Pierre Ramus - Die Unmündigkeit der Wählenden vor ihren gewählten "Vertretern"!

Die Repräsentanten des Parlaments sind Abgeordnete der verschiedenen wahlwerbenden Parteien, die im Streben nach zentraler Regierungs- und Staatsmacht vorwiegend ihre zentrale Aufgabe erblicken; den Kulturkampf eingestellt und sich der "praktischen Arbeit", das heißt, der alltäglichen Kannegießerei persönlicher Gehäßigkeit aus Mandatsinteressen zugewendet haben.

Unzweifelhaft ist es eine Tatsache, daß die an der Spitze aller Parteien stehenden Persönlichkeiten weder in ihren ethischen Charakterelementen, noch in ihrem Vermögen an Wissen, echtem Freiheitsgefühl und Liebe zur Sache des Volkes das sind, als was sie sich geben oder von der ignoranten Menge ihrer seichten Nach- und Mitläufer angestaunt werden. Es sind Politiker und solche sind immer Menschen, die dem ideallosen Eigennutzen auf Kosten der Volksinteressen frönen; Menschen, die in der Betörnng des Volkes ihren Erwerb finden und die im Allgemeinen auf staatlich-sozialem Gebiet so ziemlich dasselbe sind und leisten, was Theologen der kirchlich-konfessionellen Verdunmung auf geistigem Gebiet.

In der Tat kann jeder, jede Abgeordnete in seiner, ihrer Stellung gegenüber ihren Wählern gleich nach der Wahl mit vollem Recht sagen: "Der Staat bin ich"! Von dem Augenblick an, wo die Wählenden ihre Stimnen für ihresgleichen, also Menschen wie sie selbst abgeben damit diese sie vertreten, sind sie ihres Selbstbestimungsrechtes auf politischem Gebiet verlustig gegangen und haben ihr Geschick in die Hände ihrer nun auf Jahre hinaus selbstherrlichen Abgeordneten gelegt. Zu welcher Unmündigkeit degradiert sich eine solche Wählerschaft dadurch vor ihren gewählten "Vertretern"!

Überall, wo die Arbeiterklasse sich das allgemeine Wahlrecht errang, verhält es sich mit den Parlamenten und sie bilden ein Bleigewicht an den Füßen des Volkes, in dessen aufwärtsstrebenden Tendenzen. Die Arbeiterschaft muß die Nutz- und Zwecklosigkeit des Parlamentarismus erkennen und durch direkte Aktion zur wirtschaftlichen Selbstbefreiung übergehen.

Auf die Gewährung des allgemeinen Wahlrechtes hoffte man, es würde den Nationalitätenkampf, Wahlkorruption, die Öde und Geistlosigkeit des Parlamentarismus vermindern; es hat, wie wir dies nun mit fortschreitender Deutlichkeit beobachten können sie alle vermehrt, gesteigert und den alten Übeln noch neue hinzugefügt!

Aus: Befreiung Nr. 75 (Graz, Zeitschrift herausgegeben von Ferdinand Groß). Digitalisiert von www.anarchismus.at


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