Peter Seyferth - Zu Räten wird geraten: eine andere Demokratie ist möglich!

Ein einführender Vortrag

Die Räterevolution in München ist jetzt schon über 90 Jahre her, aber was ist mit heute? Heute müssen wir keinen König mehr durch Revolution entmachten, schließlich leben wir ja in einer Demokratie, und wir müssen keinen Krieg mehr durch Ungehorsam beenden, denn wir leben ja im Frieden. Heißt es jedenfalls. Ob der Kapitalismus, der unser Leben durchdringt, wirklich so friedlich ist, sei mal dahingestellt. Aber zur Demokratie möchte ich schon ein paar Worte verlieren. Als 1918 die Demokratie in Bayern eingeführt werden sollte, wurden zunächst zwei Modelle verwirklicht, die nicht ganz zusammenpassen wollten: Parlament und Räte. Bekanntlich hat sich die parlamentarische Demokratie 1919 durchgesetzt, SPD und rechtsextreme Freikorps haben Anarchisten und Kommunisten besiegt. Die parlamentarische Demokratie kennen wir aus eigener Anschauung. Im Prinzip ist sie eine Wahlaristokratie: wie in einer aristokratischen Staatsform herrschen wenige über viele, die Entscheidungen werden oben in einem kleinen Kreis getroffen und nach unten per Befehl (heute sagt man lieber „Gesetz“) durchgesetzt – wenn es sein muß, auch mit Gewalt. Die Legitimation der Aristokratie liegt in der angeblichen Tugend des Adels: es herrschen die, die es am besten können. Das gilt in der parlamentarischen Demokratie nicht. Das ist auch gut so, denn dieses „Am-Besten-Können“ ist bekanntlich nur ein Mythos, den die Herrschenden zur Machtsicherung verbreiten. Im Parlamentarismus liegt die Legitimation beim Volk, das die Herrscher wählt. Nun ist schon das mit dem Volk recht problematisch, weil da nicht die ganze Bevölkerung dazugehört, d.h. es werden Menschen ausgegrenzt und übergangen. Die Wahlen verstärken dieses Problem: weil nicht über Sachthemen abgestimmt wird, sondern über Personen, die dann ohne weiteres Nachfragen über ebendiese Sachthemen entscheiden dürfen, wird auch der größte Teil des Volkes von der Herrschaft ausgeschlossen. Demokratie ist aber definitionsgemäß die Herrschaft des Volkes.

Wie sieht es denn mit dem anderen Modell aus, der Rätedemokratie? Hier ist die Entscheidungsrichtung eine andere, nämlich von unten nach oben. In den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen werden politische Entscheidungen in überschaubaren Versammlungen der betroffenen Leuten getroffen, in den höchstens 20 Personen umfassenden Räten. Wenn mehr Leute betroffen sind, stellt sich freilich das Problem, daß fruchtbare Diskussionen unmöglich werden; ob an einer bestimmten Stelle am Fluß eine Fabrik gebaut werden soll, betrifft so viele Menschen, daß sie sich nicht mehr gemeinsam treffen können. In solchen Fällen entsenden die kleinen Räte auf der untersten Ebene Delegierte, die in sich in einem Rat auf höherer Ebene treffen und dort die Entscheidungen aushandeln. Dabei ist wichtig, daß die Delegierten an die Entscheidungen der unteren Ebenen gebunden sind (man nennt das „imperatives Mandat“); im Delegiertenrat dürfen sie nur solche Entscheidungen treffen, zu denen sie im untersten Rat beauftragt wurden  – und ihre Entscheidungen müssen von den unteren Ebenen noch „ratifiziert“ werden, bevor sie Gültigkeit erlangen. Die Aufgabe von Delegiertenräten ist also nicht, zu regieren, sondern weisungsgebunden die Entscheidungsfindung zwischen den vielen Leuten zu ermöglichen, die nicht alle gleichzeitig am selben Ort sein können. Die gesellschaftlichen Bereiche, um die es geht, sind sehr vielfältig. Vor über 90 Jahren gab es Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, doch möglich wären auch Räte von Schülern, Lehrern, Frauen, Büroangestellten, Migranten, Radfahrern, Mietern und allen, die von einem bestimmten politischen Problem betroffen sind. Räte können sich auch territorial organisieren. Die Idee bei den Räten ist, daß man Probleme an der Wurzel packt, sie also von den jeweils betroffenen Personen gelöst werden. Nur bei größeren Problemen sind größere Entscheidungsstrukturen notwendig. So verhindert man, daß Menschen von Amts wegen über Menschen herrschen dürfen. Durch die Einbeziehung aller Betroffener wird außerdem die Diskriminierung nicht zum „Volk“ gehöriger Menschen verhindert.

In der Theorie mag das ganz schön klingen, aber funktioniert es überhaupt? Auch in der Rätedemokratie muß Amtsmißbrauch verhindert werden. Das ginge z.B. mit dem Rotationsprinzip, das die Amtszeit eines jeden Delegierten einschränkt. Selbstverständlich soll auch kein Delegierter Privilegien oder Befugnisse erhalten, die über das hinausgehen, was er zur direkten Ausübung seiner Aufgaben benötigt. In der Rätedemokratie sind die Delegierten eben keine Repräsentanten, sondern einschränkt Beauftragte.

Gefahr droht der Freiheit der Individuen aber nicht nur in der vertikalen Anordnung von politischen Institutionen, sondern auch in der angeblich egalitären Teilnahme an Räten auf der untersten Ebene. Zu leicht könnte sich ein Rat bilden, der Entscheidungen trifft, die anderen Leuten Nachteile bringen. Nehmen wir an, im Dorf A solle eine Fabrik eröffnet werden, ganz fair beschlossen in einem Rat aller Bürger des Dorfes A; doch leider sind nun im Dorf B gesundheitliche Probleme bei den Bewohnern zu beklagen, denn die Fabrik leitet ungeklärtes Abwasser in den Fluß und Dorf B liegt flußabwärts. Die Bewohner des Dorfes B könnten freilich auch einen Rat gründen und darin beschließen, die Fabrik wieder zu schließen, z.B. durch Blockade der Zulieferstraßen oder durch Brandstiftung. Doch auch dieser Beschluß hätte Benachteiligte, nämlich diesmal die Bewohner von Dorf A. Die Entscheidungsfindung in ad hoc gegründeten Räten ist also keineswegs gefeit gegen Ungerechtigkeiten, die sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen könnten. Also ist ein Rat erst dann berechtigt, in Dorf A die Fabrik zu errichten, wenn auch die Bewohner von B in diesem Rat mitentscheiden dürfen.

Eine weitere Gefahr ist die Mehrheitsentscheidung, denn sie kann die Interessen von Minderheiten systematisch außen vor lassen. Wenn es in Dorf A dreimal so viele Leute gibt wie in Dorf B, so nutzt es den Leuten aus B recht wenig, am Rat teilzunehmen, wenn sie doch auf jeden Fall überstimmt werden. Eine Lösung für dieses Problem wäre der Konsens als Entscheidungsprinzip. Beim Konsens wird weniger die Entscheidung als vielmehr die Entscheidungsfindung betont. Jeder Betroffene kann seine Bedenken und Wünsche einbringen, keine Stimme bleibt ungehört. Es geht bei Konsens nicht darum, meine Interessen auf Kosten der anderen durchzusetzen, sondern darum, herauszufinden, ob es vielleicht gemeinsame Interessen gibt oder Lösungen, die verschiedene Interessen bedienen. Das Konsensverfahren ist ein kommunikativer Akt, der Gemeinsamkeit schafft, ohne Einheitlichkeit zu erzwingen. Auf unser Beispiel angewandt, könnten sich die beiden Dörfer im Konsensverfahren darauf einigen, daß zwar eine Fabrik gebaut wird, diese aber mit einer Kläranlage ausgestattet wird, außerdem werden Arbeitsplätze und Gewinne der Fabrik zwischen den Dörfern geteilt – über die genauen Prozentsätze wird etwas länger gestritten, wie man sich leicht vorstellen kann, aber am Schluß steht jeder hinter dem Beschluß.

Konsens bedeutet Einstimmigkeit und schützt daher jede noch so kleine Minderheit. Konsens bedeutet aber auch, daß jeder Teilnehmer das Vetorecht besitzt und somit Entscheidungen auch noch so großer Mehrheiten blockieren kann. Wenn sich nicht alle einigen können, bleibt alles wie es ist, und das bedeutet, daß Konsensverfahren zu einem gewissen Konservativismus neigen. Es läßt sich zeigen, daß es prinzipiell unmöglich ist, ein Entscheidungsverfahren zu finden, das den kollektiven Willen einer Gruppe aus den individuellen Willen ihrer Mitglieder erzeugt, ohne dabei irgendwelche prinzipiellen Nachteile mit sich zu bringen. Der Konsens kann zu Stillstand führen, die Mehrheitsentscheidung unterdrückt die Minderheit – es gibt erwiesenermaßen keine ideale oder beste Methode. Es gibt immer die Möglichkeit für die unfaire Ausnutzung von Schwächeren. Solange es sozial angesehen ist, daß jemand sich „nach oben“ kämpft und dabei Konkurrenten „besiegt“ und „Reichtümer“ wie Geld und Statussymbole und Anhänger sammelt, so lange ist keine auch noch so demokratische Struktur davor gefeit, von machtgeilen Individuen ausgenutzt zu werden. Hier kommt wieder der Kapitalismus ins Spiel, denn er belohnt ebendiese und erzieht uns alle entsprechend.

Abgesehen davon verlangt die Rätedemokratie von jedem, der daran teilnimmt, deutlich mehr politisches Engagement, als das in einem politischen System der Fall ist, in dem man lediglich alle paar Jahre ein Kreuz machen darf. So lange also Machtkämpfer angesehen sind und politische Entscheidungsfindung als eine Dienstleistung aufgefaßt wird, die man den Experten oder den lautesten Marktschreiern überlassen sollte, so lange wird auch ein Rätesystem nicht verhindern können, daß letztlich über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.

Wer sich über solche Dinge gerne Gedanken macht, dem seien drei Bücher empfohlen: Ralf Burnicki geht in Anarchismus und Konsens (Edition AV, 305 S., 16,– €) auf viele Vor- und Nachteile demokratischer Entscheidungsverfahren ein, und Darwin Dante beschreibt in Die neue Welt und das Ende der Lohnarbeit (Download unter http://5-stunden-woche.de/band6.pdf) einen legalen Weg, wenigstens im persönlichen sozialen und wirtschaftlichen Umfeld direkte Demokratie zu verwirklichen und dabei nicht nur Freiheit, sondern auch Freizeit zu gewinnen. Schließlich erzählt Ursula K. Le Guin in Die Enteigneten (Phantasia, 352 S., 19,90 €), auch bekannt als Planet der Habenichtse (Argument, 320 S., 15,– €), von einer Welt, die keine Regierungen mehr kennt – eine Utopie, aber kein Paradies.

Peter Seyferth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Bereich Politikwissenschaft. Er ist der Autor von: Utopie, Anarchismus und Science Fiction. Ursula K. Le Guins Werke von 1962 bis 2002. Münster u.a.: Lit, 2008. (400 S.)


********************

Hyman Roth - Anmerkungen zum Artikel „Zu Räten wird geraten“

In seinem Artikel preist Peter Seyferth die Räte als „andere Demokratie“ an. Einige seine Thesen rufen Fragen hervor, die im Folgenden dargelegt werden.

„Die parlamentarische Demokratie kennen wir aus eigener Anschauung. Im Prinzip ist sie eine Wahlaristokratie: wie in einer aristokratischen Staatsform herrschen wenige über viele, die Entscheidungen werden oben in einem kleinen Kreis getroffen und nach unten per Befehl (heute sagt man lieber „Gesetz“) durchgesetzt – wenn es sein muß, auch mit Gewalt. Die Legitimation der Aristokratie liegt in der angeblichen Tugend des Adels: es herrschen die, die es am besten können. Das gilt in der parlamentarischen Demokratie nicht. Das ist auch gut so, denn dieses „Am-Besten-Können“ ist bekanntlich nur ein Mythos, den die Herrschenden zur Machtsicherung verbreiten. Im Parlamentarismus liegt die Legitimation beim Volk, das die Herrscher wählt. Nun ist schon das mit dem Volk recht problematisch, weil da nicht die ganze Bevölkerung dazugehört, d.h. es werden Menschen ausgegrenzt und übergangen. Die Wahlen verstärken dieses Problem: weil nicht über Sachthemen abgestimmt wird, sondern über Personen, die dann ohne weiteres Nachfragen über ebendiese Sachthemen entscheiden dürfen, wird auch der größte Teil des Volkes von der Herrschaft ausgeschlossen. Demokratie ist aber definitionsgemäß die Herrschaft des Volkes.“

Die Demokratie erhebt den Anspruch, sich gerade von der Aristokratie dadurch zu unterscheiden, dass es Herrschaft der Vielen über nicht so viele ist: die Beschlüsse der Mehrheit sind bindend für die Minderheit. Daran könnte man schon Kritik üben, aber den meisten Linken fällt eher auf, dass die Mehrheit gar keine richtige ist. Auch Peter Seyferth haut in diese Kerbe – auch wenn die gesamte Bevölkerung zum Staatsvolk gehört und mitstimmt würde, gäbe es immer noch eine unterlegene Minderheit, für die die Entscheidung der Mehrheit verbindlich wäre.

„Herrschaft des Volkes“ mag zwar die wörtliche Übersetzung des Wortes „Demokratie“ sein bzw. es gibt die verbreitete rhetorische Figur vom „Willen des Volkes“, aber herrschen kann das gesamte Volk nicht – allein schon deswegen, weil im „Volk“ ganz schön widersprüchliche, sich ausschließende Interessen auftreten.  Zum Beispiel die der „Arbeitgeber“ und der „Arbeitnehmer“ – die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie setzen für alle Interessen und Anlegen diesselbe Spielregeln: um umgesetzt zu werden, müssen politische Programme beim festgelegten Abstimmungsverfahren die Mehrheit gewinnen. Dabei wird schon davon ausgegangen, dass das Volk nicht einfach kollektiv dasselbe will und sich daher Mehrheit und Minderheit ergeben wird.

„Wie sieht es denn mit dem anderen Modell aus, der Rätedemokratie? Hier ist die Entscheidungsrichtung eine andere, nämlich von unten nach oben. In den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen werden politische Entscheidungen in überschaubaren Versammlungen der betroffenen Leuten getroffen, in den höchstens 20 Personen umfassenden Räten.“

Es ist nicht ganz klar, ob der Autor historische Räte in Deutschland oder Russland meint oder schon dabei ist, sein eigenes Modell zu beschreiben. Die historischen Räte hatten als „Basiseinheit“ oft große Betriebe, wo die Versammlungen sicherlich mehr als 20 Personen umfassten.

“Wenn mehr Leute betroffen sind, stellt sich freilich das Problem, daß fruchtbare Diskussionen unmöglich werden; ob an einer bestimmten Stelle am Fluß eine Fabrik gebaut werden soll, betrifft so viele Menschen, daß sie sich nicht mehr gemeinsam treffen können. In solchen Fällen entsenden die kleinen Räte auf der untersten Ebene Delegierte, die in sich in einem Rat auf höherer Ebene treffen und dort die Entscheidungen aushandeln. Dabei ist wichtig, daß die Delegierten an die Entscheidungen der unteren Ebenen gebunden sind (man nennt das „imperatives Mandat“); im Delegiertenrat dürfen sie nur solche Entscheidungen treffen, zu denen sie im untersten Rat beauftragt wurden – und ihre Entscheidungen müssen von den unteren Ebenen noch „ratifiziert“ werden, bevor sie Gültigkeit erlangen. Die Aufgabe von Delegiertenräten ist also nicht, zu regieren, sondern weisungsgebunden die Entscheidungsfindung zwischen den vielen Leuten zu ermöglichen, die nicht alle gleichzeitig am selben Ort sein können.“

Was passiert aber beim imperativen Mandat, wenn eine Entscheidung gegen andere steht? Ein „ja“ zu einem Vorschlag gegen ein „nein“? Denn die Delegierten sind an Entscheidung der Basis gebunden und die kann denen gar keinen Raum zu Verhandlungen lassen. In der parlamentarischen Demokratie würde man einfach abstimmen. Man könnte auch über das Thema diskutieren, aber wenn es unter den Delegierten stattfindet, ist die „Basis“ wiederum nicht dabei. Außerdem setzt Diskussion überhaupt voraus, dass alle Seiten sich von Argumenten überzeugen lassen wollen. Themen wie „sollen Arbeiter mehr Lohn bekommen“ oder „sollen Unternehmer mehr Steuern zahlen“ lassen sich wohl kaum durch Argumente lösen – da steht Interesse gegen Interesse ausschließend gegenüber. Niemand nimmt ernsthaft an, dass z.B. die Reden der FDP-Abgeordneten die LINKE-Fraktion überzeugen werden oder umgekehrt, die Anliegen der Wähler sind auch nicht gerade miteinander versöhnbar.

„Die gesellschaftlichen Bereiche, um die es geht, sind sehr vielfältig. Vor über 90 Jahren gab es Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, doch möglich wären auch Räte von Schülern, Lehrern, Frauen, Büroangestellten, Migranten, Radfahrern, Mietern und allen, die von einem bestimmten politischen Problem betroffen sind.“

Einerseits arbeitet jedes Rätesystem mit der Formalisierung der Entscheidungsabläufe, aber während die parlamentarische Demokratie die Frage des Wahlrechtes sehr klar beantwortet (Staatsbürger ab einem bestimmten Alter), ist es in Seyferths Modell nicht ganz klar, wie man „Betroffenheit“ definiert und nach welchem Prinzip Räte nun gebildet werden. Der springende Punkt der historischen Räte war ja gerade, dass nur „Werktätige“ (Arbeiter, Bauern, Soldaten) Räte wählen durften – darauf reagierten andere Gruppen oft mit der Bildung ihrer eigenen Räte (Bürgerräte in Deutschland z.B.), die aber von Arbeiterräten nicht anerkannt wurde. Außerdem: Wenn z.B. jemand Frau und Büroangestellte ist, kann/muss diese Person in zwei Räten mitmachen? Das bedeutet einerseits mehr Zeitbelastung, kann aber anderseits eine Mehrheit durch die „Doppelung“ organisieren. Auch die russischen Bolschewiki ließen ihre Delegierten z.B. einmal in Soldaten- und einmal in Bauernräte wählen, mit der Begründung, die Soldaten wären doch im zivilen Leben Bauern.

„Das Konsensverfahren ist ein kommunikativer Akt, der Gemeinsamkeit schafft, ohne Einheitlichkeit zu erzwingen. Auf unser Beispiel angewandt, könnten sich die beiden Dörfer im Konsensverfahren darauf einigen, daß zwar eine Fabrik gebaut wird, diese aber mit einer Kläranlage ausgestattet wird, außerdem werden Arbeitsplätze und Gewinne der Fabrik zwischen den Dörfern geteilt – über die genauen Prozentsätze wird etwas länger gestritten, wie man sich leicht vorstellen kann, aber am Schluß steht jeder hinter dem Beschluß. Konsens bedeutet Einstimmigkeit und schützt daher jede noch so kleine Minderheit.“

Das Problem vieler linker Debatten über Demokratie, über Entscheidungsverfahren und Mitbestimmung ist, dass sehr detailliert darüber diskutiert wird, wer und wie entscheidet, aber nicht so sehr worüber. Wenn es in Seyferths Räte-Dorfidyll Geld, Lohnarbeit und Profit gibt, dann kann man noch so „basisnah“ entscheiden – die Zwänge und die Konkurrenz werden nach wie vor da sein. Konsensentscheidungen sind unter solchen Umständen völlig illusorisch.

Originaltexte: http://www.systempunkte.org/article/zu-raeten-wird-geraten-eine-andere-demokratie-ist-moeglich.htm / https://systempunkte.org/article/anmerkungen-zum-artikel-%E2%80%9Ezu-raeten-wird-geraten%E2%80%9C


Creative Commons - Infos zu den hier veröffentlichten Texten / Diese Seite ausdrucken: Drucken



Email