Michail Bakunin - Prinzipien und Organisation der Internationalen Revolutionären Gesellschaft (1)
I. Ziel der Gesellschaft
I. Diese Gesellschaft hat als Ziel den Sieg des Prinzips der Revolution auf der Erde, folglich die radikale Auflösung aller gegenwärtig bestehenden religiösen, politischen, ökonomischen und sozialen Organisationen und Einrichtungen, und die Neubildung zunächst der europäischen, dann der universellen Gesellschaft auf den Grundlagen der Freiheit, der Vernunft, der Gerechtigkeit und der Arbeit.
Ein solches Werk kann nicht von kurzer Dauer sein. Die Gesellschaft bildet sich also für eine unbestimmte Zeit und wird erst an dem Tage zu bestehen auf hören, an welchem der Sieg ihrer Grundsätze auf der Erde ihrer Existenzberechtigung ein Ende machen wird.
II. Revolutionärer Katechismus
1. Verneinung des Vorhandenseins eines wirklichen, außer weltlichen persönlichen Gottes und daher auch aller Offenbarung und alles göttlichen Eingreifens in die Angelegenheiten der Welt und der Menschheit. Abschaffung des Dienstes und des Kults der Gottheit.
2. Indem wir den Gotteskult durch die Achtung und Liebe der Menschheit ersetzen, erklären wir: die menschliche Vernunft als einziges Prüfungsmittel der Wahrheit, das menschliche Gewissen als Grundlage der Gerechtigkeit, die individuelle und kollektive Freiheit als einzige Schöpferin der Ordnung in der Menschheit.
3. Die Freiheit ist das absolute Recht aller erwachsenen Männer und Frauen, für ihre Handlungen keine andere Bewilligung zu suchen, als die ihres eigenen Gewissens und ihrer eigenen Vernunft, nur durch ihren eigenen Willen zu ihren Handlungen bestimmt zu werden, und folglich nur verantwortlich zu sein zunächst sich selbst gegenüber; dann gegenüber der Gesellschaft, der sie angehören, aber nur insoweit, als sie ihre freie Zustimmung dazu geben, ihr anzugehören.
4. Es ist nicht wahr, daß die Freiheit eines Individuums durch die Freiheit aller anderen begrenzt wird. Der Mensch ist nur in dem Grade wirklich frei, in welchem seine von dem freien Gewissen aller ändern frei anerkannte und von ihm wie aus einem Spiegel zurückstrahlende Freiheit in der Freiheit der ändern Bestätigung und Ausdehnung ins Unendliche hin findet. Der Mensch ist nur unter in gleicher Weise freien Menschen wirklich frei, und da er nur in seiner Eigenschaft als Mensch frei ist, ist die Knechtschaft eines einzigen Menschen auf der Erde, als Verletzung des Prinzips der Menschheit selbst, eine Negierung der Freiheit aller.
5. Die Freiheit eines jeden kann also nur in der Gleichheit aller verwirklicht werden. Die Verwirklichung der Freiheit in der rechtlichen und tatsächlichen Gleichheit ist die Gerechtigkeit.
6. Es gibt nur ein einziges Dogma, ein einziges Gesetz, eine einzige moralische Grundlage für die Menschen, die Freiheit. Die Freiheit seines Nächsten achten ist die Pflicht; ihn lieben, ihm dienlich sein, ist die Tugend.
7. Absoluter Ausschluß jedes Prinzips von Autorität und Staatsraison. Die menschliche Gesellschaft, die im Uranfang eine natürliche Tatsache war, die vor der Freiheit und dem Erwachen des menschlichen Gedankens lag, und die später eine religiöse Tatsache wurde, nach dem Prinzip der göttlichen und menschlichen Autorität organisiert, muß sich heute neubilden auf der Grundlage der Freiheit, welche von jetzt ab das einzige bildende Prinzip ihrer politischen und ökonomischen Organisation werden muß. Die Ordnung in der Gesellschaft muß die Resultante der größtmöglichen Entwicklung aller lokalen, kollektiven und individuellen Freiheiten sein.
8. Die politische und ökonomische Organisation des sozialen Lebens darf folglich nicht mehr wie heute von oben nach unten und vom Mittelpunkt zum Umkreis ausgehen nach dem Prinzip der Einheit und der erzwungenen Zentralisation, sondern von unten nach oben und von der Peripherie zum Zentrum nach dem Prinzip der freien Assoziation und Föderation.
9. Politische Organisation. Es ist unmöglich, eine konkrete, allgemeine und verbindliche Regel für die innere Entwicklung und die politische Organisation der Nationen festzusetzen, da die Existenz jeder einzelnen Nation einer Menge verschiedener historischer, geographischer und ökonomischer Bedingungen untergeordnet ist, die nie erlauben, ein Organisationsmuster aufzustellen, das für alle gleich gut und annehmbar wäre. Ein solches absolut jedes praktischen Nutzens entbehrende Unternehmen wäre übrigens ein Eingriff in den Reichtum und die Spontaneität des Lebens, das sich in der unendlichen Verschiedenheit gefällt, und, was noch mehr bedeutet, es wäre dem Prinzip der Freiheit selbst entgegen. Es gibt aber doch wesentliche, absolute Bedingungen, außerhalb welcher die praktische Verwirklichung und die Organisation der Freiheit immer unmöglich sein wird.
Diese Bedingungen sind:
a) Die radikale Abschaffung jeder offiziellen Religion und jeder privilegierten oder auch nur vom Staat geschützten, bezahlten und unterhaltenen Kirche. Absolute Gewissens- und Propagandafreiheit für jeden mit unbegrenzter Möglichkeit für jeden, seinen Göttern, welche immer es seien, soviel Tempel wie er will zu errichten und die Priester seiner Religion zu bezahlen und zu unterhalten.
b) Die als religiöse Körperschaften betrachteten Kirchen werden keines der den produktiven Assoziationen zuteil werdenden Rechte genießen, sie können weder erben noch Güter in Gemeinschaft besitzen, mit Ausnahme ihrer Häuser oder Gebetsanstalten, und dürfen sich nie mit Kindererziehung beschäftigen, da ihr einziger Lebenszweck die systematische Leugnung der Moral, der Freiheit und lukrative Zauberei ist.
c) Abschaffung der Monarchie. Republik.
d) Abschaffung der Klassen, Rangstufen, Privilegien und Unterschiede aller Art. Absolute Gleichheit der politischen Rechte für alle Männer und Frauen. Allgemeines Stimmrecht.
e) Abschaffung, Auflösung und moralischer, politischer, gerichtlicher, bürokratischer und finanzieller Bankrott des bevormundenden, überragenden, zentralistischen Staates, der das Doppelspiel und andere Ich der Kirche und als solches dauernde Ursache der Verarmung, Verdummung und Versklavung der Völker ist. Als natürliche Folge die Abschaffung aller Staatsuniversitäten, indem die Sorge für den öffentlichen Unterricht ausschließlich den Gemeinden und freien Assoziationen angehören soll; Abschaffung des staatlichen Richtertums, indem alle Richter vom Volke gewählt werden sollen; Abschaffung der gegenwärtig in Europa gültigen Gesetzbücher für Straf- und bürgerliches Recht, weil sie alle auf gleiche Weise vom Kult Gottes, des Staates, der religiös oder politisch geheiligten Familie und des Eigentums inspiriert dem menschlichen Recht zuwider sind, und weil das Gesetzbuch der Freiheit nur durch die Freiheit selbst geschaffen werden kann. Abschaffung der Banken und aller anderen Krediteinrichtungen des Staates. Abschaffung jeder zentralen Verwaltung, der Bürokratie, der stehenden Heere und der Staatspolizei.
f) Unmittelbare und direkte Wahl aller öffentlichen, gerichtlichen und zivilen Funktionäre sowie aller nationalen, provinziellen und kommunalen Vertreter oder Räte durch das Volk, das heißt durch das allgemeine Stimmrecht aller, der erwachsenen Männer und Frauen.
g) Innere Reorganisation jedes Landes mit der absoluten Freiheit der Individuen, Produktionsassoziationen und Gemeinden als Ausgangspunkt und Grundlage.
h) Individuelle Rechte.
(1.) Das Recht jedes einzelnen, männlichen oder weiblichen Wesens, von der Stunde seiner Geburt bis zu seiner Großjährigkeit vollständig unterhalten, bewacht, beschützt, erzogen und unterrichtet zu werden in allen öffentlichen Schulen, den unteren, mittleren und höheren, industriellen, Kunst und Wissenschaft lehrenden, auf Kosten der Gesellschaft.
(2.) Gleiches Recht eines jeden auf Beratung und im Ausmaß des Möglichen auf Hilfe durch die Gesellschaft im Beginn seiner Laufbahn, die jeder mündig Gewordene frei wählen wird; hierauf wird die Gesellschaft, die ihn für absolut frei erklärte, keinerlei weitere Überwachung der Autorität über ihn ausüben und jede weitere Verantwortlichkeit ihm gegenüber ablehnen, indem sie ihm nur die Respektierung und im Fall der Not den Schutz seiner Freiheit schuldet.
(3.) Die Freiheit jedes mündigen Individuums, Mann oder Frau, muß absolut und vollständig sein; Freiheit, zu gehen und zu kommen, laut jede Meinung auszusprechen, faul oder fleißig, unmoralisch oder moralisch zu sein, mit einem Wort: über die eigene Person und den eigenen Besitz nach Belieben zu verfügen, ohne jemand Rechenschaft abzulegen ; Freiheit, ehrlich zu leben durch eigene Arbeit oder durch schimpfliche Ausbeutung der Wohltätigkeit oder des privaten Vertrauens, sobald beide freiwillig sind und nur von Erwachsenen gespendet werden.
(4.) Unbegrenzte Freiheit jeder Art von Propaganda durch Reden, die Presse, in öffentlichen und privaten Versammlungen, ohne einen anderen Zügel für diese Freiheit als die heilbringende natürliche Macht der öffentlichen Meinung. Absolute Freiheit für Vereinigungen, ohne solche auszunehmen, die nach ihrem Ziel unmoralisch sein oder zu sein scheinen werden, und selbst solche, deren Ziel die Korruption und die Zerstörung der individuellen und öffentlichen Freiheit sein würde.
(5.) Die Freiheit kann und soll sich nur durch die Freiheit verteidigen, und es ist ein gefährlicher Widersinn, sie zu beeinträchtigen unter dem durch den Schein blendenden Vorwand, sie zu beschützen, und da die Moral keine andere Quelle, keinen anderen Ansporn, keine andere Ursache und kein anderes Ziel hat als die Freiheit, und da sie selbst nichts ist als die Freiheit, so wendeten sich alle der Freiheit zum Schutz der Moral auferlegten Einschränkungen immer zum Schaden der Moral. Die Psychologie, die Statistik und die ganze Geschichte beweisen uns, daß die individuelle und soziale Immoralität immer die Folge schlechter öffentlicher und privater Erziehung war und des Fehlens und der Entartung der öffentlichen Meinung, die nur durch die Freiheit allein existiert, sich entwickelt und sich moralisiert, und vor allem die Folge einer fehlerhaften Organisation der Gesellschaft. Die Erfahrung lehrt uns, sagt der berühmte belgische Statistiker Quételet (2), daß die Gesellschaft stets die Verbrechen vorbereitet und daß die Verbrecher nur die notwendigen Werkzeuge sind, welche sie ausführen! Es ist also unnütz, der sozialen Immoralität die Strenge einer in die individuelle Freiheit eingreifenden Gesetzgebung entgegenzustellen. Die Erfahrung lehrt uns im Gegenteil, daß das autoritäre Repressivsystem, weit entfernt davon, Übertretungen Stillstand zu gebieten, sie in den von ihnen betroffenen Ländern nur immer tiefer und weiter entwickelt hat, und daß die öffentliche und private Moral immer sank und stieg in dem Maße der Schmälerung oder Erweiterung der persönlichen Freiheit, und daß wir folglich, um die gegenwärtige Gesellschaft moralisch zu machen, zuerst damit beginnen müssen, mit Stumpf und Stiel diese ganze auf Ungleichheit, Vorrechte, göttliche Autorität und Verachtung der Menschheit gegründete politische und soziale Organisation zu zerstören, und wenn wir sie auf den Grundlagen der vollständigsten Gleichheit, Gerechtigkeit, der Arbeit und einer vernunftgemäßen, nur von der Achtung des Menschen inspirierten Erziehung neugebildet haben, müssen wir ihr als Schutz die öffentliche Meinung geben und als Seele die absoluteste Freiheit.
(6.) Jedoch soll die Gesellschaft nicht völlig waffenlos bleiben gegen schmarotzende, bösartige und schädliche Personen. Da die Arbeit die Grundlage aller politischen Rechte sein soll, so kann die Gesellschaft, die Gemeinde, die Provinz oder die Nation, jede in ihrem eigenen Bereich, diese Rechte großjährigen Personen entziehen, die, ohne invalid, krank oder alt zu sein, auf Kosten öffentlicher oder privater Wohltätigkeit leben, mit der Verpflichtung der Wiedereinsetzung in diese Rechte, sobald sie wieder von ihrer eigenen Arbeit zu leben beginnen.
(7.) Da die Freiheit jedes menschlichen Wesens unveräußerlich ist, wird die Gesellschaft nie dulden, daß irgend jemand juristisch seine Freiheit veräußere oder daß er über sie einem anderen gegenüber durch Kontrakte anders verfüge als auf dem Fuß der vollständigen Gleichheit und Gegenseitigkeit. Sie wird aber nicht verhindern können, daß ein Mann oder eine Frau, die jedes Gefühls persönlicher Würde bar sind, ohne Kontrakt sich einer anderen Person gegenüber in Beziehungen freiwilliger Knechtschaft begeben, aber sie wird solche als von privater Wohltätigkeit Lebende betrachten und sie folglich vom Genuß der politischen Rechte für die ganze Dauer dieser Knechtschaft ausschließen.
(8.) Alle Personen, die ihre politischen Rechte verloren haben, werden gleichfalls des Rechtes beraubt, ihre Kinder zu erziehen und zu behalten.
(9.) Im Fall der Untreue gegen frei eingegangene Verpflichtungen, oder im Fall offenen oder bewiesenen Angriffs gegen das Eigentum, die Person und vor allem gegen die Freiheit eines Bürgers, eines einheimischen oder ausländischen, wendet die Gesellschaft gegen den einheimischen oder ausländischen Delinquenten die von ihren Gesetzen bestimmte Strafe an.
(10.) Absolute Abschaffung aller entwürdigenden und grausamen Strafen, körperlicher Züchtigung und der Todesstrafe, soweit das Gesetz sie billigt und ausführt. Abschaffung aller Strafen von unbestimmter oder zu langer Dauer, die keine Hoffnung, keine wirkliche Möglichkeit der Rehabilitierung zulassen, da das Verbrechen als Krankheit angesehen werden muß und die Bestrafung eher als eine Heilung statt als eine Gegenforderung der Geselllschaft. (11.) Jeder von den Gesetzen einer Gesellschaft, der Gemeinde, der Provinz oder der Nation Verurteilte wird das Recht behalten, sich der ihm aufgelegten Strafe nicht zu unterwerfen, wenn er erklärt, daß er zu dieser Gesellschaft nicht mehr gehören will. In einem solchen Fall wird aber jene ihrerseits das Recht haben, ihn aus ihrem Schoß auszustoßen und ihn als außerhalb ihrer Garantie und ihres Schutzes stehend zu erklären.
(12.) Der Widerspenstige, der so unter das Naturgesetz Auge um Auge, Zahn um Zahn zurückgefallen ist, wenigstens auf dem von dieser Gesellschaft eingenommenen Terrain, kann ausgeraubt, mißhandelt, selbst getötet werden, ohne daß die Gesellschaft sich darum kümmern würde. Jeder kann sich seiner entledigen wie eines schädlichen Tieres, nie aber darf er ihn knechten, ihn als Sklaven verwenden.
i) Rechte der Assoziationen. Die kooperativen Arbeitsassoziationen sind ein neues Ereignis in der Geschichte; wir sind heute bei ihrer Geburt anwesend und können zur Stunde die ungeheure Entwicklung, die sie ohne jeden Zweifel nehmen werden, und die in der Zukunft daraus entstehenden neuen politischen und sozialen Verhältnisse nur vorausahnen, aber nicht näher bestimmen. Es ist möglich und selbst sehr wahrscheinlich, daß sie eines Tages die Grenzen der Gemeinden, Provinzen und selbst der gegenwärtigen Staaten überschreitend der ganzen menschlichen Gesellschaft eine neue Verfassung geben werden, indem dieselbe nicht mehr in Nationen, sondern in verschiedene industrielle Gruppen geteilt sein würde, nach den Bedürfnissen der Produktion und nicht nach denen der Politik organisiert. Dies geht die Zukunft an. Was uns betrifft, können wir heute nur dieses absolute Prinzip aufstellen: welches auch ihr Ziel sei, alle Assoziationen, wie alle Individuen, müssen absolute Freiheit genießen. Weder die Gesellschaft noch irgendein Teil derselben: Gemeinde, Provinz oder Nation, hat das Recht, freie Personen zu hindern, sich mit irgendeinem Ziel frei zu assoziieren, mit einem religiösen, politischen, wissenschaftlichen, industriellen, künstlerischen Ziel oder selbst mit dem Ziel der gegenseitigen Korruption und der Ausbeutung der Harmlosen und Dummen, vorausgesetzt, daß diese nicht minderjährig sind. Die Bekämpfung der Scharlatane und verderblicher Assoziationen ist einzig Sache der öffentlichen Meinung. Aber die Gesellschaft hat die Pflicht und das Recht, die soziale Garantie, die juristische Anerkennung und die politischen und bürgerlichen Rechte jeder Assoziation als Kollektivkörper zu verweigern, die durch ihr Ziel, ihre Vorschriften und Statuten den Grundprinzipien ihrer Verfassung zuwiderlaufen würde und deren sämtliche Mitglieder sich nicht auf dem Fuß vollständiger Gleichheit und Gegenseitigkeit befinden, ohne daß sie jedoch die Mitglieder selbst nur wegen ihrer Teilnahme an nicht durch die Gewährung der sozialen Garantie anerkannten Assoziationen dieser Garantie und Rechte berauben könnte. Der Unterschied zwischen den regulären und den irregulären Assoziationen wird also dieser sein: Die juristisch als Kollektivkörper anerkannten Assoziationen werden auf Grund dieses Umstandes das Recht haben, vor der sozialen Justiz gegen Personen, Mitglieder oder Nichtmitglieder und gegen alle ändern regulären Assoziationen im Fall der Verfehlung gegen Verpflichtungen ihnen gegenüber Klagen einbringen zu können. Die juristisch nicht anerkannten Assoziationen werden als Kollektivkörper dieses Recht nicht haben, aber sie sind in dieser Hinsicht auch keiner juristischen Verantwortung unterworfen, da all ihre Verpflichtungen in den Augen einer Gesellschaft, die ihre kollektive Existenz nicht sanktioniert hat, nichtig sein müssen, wodurch aber keines ihrer Mitglieder von individuell eingegangenen Verpflichtungen befreit wird.
j) Die Teilung eines Landes in Regionen, Provinzen, Distrikte und Gemeinden, oder in Departements und Gemeinden wie in Frankreich, wird natürlich von der Lage, den historischen Gewohnheiten, den gegenwärtigen Bedürfnissen und der besonderen Lage eines jeden Landes abhängen. Hier sind nur zwei gemeinsame und obligatorische Grundsätze nötig für jedes Land, das ernstlich seine Freiheit organisieren will. Erstens muß jede Organisation von unten nach oben vorschreiten, von der Gemeinde zur zentralen Einheit des Landes, zum Staat, auf dem Wege der Föderation. Zweitens muß zwischen den Gemeinden und dem Staat wenigstens ein autonomer Vermittler bestehen: das Departement, die Region oder die Provinz. Sonst wäre die Gemeinde, in beschränktem Sinn dieses Wortes genommen, immer zu schwach, um dem gleichmäßig und despotisch zentralisierenden Druck des Staates zu widerstehen, wodurch notwendigerweise jedes Land zum despotischen Regime der französischen Monarchie gebracht würde, wie wir dies zweimal am Beispiel von Frankreich gesehen haben, da der Despotismus seine Wurzel immer viel mehr in der zentralisierenden Organisation des Staates hatte als in der natürlich stets despotischen Veranlagung der Könige.
k) Die Grundlage der politischen Organisation eines Landes muß die absolut autonome Gemeinde sein, die immer von der Mehrzahl der Stimmen aller großjährigen Einwohner, Männer und Frauen mit gleichem Recht, vertreten wird. Keine Macht hat das Recht, sich in ihr inneres Leben, ihre Handlungen und ihre Verwaltung einzumengen. Sie ernennt und setzt ab durch Wahl alle Funktionäre, Verwalter und Richter und verwaltet ohne jede Kontrolle das Gemeindeeigentum und ihr Finanzwesen. Jede Gemeinde wird das unbestreitbare Recht besitzen, von jeder höheren Bestätigung unabhängig ihre eigene Gesetzgebung und Verfassung zu schaffen. Um aber in die provinzielle Föderation einzutreten und einen integrierenden Bestandteil einer Provinz zu bilden, muß sie unbedingt ihre eigene Verfassung den Grundprinzipien der Provinzialverfassung anpassen und sie vom Parlament dieser Provinz sanktionieren lassen. Sie muß sich auch den Urteilen des Provinzialgerichts unterwerfen und den durch Abstimmung des Provinzialparlaments sanktionierten, ihr von der Provinzialregierung befohlenen Maßnahmen. Sonst würde sie aus der Solidarität, Garantie und Gemeinschaft ausgeschlossen (und) außerhalb des Gesetzes der Provinz (gestellt).
l) Die Provinz darf nichts als eine freie Föderation der autonomen Gemeinden sein. Das Provinzialparlament, bestehend nur aus einer einzigen Kammer von Vertretern aller Gemeinden oder aus zwei Kammern bestehend aus den Vertretern der Gemeinden und den Vertretern der ganzen Provinzbevölkerung, unabhängig von den Gemeinden, dieses Provinzialparlament, das sich in die innere Verwaltung der Gemeinden nicht einmischen würde, muß die Grundsätze der Provinzialverfassung aufstellen, die für alle Gemeinden, die an dem Provinzparlament teilnehmen wollen, obligatorisch sein müssen. Diese Grundsätze, die den Gegenstand dieses Katechismus bilden, sind rekapituliert im Artikel 11 (3). Auf Grundlage dieser Prinzipien wird das Parlament die Provinzialgesetzgebung zusammenstellen, betreffend die Pflichten und Rechte der Personen, Assoziationen und Gemeinden und die Strafen bei Übertretung derselben, wobei die Gemeindegesetzgebungen das Recht behalten, in sekundären Punkten von der Provinzialgesetzgebung abzuweichen, nie aber in bezug auf die Grundlage, das Streben nach wirklicher, lebendiger Einheit, nicht nach Einförmigkeit, und mit dem Vertrauen, daß eine noch intimere Einheit hergestellt werden wird durch die Erfahrung, die Zeit, die Entwicklung des gemeinsamen Lebens, die eigene Einsicht und Bedürfnisse der Gemeinden, durch die Freiheit mit einem Wort, nie durch Zwang oder Gewalt der Provinzialmacht; denn selbst Wahrheit und Gerechtigkeit werden, wenn sie mit Gewalt aufgezwungen werden, Unbill und Lüge. Das Provinzialparlament wird die Verfassungsurkunde der Föderation der Gemeinden aufsetzen, ihre Rechte und Pflichten für sich und gegenüber dem Parlament, dem Gericht und der Regierung der Provinz. Es stimmt über Gesetze, Verfügungen und Maßregeln ab, die durch die Bedürfnisse der ganzen Provinz geboten sind oder auf Beschlüsse des nationalen Parlaments zurückgehen, ohne je die Provinzialautonomie und die Gemeindeautonomie aus dem Auge zu verlieren. Ohne sich in die innere Verwaltung der Gemeinden einzumischen, setzt es deren Quote für die nationalen und provinziellen Steuern fest. Die Gemeinde selbst verteilt diese Leistung unter allen arbeitsfähigen und erwachsenen Einwohnern. - Das Parlament kontrolliert endlich die Handlungen, billigt oder verwirft die Vorschläge der Provinzialregierung, die natürlich immer einer Wahl entspringt. Das gleichfalls gewählte Provinzialgericht urteilt ohne Appell über alle Fälle zwischen Personen und Gemeinden, Assoziationen und Gemeinden unter sich, und es urteilt in erster Instanz über alle Fälle zwischen Gemeinden und der Regierung oder dem Provinzialparlament.
m) Die Nation darf nichts sein als eine Föderation autonomer Provinzen. Das nationale Parlament, bestehend nur aus einer Kammer, den Vertretern aller Provinzen, oder aus zwei Kammern, den Provinzialvertretern und den Vertretern der ganzen nationalen Bevölkerung ohne Rücksicht auf die Provinzen, dieses nationale Parlament, das sich in die Verwaltung und das innere politische Leben der Provinzen nicht einmischt, wird die Grundprinzipien der nationalen Verfassung festsetzen, die für alle Provinzen, die am nationalen Pakt teilnehmen wollen, obligatorisch sind. Diese Grundsätze sind in Artikel 11 rekapituliert. Auf Grundlage derselben wird das nationale Parlament die nationale Verfassungsurkunde aufsetzen, von der die provinziellen Verfassungen in sekundären Punkten, nie in den Grundsätzen, abweichen können. Es wird die Verfassungsurkunde der Föderation der Provinzen aufsetzen, alle von den Bedürfnissen der ganzen Nation gebotenen Gesetze, Verfügungen und Maßregeln votieren, die nationalen Steuern bestimmen und auf die Provinzen verteilen, denen die Aufgabe bleibt, sie auf die Gemeinden zu verteilen. Es wird endlich alle Handlungen der ausführenden nationalen Regierung, die immer auf Zeit gewählt wird, kontrollieren und ihre Vorschläge annehmen oder verwerfen. Es schließt Bündnisse zwischen Nationen, entscheidet über Frieden und Krieg und besitzt allein das Recht, für eine stets beschränkte Zeitdauer die Aufstellung einer nationalen Armee zu verfügen. Die Regierung wird nur das Ausführungsorgan seines Willens sein. Das Nationalgericht urteilt ohne Appell über alle Fälle von Personen, Assoziationen und Gemeinden gegen die Provinz und in allen Streitsachen zwischen Provinzen. In Streitfällen zwischen Provinzen und dem Staat, die auch dem Urteil dieses Gerichts unterliegen, können die Provinzen an das internationale Gericht appellieren, wenn ein solches einmal bestehen wird.
n) Die internationale Föderation wird alle Nationen umfassen, die sich auf den bisher und im folgenden hier entwickelten Grundlagen vereinigt haben. Es ist wahrscheinlich und sehr wünschenswert, daß, wenn die Stunde der großen Revolution von neuem schlägt, alle dem Banner der Volksbefreiung folgenden Nationen sich die Hand reichen zu einer dauernden und intimen Allianz gegen die Koalition der Länder, welche sich den Befehlen der Reaktion unterstellen werden. Diese Allianz wird zuerst eine beschränkte Föderation bilden, gewissermaßen den Keim der universellen Föderation der Völker, die in der Zukunft die ganze Erde umfassen soll. Die internationale Föderation der revolutionären Völker mit einem Parlament, einem Gericht und einem leitenden Komitee, die alle international sind, wird natürlich auf den Grundsätzen der Revolution selbst begründet sein. Auf die internationale Politik angewendet, sind diese Grundsätze die folgenden:
(1.) Jedes Land, jede Nation, jedes Volk, klein oder groß, schwach oder stark, jede Region, Provinz oder Gemeinde besitzt das absolute Recht, über ihr Schicksal zu verfügen, ihre eigene Existenz zu bestimmen, ihre Bündnisse zu wählen, sich zu vereinigen und zu trennen, nach ihrem Willen und Bedürfnis, ohne Rücksicht auf die sogenannten historischen Rechte und auf die politischen, kommerziellen oder strategischen Notwendigkeiten der Staaten. - Wenn die Vereinigung der Teile zu einem Ganzen wahr, fruchtbar und stark sein soll, muß sie absolut frei sein. Sie darf einzig und allein das Resultat der lokalen, inneren Notwendigkeiten und der gegenseitigen Anziehung der Teile sein, über welche Notwendigkeiten und Anziehung die Teile selbst die einzigen Richter sind.
(2.) Absolute Abschaffung des sogenannten historischen Rechts und des schrecklichen Rechts der Eroberung, da sie dem Prinzip der Freiheit zuwiderlaufen.
(3.) Absolute Negierung der Politik der Vergrößerung, des Ruhms und der Macht des Staates - einer Politik, die aus jedem Land eine Festung macht, die den ganzen Rest der Menschheit von sich ausschließt und es dadurch zwingt, sich gewissermaßen als die ganze Menschheit zu betrachten, sich absolut selbst zu genügen, sich in sich selbst zu organisieren als eine von der ganzen menschlichen Solidarität unabhängige Welt und sein Wohlbefinden und seinen Ruhm in dem Übel zu suchen, das es den anderen Nationen antut. Ein eroberndes Land ist notwendigerweise ein im Innern versklavtes Land.
(4.) Ruhm und Größe einer Nation bestehen einzig in der Entwicklung ihrer Menschlichkeit. Ihre Kraft, Einheit, die Wucht ihrer inneren Lebenskraft werden allein an dem Grad ihrer Freiheit gemessen. - Wenn man die Freiheit als Grundlage nimmt, gelangt man notwendigerweise zur Einheit; von der Einheit aber gelangt man schwer oder überhaupt nicht zur Freiheit. Wenn man zu ihr gelangt, so geschieht es nur durch Zerstörung einer innerhalb der Freiheit zustande gekommenen Einheit.
(5.) Wohlstand und Freiheit der Nationen, wie jedes einzelnen, sind absolut solidarisch - daher absolute Handels-, Geschäfts- und Verkehrsfreiheit zwischen allen föderierten Ländern. Abschaffung der Grenzen, Pässe und Zollstätten. Jeder Bürger eines föderierten Landes muß alle bürgerlichen Rechte in allen derselben Föderation angehörenden Ländern genießen und das Bürgerrecht und alle politischen Rechte leicht erwerben können.
(6.) Da die Freiheit aller, von Personen und Kollektivitäten, solidarisch ist, kann keine Nation, Provinz, Gemeinde und Assoziation unterdrückt werden, ohne daß alle anderen in ihrer Freiheit bedroht wären und sich bedroht fühlten. Einer für alle und alle für einen - dies muß der heilige Grundsatz der internationalen Föderation sein.
(7.) Keines der föderierten Länder darf eine stehende Armee oder Einrichtungen behalten, die den Soldat vom Bürger trennen. - Urheberinnen von Ruin, Korruption, Verdummung und Tyrannei im Innern, sind die stehenden Armeen und der Soldatenberuf noch eine Bedrohung des Wohlstands und der Unabhängigkeit aller anderen Länder. Jeder gesunde Bürger muß im Notfall Soldat werden zur Verteidigung seines Heims oder der Freiheit. Die nationale Rüstung muß in jedem Lande nach Gemeinden und Provinzen organisiert werden, ungefähr wie in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Schweiz.
(8.) Das internationale Parlament, bestehend aus einer einzigen Kammer, den Vertretern aller Nationen, oder aus zwei Kammern, jenen Vertretern und den direkten Vertretern der ganzen Bevölkerung der internationalen Föderation ohne Unterschied der Nationalität, dieses föderale Parlament wird den internationalen Pakt aufsetzen und die föderale Gesetzgebung feststellen, die es allein berufen ist, nach den Zeiterfordernissen zu entwickeln und abzuändern. Das internationale Gericht hat keine andere Mission, als in letzter Instanz zwischen Staaten und deren Provinzen Recht zu sprechen. Die etwaigen Differenzen zwischen föderierten Staaten können nur in erster und letzter Instanz vom internationalen Parlament gerichtet werden, das auch ohne Appell in allen Fragen gemeinsamer Politik entscheidet und für den Fall des Krieges im Namen der ganzen revolutionären Föderation gegen die reaktionäre Koalition.
(9.) Kein föderierter Staat darf je gegen einen anderen föderierten Staat Krieg führen. Wenn das internationale Parlament sein Urteil gesprochen hat, muß sich der verurteilte Staat unterwerfen. Tut er dies nicht, so müssen alle anderen Staaten der Föderation ihren Verkehr mit ihm abbrechen, ihn außerhalb des föderalen Gesetzes, der Solidarität und der föderalen Gemeinschaft stellen und im Fall eines Angriffs auf sie sich solidarisch gegen ihn rüsten.
(10.) Alle zur revolutionären Föderation gehörenden Staaten müssen an jedem Krieg eines derselben gegen einen nicht föderierten Staat tätigen Anteil nehmen. Vor einer Kriegserklärung muß jedes föderierte Land das internationale Parlament verständigen und darf den Krieg nur erklären, wenn das Parlament findet, daß eine hinreichende Kriegsursache vorliegt. In diesem Fall nimmt das ausführende föderale Direktorium die Sache des beleidigten Staates auf und verlangt im Namen der ganzen revolutionären Föderation von dem angreifenden fremden Staate prompte Genugtuung. Ist dagegen das Parlament der Ansicht, daß kein Angriff und keine wirkliche Beleidigung bestehe, wird es dem sich beklagenden Staat raten, keinen Krieg anzufangen und ihm mitteilen, daß, wenn er doch einen Krieg beginne, er ihn ganz allein führen müsse.
(11.) Man muß hoffen, daß im Lauf der Zeit die föderierten Staaten auf den ruinösen Luxus besonderer Vertretungen verzichten und sich mit einer föderalen diplomatischen Vertretung begnügen werden.
(12.) Die beschränkte internationale revolutionäre Föderation wird den Völkern, die ihr später beitreten wollen, immer offen stehen auf Grundlage der Ideen und der militanten und aktiven Solidarität der Revolution, wie sie hier auseinandergesetzt sind - stets aber nur, ohne je betreffs dieser Grundsätzejemand die geringste Konzession zu machen. Folglich können nur die Völker in die Föderation aufgenommen werden, die alle Prinzipien angenommen haben, wie sie in Artikel 11 rekapituliert sind.
10. Soziale Organisation. Ohne politische Gleichheit gibt es keine wirkliche politische Freiheit, aber die politische Gleichheit wird nur dann möglich sein, wenn die ökonomische und soziale Gleichheit bestehen wird.
a) Die Gleichheit bedeutet weder die Gleichmachung der individuellen Verschiedenheiten noch die intellektuelle, moralische und physische Identität der Individuen. Diese Verschiedenheit von Fähigkeiten und Kräften, diese Unterschiede von Rassen, Nationen, Geschlecht, Alter unter den Menschen sind durchaus keine sozialen Übel, sondern bilden im Gegenteil den Reichtum der Menschheit. Die ökonomische und soziale Gleichheit bedingt ebensowenig die Gleichmachung des persönlichen Vermögens, insoweit es das Produkt der Fähigkeit, produktiven Energie und Sparsamkeit jedes einzelnen ist.
b) Die Gleichheit und die Gerechtigkeit verlangen nur: eine solche Gesellschaftseinrichtung, daß jedes menschliche Wesen, wenn es auf die Welt kommt, dort, soweit dies nicht von der Natur, sondern von der Gesellschaft abhängt, die gleichen Mittel findet zur Entwicklung seiner Kindheit und Jugend, bis es erwachsen ist, zunächst für seine Erziehung und seinen Unterricht und später zur Übung der verschiedenen Kräfte, die die Natur in jeden für die Arbeit gelegt hat. - Diese Gleichheit des Ausgangspunkts, welche die Gerechtigkeit für jeden erfordert, wird unmöglich sein, solange das Erbrecht bestehen bleibt.
c) Die Gerechtigkeit sowie die Menschenwürde verlangen, daß jeder einzig und allein der Sohn seiner Werke sei. Wir weisen mit Entrüstung das Dogma der Erbsünde, der erblichen Schande und Verantwortlichkeit zurück. Mit derselben Folgerichtigkeit müssen wir die fiktive Erblichkeit der Tugend, der Ehren und der Rechte zurückweisen, auch die des Vermögens. Der Erbe irgendeines Vermögens ist nicht mehr ganz der Sohn seiner Werke und ist in bezug auf den Ausgangspunkt ein Bevorrechteter.
d) Abschaffung des Erbrechts. Solange dieses Recht besteht, werden die erblichen Unterschiede der Klassen, Stellungen, des Vermögens, werden mit einem Wort die soziale Ungleichheit und das Privileg, wenn nicht rechtlich, wenigstens tatsächlich weiterbestehen. - Die faktische Ungleichheit bringt aber nach einem der Gesellschaft eigenen Gesetz immer die Ungleichheit der Rechte mit sich; die soziale Ungleichheit wird notwendig zur politischen Ungleichheit. Und ohne politische Gleichheit gibt es, wie wir sagten, keine Freiheit im allgemeinen, menschlichen, wirklich demokratischen Sinn des Wortes; die Gesellschaft würde stets in zwei ungleiche Teile zerfallen, deren einer, der ungeheuer große, die ganze Volksmasse umfassende von dem ändern unterdrückt und ausgebeutet würde. Folglich ist das Erbrecht dem Sieg der Freiheit entgegengesetzt, und wenn die Gesellschaft frei werden will, muß sie es abschaffen.
e) Sie muß es abschaffen, weil dieses Recht, da es auf einer Fiktion beruht, dem Prinzip der Freiheit selbst zuwiderläuft. - Alle persönlichen, politischen und sozialen Rechte haften an der wirklichen und lebenden Person. Nach dem Tode gibt es nur den fiktiven Willen einer Person, die nicht mehr existiert und die im Namen des Todes die Lebenden bedrückt. Wenn der Tote auf die Durchführung seines Willens hält, möge er kommen und ihn selbst ausführen, wenn er kann; er hat aber nicht das Recht, zu verlangen, daß die Gesellschaft ihre ganze Macht und ihr Recht in den Dienst seiner Nichtexistenz stellt.
f) Der legitime und ernste Zweck des Erbrechts war stets der, den kommenden Generationen die Mittel, sich zu entwickeln und Männer zu werden, zu sichern. Folglich wird nur der Fonds für Erziehung und öffentlichen Unterricht das Recht haben, zu erben, mit der Verpflichtung, für die gleiche Erhaltung, Erziehung und Unterricht aller Kinder von der Geburt bis zur Mündigkeit und ihrer vollständigen Freiwerdung zu sorgen. Auf diese Weise werden alle Eltern in gleichem Maße über das Schicksal ihrer Kinder beruhigt sein, und da die Gleichheit aller eine Grundbedingung der Moralität eines jeden und da jedes Vorrecht eine Quelle der Immoralität ist, so werden alle Eltern, deren Liebe zu ihren Kindern vernünftig ist und nicht ihrer Eitelkeit dient, sondern ihrer Menschenwürde, selbst wenn sie ihren Kindern ein diese in eine privilegierte Lage bringendes Erbteil hinterlassen könnten, für sie das Regime der vollständigsten Gleichheit vorziehen.
g) Nach Beseitigung der aus dem Erbrecht resultierenden wird noch immer, obgleich bedeutend vermindert, jene Ungleichheit zurückbleiben, die sich aus der Verschiedenheit der Fähigkeiten, Kräfte und der produktiven Energie der einzelnen ergibt - einer Verschiedenheit, die ihrerseits, ohne je ganz zu verschwinden, sich beständig immer mehr verringern wird unter dem Einfluß einer auf Gleichheit begründeten Erziehung und sozialen Organisation, und die übrigens, wenn einmal das Erbrecht abgeschafft ist, nie mehr auf kommenden Generationen lasten würde.
h) Die Arbeit ist die Grundlage der Menschenwürde und des Menschenrechts. Denn nur durch eine freie und intelligente Arbeit schafft der Mensch, seinerseits Schöpfer der äußeren Welt und seiner eigenen Bestialität sein Menschsein und sein Recht abgewinnend, die zivilisierte Welt.
Die Unehre, die in der antiken Welt und der feudalen Gesellschaft an die Idee der Arbeit geheftet wurde und die ihr zum großen Teil noch heute anhängt, trotz aller Phrasen über ihre Würde, die wir täglich wiederholt hören, diese stupide Verachtung der Arbeit hat zwei Quellen: erstens die so charakteristische Überzeugung des Altertums, die selbst heute noch geheime Anhänger besitzt, daß, um irgendeinem Teil der menschlichen Gesellschaft die Mittel zu geben, sich durch Wissenschaft, Kunst, Rechtserkenntnis und Rechtsdurchführung zu humanisieren, es notwendig sei, daß ein anderer, natürlich viel zahlreicherer Teil, sich der eine neue Ungleichheit zu schaffen: das Privileg der göttlichen Gnade und der Auserwählten durch Gott, welches [im Verein mit] der durch das Recht der Eroberung notwendig entstandenen Ungleichheit von neuem die menschliche Gesellschaft in zwei Lager trennte, die Kanaille und den Arbeit widme, als Sklave. Dieses Grundprinzip der antiken Zivilisation war die Ursache ihres Ruins. Die Stadtgemeinde, durch den privilegierten Müßiggang der Bürger korrumpiert und desorganisiert, andererseits untergraben durch die unbemerkbare und langsame, aber dauernde Tätigkeit dieser enterbten Sklaven weit, die trotz der Sklaverei durch die heilsame Wirkung der Arbeit, selbst der erzwungenen, moralisiert und in ihrer primitiven Kraft bewahrt war - dieses antike Stadtwesen fiel unter den Schlägen der barbarischen Völker, denen diese Sklaven durch ihre Geburt zum großen Teil angehört hatten. - Das Christentum, diese Religion der Sklaven (4), zerstörte später nur die antike Ungleichheit, um Adel, die Hörigen und die Herren: diese letzteren erhielten das edle Handwerk der Waffen und des Regierens, während den Leibeigenen nur die Arbeit blieb, die nicht nur als entwürdigend galt, sondern auch als fluchbeladen. Dieselbe Ursache brachte unvermeidlich dieselbe Wirkung hervor; die Welt des Adels, entnervt und demoralisiert durch das Privileg des Müßiggangs, fiel 1789 unter den Schlägen der Hörigen, empörter Arbeiter, einig und mächtig. Dann wurde die Freiheit der Arbeit proklamiert, ihre Rehabilitierung dem Recht nach. Aber nur dem Recht nach, denn in der Tat selbst bleibt die Arbeit noch entehrt und geknechtet. Die erste Quelle dieser Knechtung, die im Dogma der politischen Ungleichheit der Menschen bestanden hatte, war durch die große Revolution verstopft worden; daher muß man die gegenwärtige Verachtung der Arbeit der zweiten Quelle zuschreiben, die keine andere ist, als die Trennung zwischen geistiger Arbeit und Handarbeit, die sich herausbildete und noch heute in voller Kraft besteht; sie reproduziert in neuer Form die antike Ungleichheit und teilt von neuem die soziale Welt in zwei Lager: die jetzt nicht mehr durch das Gesetz, sondern durch das Kapital privilegierte Minderheit und die Mehrheit der gezwungenen Arbeiter, gezwungen nicht mehr durch das unbillige Recht des gesetzlichen Vorrechts, sondern durch den Hunger. In der Tat ist heute die Würde der Arbeit schon theoretisch anerkannt, und die öffentliche Meinung gibt zu, daß es eine Schande ist, zu leben, ohne zu arbeiten. Nur aber, weil die menschliche Arbeit, in ihrer Gesamtheit betrachtet, in zwei Teile zerfällt, deren einer, ganz geistig und ausschließlich als edel bezeichnet, die Wissenschaften, Künste, den Gedanken, die Auffassung, die Erfindung, die Berechnung, das Regieren und die allgemeine und die subalterne Leitung der Arbeiterkräfte umfaßt, der andere dagegen nur die manuelle Ausführung, die sich durch das ökonomische und soziale Gesetz der Arbeitsteilung auf eine rein mechanische Tätigkeit, ohne Geist und Idee, beschränkt hat - unter diesen Verhältnissen haben sich die Bevorrechteten des Kapitals, eingeschlossen die durch ihre persönlichen Fähigkeiten dazu am wenigsten Berufenen, der ersteren Arbeitskategorie bemächtigt und überlassen die zweite dem Volk. Daraus ergeben sich drei große Übel: eines für die Bevorrechteten des Kapitals, das zweite für die Volksmassen und das dritte, das aus den beiden ersteren hervorgeht, für die Produktion, den Wohlstand, die Gerechtigkeit und die geistige und moralische Entwicklung der ganzen Gesellschaft.
Das Übel, an dem die privilegierten Klassen leiden, ist das folgende: indem sie bei der Verteilung der sozialen Funktionen den bequemen Teil übernehmen, nehmen sie einen immer unbedeutenderen Platz in der geistigen und moralischen Welt ein. Es ist ganz richtig, daß ein gewisser Grad von Muße absolut notwendig ist zur Entwicklung des Geistes, der Wissenschaft und der Kunst; aber solche Muße muß verdient sein, sie muß der gesunden Ermüdung durch tägliche Arbeit folgen, eine gerechte Erholung, die nur von der größeren oder geringeren Energie, Fähigkeit und gutem Willen des einzelnen abhinge und sozial allen auf gleiche Weise zur Verfügung stände. Jede privilegierte freie Zeit dagegen stärkt keineswegs den Geist, sondern entnervt, demoralisiert und tötet ihn. Die ganze Geschichte beweist uns, mit einigen seltenen Ausnahmen, daß die durch Vermögen und Rang privilegierten Klassen stets die in geistiger Beziehung am wenigsten produktiven waren, und die größten Entdeckungen in Wissenschaft, Kunst und Industrie wurden meist von Männern gemacht, die in ihrer Jugend gezwungen waren, mit harter Arbeit ihr Brot zu verdienen. Die menschliche Natur ist so angelegt, daß die Möglichkeit des Schlechten unfehlbar und immer die Wirklichkeit des Schlechten hervorbringt und daß die Moralität des einzelnen viel mehr von seinen Lebensverhältnissen und seinem Milieu abhängt als von seinem eigenen Willen. In dieser Hinsicht, wie in jeder anderen, ist das Gesetz der sozialen Solidarität unerbittlich, so daß man, um die Menschen moralischer zu machen, sich nicht so sehr um ihr Gewissen kümmern muß als um ihre sozialen Existenzbedingungen, und es gibt für die Gesellschaft wie für den einzelnen keinen anderen Erwecker der Moral als die Freiheit inmitten der vollsten Gleichheit. Man setze den aufrichtigsten Demokraten auf einen Thron; wenn er ihn nicht sofort verläßt, wird er unfehlbar eine Kanaille werden. Ein als Aristokrat Geborener, der nicht durch einen glücklichen Zufall seinen Rang verachtet und haßt und sich nicht des Adels schämt, wird unvermeidlich eitel und nichtig sein, nach der Vergangenheit seufzend, nutzlos in der Gegenwart und leidenschaftlicher Gegner der Zukunft. Ebenso wird der Bourgeois, das verwöhnte Kind des Kapitals und der privilegierten Muße, seine freie Zeit zu Müßiggang, Korruption, Ausschweifung verwenden oder sich ihrer als schreckliche Waffe bedienen, um die Arbeiterklassen noch mehr zu knechten, und er wird schließlich gegen sich eine Revolution hervorrufen, die schrecklicher sein wird als die von 1793.
Das Übel, an dem das Volk leidet, ist noch leichter zu bestimmen: es arbeitet für andere, und seine Arbeit ohne Freiheit, Muße und Geist wird dadurch herabgewürdigt, erniedrigt, erdrückt und tötet es. Es ist gezwungen, für andere zu arbeiten, denn, im Elend geboren, ohne Erziehung und vernünftigen Unterricht, moralisch versklavt durch religiöse Einflüsse, sieht es sich waffenlos, diskreditiert, ohne Initiative und eigenen Willen ins Leben geworfen. Vom Hunger von der zartesten Jugend an gezwungen, ein trauriges Brot zu verdienen, muß es seine physische Kraft, seine Arbeit zu den härtesten Bedingungen verkaufen und denkt weder daran noch hat es die materielle Möglichkeit, andere Bedingungen zu verlangen. Vom Elend zur Verzweiflung getrieben, empört es sich manchmal, aber ohne die Einheit und Kraft, die der Gedanke verleiht, schlecht geführt, meist von seinen Führern verraten und verkauft, beinahe immer in Unwissenheit, gegen welches seiner Leiden es sich wenden soll, in den meisten Fällen seinen Schlag nach einer falschen Richtung führend, hat es, bis jetzt wenigstens, in seinen Empörungen Mißerfolg gehabt und fiel, müde des unfruchtbaren Kampfes, immer wieder in die alte Knechtschaft zurück. Diese Knechtschaft wird so lange dauern, als das Kapital, außerhalb der gemeinsamen Tätigkeit der Arbeiterkräfte stehend, dieselben ausbeuten wird, und so lange, als der Unterricht, der in einer gut organisierten Gesellschaft auf alle gleich verteilt sein sollte, nur die Intelligenz einer privilegierten Klasse entwickelt und so dieser den ganzen geistigen Teil der Arbeit überträgt und dem Volke nur die rohe Verwendung seiner geknechteten physischen Kräfte überläßt, die immer verurteilt sind, Ideen auszuführen,die nicht die ihrigen sind. Durch diese ungerechte und verhängnisvolle Entartung wird die Arbeit des Volkes eine rein mechanische, der eines Arbeitstiers ähnliche, und ist entehrt, verachtet und als natürliche Folge jedes Rechts beraubt.
Daraus ergibt sich für die Gesellschaft in politischer, geistiger und moralischer Hinsicht ein ungeheures Übel. Die das Monopol der Wissenschaft genießende Minorität ist als Wirkung dieses Vorrechts selbst an Geist und Herz getroffen bis zum Grade, daß sie vor Wissen dumm wird; denn nichts ist so schädlich und unfruchtbar als patentierte und privilegierte Intelligenz. Andererseits das Volk, vollständig von Wissenschaft entblößt, niedergedrückt von der täglichen mechanischen Arbeit, die es eher verdummt, als daß sie seine natürliche Intelligenz entwickelte, des Lichtes beraubt, das ihm den Weg zu seiner Befreiung zeigen könnte - das Volk, es müht sich vergebens ab in seiner Zwangsarbeit, und da es stets die numerische Kraft für sich hat, bringt es stets die Existenz der Gesellschaft selbst in Gefahr.
Daher ist es notwendig, daß die ungerechte Teilung von geistiger und Handarbeit anders arrangiert wird. Die ökonomische Produktivität der Gesellschaft leidet selbst bedeutend darunter; Intellekt, von körperlicher Tätigkeit getrennt, wird nervös, vertrocknet, entartet, während Körperkraft, vom Geist getrennt, verdummt, und in diesem Zustand künstlicher Trennung produziert keiner der beiden Teile die Hälfte dessen, was er produzieren kann und muß, wenn in neuer sozialer Synthese vereint, beide nur eine einzige produktive Tätigkeit bilden werden. Wenn der Mann der Wissenschaft arbeiten und der Mann der Arbeit denken wird, wird intelligente und freie Arbeit als schönster Ruhmestitel für den Menschen gelten, als Grundlage seiner Würde, seines Rechts, als Offenbarung seiner Menschenkraft auf der Erde - und die Menschheit wird konstituiert sein.
k) Die intelligente und freie Arbeit wird notwendigerweise assoziierte Arbeit sein. Es wird jedem freistehen, sich zur Arbeit zu assoziieren oder nicht, aber es besteht kein Zweifel, daß, mit Ausnahme von Arbeiten der Einbildungskraft, deren Natur die Konzentrierung der Intelligenz des einzelnen in sich selbst erfordert, in allen industriellen und selbst wissenschaftlichen und künstlerischen Unternehmungen, deren Natur assoziierte Arbeit zuläßt, alle die Assoziation vorziehen werden aus dem einfachen Grunde, weil dieselbe auf wunderbare Weise die Produktivität eines jeden vervielfältigt, und weil jeder als Mitglied und Mitarbeiter einer Produktivassoziation in kürzerer Zeit und mit viel weniger Mühe viel mehr verdienen wird. Wenn die freien Produktivassoziationen, nicht mehr Sklaven, sondern ihrerseits Herren und Besitzer des ihnen erforderlichen Kapitals, in ihren Reihen als Mitarbeiter neben den durch den allgemeinen Unterricht befreiten Arbeiterkräften alle speziellen Intelligenzen besitzen werden, die jede Unternehmung erfordert, wenn sie, sich untereinander verbindend, immer frei, nach ihren Bedürfnissen, nach ihrer Art und Weise, früher oder später alle nationalen Grenzen überschreitend, eine ungeheure ökonomische Föderation bilden werden, mit einem Parlament, das durch die ebenso umfassenden wie genauen und detaillierten Daten einer Weltstatistik, wie sie heute noch nicht existieren kann, informiert, Angebot und Nachfrage kombinierend, die Produktion der Weltindustrie leiten, bestimmen und zwischen den verschiedenen Ländern verteilen kann, so daß es nie oder beinahe nie mehr Handelskrisen, Industriekrisen, gezwungenen Stillstand, Unglücksfälle und Not, verlorenes Kapital gäbe - dann wird die menschliche Arbeit, die Befreiung eines jeden und aller, die Welt regenerieren.
l) Grund und Boden mit allem natürlichen Reichtum sind das Eigentum aller, werden aber nur im Besitz derjenigen sein, die sie bebauen.
m) Die Frau, die vom Mann verschieden ist, aber ihm nicht nachsteht, intelligent, arbeitsam und frei wie der Mann, wird ihm gleich erklärt in allen politischen und sozialen Rechten wie in allen solchen Funktionen und Pflichten.
n) Abschaffung nicht der natürlichen Familie, aber der legalen, auf dem bürgerlichen Recht und dem Eigentum begründeten Familie. Die religiöse und die Zivilehe werden durch die freie Ehe ersetzt. Zwei grossjährige Personen verschiedenen Geschlechts haben das Recht, sich nach eigenem Willen, ihren gegenseitigen Interessen und ihren Herzensbedürfnissen zu vereinigen und zu trennen, ohne daß die Gesellschaft das Recht hätte, ihre Vereinigung zu verhindern oder dieselbe gegen ihren Willen aufrechtzuerhalten. Da das Erbrecht abgeschafft und die Erziehung aller Kinder von der Gesellschaft gesichert ist, verschwinden alle bis jetzt für die politische und bürgerliche Weihe der Unwiderruflichkeit der Ehe vorgebrachten Ursachen, und die Vereinigung der beiden Geschlechter muß ihrer vollen Freiheit überlassen werden, die hier wie überall und immer die unerläßliche Bedingung aufrichtiger Moralität ist. - In der freien Ehe müssen Mann und Frau gleichfalls absolute Freiheit genießen. Weder die Gewalt der Leidenschaft noch in der Vergangenheit freiwillig eingeräumte Rechte dürfen als Entschuldigung eines Angriffs des einen Teils gegen die Freiheit des anderen dienen - und jedes solche Attentat würde als Verbrechen betrachtet werden.
o) Sobald eine Frau ein Kind im Schoß trägt, bis zur Geburt desselben, hat sie ein Recht auf eine Unterstützung durch die Gesellschaft, die nicht auf Rechnung der Frau, sondern auf die des Kindes gezahlt wird. Jede Mutter, die ihre Kinder nähren und erziehen will, wird gleichfalls von der Gesellschaft alle Kosten ihres Unterhalts und ihrer den Kindern gewidmeten Bemühungen erhalten.
p) Die Eltern werden das Recht besitzen, ihre Kinder bei sich zu behalten und sich mit ihrer Erziehung zu beschäftigen unter der Vormundschaft und obersten Kontrolle der Gesellschaft, die stets das Recht und die Pflicht hat, die Kinder von den Eltern zu trennen, sobald diese durch ihr Beispiel, ihre Lehren oder brutale, unmenschliche Behandlung die Kinder demoralisieren oder ihre Entwicklung schädigen könnten.
q) Die Kinder gehören weder ihren Eltern noch der Gesellschaft, sie gehören sich selbst und ihrer künftigen Freiheit. Als Kinder, bis zum Alter ihres Freiwerdens, sind sie nur im möglichen Zustand der Freiheit und müssen sich daher unter dem Regime der Autorität befinden. Die Eltern sind ihre natürlichen Vormünde, allerdings, aber ihr legaler und oberster Vormund ist die Gesellschaft, welche das Recht und die Pflicht hat, sich mit ihnen zu beschäftigen, weil ihre eigene Zukunft von der intellektuellen und moralischen Leitung abhängt, die man den Kindern geben wird, und weil sie den Erwachsenen die Freiheit nur unter der Bedingung geben kann, daß sie die Erziehung der Minderjährigen überwacht.
r) Die Schule soll die Kirche ersetzen, mit dem ungeheuren Unterschied, daß, während die Kirche bei ihrer religiösen Erziehungstätigkeit nur das Ziel hat, das Regime der menschlichen Unmündigkeit und der sogenannten göttlichen Autorität zu verewigen, Erziehung und Unterricht der Schule im Gegenteil nur den Zweck der wirklichen Befreiung der Kinder nach Erreichung ihrer Mündigkeit haben, so daß Erziehung und Unterricht nichts anderes sein werden als die allmähliche fortschreitende Anleitung zur Freiheit durch die dreifache Entwicklung der physischen Kräfte, des Geistes und des Willens der Kinder. Vernunft, Wahrheit, Gerechtigkeit, Achtung des Menschen, Bewußtsein der eigenen Würde, die solidarisch und untrennbar von der Menschenwürde der anderen ist, Liebe der Freiheit für sich und alle anderen, Kult der Arbeit als Grundlage und Bedingung jedes Rechts, Verachtung für Unvernunft, Lüge, Ungerechtigkeit, Feigheit, Sklaverei und Müßiggang, dies sollen die Grundlagen der öffentlichen Erziehung sein. Sie soll zuerst Menschen bilden, dann Arbeitsspezialisten und Bürger, und wenn sie mit dem Alter der Kinder fortschreitet, muß natürlich die Autorität immer mehr der Freiheit Platz machen, damit die herangewachsenen Jünglinge, wenn sie vom Gesetz freigemacht sind, vergessen haben mögen, wie sie in ihrer Kindheit durch etwas anderes als die Freiheit geleitet und beherrscht wurden. - Die Achtung des Menschen, dieser Keim der Freiheit, muß auch bei den strengsten und absolutesten Handlungen der Autorität vorhanden sein. Die ganze moralische Erziehung liegt darin: Flößt diese Achtung den Kindern ein, und ihr habt Menschen aus ihnen gemacht.
Nach Beendigung des elementaren und mittleren Unterrichts werden die Kinder, nach ihren Fähigkeiten und Neigungen, beraten, aufgeklärt, aber nicht gezwungen von ihren Vorgesetzten, eine höhere oder eine Spezialschule wählen. Zugleich muß jeder theoretisch und praktisch den ihm am meisten zusagenden Industriezweig studieren und lernen, und er erhält die in seiner Lehrzeit verdiente Summe bei seiner Großjährigkeit.
s) Der großjährig gewordene Jüngling wird für frei erklärt und ist absoluter Herr seiner Handlungen. Als Gegenleistung für die während seiner Kindheit von der Gesellschaft auf ihn verwendete Sorgfalt wird die Gesellschaft drei Dinge von ihm verlangen: daß er frei bleibe, daß er von seiner Arbeit lebe und daß er die Freiheit anderer achte. Und da die Verbrechen und Laster, an denen die gegenwärtige Gesellschaft leidet, einzig und allein das Produkt einer schlechten sozialen Organisation sind, kann man die Gewißheit haben, daß bei einer auf die Vernunft, die Gerechtigkeit, die Freiheit, die Achtung des Menschen und die vollständigste Gleichheit gegründeten Organisation und Erziehung der Gesellschaft das Gute die Regel werden wird und das Böse eine krankhafte Ausnahme, die sich immer mehr unter dem allvermögenden Einfluß der moralisierten öffentlichen Meinung vermindern wird.
t) Alte Leute, Arbeitsunfähige und Kranke, mit Sorgfalt und Achtung umgeben und alle politischen und sozialen Rechte genießend, werden auf Kosten der Gesellschaft reichlich gepflegt und unterhalten werden.
11. Zusammenfassung der Grundideen dieses Katechismus
a) Verneinung Gottes.
b) Achtung der Menschheit muß den Kult der Gottheit ersetzen. Die menschliche Vernunft wird als einziges Kriterium der Wahrheit anerkannt, das menschliche Gewissen als Grundlage der Gerechtigkeit und die individuelle und kollektive Freiheit als Quelle und einzige Grundlage der Ordnung in der Menschheit.
c) Die Freiheit des einzelnen kann nur in der Gleichheit aller verwirklicht werden. Die Verwirklichung der Freiheit in der Gleichheit ist die Gerechtigkeit.
d) Absoluter Ausschluß des Prinzips der Autorität und Staatsraison. Die Freiheit muß das einzige konstituierende Prinzip der ganzen sozialen Organisation, der politischen sowie der ökonomischen, sein. Die Ordnung in der Gesellschaft muß das Gesamtergebnis der größtmöglichen Entwicklung aller lokalen, kollektiven und individuellen Freiheiten sein. Die ganze politische und ökonomische Organisation muß folglich nicht wie heute von oben nach unten und vom Zentrum zur Peripherie ausgehen nach dem Prinzip der Einheit, sondern von unten nach oben und von der Peripherie zum Zentrum nach dem Prinzip der freien Assoziation und Föderation.
e) Politische Organisation. Abschaffung jeder vom Staat geschützten und bezahlten offiziellen Kirche. Absolute Gewissens- und Kultusfreiheit mit unbeschränktem Recht eines jeden, seinen Göttern Tempel zu errichten und seine Priester zu bezahlen. Absolute Freiheit der religiösen Assoziationen, die übrigens keine politischen und bürgerlichen Rechte besitzen und sich nicht mit der Erziehung von Kindern werden beschäftigen können. Abschaffung und Bankrott des zentralisierenden und bevormundenden Staates. - Absolute Freiheit des einzelnen, Anerkennung der politischen Rechte nur derer, die von ihrer Arbeit leben, unter der Bedingung, daß sie die Freiheit der anderen achten. Allgemeines Stimmrecht, unbegrenzte Press-, Propaganda-, Rede- und Versammlungsfreiheit (für öffentliche und private Versammlungen). Absolute Assoziationsfreiheit, wobei aber die juristische Anerkennung nur denen zuteil wird, die durch ihren Zweck und ihre innere Einrichtung sich nicht in Gegensatz zu den Grundprinzipien der Gesellschaft stellen. Absolute Autonomie der Gemeinde mit dem Recht der Verwaltung und selbst der inneren Gesetzgebung, sobald dieselben den der Provinzialverfassung zugrundeliegenden Prinzipien entsprechen, falls die Gemeinde zur Föderation gehören und die Provinzialgarantie genießen will. Die Provinz soll nur die Föderation der Gemeinden sein. - Autonomie der Provinz gegenüber der Nation mit dem Recht der Verwaltung und inneren Gesetzgebung, sobald dieselben den Grundprinzipien der Nationalverfassung entsprechen, falls die Provinz zur Föderation gehören und die Nationalgarantie genießen will. - Die Nation soll nur die Föderation der Provinzen sein, die freien Willens zu ihr gehören wollen; sie hat die Pflicht, die Autonomie jeder Provinz zu achten, aber das Recht, zu verlangen, daß die Verfassung und besondere Gesetzgebung einer Provinz, die zur Föderation gehören und die Nationalgarantie genießen will, der nationalen Verfassung und Gesetzgebung in den wesentlichen Punkten entsprechen, daß in Sachen der gegenseitigen Beziehungen der Provinzen und der allgemeinen Interessen der Nation jede Provinz die von dem Nationalparlament votierten und ihr von der Nationalregierung mitgeteilten Dekrete ausführe, und daß jede Provinz sich den Entscheidungen des Nationalgerichts füge, vorbehaltlich des Appells an das internationale Gericht, wenn dieses bestehen wird. Bei Verweigerung des Gehorsams in einem dieser drei Fälle wird die Provinz außerhalb des Gesetzes und außerhalb der nationalen Solidarität gestellt und im Fall eines Angriffs ihrerseits gegen eine der föderierten Provinzen wird sie von der nationalen Armee zur Raison gebracht werden. Abschaffung des sogenannten historischen Rechts, des Rechts der Eroberung und jeder auf Arrondierung, Vergrößerung, Ruhm und äußere Macht des Staates abzielenden Politik. Wohlstand und Freiheit aller Nationen sind solidarisch, und jede muß ihre Macht in ihrer Freiheit suchen. Die nationale Unabhängigkeit ist ein nationales, unveräußerliches Recht wie die des einzelnen; auf Grund dieser Tatsache muß sie heilig sein, aber nicht auf Grund des historischen Rechts. Daraus, daß ein Land mit einem ändern durch Jahrhunderte vereinigt war, auch wenn dies freiwillig geschehen, folgt nicht, daß es diese Vereinigung weiterhin dulden muß, wenn es nicht mehr will; denn die vergangenen Generationen haben nie das Recht, die Freiheit der gegenwärtigen und künftigen Generationen zu veräußern. Jede Nation, Provinz und Gemeinde wird also das absolute Recht haben, über sich selbst zu verfügen, sich mit ändern zu alliieren oder die früheren und gegenwärtigen Allianzen zu brechen und neue einzugehen, ohne daß ein anderes Land das Recht und das Interesse hätte, sie daran zu hindern. Jede Gewalttätigkeit auf diesem Gebiet muß von der ganzen nationalen Föderation (5) unterdrückt werden, denn jeder Angriff gegen die Freiheit eines einzigen Landes ist eine Beleidigung, eine Bedrohung, ein indirekter Angriff gegen die Freiheit aller Nationen. - Schließlich internationale Föderation und revolutionäre Solidarität der freien Völker gegen die reaktionäre Koalition der noch versklavten Länder.
f) Soziale Organisation. - Die politische Gleichheit ist unmöglich ohne ökonomische Gleichheit. - Die ökonomische Gleichheit und soziale Gerechtigkeit sind unmöglich, solange nicht in der Gesellschaft für jedes ins Leben tretende menschliche Wesen vollständige Gleichheit des Ausgangspunkts besteht, gebildet durch Gleichheit der Mittel für Unterhalt, Erziehung und Unterricht und später für Betätigung der verschiedenen Fähigkeiten und Kräfte, welche die Natur in jeden einzelnen gelegt hat. Abschaffung des Erbrechts. Der Fonds für öffentliche Erziehung wird allein das Recht besitzen, zu erben, da er zu seinen Lasten den Unterhalt, die Beaufsichtigung, Erziehung und den Unterricht der Kinder von der Geburt bis zu ihrer Mündigkeit hat. - Da Arbeit allein Produkte hervorbringt, muß jeder arbeiten, um zu leben, oder er wird als Dieb betrachtet werden. Intelligente und freie Arbeit, die Grundlage der Menschenwürde und aller politischen Rechte, und die Einzelarbeit verschmelzen täglich mehr in der assoziierten Arbeit. - Grund und Boden, das Eigentum aller, werden nur im Besitz derer sein, die sie bebauen. Gleichheit von Mann und Weib in allen politischen und sozialen Rechten. Abschaffung der auf dem bürgerlichen Recht und dem Eigentum begründeten legalen Familie. Freie Ehe. Die Kinder gehören weder den Eltern noch der Gesellschaft. Die oberste Vormundschaft der Kinder, ihre Erziehung und ihr Unterricht gehören der Gesellschaft. - Die Schule wird die Kirche ersetzen. Ihr Ziel: die Schaffung des freien Menschen. Abschaffung der Gefängnisse und des Henkers. - Achtung und Sorgfalt für die Alten, die Arbeitsunfähigen und die Kranken.
12. Revolutionäre Politik
Unsere Grundüberzeugung ist, daß, da die Freiheiten aller Nationen solidarisch sind, die besonderen Revolutionen der einzelnen Länder es auch sein müssen, daß es von jetzt ab in Europa wie auf der ganzen zivilisierten Welt nicht mehr Revolutionen gibt, sondern nur die universelle Revolution, sowie es nur noch eine einzige europäische und Weltreaktion gibt, daß folglich alle besonderen Interessen, alle nationalen Eitelkeiten, Ansprüche, Eifersüchteleien und Feindseligkeiten heute verschmelzen müssen in dem einzigen gemeinsamen und universellen Interesse der Revolution, welche die Freiheit und die Unabhängigkeit jeder Nation durch die Solidarität aller Nationen sichern wird; daß ferner die heilige Allianz der Weltreaktion und die Verschwörung der Könige, des Klerus, des Adels und des bourgeoisen Feudalismus, gestützt auf ungeheuere Budgets, stehende Heere, eine enorme Bürokratie, die über all die schrecklichen Mittel verfügen, die ihnen die moderne Zentralisation gibt mit ihrer Gewohnheit, sozusagen der Routine ihres Vorgehens und dem Recht zu konspirieren und all und jedes auf ein Gesetz gestützt zu tun, daß all dies eine ungeheure, drohende, vernichtende Tatsache ist und daß zu deren Bekämpfung, um ihr eine ebenso mächtige Tatsache entgegenzustellen, um sie zu besiegen und zu zerstören, nicht weniger gehört als die gleichzeitige revolutionäre Allianz und Aktion aller Völker der zivilisierten Welt. Gegen diese Weltreaktion kann die isolierte Revolution keines Volks Erfolg haben, sie wäre eine Torheit, folglich ein Fehler für dieses Volk selbst und ein Verrat, ein Verbrechen gegen alle ändern. Von jetzt ab muß die Erhebung jedes Volks nicht im Hinblick auf sich selbst, sondern im Hinblick auf die ganze Welt geschehen. Damit aber eine Nation sich derart im Namen der ganzen Welt erhebe, muß sie das Programm der ganzen Welt haben, ein hinreichend breites, tiefes, wahres, mit einem Wort hinreichend menschliches Programm, so daß es die Interessen aller umfaßt und die Leidenschaften der ganzen Volksmassen Europas, ohne Unterschied der Nationalität, elektrisiert - ein solches Programm kann nur das der demokratischen und sozialen Revolution sein.
a) Das Ziel der demokratischen und sozialen Revolution kann in zwei Worten definiert werden: Politisch ist es die Abschaffung des historischen Rechts, des Rechts der Eroberung und des diplomatischen Rechts. Es ist die vollständige Befreiung der Personen und Assoziationen vom Joch der göttlichen und menschlichen Autorität - die absolute Zerstörung aller erzwungenen Vereinigungen und Zusammenfügungen von Gemeinden zu Provinzen, von Provinzen und eroberten Ländern zum Staat. Es ist endlich die radikale Auflösung des zentralistischen, bevormundenden, autoritären Staates mit allen militärischen, bürokratischen, regierenden, verwaltenden, gerichtlichen und bürgerlichen Einrichtungen. Es ist mit einem Wort die Rückgabe der Freiheit an alle, Personen, Kollektivkörper, Assoziationen, Gemeinden, Provinzen, Regionen und Nationen, und die gegenseitige Garantie dieser Freiheit durch die Föderation.
Sozial ist es die Bekräftigung der politischen Gleichheit durch die ökonomische Gleichheit. Im Beginn der Laufbahn eines jeden liegt die Gleichheit des Ausgangspunkts, eine nicht von der Natur gegebene, sondern soziale Gleichheit für jeden, d.h. Gleichheit der Mittel für Unterhalt, Erziehung und Unterricht für jedes Kind beider Geschlechter bis zum Alter seiner Mündigkeit (6).
Fußnoten:
1.) Max Nettlau, der dieses Dokument 1924, nach auszugsweiser Veröffentlichung des französischen Originals im 2. Band seiner Bakunin-Biographie (London 1898), zuerst vollständig herausgegeben hat, teilt mit, daß es sich um ein Manuskript von 55 Briefseiten und 5 Zeilen in der Handschrift von Frau Z.S.Obolenska handle. Nettlaus Übersetzung wurde entnommen: M.A.Bakunin, Gesammelte Werke, Bd.III, hrsg. von M.Nettlau, Berlin 1924, S.8-29. Da das Manuskript keine Überschrift trägt, wurde der von Nettlau gewählte Titel beibehalten.
2.) L.A.J. Quételet, den Verfasser von «Sur l’homme et le développement de ses facultés, ou essai de physique sociale» (1836), hat Bakunin 1844 in Paris in der Gesellschaft Carl Vogts wahrscheinlich selbst gekannt.
3.) D.h. am Ende dieses Textes
4.) Anmerkung Nettlaus: «Der von Punkt 10 ab und noch einige Seiten lang von Mroczkowski abgeschriebene Text ist in diesem Satz durch Unlesbarkeit des Originals oder durch Versehen etwas unklar; ich versuche den Sinn herzustellen.»
5.) Möglicherweise richtiger wäre hier: internationale Föderation.
6.) Anmerkung Nettlaus: «Inmitten dieses zweiten Resümees bricht der Text ab, der nicht weitergeschrieben oder nicht vollständig abgeschrieben wurde. Die damalige theoretische Utopie Bakunins bietet er aber im Hauptteil und im ersten Resümee vollständig, während der Abschnitt Revolutionäre Politik durch Artikel 4-11 des Organisationsstatuts ergänzt wird.»
Aus: Oberländer, Erwin (Hg.): Dokumente der Weltrevolution. Der Anarchismus. Walter-Verlag 1972. Digitalisiert von www.anarchismus.at