Einst: gegen die Ausbeuter! Heute: der Betrieb in Händen der Arbeiter. Die Brauerei Damm in Barcelona

In einer früheren Ausgabe unseres Blattes berichteten wir über die Kämpfe der Strassenbahner von Barcelona unter dem kapitalistischen Regime. Heute geben wir einen kleinen Artikel aus "Solidaridad Obrera" wieder über die Brauerei Damm, einen in den Händen der CNT befindlichen Betrieb. Auch hier seien einige Worte gesagt über die Kämpfe der Damm-Arbeiter vor der Übernahme des Betriebes durch die Arbeiter selbst.

Im Mai 1933 führte die CNT in ganz Spanien einen Protestgeneralstreik durch gegen die Unterdrückung. Der Streik führte zu einer wahren Terror-Orgie der Behörden gegen die CNT. Bürgertum und Marxisten aller Richtungen waren zufrieden. Die Brauerei Damm entliess eine grosse Anzahl von CNT-Arbeitern wegen führender Teilnahme am Streik. Das Syndikat verhängte den Boykott gegen das Damm-Bier. Langsam, im Verlaufe vieler Monate, dehnte sich der Boykott über Spanien bis nach Marokko aus. Die von der CNT beeinflussten Kreise der Arbeiterschaft fügten durch ihre Weigerung, das Produkt des Betriebes zu kaufen, der Firma enormen Schaden zu. In Barcelona explodierten auch einige Bomben in verschiedenen Bars, die das Bier der Firma immer noch ausschenkten. Die Lage wurde kritisch. Die Firma musste ihr Bier in Flaschen ohne Etikett versenden. Schliesslich aber lenkte sie ein. Die Entlassenen wurden wieder eingestellt und eine hohe Entschädigungssumme an das Syndikat gezahlt, die zum grossen Teil an das Gefangenenkomitee floss.

"Solidaridad Obrera" schreibt über die heutigen Verhältnisse in diesem Betrieb: Heute weht auf der Brauerei die schwarzrote Fahne. Aber auch im Betrieb sieht es anders aus. Die CNT ist keine politische Partei, sie legt keinen Wert auf Fahnen und Fassaden. Die syndikalistischen Arbeiter sind Anhänger der Sozialen Revolution. Diese Soziale Revolution erwarten sie nicht von oben, sondern sie machen sie selbst im Betrieb, den sie nach hartem Kampf erobert haben.

Das Gebäude der Brauerei Damm sieht fast aus wie eine Festung. Es war eines der Bollwerke der proletarischen Revolution des 19 Juli. Auf ihren Dächern standen Maschinengewehre; Arbeiter, das Gewehr in der Faust, bewachten sie. Während noch in den Strassen Barcelonas erbittert gekämpft wurde, rückten von hier aus die ersten Kämpfer nach Aragon aus; einer der Genossen, der in der Brauerei Damm arbeitete, gab vor Caspe sein Leben für die Freiheit. Währenddessen gingen die in Barcelona gebliebenen Genossen nach der Vernichtung des Faschismus in Barcelona an die Reorganisierung der Fabrik aus Grund der neuen revolutionären Ordnung.

Die Direktoren der Fabrik waren über den Militäraufstand genau unterrichtet. Sie hatten bereits Entlassungsscheine für die Arbeiter ausgestellt, um im Falle des Sieges des Faschismus sofort an die Entlassung der unliebsamen Arbeiter gehen zu können. — Diese Direktoren verstanden sich gut auf Geschäfte, besonders zu ihren Gunsten. Sie waren Besitzer des Fabrikgeländes und der Gebäude und zahlten an sich selbst eine jährliche Miete von 1.400.000 Peseten, und ausserdem betrogen sie den Staat noch um die Steuern. Jeder der Direktoren erhielt ein monatliches Gehalt von 1.750.— Peseten und dazu einen Prozentsatz des Gewinnes, der jährlich 1.000.000.— Peseten überstieg (falls der Betrag niedriger war, bezogen sie Dividende wie die übrigen Aktionäre). Und als Gipfel von allem waren sie noch Besitzer von anderen Firmen.

Als die Fabrik die Arbeit wieder aufnahm, forderte das Komitee sie auf, als Arbeiter mitzuarbeiten. Sie sagten zwar telefonisch zu, hielten aber ihr Versprechen nicht. Sie wollten dem Komitee die Geschäftszusammenhänge verheimlichen, die dieses aber schon längst entdeckt hatte. Ein einziger Direktor arbeitet weiter als technischer Berater mit. Die 610 Arbeiter der Brauerei Damm sind in der CNT organisiert. Der Fabrik-Rat besteht aus 9 Genossen und ist in fünf Sektionen geteilt: Geschäftliche Sektion, Industrie-Abteilung, Fabrikinspektion, Aussenhandel, Kultur und Propaganda, technische Kontrolle.

Unmittelbar nach Übernahme der Fabrik ging man an die Schaffung von Einheitslöhnen nach Altersstufen gestaffelt. Die Tageslöhne sind aufgebessert worden, was durch den Abbau von einigen hohen Büro-Gehältern ermöglicht wurde. Das Büropersonal ist mit in die Krankenversicherung aufgenommen (die Aufnahme war von der bürgerlichen Direktion verweigert worden). Andererseits wurde die Pensionierung im Alter von 60 Jahren zur allgemeinen Pflicht; die Pension beträgt 70.— Peseten wöchentlich; freiwillige Pensionierung zu den gleichen Bedingungen ist von 55 Jahren an zulässig.

Das Material ist verbessert worden; eine Hebeanlage zum Schmieren der Autos ist eingebaut worden; eine automatische Malzwage, eine Einrichtung zum Bau und zur Reparatur von Metallfässern ist geschaffen worden; die Anlage zur Herstellung von Sauerstoff-Flaschen ist verbessert worden. Das Wagenmaterial wurde durch den Ankauf zweier neuer Lastautos vergrössert. etc.

Ebenso ist die Besserung der kulturellen Verhältnisse hervorzuheben. Ein Lager-Raum wurde in einen Vortrags-Saal verwandelt. Dr. Marti-Ibáñez weihte ihn ein. Eine alte Privat-Bar ist in Bibliothek und Lesesaal umgebaut worden; hier findet man Werke über sämtliche Kulturgebiete, über Soziologie etc. Die Zahl der Bände ist ständig im Wachsen. Unter den Plänen, die die Arbeiter der Brauerei eingereicht und angenommen haben, ist die Schaffung von Schulen, die eines Theaters; Sport-und Gymnastikplätze sind geplant; die sanitären Bedingungen der Büros sollen verbessert werden; an der Verbesserung wird bereits gearbeitet. Die Schuppenanlagen für die Wagen sollen vergrössert werden, ebenso die Lager- und Gärkeller. Ausserdem wird eine Küche und ein Speisesaal eingerichtet für diejenigen, die weit weg von der Fabrik wohnen. Die Fabrik produziert ausser Bier: Eis, Sauerstoff in Flaschen, Hefe und Ölkuchen zur Viehfütterung. Die Versorgung mit Rohstoffen ist sichergestellt; soweit es sich um Rohstoffe handelt, die aus dem Ausland bezogen werden müssen, wie z.B. Hopfen, durch Käufe im Ausland, während die Getreidekäufe für Malz direkt vom Erzeuger in Spanien vorgenommen werden.

Die wirtschaftlichen Erfolge der Fabrik in diesem Jahre waren ausserordentlich; sie haben erlaubt, eine beträchtliche Summe an den Wirtschaftsrat zum Ankauf von Kohle für den Markt von Barcelona abzuführen. Gegenwärtig stehen 100 Genossen der Brauerei Damm an der Front. Sie bekommen alle die Differenz zwischen ihrem Milizlohn und dem Arbeitslohn, den die Fabrik ihren arbeitenden Genossen auszahlt. Für Angehörige gefallener Genossen übernimmt die Fabrik den Lebensunterhalt. Die Arbeiter der Fabrik führen wöchentlich 2.000 bis 2.500 Peseten für diese Zwecke ab. Unter anderem haben sie auch zwei der besten Lastautos des Betriebes zur Verfügung gestellt, die an der Front seit den ersten Tagen des Kampfes in motorisierten Kolonnen Verwendung finden.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 9, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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