Helmut Rüdiger (geb. 1903 gest. Juni 1966)
Helmut Rüdiger wurde 1903 im sächsischen Frankenberg geboren. Aus einem liberalen Elternhaus stammend, studierte er in Leipzig und München Germanistik und Kunstgeschichte. Als Jugendlicher schloss er sich zunächst der Wandervogelbewegung an, bis die Ereignisse von 1918 und 1919 sein Interesse an der Arbeiterbewegung weckten. Nach der Zerschlagung der Münchener Räterepublik studierte er intensiv die Arbeiten Gustav Landauers, ohne den der spätere anarchistisch-syndikalistische Theoretiker Rüdiger nicht zu verstehen ist.
Folgerichtig trat er 1922 der Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend Deutschlands bei, ebenso der Freien Arbeiter-Union Deutschlands in Sachsen. An der Uni Leipzig bildete er gemeinsam mit Gerhard Wartenberg (dem späteren Faschismusexperten der FAUD) und Ferdinand Götze (nach 1933 anarcho-syndikalistischer Widerstandskämpfer) einen Diskussionszirkel von Jungakademikern und Jungarbeitern. Mit dem Wechsel an die Universität München 1925 setzte Rüdigers publizistische Tätigkeit ein; zunächst in den Zeitschriften „Junge Anarchisten“ und im FAUD-Organ „Der Syndikalist“. Als die Familie ihm wegen seiner politischen Überzeugungen die finanzielle Unterstützung sperrte, musste er 1928 das Studium aufgeben und ging nach Berlin, um dort die redaktionelle Leitung des „Syndikalist“ zu übernehmen. In Berlin entstanden Freundschaften zu Persönlichkeiten wie Rudolf Rocker und Erich Mühsam.
1932 in die Leitung der FAUD gewählt, verließ Rüdiger im gleichen Jahr aus Frustration über den sich abzeichnenden Faschismus (und infolge interner Auseinandersetzungen in der FAUD) Deutschland und ging unter Ausnutzung seiner internationalen Kontakte nach Spanien, ins Herzland des Anarcho-Syndikalismus. Er betätigte sich in der anarchistischen Exilpresse und avancierte zum für Deutschland zuständigen Sekretär der anarchistischen Internationalen Arbeiter-Assoziation. Während des Spanischen Bürgerkrieges erlebte Rüdiger den Höhenflug der CNT – und dessen rücksichtslose Liquidierung durch den Kommunismus stalinistischer Prägung, was ihn zeitlebens zu einem überzeugten Antistalinisten werden ließ.
1938 ging er ins schwedische Exil nach Stockholm und etablierte sich als Mahner vor den Gefahren des Kommunismus, den er als weltanschaulichen Gegner betrachtete: „Als Verbrecher haben sie am spanischen Volke gehandelt. Wirklich als Verbrecher. Seit 1937 hasse ich die Kommunisten als meine eigentlichen Todfeinde.“ Rüdiger etablierte sich auch in Schweden als syndikalistischer Theoretiker und ist aus dem linken Flügel der schwedischen Arbeiterbewegung faktisch nicht wegzudenken. Sein Antikommunismus und Antitotalitarismus machten ihn zu einer umstrittenen Persönlichkeit; anknüpfend an die spanischen Erfahrungen, wollte er den sektiererischen Charakter des Anarcho-Syndikalismus überwinden, was ihm den Vorwurf des Revisionismus eintrug. Nach 1945 spielte Rüdiger eine bedeutsame Rolle beim Wiederaufbau libertär sozialistischer Strukturen in Deutschland und war zusammen mit Rudolf Rocker, Heinrich Bergmann und Fritz Linow der maßgebliche Kopf hinter der Föderation Freiheitlicher Sozialisten, die von 1949 bis 1953 die Monatszeitschrift „Die Freie Gesellschaft“ herausgab. Politische Berührungsängste hatte er nicht: So schrieb Rüdiger zwischen 1960 und 1962 in der neutralistischen Zeitschrift „Opposition und Ziel“ (Köln: Oppo-Verlag), zu deren Herausgeberkreis der im Dritten Reich wegen Untergrundtätigkeit verurteilte Kölner Ex-Schwarzfrontler und Otto Strasser-Konfident Karl-Ernst Naske gehörte.
Helmut Rüdiger starb während eines Spanienaufenthaltes im Juni 1966 an einem Herzinfarkt.
Originaltext: http://fau-duesseldorf.org/archiv/menschen/helmut-rudiger-geb-1903-gest-juni-1966