SAJD - Mit uns zum Freiheits-Kampf! (1932)
Ihr habt euch genug damit geplagt, alle Freiheit, alles Persönliche, alle Jugend, alles, was ihr Dummheiten nennt, aus der Partei, aus der Bewegung, aus den Massen herauszubringen. Wahrlich, es stünde besser um den Sozialismus und um unser Volk, wenn wir statt der systematischen Dummheit, die ihr eure Wissenschaft nennt, die feuerköpfigen Dummheiten der Hitzigen und Brausenden und Überschäumenden hätten, die ihr nicht ausstehen könnt. ... Aschenhafte, Schlafmützige, Philister sind über dir, Volk; wo sind die Columbusnaturen, die lieber auf gebrechlichem Schiff und aufs Ungewisse hin aufs hohe Meer gehen als auf die Entwicklung zu warten? Wo sind die Jungen, Munteren, Sieghaften, Roten, die über diese Grauen zu lachen beginnen?
Gustav Landauer im "Aufruf zum Sozialismus"
Mit uns zum Freiheits-Kampf! Was will die Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands?
Die Lage der arbeitenden Jugend
Etwa 7 Millionen Erwerbslose hat der Hungerwinter 1931/32 in Deutschland auf die Straße geworfen. Die Löhne der deutschen Arbeiterschaft sind seit einem Jahre enorm gesunken, das Massenelend steigt in immer schnellerem Tempo. Der Faschismus, der letzte Schlag der besitzenden Klassen gegen die kümmerlichen Reste der revolutionären Welle von 1918/19, bestimmt den Kurs der Republik. Die Arbeiterschaft scheint ohnmächtig. Die großen Verbände und die politischen Parteien versagen. Wo ist der Ausweg, wie soll der Kampf gegen diese Verhältnisse beginnen? So fragt vor allem das Jungproletariat. Die SAJD zeigt einen Weg!
Die SAJD ist eine Organisation erwachter und denkender Kämpfer aus den Reihen des Jungproletariats. Wie steht es heute um die Jungarbeiterschaft? Nach amtlichen Schätzungen gibt es in Deutschland etwa 5 1/2 Millionen Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. 80% dieser Jugendlichen, also vier Fünftel, müssen sich ihr Brot durch Erwerbstätigkeit verdienen. Der Rest allein ist in der Lage, ohne Brotarbeit seiner geistigen Entwicklung zu leben, Schulen zu besuchen usw. Der jugendliche Arbeiter und Angestellte ist im kapitalistischen Betrieb ein besonders gesuchtes Ausbeutungsobjekt. Die Löhne der jungen Arbeiter und Arbeiterinnen sind niedrig, aber es wird trotzdem eine volle Arbeitsleistung von ihnen verlangt. Die Lehrlinge der verschiedenen Fächer erhalten noch geringere Bezahlung als die ungelernten jugendlichen Arbeiter. Sie sind billigste Arbeitskraft für den Unternehmer und werden rücksichtslos ausgenützt. Heute ist es sogar üblich geworden, daß man die Lehrlinge sofort nach beendigter Lehrzeit, nachdem sie jahrelang fast umsonst für die Betriebe gearbeitet haben, ohne Bedenken entläßt. Die empörende Lage der Lehrlinge und der Jugend überhaupt in der heutigen kapitalistischen Wirtschaft schildert treffend ein Artikel des "Syndikalist", in dem es heißt:
"... Die von organisierten Arbeitern geschluckten Lohn- und Arbeitsbedingungen der Praxis lassen eine Unterstützung dar Lehrlinge durch die Erwachsenen nicht mehr zu. Jeder hat seine eigenen Sorgen, das scheint die Parole zu sein.
Es ist darum kein Wunder, wenn auf dem Gebiete des Lehrlingswesens ein Zustand eingerissen ist, der nicht nur den Erwachsenen kaum geahnte Nackenschläge versetzt, sondern besonders den Lehrlingen selbst eine Zukunft des größten Jammers in sichere Aussicht stellt. Wer jetzt einen Blick in die öden Betriebe der Holzindustrie fallen läßt, findet fast überall eine Vermehrung der Lehrlinge. Mit absoluter Rücksichtslosigkeit wird die beschleunigte Spezialisierung der Ausbildung betrieben, damit der Lehrling recht schnell "etwas kann". War durch die Einführung der Teilarbeit der städtische Lehrling schon immer benachteiligt gegenüber dem des Landes und der Kleinstadt, der ihm vom Dachsparren bis zum Sarge etwas vormachen konnte, so wird der Lehrling der Großstadt baldigst überhaupt keine Ahnung mehr vom Handwerk haben. Eine Handsäge in die Hand zu nehmen, dafür ist keine Zeit mehr, weil der Lehrling die Gesellen ersetzen muß. Die Hauptsache ist, daß er einen bestimmten Gegenstand fertig bekommt, den er dann mechanisiert immer fertigzustellen hat. Ein "Lehrlingsgeselle" genügt; so kommt der Erwachsene überhaupt nur noch zur Aushilfsarbeit. Der Lehrling "dominiert" als billige und über die Arbeitszeit hinaus ausbeutungsfähige Arbeitskraft..."
"Die kurzen Konjunkturen werden vom Unternehmertum ausgenützt; ehe der Ausgelernte etwas gefunden hat, wo noch Zeit wäre zum Weiterbilden, ist die Arbeit alle. In den meisten Fällen wird es für Ausgelernte überhaupt nur noch Arbeit als Ungelernte geben: Der Platz muss sich bezahlt machen! Von der Romantik der Wanderei zu schwärmen, ist müßig, da der Großstadtlehrling dabei noch schlechter wegkommt. In Dörfern und Kleinstädten kann er überhaupt nicht mehr gebraucht werden, weil er sich ja bald kein Stück Werkzeug selbst behandeln kann, da - wie bereits bemerkt - keine Zeit ins seiner Lehre gegeben war, ihn darin zu unterrichten: alles mußte er auf der Maschine machen lassen, damit es schnell ginge! Einen geraden Sägenschnitt zu machen, ist ein Buch mit sieben Siegeln für den Ausgelernten! Ein Stück Arbeit selbst fertigzustellen, würde ihn in die Lage der "Kuh vorm neuen Tor" versetzen. Von einer Weiterausbildung kann bei alledem also nicht die Rede sein. Mit wenigen Ausnahmen bleiben die Lehrlinge Stümper, sogar Stümper der mechanisierten Arbeit: Wer nur Tischbeine zu machen gelernt hat, für den gibt es eben nur Tischbeine. So ist die Zukunft unserer Lehrlinge ein einziger Jammer!
Die Lehrlingszucht verweist die Erwachsenen auf die Strasse, wenn die Arbeiterschaft der Schweinerei weiter ruhig zusieht! Zweitens hat diese Art Lehre für den Lehrling gar keinen Zweck, weil sie ihm für das Leben nichts gibt als die Erkenntnis, daß er nichts gelernt hat! Drittens aber hat diese Sache eine Kehrseite, die Arbeiter und Unternehmer treffen wird. Für den Arbeiter ist die Jugend ein Lohndrücker, dem das Selbstbewußtsein eines Könners fehlt. Der Unternehmer aber wird wahrscheinlich nach Fachleuten suchen müssen, wenn die gegenwärtige Generation ausgestorben ist!"
Soweit die Lage der Lehrlinge, die an allen Industrien die gleiche ist!
Der Reichsausschuß der deutschen Jugendverbände hat 1927 umfangreiche Untersuchungen über die Lage der erwerbstätigen Jugend in Deutschland angestellt, die erschreckende Resultate zeigen. Unter 200.000 Jugendlichen in vielen Berufsschulen wurden Erhebungen veranstaltet. Die Befragten setzten sich zusammen aus Angehörigen aller existierenden Gewerbe. Festgestellt wurde vor allem der Arbeitstag der Jugendlichen. Einbezogen wurden in diesen der durchschnittliche Weg zur Arbeitsstätte, die Arbeitszeit, die Pausen, Aufräumungszeit, Überstunden, Sonntagsarbeit und Berufsschulstunden, soweit sie außerhalb der Arbeitszeit lagen. Gemeinden aller Größenklassen wurden berücksichtigt. Es stellte sich folgendes heraus: in den Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern betrug der gesamte durchschnittliche Arbeitstag eines Jugendlichen 11 Stunden 15 Minuten, in den Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern sogar 12 Stunden 15 Minuten!
83% der befragten Jugendlichen - es handelt sich auch hier um die Schicht zwischen 14 und 18 Jahren - antworteten auch auf die Frage nach ihren Wochenlöhnen. 3 % bekamen überhaupt keinen Barlohn. 21 % erhielten bis zu 4.- Mk. in der Woche. 26% brachten es in 6 Arbeitstagen auf 4.- bis 7.- Mk. 17% verdienten 7 bis 10 - Mark, während nur 16% der erfaßten Jugendlichen über 10.- Mk. in der Woche hinauskamen.
Seit dem Jahre 1930 befinden sich die Arbeitslöhne in Deutschland in einer schnellen Abwärtsentwicklung. Die Ziffern haben sich also inzwischen nach unten verschoben! Neben dem Arbeitstag und der Entlohnung wirft die Ferienregulierung ein bezeichnendes Licht auf die wirkliche Lage der arbeitenden und Ausgebeuteten Jugend. 1928 untersuchte die Vereinigung der Arbeitgeberverbände 294 der wichtigsten Tarifverträge, die für 479.250 Jugendliche Geltung hatten. Es wurde dabei festgestellt, daß im dritten Arbeitsjahr Urlaub hatten:
63,4% der Jugendlichen von 1 bis 3 Tagen,
22,4% der Jugendlichen von 4 bis 5 Tagen,
14,2% der Jugendlichen von 6 bis 8 Tagen.
Mehr als achttägigen Urlaub gab es in den vorliegenden Tarifverträgen überhaupt nicht. Durch diese Statistik werden natürlich nicht alle Jugendlichen erfaßt. Der Reichsausschuß der deutschen Jugendverbände schätzt, daß 30 bis 45% aller Jugendlichen überhaupt keinen Urlaub bekommen! Die "goldene" Jugend der Besitzenden auf den höheren Schulen hat einen jährlichen Urlaub von 10 Wochen. Ja Bauer - das ist ganz was andres!
Auch die Kinderarbeit gehört zur Ausbeutung der Jugend. Sie besteht noch, trotz aller humanitären Phrasen. Übersichten aus neuester Zeit beweisen das. Eine von bürgerlicher Seite angegebene Zusammenstellung hat in Berlin 8800 erwerbstätige Kinder erfaßt. (Die Wirkliche Zahl ist viel höher.) Davon mußten 400 Kinder vor Beginn des Unterrichts Arbeit verrichten (trotz gesetzlichem Verbot), 6000 arbeiten täglich drei Stunden, 1700 drei bis vier Stunden, 750 vier bis sechs Stunden und 200 über sechs Stunden täglich. - Mehr als die Hälfte arbeiten in Laufstellen, viele in der Hauswirtschaft und ein Teil entgegen der gesetzlichen Bestimmung in Fabriken.
Bei einer Erhebung in Halle ergab sich, daß von 13.631 Schülern 1633 = 11,9% gegen Lohn beschäftigt waren, und zwar:
bis zu 6 Jahren 40 Kinder
bis zu 7 Jahren 90 Kinder
bis zu 8 Jahren 120 Kinder
bis zu 9 Jahren 175 Kinder
bis zu 10 Jahren 185 Kinder
In den Volksschulen Sachsens waren nach einer Zählung 1925 von 510.219 statistisch erfaßten Kindern 93.936 erwerbstätig.
Bei einer Umfrage in Lüdenscheid ergab sich, daß von 3513 Schülern unter 14 Jahren gegen Lohn beschäftigt waren:
Als Heimarbeiter 679 Kinder
Mit Austragen von Waren 120 Kinder
Mit Hausarbeit bei Fremden 74 Kinder
Mit Beaufsichtigung fremder Kinder 49 Kinder
In der Landwirtschaft 18 Kinder
Im Handelsgewerbe 9 Kinder
Also: 27,01 Prozent der befragten Schüler müssen Geld verdienen. Davon wurden gesetzwidrig beschäftigt:
Vor der Schule 51 Kinder
Nach 8 Uhr abends 168 Kinder
Über drei Stunden bei den Eltern 204 Kinder
Über drei Stunden bei Fremden 132 Kinder
Nach Angabe der Gewerbeaufsichtsbeamten waren in Preußen viele Kinder unter 14 Jahren erwerbstätig. Aber nicht nur in kleinen Betrieben. Es wurden im Jahre 1926 585 Knaben und 149 Mädchen unter 14 Jahren in Betrieben mit mehr als 50 Arbeitern beschäftigt, was nach den gesetzlichen Bestimmungen verboten ist. Ja, sogar im Bergbau leisten Kinder unter 14 Jahren Arbeit. Wenn hier im Jahre 1927 nur 15 Fälle aufgeführt sind, so handelt es sich dabei nur um erlaubte Arbeit; die unerlaubte Kinderarbeit kommt selten ans Tageslicht.
Aus Württemberg melden die Gewerbeaufsichtsbehörden, daß sich die Zahl der arbeitenden Kinder von 1091 im Jahre 1926 auf 1475 im Jahre 1927 erhöht hat.
Bei einer Untersuchung durch den Berliner Magistrat wurden u.a. 1153 Kinder gezählt, die Sonntagsarbeit leisten mußten. Bei 1347 Kindern wurden durch den Arzt nachteilige Folgen der gewerblichen Arbeit festgestellt.
Auch die Berichte der allerletzten Jahre bestätigen, daß Kinderarbeit in Deutschland noch immer an der Tagesordnung ist. Die Berichte der preußischen Gewerbeaufsicht von 1930 weisen z.B. folgendes aus:
Regierungsbezirk Gumbinnen und Allenstein: Die Zahl der beschäftigten Schulkinder ist gegen das Vorjahr gestiegen. Zahlreiche Verstöße gegen das Kinderschutzgesetz wurden festgestellt.
Regierungsbezirk Stettin und Stralsund: Die Zahl der beschäftigten Schulkinder hielt sich ungefähr auf der Höhe des Vorjahres.
Regierungsbezirk Breslau: Die Kinderarbeit hielt sich in den üblichen (!) Grenzen. Nur in der Hausindustrie sind Kinder mit schlechtbezahlten Arbeiten, wie Spulen, Bilderausstechen und Schachtelkleben, in verstärktem Umfange beschäftigt worden.
Regierungsbezirk Düsseldorf: In verschiedenen Bezirken ist eine Vermehrung der Kinderarbeit festgestellt worden, die zum größeren Teil aut die ungünstige Wirtschaftslage zurückgeführt wird. Sehr geklagt wurde in einem Bezirk über die zunehmende Beteiligung von jugendlichen Personen und Schulkindern an dem sogenannten wilden Lumpen- und Altmaterialhandel, der große Mißstände zur Folge hat, auch zur weiteren Verwilderung der Jugend beiträgt.
In der Industrie, Hausindustrie und Landwirtschaft sind in Deutschland schätzungsweise zwei Millionen Kinder erwerbstätig.
Das Kinder-Schutzgesetz von 1903, das zudem für die in der Landwirtschaft beschäftigten Kinder keinerlei Schutzbestimmungen enthält, ist völlig unzureichend. Ungeheuer groß ist die Zahl der Fälle verbotener Kinderarbeit. Dabei müssen wir immer berücksichtigen, daß nur ein Bruchteil der Kinderarbeit angemeldet wird.
Ein Kapitel für sich ist die Arbeitslosigkeit der Jugend. Während Kinder arbeiten müssen, liegen erwerbsfähige Jugendliche untätig auf der Straße, hungern, gehen unter, verzweifeln.
"... es ist bitter, Arbeiter zu sein, arbeitslos sein aber ist entsetzlich. Jung sein, stark ... und dann nicht schaffen können! Zuerst wehrt man sich gegen das Demoralisierende dieses Zustandes, aber es ist wie Giftgas, das allmählich, aber unaufhaltsam einschläfert, man wehrt sich vergebens... O, man wird so ruhig und friedlich, weil alle Spannkraft zum Teufel gegangen ist. Unter der Maske von Wurschtigkeit und Galgenhumor lebt man in den Tag..." So beschreibt ein junger Arbeiter seine Stimmung während einer langen Zeit erzwungener Untätigkeit. Zu der inneren Not dieser aus jeder normalen Entwicklung herausgerissenen Jugend aber kommt die äußere: den Familien wird auch der schmale Verdienst des Jugendlichen noch entzogen, er lebt allein von den Mitteln der selbst darbenden Eltern. Ende 1930 wurde bei einer Arbeitslosenzahl von 4.357.000 in Deutschland die Zahl der jugendlichen Erwerbslosen auf mindestens eine halbe Million angegeben. Heute ist sie noch bedeutend höher.
Bei dem grossen Angriff der Unternehmerschaft auf die Lebenshaltung der Arbeiter, den wir heute erleben, verschlechtert sich natürlich auch die Lage der erwerbstätigen Jugend immer mehr. Sie zerbricht unter der Last der Krise des Kapitalismus. Nicht nur der Krieg verlangt jugendliches Blut, auch auf dem "friedlichen" Schlachtfeld der kapitalistischen Ausbeutung wird blühendes junges Leben grausam dahingemäht - Millionen werden im Innersten geknickt, vergiftet und entseelt, noch ehe sie überhaupt eine Ahnung von der Größe und Schönheit des Lebens erhielten.
Die Jugendbewegung
Der Schulreformer Gustav Wyneken hat die Überzeugung ausgesprochen, daß die Jugend der menschlichen Gesellschaft die eigentliche Seele, die treibende Kraft der Kultur sei. Sie sei das die Gesamtmenschheit immer wieder erneuernde Bewußtsein der Kultur selbst. Die Erwachsenen sind ganz und gar eingespannt in die Welt der wirtschaftlichen Zwecke, der Nützlichkeiten, die Jugend aber soll dem Geiste dienen, sie sei der reine, ungetrübte, immerfort strömende Quell alles Edlen, Freien, Geistigen, der Träger der höchsten Sehnsucht der Menschheit. In ihr entfalte sich stets aufs neue der Geist und die schöpferische Kraft des Dranges nach Erkenntnis und zu künstlerischer Gestaltung, der Wille zu ganzem, geschlossenem Menschentum, die Sehnsucht nach Unbedingtheit und Vollkommenheit. Der eigentliche Sinn des menschlichen Daseins werde im Wesen der Jugend offenbar.
Dichter haben von einer neuen Jugend gesprochen: freie, aufrechte Knaben und Mädchen mit weltoffenen klaren Augen und frohen Herzen, die in Freiheit und Sonne ihre Jugend verbringen und aus dem großen und wundervollen Ernst des kindlichen Spiels ohne inneren Bruch, ohne Opferung ihrer reinen jugendlichen Vorstellungen hineinwachsen in die Welt der nützlichen Arbeit der Erwachsenen... eine wirkliche Jugend, "die ewige Glückschance der Menschheit", wie sie der Dichter Martin Buber genannt hat.
Aber die kapitalistische Welt ist nur ein Hohn auf dieses Bild. Die vielgepriesene Kultur unseres Jahrhunderts ist seelenmörderische, menschenfresserische Barbarei. Von allen ihren namenlosen Schandtaten ist das Verbrechen der kapitalistischen Ausbeutungswirtschaft an der Jugend des Proletariats ihr grösstes und furchtbarstes.
Nur eine kleine Minderheit, die Jugend der besitzenden und bevorrechteten Klassen, kann ein jugendgemäßes und freies Leben führen, wird aber im Geiste der sozialen Verantwortungslosigkeit und Lüge erzogen, und bleibt durch einen Abgrund von der proletarischen Jugend getrennt, deren Verelendung die Grundlage des Wohllebens jener goldenen Jugend ist.
Unsere Zeit brachte die sogenannte Jugendbewegung hervor, eine Rebellion der jungen Generation in einem ganz neuen Sine, die sich sogar mit einer gewissen Einheitlichkeit in der Jugend der verschiedensten sozialen Klassen vollzog. Die Gedanken der Freiheit, der inneren Wahrhaftigkeit und der eigenen Verantwortung für den Aufbau ihres Jugendlebens erfaßten immer größer werdende Kreise junger Menschen. Die von den Erwachsenen gebotenen Beispiele unfreier und verlogener Lebensführung wurden abgelehnt, eigene, neue Lebensformen gesucht. Diese Jugendbewegung war ein lebendiger menschlicher Protest gegen die bürgerliche Welt. Sie war der Aufstand des jugendlichen Instinkts gegen die erstarrten und leblosen Formen einer untergehenden und inhaltlos gewordenen Kultur. In den bürgerlichen Schichten entartete diese Bewegung der Jugend aber sehr schnell zu unfruchtbarer Schöngeisterei. Kritiklos wurde dje bestehende soziale Ordnung hingenommen und durch harmlose Reformspielerei der Gedanke der Jugendbewegung zur Lächerlichkeit entwürdigt. Für die proletarische Jugend jedoch wurde die Jugendbewegung zu einem neuen Auftrieb der revolutionären Klassenbewegung, von der hier die Rede sein soll.
Vor neuen Katastrophen
In welcher Situation befindet sich diese Klassenbewegung? Diese Frage ist zu beantworten, bevor von Ziel und Weg der SAJD gesprochen werden kann. - So sieht die Gegenwart aus: Die auf dem Privateigentum an Boden und Arbeitsmitteln aufgebaute heutige Gesellschaftsordnung ist wie von Fieberschauern geschüttelt. Die Teilung der Menschheit in besitzende und besitzlose Klassen, in Reiche und Arme ist die Grundlage dieser kapitalistischen Wirtschaft. Schon immer waren durch sie die Massen der arbeitenden Menschen vom freien Genuß der erzeugten Reichtümer ausgeschlossen, während nur eine verschwindende Minderheit von Bevorrechteten die Möglichkeit zu einem Leben in Freiheit und Wohlstand besaß. Die arbeitenden Klassen leben aber nicht nur in Not und Elend, sondern stets auch in einer furchtbaren Unsicherheit ihrer Existenz überhaupt. Die bestehende Klassengesellschaft beruht infolge der willkürlichen Verfügungsfreiheit der wenigen besitzenden Ausbeuter über Boden, Fabriken, Werkzeuge und Rohstoffe auf einer vollkommenen Regellosigkeit der Gütererzeugung und des Güteraustauschs und führt aus diesem Grunde immer wieder mit Notwendigkeit zu inneren Erschütterungen: die Erzeugung übersteigt die schwache Kaufkraft der verarmten und niedergehaltenen Massen der kapitalistischen Länder, die Absatzgebiete der Kapitalisten in den kolonialen Gebieten schwinden, weil auch diese Gebiete zu eigener Erzeugung ihres Bedarfs übergehen - es ergeben sich Absatzstockungen, es entsteht Arbeitslosigkeit. Die Arbeitenden werden sogar noch ihrer kümmerlichen Lohnarbeiterexistenz beraubt und verkommen in primitivstem Elend.
Je weiter und besser sich in der ganzen kapitalistischen Welt die Maschinen und damit die Erzeugungskräfte der menschlichen Arbeit entwickeln, umso größer wird die Unsicherheit des Lebens der Werktätigen, umso erbärmlicher und armseliger, umso freudloser und verzweifelter ihr ganzes Dasein. Unermeßliche Mengen kostbarster Rohstoffe, Nahrungsmittel und Materialien für Weiterverarbeitung werden von den Besitzenden überall vernichtet, und die Arbeiter aller Länder versinken immer tiefer im Abgrund grauenhaftesten, barbarischen Elends. Der Überfluß, den die bestehende Wirtschaftsordnung hervorbiingt, wird zur unmittelbaren Ursache des Verderbens der Massen.
Der große Krieg von 1914 bis 1918 hat diese schreienden Widersprüche noch krasser gemacht als sie schon vorher waren. Dutzende von Millionen arbeitswilliger Hände in allen Ländern der Erde müssen ruhen, die Erwerbslosigkeit ergreift ein Land nach dem anderen. Die Arbeiter werden bis aufs Hemd ausgeplündert, und die kapitalistischen Räuber suchen sich gegenseitig auszustechen. Der Kampf der großkapitalistischen Gruppen einzelner Staaten und Erdteile gegeneinander wird schärfer und schärfer, da jede allen anderen gewinnbringende Absatzgebiete entreißen möchte.
Der allgemeine Kampf aller gegen alle findet seinen Ausdruck in einem wahnsinnigen Wettrüsten. Die Erde starrt in Waffen wie nie zuvor. Vernichtungsmittel, deren Wirkung kein Mensch sich vorzustellen vermag, werden für kommende bewaffnete Auseinandersetzungen der grossen Blutsauger der Menschheit bereitgehalten. Die Gegensätze des letzten Weltkrieges sind auch heute noch nicht beigelegt. Sie klaffen immer weiter auf. Mächtige Bankgruppen haben sich die halbe Welt tributpflichtig gemacht, und die Besitzenden wälzen übermenschliche Lasten auf die schwachen Schultern der Ausgebeuteten ab, die allein unter dem Druck der furchtbaren Zuspitzung der Weltlage seufzen.
Alles internationale Reden von Kriegsverhinderung, Völkerbund und Verständigung auf wirtschaftlichem Gebiet kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir neuen Katastrophen entgegengehen. Nur durch brutale und eiserne Gewaltanwendung werden in allen Ländern heute noch die werktätigen Klassen im Schach gehalten. Aber all das kann nicht hindern, daß sich den Arbeitern die Erkenntnis des verbrecherischen Widersinnes der bestehenden Verhältnisse immer gebieterischer aufdrängt. Die Besitzenden begegnen der Gefahr dieser Erkenntnis, dieses Erwachens der Massen mit der Errichtung diktatorischer Herrschaft. In allen Staaten wird jede auch scheinbare Mitbestimmung der Regierten über ihr Schicksal und das Recht der Arbeiter auf Organisation, Meinungsäußerung und Kampf um bessere Verhältnisse immer mehr unterdrückt. Der italienische Faschismus wird zum Vorbild aller anderen Staaten. Die Volksvertretungen, die allerdings für die Arbeiter nie einen praktischen Wert hatten, werden völlig ausgeschaltet. Der Staat wird eindeutig zum uneingeschränkten Sklavenvogt, der im Interesse der Besitzenden schaltet und waltet. Das freiheitliche Mäntelchen, das er sich eine zeitlang umgehängt hatte, um die Arbeiter über seine wahre Bestimmung zu täuschen, liegt zerfetzt am Boden.
Daraus müssen die Arbeiter ihre Folgerungen ziehen! Die arbeitende Jugend vor allem ist berufen, im großen Befreiungskampfe der Menschheit voranzugehen und der ganzen proletarischen Klasse den Weg zu weisen, der aus dem Zusammenbruch der kapitalistischen Welt herausführt.
Die Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (S.A.J.D.)
ist eine Gruppierung der proletarischen Jugend, die aus dem Kern der Grundgedanken der Jugendbewegung heraus ihre Stellung zum Befreiungskampf der Arbeiterklasse ableitet. Sie entstand in den Jahren der revolutionären Nachkriegszeit als lebendige Vorhut der proletarischen Jugendbewegung. Die SAJD geht aus von der Erkenntnis des Klassenkampfes als Grundlage des heutigen Lebens der Gesellschaft. Die Arbeiterschaft hat die Aufgabe, sich in diesem Kampfe mit allen ihr gebotenen Mitteln zur Wehr zu setzen. Sie geht aber weiter und macht den Klassenkampf gegen die kapitalistischen Ausbeuter zu einem Kampf gegen die Ausbeutungsgesellschaft überhaupt, zu einem Kampfe gegen den Kapitalismus.
Die Planlosigkeit der bestehenden Raubwirtschaft, der Kampf aller gegen alle im heutigen System ist die Ursache davon, daß trotz steigender produktiver Kraft der Gesamtwirtschaft die Lage der arbeitenden Massen eine immer abhängigere und elendere wird. Diese Erkenntnis führt das revolutionäre und denkende Proletariat zu der Forderung des Sozialismus, d.h. der freien Gemeinwirtschaft: Boden und Arbeitsmittel müssen der Willkür der Privateigentümer entzogen und in den Dienst der Allgemeinheit, unter die Verwaltung der Arbeitenden selbst gestellt werden Planmäßige Arbeit für den organisierten menschlichen Bedarf anstelle der zu irrsinnigen wirtschaftlichen und politischen Katastrophen führenden Profit- und Eigentumswirtschaft des heutigen Systems!
Die SAJD ist ein Glied der grosson sozialistischen Befreiungsbewegung der arbeitenden Menschheit der Welt. Sie weiß, daß die arbeitende Jugend auf Gedeih und Verderb verbunden ist mit dem Schicksal der gesamten Arbeiterschaft. Die Jugend der Arbeiterschaft kann keine anderen Ziele haben als der fortgeschrittenste Teil der revolutionären Arbeiterklasse selbst! Trotzdem hat die Jugend im allgemeinen Kampfe der Arbeiterschaft noch besondere Aufgaben zu bewältigen. Sie müssen in Angriff genommen werden in solidarischer Zusammenarbeit mit den Kampforganisationen der erwachsenen Arbeiter, erfordern aber besondere und eigene Zusammenschlüsse auch der Jugend.
Im Geiste der Jugendbewegung fordert die SAJD für die Jugendorganisation des Proletariats Freiheit und Selbstbestimmung. Bereit zur freiwilligen und unumgänglichen Einordnung in die große Kampfbewegung des ringenden Weltproletariats, sieht sie nicht im toten Kadavergehorsam und in militärischer Disziplin, sondern nur in freier und selbstgewachsener solidarischer Gemeinschaft der Kämpfenden eine Garantie des Sieges im sozialrevolutionären Kampfe. Darum bekennt sich die SAJD zu einer freiheitlichen Organisationsform, die Selbstbestimmung und Eigenentschließung der Einzelnen und der Gruppen als kostbarste Grundlage jeder für eine gute Sache kämpfenden Gemeinschaft verkündet. Deshalb begibt sich die SAJD auch nicht unter das Diktat einer politischen Partei, wie es im letzten Jahrzehnt so viele proletarische Jugendgruppierungen getan haben, die dabei stets alle ihre wesentlichen revolutionären Kräfte verloren und zu bedauernswerten Opfern und willenlosen Handlangern politischer Streber der verschiedensten Richtungen wurden.
Der Platz der SAJD im proletarischen Klassenkampf kann darum nur neben denjenigen Organisationen der proletarischen Bewegung sein, die wie die Jugend selbst auf der Grundlage freier Selbstbestimmung von unten nach oben aufgebaut sind und anstelle von Kommando und Gehorsam die wirkliche Arbeitersolidarität setzen.
Aufgaben der arbeitenden Jugend im Klassenkampf
Wirtschaftlicher Kampf
An erster Stelle steht für die revolutionäre Jugend im gegenwärtigen Augenblick die Beteiligung der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen am Abwehr- und Angriffskampf gegen die sozialen und wirtschaftlichen Unterdrückungsmaßnahmen, die das Unternehmertum gegen die werktätige Jugend richtet. Die SAJD steht auf dem Standpunkt, daß in diesem Kampfe die bisher üblichen Methoden der bürokratischen Arbeitsgemeinschaft mit den Unternehmern am grünen Tisch versagt haben. Der Angriff der Arbeiter kann nur auf das Kapital direkt erfolgen - dort, wo sich Ausbeuter und Ausgebeutete Auge in Auge gegenüber stehen, im Betrieb und auf der Stempelstelle. Hier, am Brennpunkt der bestehenden Ordnung, ist revolutionär-gewerkschaftliche Organisation der Jungarbeiter und -Arbeiterinnen notwendig.
Mit den Mitteln der direkten Aktion von der einfachen Arbeitsverweigerung der organisierten Jungarbeiter über die gemeinschaftliche und plamnässige Anwendung schärferer Mittel der passiven Resistenz, des Boykotts und der Sabotage allein kann den Herausforderungen des Unternehmertums wirksam entgegengetreten werden. Parteipolitische Mätzchen können in diesem Kampfe nur ablenken und die Kräfte der Arbeiter zersplittern, Einigkeit und Schlagkraft ist nur durch wirtschaftsrevolutionären Zusammenschluß von unten auf geboten. Hier beginnt auch die organisatorische Aufgabe der kämpfenden proletarischen Jugend. Sie muß hineingestellt werden in die Sozialrevolutionäre Kampfgemeinschaft der Gesamtarbeiterschaft, die nur auf den angedeuteten Grundlagen beruhen kann. Hier soll die Jugend mit ihren frischen und unverbrauchten Kräften in der vordersten Reihe stehen. Sie soll stets für Verbreiterung und Vertiefung revolutionärer Wirtschaftskämpfe eintreten.
Nur der Kampf der Gesamtarbeiterschaft für Verkürzung der Arbeitszeit zur Einreihung aller Erwerbslosen in den Arbeitsprozess durch direkte Aktionen kann auch der Arbeitslosigkeit der Jugend steuern. Nur revolutionäre Streikkämpfe auf breitester Front, bis zu Generalstreiks ansteigend, können die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Proletariats erzwingen. Dazu bedarf es einer einheitlichen kämpferischen Front der Arbeiterklasse auf sozialem Gebiet, deren Verwirklichung durch Parteien und zentralistische, staatsfromme "Gewerkschaften" hintertrieben wird, die in Wirklichkeit längst nur noch Versicherungsunternehmen und Privateigentum ihrer sogenannten Führer sind.
Im Kampfe um eine neue Klasseneinheit des Proletariats ist Bildung von Interessengemeinschaften jugendlicher Arbeiter und Arbeiterinnen unter Ausschaltung aller Parteieinflüsse auf streng überparteilich-revolutionärer Grundlage und unter alleiniger Bestimmung der beteiligten Jugendlichen selbst ein Weg zum Zusammenschluß, der auch für die erwachsene Arbeiterschaft beispielgebend wirken kann.
Aktionen auf solchen Grundlagen sind z.B. gegen die Gefahr der Arbeitsdienstpflicht notwendig. Die Arbeitsdienstpflicht wird auf mannigfachen Wegen versteckt eingeführt. Durch die Arbeitslosenversicherung, auf dem Wege über Notverordnungen und die Fürsorgegesetze wird Einfluß auf die jugendlichen Arbeiter genommen. Eine allgemeine Militarisierung des Lebens der proletarischen Jugend wird erstrebt. Zwangsarbeit in verschiedenen Formen wird eingeführt. Hier helfen keine gesetzlichen Maßnahmen. Hier gibt es nur den Weg unmittelbaren Widerstandes, der gemeinsam direkt ausgeübt und organisiert wird.
Grundsätzliche Forderung der proletarischen Jugend im besonderen aut dem Gebiete der Lohnfrage muß sein: gleiche Löhne für gleiche Arbeit! Die Arbeitskraft der Jugend muß aufhören, billigstes Ausbeutungsmaterial zu sein! Ferner ist für die arbeitende Jugend eine kürzere Arbeitszeit zu erstreben als sie der erwachsene Arbeiter hat. Die leibliche und seelische Entwicklung der Jugend fordert diese Rechte gebieterisch. Auch die Arbeiterjugend will ihre Jugendlichkeit frei entfalten und nicht dem Moloch des Erwerbs opfern! Sechswöchiger bezahlter Urlaub im Jahre ist eine weitere grundlegende Notwendigkeit für eine gesunde Entwicklung der arbeitenden Jugend. Eine ganze Reihe von Kampfzielen bietet sich der werktätigen Jugend für die Gegenwart. Daß sie noch weit von der Verwirklichung entfernt sind, obwohl sie zum Elementarsten gehören, was ein junger Mensch für sich in Anspruch nehmen kann, beweist, daß ganz andere Mittel als die bisherigen parteipolitischen Methoden im Klassenkampfe angewandt werden müssen.
Erziehung zum Sozialismus
Die SAJD betont aber auch im Tageskampf schon die Notwendigkeit der Vorbereitung auf den grossen Kampf um die Verwirklichung des Zieles der Arbeiterbewegung, das über den Kapitalismus hinausweist: des Sozialismus. Das Gelingen einer künftigen sozialen Revolution ist abhängig von der Fähigkeit der Arbeiter, die Technik des Produktionsprozesses zu beherrschen, wirtschaftliche Zusammenhänge zu übersehen und die wirtschaftlichen Beziehungen selbst im sozialistischen Sinne zu reorganisieren. Der Sozialismus bedarf zu seiner Verwirklichung hoher organisatorischer Fähigkeiten derjenigen, die ihn aufbauen wollen, er setzt die Entwicklung praktischer wirtschaftlicher Solidaritätsgefühle in möglichst breiten Kreisen der Arbeiterschaft voraus.
Die Nachkriegsrevolutionen fanden diese Vorausaussetzungen nicht erfüllt und mußten deshalb scheitern, um neuen Formen der Unterdrückung und Ausbeutung Platz zu machen. Die SAJD bekennt sich zu den Forderungen eines aufbauenden Sozialismus, der das Schwergewicht seiner Propaganda und Tätigkeit auf die Kräfte der Arbeiter in den Betrieben legt. Sie ist der Überzeugung, daß der Gedanke der freien Räteorganisation die beste Garantie für eine feste soziale Zusammenfassung der werktätigen Massen in föderalistischer, d.h. freigemeinschaftlicher Gliederung von unten nach oben bietet. Bedeutet die Räteorganisation für die SAJD die wichtigste Losung für den Aufbau des Sozialismus nach einer künftigen Revolution, so ist die SAJD darüber hinaus auch der Meinung, dass die Notwendigkeit praktischer Betätigung der Arbeiter im Sinne freier Entfaltung wirtschaftlicher Kräfte durch Arbeiterräte schon im kapitalistischen System selbst von den Arbeitern im Kampfe durchgesetzt werden muss.
Organisierte Produktionskontrolle ist die sozialrevolutionäre Tageslosung, die am ehesten eine wirkliche Vorbereitung auf den sozialistischen Aufbau der Zukunft verbürgt. Der Arbeiter muß schon heute in den Gang der Produktion, ebenso aber in die Güterverteilung eingreifen! Verweigerung oder praktische Beeinflussung schädlicher oder minderwertiger Produktion in den Betrieben, Organisierung von Käuferstreiks gegen minderwertige Produkte oder auch zum Zwecke der Durchsetzung anderer sozialer Forderungen (Preisdruck, Kampf gegen Zölle usw.) bieten eine Möglichkeit, den Arbeiter schon jetzt mit dem Gedanken seiner Verantwortlichkeit für Produktion und Verteilung der Güter vertraut zu machen, die die Grundlage jeder sozialistischen Wirtschaft bildet. Sozialismus ist nicht eine Sache bürokratischer Staatsdiktatur über die Wirtschaft, die nur zu neuer Schmarotzerei und schlimmster Sklaverei führen könnte, sondern eine Angelegenheit der direkten Anknüpfung neuer wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Erzeugern und Verbrauchern der Lebensgüter selbst. Durch die Eigenorganisation der arbeitenden Menschen und gemeinsame Verwaltung der Produktionsmittel und der Erde von unten auf müssen alle Schmarotzer der Wirtschait ausgeschaltet werden!
Darum muß es auch Aufgabe der Jugend sein, für eine sozialistische Bewußtseinsentwicklung und Erziehung der Jungarbeiter in diesem Sinne zu wirken, zumal die ältere Generation fast vollständig zermürbt und zersetzt ist von der Enttäuschung, die der Ministersesselsozialismus aller Richtungen eingebracht hat. Eine revolutionärsozialistische Jugend muß sich deshalb auch bekennen zur entschiedenen Förderung des Interesses der Jugendlichen für Beruf, Betrieb und Wirtschaft. Sie muß kämpfen gegen jede geistige und soziale Entwurzelung der jungen Menschen und gegen jenes in den Reihen der Jugendbewegung so häufig anzutreffende verantwortungslose romantische Zigeunertum, das nicht geeignet ist, den Kampf um bessere Zustände zu fördern. Mitarbeit auch der jugendlichen Arbeiter in den industriellen Föderationen der syndikalistischen Arbeiter hält die SAJD für unerläßlich. Durch praktische sozialistische Gemeinschaftsarbeit muß der Sinn der Jugend für sozialistischen Aufbau geweckt werden. Arbeitsgemeinschaften über die grundlegenden wirtschaftlichen Probleme und zur Erörterung der Hauptfragen der sozialistischen Wirtschaft zu bilden, ist eine sehr wichtige Aufgabe revolutionärer Jugend.
Selbstverständlich pflegt die SAJD auch jugendliche Geselligkeit und Gemeinschaft und ist mit der gesamten Jugendbewegung einig in ihrem Streben nach neuer, sozialistischer Lebensgestaltung, die von den einzelnen wie von den Gruppen im Sinne einer Loslösung von kleinbürgerlicher Verlogenheit und überkommenen toten Formen und einer Hinwendung zu freieren, gesünderen, harmonischeren und wahrhaftigeren Lebensformen, einer vollkräftigen und von einer edleren Gesinnung bis in alle Poren durchdrungenen Menschlichkeit erstrebt wird. In diesem Willen der SAJD zu einer sozialistisch wertvollen Menschenbildung liegt für sie eine entschiedene Ablehnung aller Versuche begründet, das Leben der Jugend in den Gruppen und Verbänden aller Art zu militarisieren. Dieses Bestreben macht sich heute in allen Lagern immer mehr bemerkbar und bedeutet eine ungeheure Gefahr, bedeutet nichts als Dressur der Jugendlichen für moderne Industriesklaverei und einen kommenden Krieg.
Nicht die krankhafte Lust an Kommando, Drill und Gehorsam, sondern der Wille zu freier Eigenentschließung und die Fähigkeit des jungen Menschen zu freiwilliger Solidarität und gegenseitiger Hilfe können allein die Grundlagen für eine neuen Ordnung der sozialen Dinge sein.
Gegen den Faschismus aller Spielarten
Der Kapitalismus hat die arbeitenden Massen an den Rand des Abgrundes gebracht. Statt abzudanken und einer besseren Ordnung Platz zu machen, greift er zu neuen, schärferen Unterdrückungsmethoden: das ist der Faschismus.
Der Faschismus ist entstanden, weil der Parteisozialismus versagt und sich als unfähig erwiesen hat, eine sozialistische Ordnung zu schaffen. Er ist der Ausdruck der Enttäuschung an den Ideen des internationalen proletarischen Sozialismus und wird hauptsächlich von den heute stark geschädigten bürgerlichen Mittelschichten getragen, die eine Rettung ihrer Existenz und ihrer alten Vorrechte in der Errichtung schrankenloser Staatsdiktatur sehen. Tatsache aber ist, daß auch breite Kreise der ausgebeuteten Arbeiterschaft den faschistischen Scharen folgen. Sie werden mit der faschistischen Bewegung zusammen zu Schildknappen der reaktionären Absichten der Großkapitalisten und Krautjunker, die in der faschistischen Bewegung eine willkommene Gelegenheit sehen, die Begehrlichkeit der Arbeiter zu dämpfen und dem Proletariat jede soziale und politische Bewegungsfreiheit zu nehmen, die die Grundlage für seinen Befreiungskampf sind.
Was hat die arbeitende Jugend vom Faschismus zu erwarten? "Seine erste Morgengabe für das Jungproletariat", so schreibt ein Genosse, "soll die Arbeitsdienstpflicht sein. Für eine nationale Erbsensuppe soll die Jugend neue Wege und Bahnlinien bauen, zur Steigerung der Profite, als Anmarschwege für den nächsten frischfröhlichen Krieg. Die proletarische Jugend soll Wälder roden und Brachland urbar machen, um den Besitz der Krautjunker zu vergrößern. Die arbeitende Jugend soll zur nationalen Dienstpflicht in die Fabriken und auf die Baustellen kommandiert werden, um die Löhne zu drücken und klassenbewußte Arbeiter brotlos zu machen. Der gewaltige Einfluß sozialistischer Ideen auf das Jungproletariat soll durch eine neue Kasernenhoferziehung gebrochen werden."
Es bedarf keiner Erwähnung, dass die SAJD schärfster Gegner des Faschismus und der Arbeitsdienstpflicht ist. Es ist aber notwendig darauf hinzuweisen, daß faschistische Gedankengänge und Organisationsmethoden heute auch in proletarischen und angeblich revolutionären Organisationen immer häufiger auftauchen. Das ist eine größere Gefahr für die Befreiungsbewegung und gerade für die leicht beeinflußbare Jugend als der Faschismus selber, dessen Arbeiterfeindlichkeit ja doch eines Tages entlarvt wird. Deshalb sieht die SAJD ihren Kampf gegen den Faschismus hauptsächlich in ihrer Ablehnung des Geistes der toten Unterordnung, der militärischen Disziplin und der Soldatenspielerei, die sich immer mehr breit machen und die Grundlagen der sozialistischen Bewegung untergraben. Schon ist es so weit, daß proletarische Organisationen, die auf der äußersten Linken zu stehen vorgeben, offen Reklame für einen sogenannten Befreiungskrieg machen, daß ehemalige Reichswehrleutnants der jugendlichen Arbeiterschaft als Ideale und Führer vorgestellt werden. Das ist der Faschismus in der proletarischen Bewegung selbst, der eine ungeheure Gefahr darstellt.
Die SAJD hält unverrückbar fest an der alten sozialistischen Grunderkenntnis, daß die Arbeiter aller Länder gemeinsame Interessen haben und daß deshalb jeder Völkerkrieg eine Niederlage für die werktätigen Massen aller Länder bedeutet. Die SAJD ist bedingungslos antinational und antimilitaristisch. Sie sieht in der Verweigerung der Person und in der Verweigerung der Arbeitskraft für die Zwecke des Krieges und der Kriegsvorbereitung den einzigen Weg zum wirklichen Kampfe gegen den Krieg. Organisierter Widerstand von unten, aus den Betrieben heraus, gegen Krieg und Kriegsrüstung, das ist die Parole! Parlamente und Staatenbünde können nicht für den Frieden sorgen. Kein Staat kann sich den Ast des organisierten Militarismus absägen, auf dem er selbst sitzt! Antimilitaristische Betätigung ist eine der vornehmsten Aufgaben der revolutionären Jugend. Sie ist auch der Hauptbestandteil des Kampfes gegen die Gefahr des Faschismus in den eigenen Reihen der Arbeiterschaft.
Für die soziale und rechtliche Besserstellung der Jugend in der Gesellschaft
Für eine revolutionäre proletarische Jugendorganisation stehen im Vordergrund ihres Kampfes die Forderungen der ganzen arbeitenden Klasse, mit deren Schicksal sie unter allen Umständen verbunden ist. Spielerei mit Altersgegensätzen oder gar Kampf der Jugend gegen die erwachsene Generation ist nicht der Sinn der Jugendbewegung des Proletariats, sondern könnte nichts als Verrat an der großen Sache der sozialen Befreiung aller arbeitenden Menschen bedeuten. Trotzdem aber bestehen natürlich für die Jugend eine Reihe von Sonderaufgaben, die aus der Lage der jungen Generation in der bürgerlichen Gesellschaft zu erklären sind. Die bürgerliche Gesellschaft unterdrückt nicht nur soziale Klassen wie z.B. die Klasse der Lohnarbeiter, die durch gemeinsame wirtschaftliche Merkmale gekennzeichnet sind. Sie unterdrückt auch durch die Natur selbst gegebene (biologische) Gruppen der menschlichen Gemeinschaft. Dies trifft auf die Frauen und auf die Jugend zu.
Außer den sozialen und wirtschaftlichen Kämpfen der Klassen bestehen also in der Tat noch Kämpfe zwischen den Generationen und den Geschlechtern. Und hier muß leider gesagt werden, daß die Frauen und die Jugend meist in den Kreisen der arbeitenden Bevölkerung von den Männern bezw. von den Erwachsenen genau so unterdrückt und in Rechtlosigkeit gehalten werden wie im Bürgertum, ja, es muß eingeräumt werden, daß diese Zustände in proletarischer Umwelt oft sogar noch schlimmer sind als in bürgerlicher. Das ist ein Zustand, der auf die Dauer den allgemeinen Klassenbefreiungskampf der Arbeiter hemmen muß. Darum kämpft die SAJD grundsätzlich für eine rechtliche Besserstellung der Jugend in der Gesellschaft.
Die absolute Abhängigkeit und Mittellosigkeit der Jugend des Proletariats, die Gesetze über die Minderjährigkeit, die Fürsorgeerziehungsgesetze, die mangelhaften Jugendschutzbestimmungen kennzeichnen die besondere Entrechtung der arbeitenden Jugend durch das herrschende System. Schule und Lehre sind nicht Stätten freien und natürlichen Menschenwachstums und wirklicher Förderung der Jugendentwicklung durch Erwachsene, sondern Einrichtungen zur Dressur auf Untertänigkeit und Ausbeutung. Rechtlosmachung und Bevormundung überall! Selbst in den Arbeiterorganisationen ist oft die Stellung der Jugend keine bessere und freiere als in den Zwangseinrichtungen der Schule und der Wirtschaft.
Gegen diese Zustände wendet sich die SAJD mit aller Entschiedenheit. Sie verlangt Achtung der jungen Generation durch die Gesellschaft und Einräumung größtmöglicher Freiheit für Selbsterziehung und Selbständigkeit der Jugend. Sie sieht es als ihre wichtigste Aufgabe in diesem Kampfe an, der Jugend selbst erst einmal das Bewußtsein zu vermitteln, daß Jugendlichkeit nicht Minderwertigkeit und bloßes Durchgangsstadium ist, wie es den Anschein hat, sondern ein Eigenwert von größter Bedeutung für jeden Einzelnen und der unerschöpfliche Quell für die ewige Erneuerung der ganzen menschlichen Gesellschaft nicht nur in biologischer sondern vor allem in geistig-seelischer Hinsicht.
Eine im guten und sozialen Sinn selbstbewußt, jugendbewußt gewordene junge Generation wird Mittel und Wege finden, ihre rechtliche Abhängigkeit zu brechen und für die Umwandlung der Erziehung in Schule und Lehre in wahrhaft kameradschaftlich-helfende Förderung zwischen Jung und Alt und unter der Jugend selbst praktisch zu kämpfen. Alle wirklich von sozialistischem Geiste getragenen Organisationen der erwachsenen Arbeiter werden der Jugend dabei Helfer sein, alle einsichtigen Vertreter der Eltern- und Lehrerschaft ihr zur Seite stehen.
Sie alle müssen mit der revolutionären Jugend auch kämpfen um die Eroberung der Schule für das Volk selbst. Die Bildungsorganisation muß unabhängig vom Staat und seinen Zwecken gemacht werden. Die freie Schulgemeinde, aus Eltern, Lehrenden und Lernenden zusammengesetzt, ist die Trägerin des Schulwesens der Zukunft und verbürgt den Aufbau einer wahrhaft menschlichen Erziehung, einer Erziehung zum Sozialismus. Das Ziel ist die Verschmelzung der Schule mit der Einführung der Jugend in die Produktion. Selbstverständlich ist die volle Verwirklichung dieser Forderung erst nach der Enteignung des Kapitalismus und nach dem Sturz der Macht der heute besitzenden Klassen möglich, aber viel kann schon heute durch direktes gemeinsames Vorgehen gegen die Schulreaktion erreicht werden.
Die SAJD bekämpft mit dem Bildungsvorrecht der heutigen Gesellschaftsordnung das bestehende Schulsystem prinzipiell. Sie lehnt den Zustand ab, der eine Minderheit in einseitig geistiger Ausbildung bevorzugt, die Mehrheit der Jugend aber nur in oberflächlicher Massendressur für den Ausbeutungsprozeß herrichtet. Die SAJD erstrebt gemeinsame und allseitige Erziehung der Gesamtjugend durch ein einheitliches Schulwesen in der Hand einer sozialistischen Gesellschaft.
Die Einräumung von Stellen auf höheren Schulen für einzelne jugendliche Arbeiter und die Sucht nach höheren Examen und "Berechtigungen" hat mit Befreiung der Arbeiterschaft nichts zu tun. Diese Bestrebungen führen höchstens dazu, daß geistig rege Kräfte der Klassengemeinschaft entzogen und zu höher bezahlten Sklaven der kapitalistischen Verwaltung oder Wirtschaft gemacht werden, oder das schnell wachsende akademische Proletariat vergrößern. Unser Ziel ist der gemeinsame Aufstieg der gesamten arbeitenden Jugend zu einem harmonischen Leben aller in sozialistischer gegenseitiger Hilfe! In diesem Sinne führen wir unseren Kampf um eine freie Schule!
Wesentlich ist die Anknüpfung würdiger und freier Beziehungen zwischen den Altersklassen in der proletarischen Organisation und in der proletarischen Familie. Hier sieht es oft noch sehr schlimm aus. Wenn aber die Arbeiterbewegung als ganzes von freiheitlich-sozialistischen Auffassungen und den Gedankengängen des Anarchosyndikalismus beseelt sein wird, zu denen sich die SAJD bekennt, dann ist die wesentliche Voraussetzung einer Befreiung der Jugend geschaffen, und eine soziale Revolution des Proletariats wird mit der Befreiung der Arbeit auch die Zerstörung aller Fesseln des Lebens der Jugend bringen, die die bürgerliche Gesellschaft geschmiedet hat.
Die S.A.J.D. und die Parteien
Bei der Darstellung der Kampfziele der SAJD ist es schon deutlich gesagt worden, daß im Kampfe der Arbeiter um ihre Befreiung andere Wege beschritten werden müssen als die der bisherigen Parteien und der ihnen untergeordneten Gewerkschaften, die alles andere als selbständige wirtschaftliche Kampfverbände der Arbeiter sind.
Die SAJD lehnt die Zweiteilung der Arbeiterbewegung in politische Partei und Gewerkschaft ab. Die SAJD ist für die revolutionäre Einheitsorganisation der Arbeiterschaft auf der Grundlage einer rein wirtschaftlichen Gliederung nach den Erfordernissen des revolutionären Kampfes und des sozialistischen Aufbaus.
Die politischen Parteien der Arbeiterbewegung und die ihnen untertanen Gewerkschaften (die Zentralverbände des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ebenso wie die neuen kommunistischen Gebilde der sog. Revolutionären Gewerkschaftsopposition und der roten Einheitsverbände) legen die Entscheidung über die Kämpfe der Arbeiter in die Hände der Führer. Diese haben über den Kampf zu bestimmen. Es handelt sich hier um eine Organisationsform, die ihrem Wesen nach den feindlichen Mächten des Staates und der Kirche oder des Militarismus entlehnt ist. Sie züchtet nichts als verantwortungslose Mitläuferschaft, blindgläubiges Wählertum und zweibeinige Mitgliedsbücher, mit denen ein wirklicher Befreiungskampf unmöglich ist.
Die SAJD lehnt deshalb Parteien, parteipolitisch verseuchte Führergewerkschaften und militärische Organisationsgebilde im Klassenkampf ebenso ab wie den Staat, das Militär und die Kirche selbst. Die SAJD ist der Überzeugung, daß eine Verbesserung der gegenwärtigen Lage der Arbeiterklasse und die endgültige revolutionäre Befreiung nur dann möglich sind, wenn das Proletariat diese Befreiung selbst organisiert. Das ist allein durchführbar auf der Grundlage freien Eigenzusammenschlusses der Arbeiter in den Betrieben und Stempelstellen über die Köpfe aller politischen Gernegroße hinweg. In der Wirtschaft selbst, im Betrieb, in der Stempelstelle und beim Wareneinkauf soll das Proletariat seine direkten wirtschaftlichen Klassenkräfte unmittelbar zum Einsatz bringen gegen Ausbeutung und Unterdrückung - dann nur ist ein wirklicher und wirksamer Druck auf Unternehmer, Kaufleute und Behörden möglich, der Erleichterungen wirtschaftlicher und rechtlicher Natur im Gefolge hat. Und nur die Anwendung dieser direkten Kampfeswaffen, vom Streik über Boykott und Sabotage bis zum Generalstreik, der zum Generalaufstand wird, verbürgt eine Möglichkeit der Enteignung der kapitalistischen Raubritter und der Zerstörung aller politischen Unterdrückungsgewalten, die das Ziel der sozialistischen Bewegung und die Grundlage für den Aufbau einer neuen Welt der Gemeinwirtschaft bilden. Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein!
Diese Überzeugung, die in der SAJD lebt, wird ebenfalls vertreten von den internationalen Organisationen des revolutionären Anarchosyndikalismus. In Deutschland ist es die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (Anarchosyndikalisten), die die organisatorische Verkörperung dieser revolutionären Erkenntnisse in völliger Folgerichtigkeit darstellt. Mit ihr arbeitet die SAJD brüderlich zusammen, da beide Organisationen den gleichen Weg und dasselbe Ziel verfolgen.
Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) stellt die folgenden Forderungen auf, zu denen sich auch die SAJD bekennt:
"1. Kontrolle der Produktion durch die Arbeiterklasse;
2. Kampf um die Erweiterung der Macht der Betriebs- und Arbeiterräte, um sie zu Instrumenten der Kontrolle der Produktion und der Organisierung des Widerstandes der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus und die fortschreitende Faschisierung zu machen;
3. Organisierung des Kampfes der Arbeiterklasse gegen die Folgen der Rationalisierung durch radikale Verkürzung des Arbeitstages und Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle bei vollem Lohnausgleich und unter gleichzeitigem Einsatz aller Klassenkräfte für die Erhöhung der Arbeitslöhne; Herstellung der solidarischen, praktischen Einheitsfront zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen - nicht politische Schaumschlägerei und Machtpolitik diktaturlüsterner Politikanten, sondern praktische Zusammenarbeit der Gesamtarbeiterklasse in direkter ökonomischer Aktion;
4. Einheitslöhne als etappenweise lokal und industriell zu erkämpfendes Ziel;
5. Organisierung breiter Boykottbewegungen zur Unterstützung der Wirtschaftskämpfe und Einflußnahme der Arbeiterklasse auf die Preisgestaltung, um den Wirtschaftsaktionen sozialistischen Wert zu geben;
6. Organisierung von Mieterstreiks, zunächst unter den Arbeitslosen;
7. Vorbereitung des Generalstreiks zur Überwindung des Kapitalismus und zur Niederschlagung der Reaktion;
8. Organisation der befreiten Arbeit aus den Betrieben, Werkstätten, Feldern und Industrien heraus in einer freien räteorganisierten Gesellschaft."
Alle Organisationen des revolutionären Syndikalismus sind international zusammengefaßt in der Internationalen Arbeiter-Assoziation. Sie kämpfen in allen Ländern für die Erneuerung der sozialistischen Bewegung der revolutionären Arbeiter und für ihre Rettung aus parteipolitischer Verkommenheit und Korruption.
Dazu gehört für die SAJD selbstverständlich Ablehnung aller Jugendorganisationen, die von Erwachsenen selbst zur Ausnützung für ihre eigenen machtpolitischen Zwecke geschaffen worden sind, wie das auf alle Parteijugenden zutrifft.
Alter und neuer Sozialismus
Die Arbeiterbewegung hat sich festgefahren. Trotz riesiger Parteigebilde und millionenstarker sogenannter Gewerkschaften ist sie heute ohnmächtiger denn je. Der Weg, den die Arbeiterschaft einschlug, hat sie nicht zu ihrer Befreiung, sondern nur noch tiefer in Knechtschaft und Armut, in Abhängigkeit und Lebensunsicherheit hineingeführt. Wie kam das?
Die parteisozialistische oder parteikommunistische Lehre behauptete, daß die menschliche Gesellschaft sich wirtschaftlich von ganz allein zum Zusammenschluß, zu sozialistischen Formen der Arbeit entwickle, ohne daß der Mensch, der Arbeiter dabei eine besondere aufbauende Aufgabe habe. Wozu aber organisierte man dann eine Arbeiterbewegung, wenn die Arbeiter innerhalb dieser Entwicklung zum Sozialismus, der früher oder später doch von selbst kommen mußte, eigentlich garnichts zu tun hatten? Sie hatten doch etwas zu tun nach der Meinung unserer Parteisozialisten und Parteikommunisten: nämlich die Aufgabe, um den Staat zu kämpfen. Der Staat, die Regierung müsse in einem günstigen Augenblick der Entwicklung der sich selbst zusammenballenden Wirtschaft diese Wirtschaft den bisherigen Eigentümern und Kapitalisten aus der Hand nehmen. Darauf allein sollte sich das Streben der Arbeiter richten! Deshalb wurde zu den "Volksvertretungen" gewählt, zum Reichs- und Landtag, zum Stadtparlament. Mit der Zeit sollten die gewählten Vertreter dann die Regierung oder wenigstens vorläufig kleinere politische Pöstchen übernehmen und die neue Staatswirtschaft zur Einführung bringen.
Ungeduldigere Elemente sagten, daß die Wählerei allein nicht genüge, sondern daß man zu Revolten greifen müsse, um den Parteiführern in einem geeigneten Moment die Regierung in die Hände zu spielen. Beide Richtungen des Parteisozialismus aber waren sich in dem Ziele der Eroberung der sogenannten politischen Macht einig. Darauf wurde die ganze Arbeiterbewegung eingestellt. Und deshalb ruhte alles Interesse nur auf den Führern, denen ja die Aufgabe der Verwirklichung der neuen Ordnung oblag. Die beitragzahlenden und wählenden oder militärisch für den Sieg ihrer Anführer kämpfenden Massen hatten keine andere Aufgabe, als ihren Führern den persönlichen Aufstieg zu ermöglichen.
Und diese Aufgabe haben die Arbeiter erfüllt. Sie sahen ihre Führer in die Regierungen und in die Behörden kommen. Radikale und weniger radikale Regierungen aus sogenannten Sozialisten oder Kommunisten bildeten sich in verschiedenen Ländern.
Aber nirgends kam es zur Befreiung der Massen selbst. Es stellte sich heraus, daß die Staatswirtschaft, die man für den Sozialismus gehalten hatte, noch schlimmere Sklaverei und Ausbeutung darstellte als die privatkapitalistische Wirtschaft. Der Weg der Eroberung der politischen Macht ist ein Irrweg gewesen. Die Arbeiter haben auf diesem Wege alle wirkliche Macht in der Gesellschaft verloren. Ihre Führer waren dabei zu Knechten der Besitzenden geworden. In Deutschland sind die vom Bürgertum gesuchtesten Polizeipräsidenten die Sozialdemokraten, weil sie das Handwerk der Niederknüppelung der hungernden Massen am besten besorgen. Dahin hat die Staatseroberung durch die Arbeiter geführt. In Wirklichkeit haben der Staat und der Kapitalismus die Arbeiterbewegung erobert, oder wenigstens die sogenannten Führer, die um Amt, Würden und Pfründen kämpfen und längst nichts mehr von den Nöten und Bedürfnissen der Arbeiter wissen.
Die Prinzipienerklärung des Anarcho-Syndikalismus bringt durchaus die Stellung der SAJD zum Ausdruck, wenn sie erklärt:
"Die Anarcho-Syndikalisten sind prinzipielle Gegner jeder Monopolwirtschaft. Sie erstreben Vergesellschaftlichung des Bodens, der Arbeitsinstrumente, der Rohstoffe und aller sozialen Reichtümer; die Reorganisation des gesamten Wirtschaftslebens auf der Basis des freien, d.h. des staatenlosen Kommunismus.
Ausgehend von der Erkenntnis, daß der Sozialismus letzten Endes eine Kulturfrage ist und als solche nur von unten nach oben dürch die schöpferische Tätigkeit des Volkes gelöst werden kann, verwerfen die Anarcho-Syndikalisten jedes Mittel einer sogenannten Verstaatlichung, das nur zur schlimmsten Form der Ausbeutung, zum Staatskapitalismus, nie aber zum Sozialismus führen kann.
Die Anarcho-Syndikalisten sind der Überzeugung, daß die Organisation einer sozialistischen Wirtschaftsordnung nicht durch Regierungsbeschlüsse und Dekrete geregelt werden kann, sondern nur durch den Zusammenschluß aller Kopf- und Handarbeiter in jedem besonderen Produktionszweige; durch die Übernahme der Verwaltung jedes einzelnen Betriebes durch die Produzenten selbst und zwar in der Form, daß die einzelnen Gruppen, Betriebe und Produktionszweige selbständige Glieder des allgemeinen Wirtschaftsorganismus sind, die auf Grund gegenseitiger und freier Vereinbarungen die Gesamtproduktion und die allgemeine Verteilung planmäßig gestalten im Interesse der Allgemeinheit.
Die Anarcho-Syndikalisten sind der Meinung, daß politische Parteien, welchem Ideenkreise sie auch angehören, niemals imstande sind, den sozialistischen Aufbau durchführen zu können, sondern daß diese Arbeit nur von den wirtschaftlichen Kampforganisationen der Arbeiter geleistet werden kann. Aus diesem Grunde erblicken sie in der Gewerkschaft keineswegs ein vorübergehendes Produkt der kapitalistischen Gesellschaft, sondern die Keimzelle der zukünftigen sozialistischen Wirtschaftsorganisation. In diesem Sinne erstreben die Anarcho-Syndikalisten schon heute eine Form der Organisation, die sie befähigen soll, ihrer großen historischen Missionund in derselben Zeit dem Kampfe für die täglichen Verbesserungen der Lohn- und Arbeitsverhältnisse gerecht zu werden.
An jedem Orte schließen sich die Arbeiter der revolutionären Gewerkschaft ihrer Industrien an, die keiner Zentrale unterstellt ist, ihre eigenen Gelder verwaltet und über vollständige Selbstbestimmung verfügt. Die Gewerkschaften der verschiedenen Industrien vereinigen sich an jedem Orte in der Arbeitsbörse, dem Mittelpunkt der lokalen gewerkschaftlichen Tätigkeit und der revolutionären Propaganda.
Als Gegner jeder staatlichen Organisation verwerfen die Anarcho-Syndikalisten die sogenannte Eroberung der politischen Macht und sehen vielmehr in der radikalen Beseitigung jeder politischen Macht die erste Vorbedingung zu einer wahrhaft sozialistischen Gesellschaftsordnung. Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist aufs engste verknüpft mit der Beherrschung des Menschen durch den Menschen, so daß das Verschwinden der einen notwendigerweise zum Verschwinden der anderen führen muß. Unter Betonung dieser grundsätzlichen Auffassung erklären die Anarcho-Syndikalisten, daß sie dem politischen Kampf nicht teilnahmslos gegenüberstehen oder gar eine Beeinflussung der politischen Verhältnisse ablehnen, sondern daß sie auch auf politischem Gebiete für jeden freiheitlichen Fortschritt mit den Mitteln der direkten Aktion kämpfen und die Reaktion mit allen Mitteln bekämpfen werden.
Die Anarcho-Syndikalisten verwerfen prinzipiell jede Form der parlamentarischen Betätigung, jede Mitarbeit in den gesetzgebenden Körperschaften, ausgehend von der Erkenntnis, daß auch das freieste Wahlrecht die klaffenden Gegensätze innerhalb der heutigen Gesellschaft nicht mildern kann, und daß das ganze parlamentarische Regime nur den Zweck verfolgt, dem System der Lüge und der sozialen Ungerechtigkeit den Schein des legalen Rechts zu verleihen - den Sklaven zu veranlassen, seiner eigenen Sklaverei den Stempel des Gesetzes aufzudrücken.
Die Anarcho-Syndikalisten verwerfen alle willkürlich gezogenen politischen und nationalen Grenzen; sie erblicken im Nationalismus lediglich die Religion des modernen Staates und verwerfen prinzipiell alle Bestrebungen zur Erzielung einer sogenannten nationalen Einheit, hinter der sich doch nur die Herrschaft der besitzenden Klassen verbirgt. Sie anerkennen nur Unterschiede regionaler Natur und fordern für jede Volksgruppe das Recht, ihre Angelegenheiten und ihre besonderen Kulturbedürfnisse gemäß ihrer eigenen Art und Veranlagung erledigen zu können im solidarischen Einverständnis mit allen anderen Gruppen und Volksverbänden.
Die Anarcho-Syndikalisten stehen auf dem Boden der direkten Aktion und unterstützen alle Bestrebungen und Kämpfe des Volkes, die mit ihren Zielen - der Abschaffung der Wirtschaftsmonopole und der Gewaltherrschaft des Staates - nicht im Widerspruch stehen. Ihre Aufgabe ist es, die Massen geistig zu erziehen und in den wirtschaftlichen Kampforganisationen zu vereinigen, um dieselben durch die direkte wirtschaftliche Aktion, die im sozialen Generalstreik ihren höchsten Ausdruck findet, die Befreiung vom Joche der Lohnsklaverei und des modernen Klassenstaates entgegenzuführen."
Soweit die grundsätzliche Erklärung der anarchosyndikalistischen Bewegung zu den Aufgaben des Sozialismus und der Arbeiterschaft.
Uns als Jugend des werktätigen Volkes wird hier ein Weg gewiesen, der ins Freie führt, der eine Wiedergeburt der heute in einer "Todeskrise" befindlichen Arbeiterbewegung bedeutet.
Der Staats- und Parteisozialismus ist am Ende. Die SAJD hält es für eine ganz besondere Aufgabe der Jugend, für eine neue Auffassung des Sozialismus und des Weges zur Befreiung der Arbeiter zu werben. Die SAJD tritt ein für den freiheitlichen, herrschaftslosen (anarchistischen) Sozialismus. Der Anarchosyndikalismus (zu deutsch: die herrschaftslos-sozialistische Klassenbewegung, revolutionäre Gewerkschaften) ist der Weg des freien Sozialismus. Wie dieser Weg beschaffen ist, das haben wir im Einzelnen bei der Schilderung der Ziele des Kampfes der SAJD gezeigt.
Kann es ein größeres Ziel geben für eine revolutionär-proletarische Jugend als das, der ganzen arbeitenden Klasse auf dem Wege zur notwendigen, völligen Erneuerung der revolutionären Bewegung voranzugehen? Dazu rufen wir die Jugend des Proletariats! Es gilt, unerhörte Arbeit zu leisten, die Menschheit aus dem Abgrund des kapitalistischen Zusammenbruchs zu retten!
Die SAJD ist die Organisation der klassenbewußten, jugendbewußten und freien Jugend der kämpfenden Arbeiterschaft. Ein bewußtes und freiwilliges Glied der großen proletarisch-revolutionären Bewegung der Welt, ist sie politisch unabhängig und lehnt es ab, für den Arbeitern und der Jugend fremde Interessen politischer Parteien einzutreten. Sie setzt sich ein für die Interessen der Gesamtarbeiterschaft und ganz besonders für diejenigen aller jugendlichen Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellten.
Die SAJD sieht den einzigen Weg zur Befreiung in Gegenwart und Zukunft in der Anwendung organisierter direkter Aktionen der Arbeiter selbst und betrachtet das zentralistische Vertretersystem in jeder Form als die größte Gefahr der revolutionären Bewegung. Die SAJD ist Vorkämpferin für eine wirklich freie und eigengesetzliche Jugendkultur und für eine neue menschliche Gesamtkultur auf den Grundlagen umfassender und organisierter gegenseitiger Hilfe aller Arbeitenden.
Die SAJD ist der Vortrupp der Arbeiterschaft im Ringen um den unverfälschten freiheitlichen Sozialismus, der dem kapitalistischen Kampf aller gegen alle und der gegenseitigen Ausplünderung ein Ende setzt und den Menschen erst frei macht zu seinen eigentlichen Aufgaben.
Das ist ein großes und umfassendes Ziel, das den Einsatz der besten Kräfte der proletarischen Jugend lohnt.
Wenn die arbeitende Jugend in Stadt und Land erwacht, wenn sie sich ihrer eigenen Kräfte und ihrer Aufgaben bewußt wird, dann wird sie mit uns zum freiheitlichen Sozialismus, zum revolutionären Anarchosyndikalismus stehen. Dann ist der Weg frei für das Gesamtproletariat, der aus dem Dunkel und der Dumpfheit der Unterdrückung in den neuen Tag des Sozialismus, einer zum Bewußtsein ihrer selbst gekommenen arbeitenden Menschheit führt!
Wir marschieren, wir sind die Spitze der grossen proletarischen Klassenfront! Wir haben die Lage der arbeitenden Massen klar erkannt; wir kennen den Feind und wissen, wo er angreifbar ist! Wir rufen die arbeitende Jugend und sammeln sie zum grossen und entscheidenden Angriff, wir sind die junge Garde das tausendmal verratenen, tausendmal geschändeten, aber dennoch lebendigen Sozialismus, der Vortrupp der sozialen Revolution! Mit uns zum Freiheitskampf!
Wo keine Gruppe der SAJD am Orte, wende man sich an die Reichsinformationsstelle der SAJD: Otto Schmidt, Erfurt, Am gelben Gut 65
Originaltext: Reichsinformationsstelle der SAJD - Mit uns zum Freiheits-Kampf! Was will die Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands? Otto Schmidt, Erfurt, Am gelben Gut 65, 1932. Digitalisiert von www.anarchismus.at an Hand eines PDF der Originalbroschüre (bearbeitet - Ue zu Ü usw.)