Jens Herrmann - "bolo´bolo" und P.M.s "Planetarische Arbeitsmaschine"

Teil 3 der Artikelserie Politische Gemeinschaften aus der Zeitschrift "Rabe Ralf"

Nachdem beim letzten mal die theoretischen Höhen von ÖkofeministInnen und WertkritikerInnen erklommen wurden, stellt dieser Teil einen anderen, eher literarischen - ja gar utopischen - Ansatz vor. Um der immer wieder gestellten Frage zuvorzukommen: P.M. ist die Abkürzung für einen Allerweltsnamen, wie Peter Müller oder Paul Meyer, der hier nur als Pseudonym verwendet wurde - ziemlich subversiv, wie wir sehen werden.

Der Schweizer Autor P.M., Aktivist der HausbesetzerInnenbewegung in Zürich, schrieb 1983 ein kleines Büchlein namens "bolo´bolo", welches ihm in Alternativkreisen große Bekanntheit verschaffen sollte. Gerade für Leute aus der Kommunebewegung scheint das Buch auch heute noch den Kern der Sache zu treffen. Der Science-Fiction Autor P.M. verstrickt sich nicht in wissenschaftlichen Abhandlungen über Gesellschaft und Politik. Ihm geht es um eine grobe Sicht auf die Dinge und vor allem um eine Utopie, denn sein Buch hatte auch einen praktisch-utopischen Teil - den Entwurf einer neuen Gesellschaft...

Für kurze Zeit den Zwängen der Gesellschaft scheinbar entfliehen, das sind Möglichkeiten, die wir haben. Scheinbar einen anderen Weg gehen, sich lösen von den gesellschaftlichen Zwängen, bei denen mensch dann letztlich doch wieder lande: "Die Alltagsmaschine triumphiert über uns."

Doch die Wurzeln des von ihm als "Maschine" bezeichneten Übels liegen schon viel früher begraben, meint P.M. So hätten sich die Menschen in der Altsteinzeit vom Sammeln, Jagen und Fangen von Tieren ernährt, seien in Horden durch die Gegend gezogen und hätten nur zwei, drei Stunden täglich für ihre Reproduktion benötigt. Den Rest der Zeit verbrachten sie mit "Herumdösen, Träumen, Baden, Tanzen, Schmusen und Geschichten erzählen". Und: "Von zwei Millionen Jahren haben wir nur etwa 10.000 Jahre nicht so gelebt. 99,5 Prozent unserer Geschichte sprechen für sich. Die jüngere Altsteinzeit war unser bisher bester Deal; das behauptet wenigstens die neuere Forschung."

Aber vor ein paar tausend Jahren nahm die Geschichte einen verhängnisvollen Fortgang, "eine Art dummer Ausrutscher mit gigantischen Folgen. Jemand muss mit Samen und Pflanzen herumgespielt und so allmählich die Landwirtschaft entdeckt haben. Es schien eine gute Idee zu sein: statt den essbaren Pflanzen nachzulaufen, konnte man sie nun in der Nähe des Lagers wachsen lassen. Aber wir mussten nun mindestens einige Monate am gleichen Ort bleiben, genügend Saatgut zurückbehalten, die Arbeit einteilen, vorausplanen und unmittelbare Bedürfnisse unterdrücken. Statt mit der Natur lebten wir nun von ihr und sahen sie immer mehr als unberechenbaren Partner und manchmal als gemeinen Spielverderber."

So habe die Geschichte der Seßhaftigkeit ihren Lauf genommen, und am Ende sehe es nun so aus: "Statt eines vielfältigen Mit- und Durcheinanders haben wir eine Unterdrückungspyramide aufgebaut: Könige - Männer - Frauen - Kinder - Tiere - Pflanzen. Diese Geschichte war sicher nicht «notwendig», aber die Weichen wurden doch schon sehr früh gestellt." Damit einher gegangen sei auch die Entwicklung der Menschen zum "Staats- und Arbeitsvieh". "Unsere Sippen und Stämme wurden ausgelöscht, wir wurden Fremdlinge auf unserer Erde und standen den hierarchischen Zwangsorganisationen wehrlos gegenüber. Statt zwei Stunden arbeiteten wir nun zehn und mehr auf den Bauplätzen und Feldern der Pharaonen und Cäsaren, starben in ihren Kriegen und wurden nach Belieben herumgeschoben."

Im Industriezeitalter wurde die ganze Gesellschaft und der gesamte Planet zu einer "großen Arbeitsmaschine". Dabei befinde sich die Gesellschaft im permanenten Kriegszustand: "Die Industrie ist immer eine Rüstungsindustrie, auch im «Frieden». Entweder führt sie den Kleinkrieg namens «Alltag» oder den Grosskrieg namens «Krieg». Das eine geht nicht ohne das andere." Auch der Sozialismus sei nichts weiter als ein "neuer Trick der Arbeitsmaschine" gewesen. "Die Herren des Zentrums hatten sich nur anders verkleidet." Sein Fazit: "Einige Tausend Jahre Zivilisation und 200 Jahre Industriegesellschaft haben uns mit einem grossen Kater zurückgelassen. Die «Wirtschaft» ist zum Selbstzweck geworden und droht uns zu verschlingen. Das Hotel «Erde» terrorisiert seine Gäste. Doch wir sind Gäste und Wirte zugleich."

Zentrales Element der herrschenden Gesellschaftsordnung sei die "Planetare Arbeitsmaschine (PAM)", als Verkörperung des Wirtschaftsprinzips. Sie sei global organisiert und werde "durch ein Geflecht von multinationalen Firmen, Banken, Staatsorganen, Brennstoff- und Rohmaterial-Kreisläufen" geplant und gesteuert. Wichtigste Erkenntnis sei, daß die PAM "geradezu von der Energie, die aus ihren inneren Widersprüchen erzeugt wird" lebe (z.B. Arbeiter/Kapital, Privatkapital/Staatskapitalismus, Elend/Verschwendung, Krieg/Frieden). "Die PAM ist kein «hartes», einheitliches Gebilde, sondern sie benützt Widersprüche, um sich umzuformen, auszudehnen und zu verfeinern." Sie basiere auf der Umwandlung menschlicher Energie in Arbeit und Verwandlung von Arbeit in messbare Produkte (Waren). Arbeit sei dabei, wenn mensch die Kontrolle über eine bestimmte Lebenszeit aufgebe, "die in eine unpersönliche, zentral gelenkte Zirkulation" eingehe. Einziges Bewertungsmaß sei das Geld. Ziel der Wirtschaft sei einerseits ihr Wachstum (als Selbstzweck), andererseits, immer bessere Kontrolle über ihre Bestandteile zu erlangen. Die Maschine ist jedoch nicht irgendein ominöses Ding, sondern wir alle sind die Maschine. "Wir stellen die Maschine gegenseitig für uns dar." Selbst wer gerade glaube, der Maschine entkommen zu sein, erfülle eine Funktion als "Außenseiter" (Clochard, Hippie, Yogi, Original etc.).

P.M. macht drei Grundbestandteile und Funktionen der Maschine aus: Information, Produktion, Reproduktion - A, B und C. Jeder Job in der Maschine habe dabei A-, B- und C-Aspekte. Alle drei Funktionen seien für die Maschine lebenswichtig und hingen voneinander ab. Jeder Funktion entspreche ein Typus von Arbeiter: A - der wissenschaftlich-technische Arbeiter, B - der Industriearbeiter und Angestellte und C - der Gelegenheitsarbeiter, Saisonarbeiter etc., also ein "Halb"-Arbeiter. Während A-Arbeiter vor allem in den westlichen Industrienationen anzutreffen seien, wären C-ArbeiterInnen vor allem in Ländern der Dritten Welt anzutreffen. "Diese drei Typen und Funktionen werden überall gegeneinander ausgespielt. (...) Das Spiel der Spaltungen, der relativen Vorteile und «Privilegien», ist sehr reich an Elementen, die verschieden kombiniert werden können: Geschlecht, Rasse, Ausbildung, Volkszugehörigkeit, Religion" etc.

Doch die Maschine habe uns auch einiges zu bieten, weshalb wir letztlich bereit seien, das Leben mit der Maschine, das wir nicht wirklich mögen, zu akzeptieren. Wir haben mit ihr - so P.M. - eine Art "Deal" abgeschlossen. Wir geben ihr Lebenszeit und Energie, wofür sie uns Güter und Genüsse verschafft, jedoch nicht so viel, wie wir wollen. Für jeden der drei ArbeiterInnentypen gibt es einen Deal. Der A-Deal der reichen Industrienationen "ist nicht einfach Elend, sondern eine elende Form von Reichtum." Der B-Deal ist der klassische Industrie-Arbeiter-Staats-Deal, den wir "Sozialismus" nennen könnten. "Typisch für den B-Deal ist die zentrale Rolle des Staatsapparats." Doch der B-Deal sei auch Resultat von Kämpfen und habe daher auch seine positiven Seiten. Die Arbeiter hätten sich eine relativ weitgehende Kontrolle über Arbeitsgeschwindigkeit, Arbeitsdisziplin und Qualitätsanforderungen gesichert. Und auch das Risiko der Arbeitslosigkeit und Entlassung fehle. Der schlechteste Deal ist der C-Deal. Denn in den C-Ländern sei die Maschine dabei, traditionelle Gesellschaften und Kulturen zu zerstören sowie nichtwirtschaftliche Lebensformen auszurotten, um freie Arbeitskräfte herauszulösen. Einige Stichworte dazu sind Verlust der eigenen Nahrungsquellen, Erpressung auf dem Weltmarkt der A-Länder, Verelendung, Repression, Kriege, Militärdiktaturen etc. "Der C-Deal ist ein schwacher Deal, die C-Arbeiter haben eine schwache Position, und darum ist Gewalt ein lohnendes Mittel der Kontrolle. Genauso wie die ersten Fabrikarbeiter mit Gewalt von der Straße geholt wurden, werden heute die C-Länder mit Gewalt zu stabilen Zahnrädchen der PAM geformt."

Politik, oder Realpolitik, so P.M., sei kein Ausweg aus dem Dilemma. Sie sei vielmehr der abgesicherte Umgang der Maschine mit Kritik und Widerstand. Ihr gehe es nicht um die Abschaffung der PAM, sondern um die Modalitäten ihrer Kontrolle. Die Realpolitik der grün-bunt-alternativen Bewegung sei eine solche Politik. Ihr Vorschläge, Reformideen und Utopien würden den Rahmen der Maschine nicht sprengen, "mögen sie noch so utopisch erscheinen. Sie bereiten vielmehr einen neuen, ökonomisch/mikroelektronischen Entwicklungsschub vor, einen A-Deal." Auch die sozialistischen Reformpolitiken hätten bewiesen, daß sie in der Sackgasse endeten: "Letztlich ist die Linke nur die bessere Polizei im Dienste der «Gesundung der Wirtschaft» (...) Nicht nur erreicht diese Politik nichts, sie raubt uns auch noch unsere Energien und zerstört die Widerstandsbewegungen. Die Arbeitsmaschine ist planetar, und keine nationale Reformpolitik kann ihr etwas anhaben, sondern vertieft höchstens die internationalen Spaltungen. Sie ist Teil des Spiels der PAM."

Die einzige Chance, die wir gegen die Maschine haben, sieht P.M. darin, unsere Wünsche und Phantasien zu entdecken und auf ihnen zu beharren. "Wir können sie entdecken in jenen «unausgefüllten» Augenblicken, wo die Maschine uns nicht im Griff hat, dann, wenn uns Ekel, Überdruss, Leere befallen. Wir finden sie in dem, was die Maschine verdrängt und vernichtet hat. Wir können sie aus der Maschine selbst, im Negativ und verzerrt, herauslesen. Was die Maschine zerstört hat hinterläßt Spuren in ihr. Es gibt eine zweite Wirklichkeit, genauso real wie die erste, die unsere Träume und Sehnsüchte enthält." Die Maschine habe eine "Kultur", deren Zweck darin bestehe, diese zweite Wirklichkeit einzudämmen und abzutöten - in Romanen und Filmen, auf Schallplatten und Kassetten.

Nach dieser kurzen Analyse der herrschenden Verhältnisse kommt P.M. zur Darstellung seiner Befreiungsvision, der eigentlichen Idee von bolo´bolo.

Substruktion: Der Weg zur Befreiung

Bolo´bolo ist die wohl weitreichendste und gleichzeitig utopischste der hier dargestellten Visionen der Befreiung von der kapitalistischen Gesellschaft. P.M. geht darin so weit, sogar den in seinem Entwurf verwendeten Elementen der Gesellschaft neue Bezeichnungen zu geben. Ziel ist es, alte, von Vorurteilen und ideologischen Prägungen durchsetzte Begriffe, nicht zu verwenden, um größtmögliche Offenheit des Lesers für die eigentliche Idee zu erreichen und selbst nicht in die vorgeformten Muster zu verfallen.

Der Aufbau einer neuen Gesellschaft kann laut P.M. nur erfolgen, wenn die alte sich zurückzieht und dabei Stück für Stück aufgelöst wird. Subversion, die negative Auflösung der Maschine von innen heraus, kann dabei nur ein Element sein, es bedarf auch konstruktiver Elemente, die den Raum, der durch die Subversion frei wird, konstruktiv besetzen. "Zerstörung und Kreativität müssen im selben Prozeß vereinigt werden, den wir Substruktion nennen können."

Die verschiedenen Formen der Subversion sind: A) Dysinformation (Sabotage, absichtliche Fehlplanung, Konstruktionsfehler, Indiskretion, Missmanagment etc.) B) Dysproduktion (Leistungszurückhaltung, Qualitätssabotage, Maschinensabotage, Krankfeiern, Diebstahl, Besetzungen, Streiks etc.) und C) Dysruption (Scheidungen, Flucht, Gewaltakte, Krawalle, Plünderungen, Haus- und Landbesetzungen, Brandstiftungen etc.). Jede Subversionsart kann typischerweise einer bestimmten Schicht von Menschen zugeschrieben werden.

Da isolierte/partielle Subversionsaktionen nicht nur nutz- und machtlos sind, sondern der Maschine gar als "Kontrollmittel und Fieberthermometer" dienen, gilt es Dysinformation, Dysproduktion und Dysruption zu kombinieren und zu multiplizieren, "damit eine für die Maschine kritische oder tödliche Situation entstehen kann." Es bedarf einer Kommunikation zwischen den verschieden Menschen, genannt ABC-Dysko. Am schwächsten ist die Maschine dort, wo sie wächst, wo sie versucht Lebensbereiche, die bisher außerhalb ihres Zugriffs liegen, zu integrieren. Neue soziale Bewegungen seien solche ABC-Knoten, die jedoch sehr locker und nur kurzfristig zusammenkämen und vor allem auf Dysinformationsbewegungen basieren. "Die ABC-Typen müssen dazu kommen, sich auch im Alltag zu kompromittieren und nicht nur in künstlichen Ausnahmesituationen (Demos, Blockaden, Versammlungen, Festivals). Eine gemeinsame kulturelle Identität müsste umschlagen in das Entstehen praktischer Keimformen von Schattenwirklichkeit." Wie das konkret aussehen könnte, werde sich erst in der Praxis zeigen. Auf jeden Fall sei die Vielfalt, die aus der heterogenen Zusammensetzung der Dyskos resultiere, sehr wichtig, da aus ihr eine Vielfalt an Konjunkturen der Substruktion resultiere, die für die Maschine nicht durchschaubar sei. "In der Tat macht die «diffuse» Guerilla der Maschine viel mehr zu schaffen als die alte «klassische» Stadtguerilla. Sie folgt nicht der Logik des grösseren Schadens, sondern jener der Herstellung neuer Beziehungen unter Personen." Weiteres zentrales Element ist das sogenannte "Triko". Triko ist die Dysko zwischen ABC-Knoten in den drei Weltgegenden: westliche Industrieländer, sozialistische Länder, Dritte Welt. Doch auch hier sind nicht Konferenzen oder Institutionen von Funktionären gemeint, sondern "direkte, persönliche Beziehungen für ein gemeinsames Projekt". Hier könnten uns die Dörfer der Dritten Welt helfen, unsere Agglomerationen wieder in Dörfer (hier "bolos" genannt) aufzulösen. So sei es möglich, die Mechanismen der nationalen Aufspaltung und des Weltmarktes durch ein wachsendes Geflecht von Trikos allmählich zu untergraben. Außerdem haben die Trikos auch gleichzeitig konstruktive Elemente. Sie bilden die Voraussetzung für das Entstehen planetarer, geldloser Austauschbeziehungen, für die Auflösung der Nationalstaaten und die Bildung autonomer Regionen. Denn "Es nützt nichts, «global zu denken» und nur lokal zu handeln."

Bolo´bolo: Der utopische Gesellschaftsentwurf von P.M.

P.M. skizziert einen provisorischen Vorschlag und Ausgangspunkt für das Bolo´bolo-Projekt. Dieser Entwurf ist teilweise sehr detailliert und umfassend und kann hier aus Platzgründen nicht vollständig dargestellt werden. Allen Interessierten sei hier das Büchlein "bolo´bolo" zur vertiefenden Literatur empfohlen.

Zentrales Element der neuen Gesellschaftsordnung sind "kleinere, autonome, ja autarke Gemeinschaften", die "bolos". Bolo´bolo, die Gesellschaft der bolos, ist ein planetarisches Projekt, welches versuchen soll, die konstruktiven Aspekte der substruktiven Bewegungen zu einem zusammenhängenden Bild zu verbinden. Der Zeitplan, den P.M. 1983 für Bolo´bolo steckte, war aus heutiger Sicht sehr optimistisch, denn nach seiner Vision sollte Bolo´bolo bereits 1987 verwirklicht sein, denn "wir leben nur 70 Jahre und Wünsche sind dazu da, noch in naher Zukunft (...) verwirklicht zu werden".

Bolo´bolo ist ein Entwurf für eine Gesellschaft, die im wesentlichen aus bolos besteht. Ein bolo wird von ca. 500 Menschen (ibus) gebildet, kann sich überall auf der Welt befinden und kann sehr unterschiedlich strukturiert und intern organisiert sein. Kein ibu soll gezwungen sein, einem bolo beizutreten und jedes ibu kann sein bolo frei wählen. "Das bolo ersetzt die alte Übereinkunft, die wir Geld nennen. Im bolo und darum herum erhalten die ibus ihre täglichen 2000 Kalorien, Unterkunft, medizinische Betreuung, alles, was zum Überleben nötig ist, und noch viel mehr."

Die bolos sollen sich selbst versorgen, was ihre Unabhängigkeit garantiere. Dazu soll das bolo aus Wohn- und Werkstattgebäuden und landwirtschaftlichen Grundstücken bzw. Jagd-, Sammel- oder Fangrevieren bestehen. Jedes bolo muß zudem imstande sein, 30 bis 50 Gäste oder Durchreisende, aufzunehmen, denn es gibt die Pflicht der Gastfreundschaft ("sila"). Dieses Element ist besonders wichtig, weil in Bolo´bolo auch ein Gesellschaftsentwurf vorliegt, der dem Reisen einen hohen Stellenwert einräumt. Weiterhin gibt es sogenannte mafas, das sind eine Art Gratis-Warenhäuser. Die bolos können untereinander Tauschabkommen, sogenannte "fenos", schließen, um dadurch größeren Reichtum an Lebensmitteln oder Dienstleistungen zu erlangen. In wie weit sie dies nutzen, wird auch von ihrem jeweiligen Lebensstil ("nima") abhängen. "Bolo´bolo ist also kein einheitliches System, sondern ein Flickenteppich kleiner Welten."

Bolos sollen und müssen nicht neu gebaut werden. Ziel ist es vielmehr, alte Gebäude und Bauwerke als bolos zu nutzen und zu verändern. Geld soll in Bolo´bolo nicht existieren und Privatbesitz soll es nur soviel geben, wie in das sogenannte taku hineinpaßt, einen 50×50×100 cm großen Eigentumsbehälter, der jedem ibu zusteht. Stattdessen ist das Schenken ("buni") in bolo´bolo ein zentrales Element des Austausches. Insgesamt ist das Prinzip der Freiwilligkeit für bolo´bolo sehr zentral. Kein ibu soll von Einzelnen oder der Gemeinschaft zu etwas gezwungen werden. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen.

Eine Gesellschaftsorganisation in bolo´bolo sieht so aus, daß es innerhalb der bolos nochmal eine Aufteilung in sogenannte "kanas" gibt, was von der Hausgemeinschaft bis zur Sippe oder Großfamilie reichen kann. Die bolos können sich dann mit anderen bolos, die oft in der Nähe liegen, zu sogenannten "tegas" zusammenschließen. Die tegas können sich dann zu "fudos" zusammentun, was sowohl Städte, Bio-Regionen o.ä. sein können. Das macht vor allem Sinn, um Aufgaben, die ein bolo überfordern würden, gemeinsam zu organisieren. Fudos schließen sich dann wiederum zu "sumis" zusammen, die zum Beispiel Regionen, Sprachgebiete, Inseln sein könnten. Sie könnten z.B. die Ressourcenverteilung und den Fernverkehr regeln. Ein sumi umfaßt bis zu 8000 bolos, also mehrere Millionen ibus. Wichtig ist, daß auf allen höheren Ebenen (alles oberhalb der bolo-Ebene) dieser Gesellschaftsorganisation in "dalas" (Komitees, Ausschüssen, Räten, Versammlungen etc.) entschieden wird, deren Regeln und Entscheidungsweisen klar festgelegt sein sollten und die basisdemokratisch organisiert sind.

P.M.: bolo´bolo, Paranoia City Verlag, Zürich, 210 S., 9,80 Euro

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Aus: DER RABE RALF - Die Berliner Umweltzeitung, c/o GRÜNE LIGA Berlin e.V., Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg www.grueneliga.de/berlin/raberalf

Originaltext: www.grueneliga.de/berlin/raberalf