht gleich jetzt, aber doch mit der Zeit) hohe Löhne und Renten, Vergünstigungen für Beschäftigte bei schädlicher und schwerer Arbeit, und letztendlich ein staatlicher Schutz der Arbeit erlangt werden könne. Denn auch der „heimatliche Staat“ behauptet immerfort sein Anliegen „die Politik der Sozialpartnerschaft und den Schutz aller Seiten der Produktionsverhältnisse“ gewährleisten zu wollen. Die Lebensbedingungen in der UdSSR sind vielen noch frisch in Erinnerung, wo es natürlich auch „vorübergehende Schwierigkeiten“ gab, aber wo es sich dem Schein nach leichter leben liess.

Tatsächlich sind solche Gedanken völlig utopisch. Der Kapitalismus braucht nun mal keine Massen an hochvergüteten Arbeitern! Er kann hervorragend mit billigster Arbeitskraft auskommen und wird niemals irgendwelche Zugeständnisse freiwillig machen. Seid ihr bereit für ein und dieselbe Ware nicht eine Griwna zu zahlen, wie überall, sondern zehn? – Na also, – warum soll der Kapitalist aus freiem Willen nicht ein Gehalt von 300-500$ zahlen, wie fast überall in der Ukraine, sondern 3-5000$, wie vielleicht irgendwo in den Staaten? Die Spielregeln im Kapitalismus bestimmen die Kapitalisten selbst, – die Eigentümer. Wie es sich nach ihren Spielregeln leben lässt, haben bereits alle am eigenen Fell zu spüren bekommen.

Also ist der Ausweg vielleicht – für Verbesserungen zu kämpfen, ohne seine Aufgaben und Forderungen an den Kapitalismus, als System der gesellschaftlichen Organisation zu stellen? D.h. ohne den Anspruch, die oben erwähnten Spielregeln zu verändern, um Gott behüte! – nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, nicht den Spießer mit der Revolution zu ärgern, nicht „die alten Fehler der Arbeiterbewegung zu wiederholen“? – Wohl, für eine gewisse Zeit kann eine besonders erfolgreiche Aktion (Streik etc.) ein Zugeständnis bei den Herren bewirken. Aber das Eigentum, die Herrschaft und die Macht bleiben ihnen erhalten. Die Lohnerhöhung wird schon bald von der Inflation gefressen, und das Problem der Arbeitslosigkeit kann nicht durch bekritzeln von Papierchen, durch Regierungserlasse behoben werden. Also – wieder streiken, für Krümel vom Herrschaftstisch, für kleine Bettelgabenverbesserungen – die sich bald wieder auf ein Nichts reduzieren? Und so endlos spukhaften Zielen nachlaufen, wie ein Eichhörnchen im Rad? Ist dies das Ideal, welches die Arbeiterbewegung beseelen soll?

Für besonders Vertrauensselige gegenüber Einflüsterungen der bürgerlich-staatlichen Propaganda (über die Wege zum marktwirtschaftlichen Erblühen und europäisch-demokratische Werte), werden wir dies dennoch genauer erklären. Euch wird erzählt, dass der Kapitalismus seine Fähigkeit bewiesen habe, das Leben aller Menschen zu verbessern, daher „gibt es halt keinen anderen Weg“. Im Fernsehkasten werden euch bunte Bilderchen über das satte und zufriedene Leben in den entwickelten kapitalistischen Ländern gezeigt. Aber ausgeschwiegen wird sich darüber, wie es sich in den kapitalistischen Argentinien, Indien und Simbabwe lebt. Dies ist nicht aufrichtig. Es mag sein, dass der ehemalige Ingenieur Kutschma, die Buchhalterin Timoschenko und der Autoschlosser Janukowitsch in der gegenwärtigen ukrainischen Gesellschaft begonnen haben besser zu leben. Aber man muss das Augenmerk auf die Veränderungen richten, welche die Mehrheit betreffen und nicht einzelne, wenn auch bekannte Akteure.

Kein einziges Land, welches sich seit der Mitte des 20. Jahrhunderts auf dem Wege des Kapitalismus entwickelt, hat den „blühenden Durchbruch“ geschafft. 1960 haben die reichsten 20 % der Weltbevölkerung 30 Mal mehr verbraucht, als die ärmsten 20 %. Es sind einige Jahrzehnte kapitalistischer Entwicklung vergangen, und 1994 haben die Reichen nicht mehr das 30-fache erhalten, sondern das 78-fache. Ein Jahr später das 82-fache. Von sechs Milliarden der Weltbevölkerung, hat mehr als eine Milliarde täglich Nahrungsmangel, 1,2 Milliarden leben in Slums. Diese Zahlen, welche das Niveau der vom Kapitalismus organisierten Weltarmut zeigen, wachsen täglich. Zugegeben, es wächst auch der Wohlstand einzelner Bürger – 1982 gab es in den USA 13 Milliardäre, 1999 gab es bereits 149. Macht euch das persönlich glücklich? Wenn noch einige Zeit vergeht – in welcher Kategorie werden wir uns wohl mit unseren Angehörigen befinden – in jener einzelner Milliardäre, oder unter den Milliarden der Armut?

Die Tendenz zur Massenverarmung macht sich sogar in der Hochburg des entwickelten Kapitalismus deutlich bemerkbar – in den USA. In den 1960-er Jahren haben die „unteren“ Bevölkerungsschichten dieses Landes 69 % der gesamten Landeseinnahmen bekommen, in den 90-er Jahren waren es nur 59 %. Wohin sind die 10 % verschwunden? – Sie werden zusätzlich von der Oberschicht verbraucht. Ganz klassisch: die Reichen werden reicher, die Armen ärmer.

Und solange es Kapitalismus und Herrschaft gibt, – werden keine Streiks und Kundgebungen, Hungerstreiks und Petitionen, Gebete und Wahlen etwas daran ändern.

Die sozialistische Alternative

Der Ausweg ist eine soziale Revolution, d.h. die radikale Veränderung der gesamten Gesellschaft. Dies kann nur durch Massenaktionen erreicht werden, durch die Bemühungen der Mehrheit der Werktätigen. Dies ist eine Perspektive, dabei eine sehr ferne, auf Jahre berechnete, denn es ist offensichtlich – die Massen sind gar nicht revolutionär und befinden sich in einem Zustand knechtischer Unterwürfigkeit. Daher besteht gegenwärtig die Hauptaufgabe der Arbeiter- und anderer revolutionärer Aktivisten darin – die Leute aufzuwiegeln, der Klasse der Produzenten zu helfen die eigene Apathie und Verzweiflung zu überwinden. Den einfachen Gedanken zugängig zu machen – dass es eine reale Alternative zum Staat und Kapitalismus gibt. Sich damit zu beschäftigen, was man Agitation und Propaganda nennt. In welcher Form kann dies geschehen?

Wie vormals durch Verbreitung revolutionärer anarchistischer Literatur: Zeitungen, Flugblätter, Plakate, Zeitschriften. Das Verteilen und Plakatieren in unmittelbarer Nähe der Betriebe oder – nach Möglichkeit – im Betrieb selbst. Das, womit sich die RKAS nicht das erste Jahr beschäftigt, um die Schichten der von der Propaganda Erfassten auszudehnen.

Organisation von Kundgebungen, Vorträgen und Auftritten. Zur Entwicklung der Verteilung von Presseerzeugnissen müssen Bibliotheken revolutionärer Literatur (bis hin zu Büchern) in den Betrieben eingerichtet werden. (In Dnjepropetrowsk gibt es die Erfahrung einer solchen in einer Weichenfabrik. Die Bibliothek enthielt anarcho-syndikalistische Ausgaben und Werke revolutionärer Marxisten).

Propagandistische Tätigkeit von Arbeitern und revolutionären Aktivisten wird seit langem geführt, wenn auch ohne spürbare Ergebnisse. Dies wird sich wahrscheinlich noch über einen evtl. langen Zeitraum so fortsetzen. Aber ohne eine Änderung des Massenbewußtseins verliert jede andere Tätigkeit überhaupt einen Sinn. Man kann sich damit zufrieden geben: die Zeit arbeitet für uns, und der Sieg wird unser sein.

Arbeiterfeindliche Gesetzgebung: Demagogie und Hinterhältigkeit

Das Problem des Niedergangs der Massenaktivität ist das bedeutendste für die Arbeiterbewegung, wenn leider auch nicht das einzige. Ein weiteres Problem besteht darin, dass praktisch alle Gewerkschaften, auch die unabhängigen, im Einklang mit der Gesetzgebung agieren. Und es liegt überhaupt nicht daran, dass uns Anarchisten, Gegnern geschriebener Gesetze, die blinde Befolgung der Papierwische als Unfug erscheint. Es liegt daran, dass die Gesetze im Sinne der Herrschenden verabschiedet werden und die gegenwärtige Arbeitsrechtsgesetzgebung eindeutig darauf abzielt jede wahrhafte Arbeiterbewegung zu brechen. Dies kann sogar anhand einer flüchtigen Analyse solch wichtiger Gesetze anschaulich gemacht werden, wie dem „Gesetz über die Gewerkschaften, ihre Rechte und Garantien ihrer Tätigkeit“ und „Über Arbeitskonflikte“ (beide 1999 verabschiedet).

Das Gesetz über die Gewerkschaften enthält eine Menge demagogischer Artikel über die Rechte und Garantien für die Gewerkschaften und ihre Funktionäre. Aber all diese Rechte laufen auf eines hinaus: das Recht seine Meinung zu äußern. Zum Beispiel muss die Gewerkschaft vom Arbeitgeber über anstehende Entlassungen und ihre Gründe informiert werden. Sie kann daraufhin ihren Willen zur Reduzierung der Anzahl der zu Entlassenden äußern und sogar konkrete Vorschläge zu diesem Thema vorbringen (Art. 22). Nur ein Recht gibt es nicht – übrigens eines, welches in dem Gesetz vor 1999 enthalten war: ein Verbot der „Befreiung“ „überflüssiger“ Arbeiter auszusprechen. Ohne dies wird das „Recht zum Schutz vor Arbeitslosigkeit“ zu einem unschädlichen Gewinsel des Gewerkschaftskomitees vor den Vorgesetzten: „Diese werden zuhören… und fressen.“

Die Gewerkschaften sind berechtigt vom Eigentümer des Betriebes jegliche Information zu den Ergebnissen wirtschaftlicher Tätigkeit im Betrieb zu erhalten („die angegebene Information muss binnen drei Tagen zur Verfügung gestellt werden“ Artikel 28). Leider wird diese Bestimmung durch ein anderes Gesetz völlig außer Kraft gesetzt. „Über das Geschäftsgeheimnis“ – nach welchem die Eigentümer selbst bestimmen, was dieses schreckliche Geheimnis darstellt. Daher werden Zahlen und Tatsachen nach gesetzlicher Einforderung zur Verfügung gestellt, aber sie dürfen nicht „öffentlich gemacht“ werden. Im Idealfall wird die nötige Information – zum Beispiel über vorhandene Mittel auf den Geschäftskonten – dem Vorsitzenden des Gewerkschaftskomitees ausgehändigt werden, – gegen Unterschrift, dass sie nicht öffentlich gemacht wird, inklusive strafrechtlicher Verantwortlichkeit. Welchen Nutzen hat man von solch einem Recht auf Information?

Gewerkschaften haben das Recht Tarifverträge zu unterzeichnen und sich sogar bei Staatsorganen und Gerichten zu beschweren, wenn diese durch die Eigentümer gebrochen werden. Dies ist klar und deutlich im Artikel 20 ausgeführt. Zittern und fürchten sich die Bourgeois? Aber wie! Es gibt keinerlei Gesetze oder Festlegungen, die ihre Verantwortlichkeit im Falle des Überschreitens eines Tarifvertrages regeln. Das Maximale, was auf gerichtlichem Wege erreicht werden kann, ist ein Ausdruck des Bedauerns gegenüber der betroffenen Belegschaft, und ein undeutliches Gestammel (Na, na, na!), welches die böse Geschäfstleitung verurteilt. Und der Sinn des Ganzen?

Übrigens zu den Tarifverträgen. Eine völlig neue Lage in der Gesetzgebung (im Vergleich zur vorherigen, sowjetischen) ist die Institution des „vereinigten Vertretungsorganes“, an welcher sich alle Gewerkschaften des jeweiligen Betriebes beteiligen müssen. Das gültige Gesetz läßt alle Gewerkschaften die sich der „Einigung“ verweigern, bedeutungslos werden. Sie werden aus dem Verfahren zur Erstellung und Unterzeichnung von Tarifverträgen und anderen legalen Verfahren zum Schutz der Interessen der Werktätigen ausgeschlossen. Unter den Bedingungen der proportionalen Vertretung in der „Vereinigung“ (je mehr Mitglieder die Gewerkschaft hat, umso mehr Plätze in der „Vereinigung“), ist es klar, dass unabhängige Gewerkschaften es unsagbar schwer haben werden Beschlüsse des „Vertretungsorganes“ zu beeinflussen. Die Mitgliedschaft von Arbeitern in einer arbeitgeberhörigen „Taschengewerkschaft“, werden sie, die Arbeitgeber, zu gewährleisten wissen.

Und letztendlich: Gewerkschaften und ihre Unterteilungen, bis hin zu den Basisgruppen, wurden zu juristischen Personen erklärt. Ist dies gut oder schlecht? Juristische Personen können Eigentum besitzen, Konten eröffnen etc. Das ist scheinbar gut. Dafür tragen juristische Personen auch eine gerichtliche Verantwortung für ihre Tätigkeiten, die anderen juristischen Personen Schaden zugefügt haben. Das ist zweifellos schlecht. Wir erklären es: ein Streik, welcher dem Eigentümer des Betriebes materiellen Schaden zugefügt hat (darunter auch in Form eines eingeplanten, aber nicht erhaltenen Gewinnes) kann damit enden, dass die Gewerkschaft auf gerichtlichem Wege dazu verurteilt wird, die an den „armen Bourgeois“ begangenen Schäden zu begleichen. Wie viele Streikwillige wird es unter diesen Bedingungen wohl geben?

Was das Gesetz über Arbeitskonflikte angeht – dieses haben wir bereits in einer der vergangenen Ausgaben des „Anarcho-Syndikalist“ 1998 eingehend analysiert. Wir wiederholen daher nur das Ergebnis jenes Artikels: das Gesetz ist darauf gerichtet, Streiks – das machtvollste Kampfmittel des friedlichen Arbeitskampfes, welches die Geldbörsen der Eigentümer trifft – möglichst unmöglich zu machen. Dazu wurde eine langwierige Prozedur von Vorfeldverhandlungen ersonnen. Dazu wurden Schlichtungskommissionen erfunden. Dazu wurde ein ganzes staatliches Komitee zur „Verhütung von Arbeitskämpfen“ gebildet.

Es kann nur ein Schluß daraus gezogen werden: weder die gültige Gesetzgebung, noch – und das ist die Hauptsache – die realen Beziehungen zwischen Arbeitermasse und der Betriebsverwaltung lassen eine Möglichkeit offen, einen Kampf für die wahrhaften Interessen der Arbeiter legal im Rahmen der Gesetze zu führen. Die existierenden Gewerkschaften werden immer größere Schwierigkeiten bei ihrer Arbeit haben. Eine offene (legale) Bildung neuer Gewerkschaften, sogar nicht revolutionärer, wird praktisch unmöglich. Oder um es einfach zu sagen: wenn im Land eine gewaltige Arbeitslosigkeit herrscht, und man daher nicht von einer inneren Solidarität der Werktätigen sprechen kann, werden Arbeiteraktivisten für Versuche offener Betätigung sofort die Tore gewiesen werden.

Zurück in den Untergrund

Wenn es keine Möglichkeiten gibt legal zu wirken, muss eine bewußte Entscheidung zu Gunsten der illegalen getroffen werden. D.h. die Meinungen und Vorgaben der Gesetze und Beamten ignorieren, selbständig, durch Schaffung von Tatsachen eigene Arbeiterorganisationen bilden (Zellen, Gewerkschaften), die dem wachsamen Auge der Eigentümer und ihrer Mitläufer aus den Reihen der Arbeiter verborgen bleiben.

Was können solche Zellen wahrhafter Organisationen der Werktätigen tun?

Zum einen, Propaganda betreiben. Hier werden Flugblätter und andere Medien wohl eine größere Rolle spielen, als mündliche Weitergabe.

Zum anderen – neue Teilnehmer für die eigenen Reihen gewinnen. In Augenblicken scharfer sozial-ökonomischer Auseinandersetzungen (Streiks etc.) kann dies massenhaft geschehen.

Zum dritten – und dies ist die Hauptsache – einen unmittelbaren Kampf für Arbeiterinteressen mit den Methoden der Direkten Aktion führen.

Dies kann die Organisierung von Druck gegenüber der Geschäftsleitung sein (zum Beispiel: eine Flugblattaktion die von unseren anarcho-syndikalistischen Genossen in einem Betrieb der Stadt Kaluscha 1998 durchgeführt wurde, zwang den korrumpierten Leiter den Betrieb zu verlassen. Der Mann hielt die ständigen Konfrontationen und Beleidigungen nicht aus.) Dies kann auch die systematische Vernichtung schriftlicher Anordnungen der Geschäftsleitung sein.

Möglich und nötig ist es, unter guten Voraussetzungen (die Hauptvoraussetzung ist die Stimmung der Belegschaft) an Streiks, Blockaden und ähnlichen schon klassischen Aktionen der Arbeiterbewegung teilzunehmen und sie zu organisieren. Und letztendlich das in der Vergangenheit weit verbreitete Mittel des Arbeitskampfes anzuwenden – die Sabotage. Durch kleine Gruppen von Arbeitern des Unternehmens begangene Schädigungen der Einrichtung u.ä. im Betrieb, mit dem Ziel einer vorübergehenden oder endgültigen Ausschaltung seiner Arbeitsfähigkeit. Der Sinn derartiger Aktionen besteht darin, dass sie maximal schmerzhaft die Geldbörse des Eigentümers treffen, ihre verwundbarste Stelle. Ein Beispiel: wenn im Augenblick, wo eine wichtige und dringende Bestellung eingeht (was meistens auch zur Kenntnis der Belegschaft gelangt), an den Betriebsmitteln und Maschinen Schäden auftreten, oder andere Ursachen des erzwungenen Betriebsstillstandes, hat dies keinen schlechten Einfluss auf das Wohlbefinden der Geschäftsleitung. Einige abgebrochene Aufträge – und diese versteht endlich, dass es einfacher ist, den Lohn regelmässig zu zahlen, anstatt gewinnbringende Aufträge und ständige Geschäftspartner zu verlieren.

Eine andere Möglichkeit besteht in der Unbrauchbarmachung veralteter Einrichtung, welche die Gesundheit und die Arbeit des Werktätigen schädigen. Soll die Geschäftsleitung doch das Geld für eine neue berappeln!

Endlich gibt es keine Ursache dafür, das Auftauchen solcher „Vervollkommnungen“ bei der Produktion zu dulden, die direkt darauf gerichtet sind, die Kontrolle über den Menschen zu verstärken, oder auf anderem Wege seinen Lage verschlechtern.

Das Interessanteste dabei ist, dass die Sabotage kein Ergebnis von Schreibtischgedanken der Theoretiker der Arbeiterbewegung ist: es ist eine Praxis, die nie ausgesetzt hat, sogar zu Zeiten der Sowjetunion und des allmächtigen KGB. Der Autor hörte von Methoden der systematischen Schädigung von neuen importierten Maschinen auf einer Militärfabrik in Dnjepropetrowsk Ende der 70-er Jahre. Ihre Einführung bedrohte die Arbeitsplätze mehrerer Werkhallen. Die Menschen, die nicht ihre hochbezahlte lohnende Arbeit verlieren wollten, machten „im Stillen“ die teuren Neuerungen kaputt, bis die Betriebsleitung die Versuche ihrer Einführung sein ließ. 1998 hat ein von der monatelangen Verzögerung der Gehaltszahlung verzweifelter, unbekannt gebliebener Held der Arbeiterklasse (vielleicht waren es auch mehrere), den Hochofen der Stahlgießerei des „Neftemasch“ in Kaluscha, im Gebiet Iwano-Frankowsk, gesprengt. Vor nicht allzulanger Zeit kam es in Moskau, in einer Firma die auf den Produktionsstrecken ein Stechuhrensystem installieren wollte, welches die Arbeitszeit der Mitarbeiter bis auf die Minute genau überwachen sollte, zu einem klassischen Akt der Sabotage. An der notwendigen Stelle wurden einige Gläschen Salzwasser eingeflößt, und das gesamte System (welches übrigens ca. 4 Mio $ gekostet hatte) brannte infolge eines Kurzschlusses durch. Letztenendes sind auch durchgestochene Reifen und zerschlagene Scheiben vom Chefautomobil herrlich. Es erklärt ihm so schön und überzeugend, wie man sich gegenüber seinen Untergebenen zu benehmen hat.

Um den Effekt direkter Aktionen von illegalen Betriebsgruppen größtmöglich zu machen, muss jede Aktion von einer operativen Verbreitung von Flugblättern begleitet sein. Nur so kann darauf gehofft werden, dass die gegenwärtig passive Masse der Werktätigen, wenn auch nicht sofort nach den ersten Diversionen und Sabotagen, beginnen wird über ihre Lage nachzudenken und Auswege zu suchen.

Vor- und Nachteile

Neben dem Risiko, der Gefährdung der Sicherheit von Aktivisten der illegalen Arbeiterbewegung (mir ist tägliches Risiko lieber, als das viehische Dasein eines Sklaven), kann als einziger Nachteil der Taktik der Direkten Aktion nur die Unmöglichkeit einer Karriere gesehen werden. Die Anführer der „Unabhängigen Gewerkschaft der Bergarbeiter der Ukraine“ (NPGU) Herr Wolynec und Herr Krylow, einst tätige Bergarbeiter und nun verfressene Bürokraten, die sich auf dem Rücken ihrer gestrigen Genossen um Plätze als Abgeordnete reissen (vielleicht werden sie gar noch Minister), benötigen keine Änderungen der Taktik und des organisatorischen Aufbaus der Arbeiterbewegung. Andererseits ist es auch so, dass solche Verräter und Karrieristen von der Arbeiterbewegung nicht benötigt werden.

Die Vorteile der Direkten Aktion sind hingegen jedem bewußten Arbeiteraktivisten klar. Dort, wo keine Möglichkeit besteht die passive Mehrheit zum Kampf zu bewegen, kann eine Gruppe von einigen entschlossenen Menschen sehr viel bewirken.

Der Effekt von unerwartetem Auftreten kann so beeindruckend sein, zumindest in der ersten Zeit, dass es die Eigentümer zwingen kann, ernsthafte Zugeständnisse zu machen. Letztenendes kann es der folgsamen passiven Mehrheit die Möglichkeit bieten zu wachsen, um den Stand ihrer aktiveren Genossen zu erreichen, an deren Beispiel sie lernen können. Und zu guter Letzt: Für erfolgreiche Taten kleiner Aktivistengruppen, müssen sie ihre Aktionen unbedingt koordinieren. Zum Beispiel ist es einfacher Flugblätter durch eine weitverzweigte Organisation verteilen zu lassen, als durch eine kleine Basisgruppe. Also muss die Solidarität entwickelt, eine eigene Arbeiterwelt geschaffen werden, welche der Welt des Kapitals, der Welt der Herrschaft und Unterdrückung Widerstand leistet!

Die Zukunft wird es zeigen: angefangen mit Aktionen kleiner Gruppen, – über die Entwicklung des Massenbewußtseins der Arbeiter, Bauern und Angestellten im Kampfe, – über mächtige zahlreiche Organisationen der Werktätigen, – werden wir zu guter Letzt zu einem freien und glücklichen Leben gelangen, zur Welt des staatslosen Sozialismus – zur Anarchie!

A.Asin, RKAS

Erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift der RKAS „Anarcho-Syndikalist“, Nr. 25, im Jahre 2000

Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2009/10/29/was-ist-zu-tun-ein-beitrag-zu-anarcho-syndikalistischer-strategie-aus-der-ukraine/