Nestor Machno (1889 - 1935)

"Die Regierungsgewalt ist von Müßiggängern zum Zweck des Raubes und der Vergewaltigung geschaffen worden." Nestor Machno

Nestor Machno wurde als Sohn eines russischen Kleinbauers am 27. Okt. 1889 in Gulai-Pole (Ukraine) geboren« Als sein Vater starb, wurde die Not noch größer und Machno musste schon als Kind arbeiten gehen, um die Familie zu unterstützen. Er arbeitete zuerst als Hirte (und konnte nur im Winter zur Schule gehen), später dann als Tagelöhner oder Metallgießer in Gulai-Pole und der näheren Umgebung. Machno lebte unter ArbeiterInnen und Bauern und seine Wut gegen die Unterdrücker wuchs in ihm, wie in vielen anderen auch. Mit der Revolution in Russland 1905, durch welche viele erstmals auf das politische Weltgeschehen aufmerksam wurden, setzt auch bei Machno im Alter von 16 Jahren ein politischer Bewusstseinsbildungsprozess ein. Er schloss sich aus Überzeugung den Anarcho-KommunistInnen an, deren vorrangige Ziele Freiheit und Selbstbestimmung die unausgesprochenen Wünsche und Gedanken der Bevölkerung wiederspiegelten. Schon 1908 wurde Machno wegen anarchistischer Aktivitäten zu lebenslänglicher Zwangsarbeit im Moskauer Butyrki - Gefängnis verurteilt. Er kam erst nach neun Jahren, die er genutzt hatte, um seine politischen und historischen Kenntnisse u.a. zu erweitern (Bekanntschaft mit Peter Arschinoff) durch den Aufstand des Moskauer Proletariats frei. Sofort fuhr er zurück nach Gulai-Pole, um den Leuten, unter denen er aufgewachsen war, im Kampfe beizustehen. Er organisierte den "Gewerkschaftsbund der Bauernknechte" sowie eine Kommune und einen Bauernsowjet. Die Bevölkerung sah in ihm einen Mann aus ihrer Mitte und vertraute ihm. Deshalb wählten sie ihn in das Landeskomitee des Metall- und Holzarbeitergewerkschaftsverbandes zum Vorsitzenden des Bezirksbauernverbandes und des Gulai-Polker Bauern- und Arbeiterrates. In dieser Eigenschaft organisierte er die Landnahme durch die verarmten Kleinbauern und Tagelöhner in Form von Bauernkommunen, indem er die Großbauern völlig offen aufforderte, eine Inventarliste ihres Besitzes abzugeben, von dem sie soviel behalten dürften, wie sie zum Leben brauchten - wie jeder andere Bauer auch. Dieses Beispiel machte in vielen benachbarten Bezirken Schule, und als sich die Großgrundbesitzer weigerten, auf die Forderungen der Bauern einzugehen, wurden sie mit Gewalt enteignet.

Dadurch zog sich die Bewegung immer mehr Feinde zu und es wurde erforderlich, eigene Arbeiter- und Bauernbataillone aufzustellen, die sich gegen die deutsch-österreichischen Truppen und die Bourgeoisie verteidigen konnten. Nach dem Prinzip der Guerillataktik gingen die Gruppen der Machnobewegung vor und eroberten Städte und Dörfer. Überall, wo sie hinkamen, begannen sie sofort mit ihrer aufklärerischen Arbeit im anarchistischen Sinne...Vor allem räumten sie mit dem Missverständnis auf, sie seien eine neue Regierung oder Partei. Sie erklärten, dass die Machnosche Kriegsmacht niemanden zu etwas verpflichte und lediglich die Freiheit der Werktätigen schütze. Die Entfaltung der Volksinitiativen sollte völlig frei durch keine Direktiven, auch keine anarchistischen, geschmälert werden. Machnos außerordentliche taktische Begabung im Kampf gegen die Feinde und seine große Willenskraft waren dabei so wertvoll, dass die Machnowzi ihn "Batjko" (Väterchen, Führer) nannten.

Über vier Jahre konnte sich die Machnobewegung halten. Das befreite Volk blühte auf. Es seien nur einige Verbesserungen genannt: Arbeiter und Bauern organisierten und koordinierten die Produktion selbst, die Gefängnisse wurden öffentlich gesprengt, es bestand keine Wehrpflicht (es wurde lediglich zum Kampfe aufgerufen); das neue Schulsystem wurde im Sinne der freiheitlichen Erziehung (nach dem spanischen Anarchopädagogen Ferrer) aufgebaut und von den ArbeiterInnen und Bauern direkt mitgetragen. Die zaristischen Schulbücher wurden durch revolutionäre ersetzt, das Volkstheater lebte wieder auf...

Das grausame Ende kam nicht von Seiten der Bourgeoisie und deren AnhängerInnen. Im Laufe der vier Jahre hatten die Bolschewiki (Rote Armee) insgesamt viermal die Machnowzi gegen ihre gemeinsamen Feinde um Hilfe angefleht. Die Machnowzi waren aus Gutgläubigkeit immer darauf eingegangen und hatten mit ihnen paktiert – und jedes Mal wurden sie von ihren fragwürdigen "Freunden" verraten. Ende 1921 wurde Machno schwer verletzt und als er wieder genesen war, konnte man noch kaum etwas von der erkämpften Freiheit wiederfinden. Seine Truppen waren zum größten Teil von den Bolschewiki zerschlagen, nur einige wenige kämpften noch erbittert bis Anfang 1922 weiter. Leute aus der Bevölkerung, denen man auch nur Sympathie für die Machnowzi nachweisen konnte , wurden grausam von der Roten Armee niedergemetzelt. Bis zu einer Million Menschen wurden so ermordet! Machno selbst konnte in letzter Minute über Ungarn und Deutschland nach Frankreich fliehen, wo er als gebrochener Mann bis zu seinem Tod 1935 lebte.

Originaltext: http://userpage.fu-berlin.de/~twokmi/texte/Machno/machno_abc.htm (verändert)